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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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POLICE ACADEMY (Hugh Wilson/USA 1984)


"You make me sick." - "Thank you, sir. I make everybody sick."

Police Academy ~ USA 1984
Directed By: Hugh Wilson

Durch einen Erlass der neuen Bürgermeisterin darf sich nunmehr jeder Bürger der Stadt zur Polizei-Ausbildung melden, ungeachtet von Herkunft, Vorbildung, körperlicher Konstitution, Geschlecht und Geisteszustand. Entsprechend bunt gemischt ist das Trüppchen, das Lt. Harris (G.W. Bailey) und Sgt. Callahan (Leslie Easterbrook) von der Police Academy binnen vierzehn Wochen stählen sollen. Das inoffizielle Ziel ist es, die allerfaulsten Eier möglichst lautlos herauszumobben, wofür sich Harris der denunziatorischen Qualitäten der zwei Schleicher Copeland (Scott Thomson) und Blankes (Brant von Hoffman) bedient. Doch unsere Rekruten schlagen sich wackerer als von aller Welt erwartet.

War inklusive seiner ersten beiden Sequels ein Riesenhit damals und Pflichtübung für jedes echte VidKid. Hightower (Bubba Smith), Hooks (Marion Ramsey), Jones (Michael Winslow), Tackleberry (David Graf), Callahan und der demente Commandant Lassard (George Gaynes) - das sind Namen und Figuren, die ihrer Hauptklientel von annu dazumal garantiert noch immer ein abruptes Grinsen ins Gesicht zaubern; Typen, die einem im Nullkommanichts ihre ihnen entsprechenden Porträts vor das geistige Auge zaubern. Steve Guttenberg, der heldenhafte Anführer der Truppe, hielt, im Vergleich zu manchem Kollegen, nicht das gesamte Franchise über durch, weil er - diese Erklärung liegt zumindest nahe - als verschmitzter Till Eulenspiegel des Szenarios seiner Figur irgendwann nichts mehr hinzuzufügen hatte und anders als seine FreundInnen kein spezifisches Humorkennzeichen vorzuweisen hatte. Möglicherweise wurde es ihm auch irgendwann einfach zu blöd. Mein persönliches personelles Highlight zumindest des Startschusses der Reihe ist und bleibt G.W. Bailey als Lieutenant Harris. Nicht nur, dass der Mann die besten Gags des gesamten Films abbekommen hat (man denke nur an das Megafon oder die Sache mit dem Pferdearsch), er spielt auch so unglaublich temperiert und witzig, dass es regelmäßig ein Höchstvergnügen ist, ihm zuzuschauen. Für die nächsten beiden Filme fiel er leider aus. Ein ganz spezielles Evergreen natürlich auch die Sache mit der "Blue Oyster Bar", in der knackige, schwule Rocker gleich jeden zum Tango bitten, der aus Versehen zur Tür reinkommt.
Ein Hohelied singen darf man in diesem Falle auch einmal betreffs der deutschen Synchronfassung, die ihr Bearbeitungsobjekt nicht nur unbeschädigt lässt, sondern es sogar vortrefflich ergänzt. Immer noch most typical 80s; immer noch super.

8/10

Hugh Wilson Police Academy Paul Maslansky


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STONE (Sandy Harbutt/AUS 1974)


"We'll do what we fuckin' like."

Stone ~ AUS 1974
Directed By: Sandy Harbutt

Weil einer von ihnen, der schwer bedröhnte Toad (Hugh Keays-Byrne), Zeuge eines Anschlags auf einen Politiker wird, steht von nun ab die ganze Rockertruppe "Grave Diggers" auf der Abschussliste der Verschwörer. Nachdem bereits drei von ihnen Mordanschlägen zum Opfer gefallen sind, erhält der unkonventionelle Bulle Stone (Ken Shorter) den Auftrag, sich bei den Grave Diggers einzunisten, um von dort aus zu ermitteln. Der Polizist wird eher verhalten in die Reihen der Outlaws aufgenommen, kann sich bald jedoch einer gewissen Faszination für den unbändigen, freien Lebensstil der jungen Leute nicht länger erwehren. Schwankend zwischen der Abscheu für die immer wieder in unnötige Aggression verfallende Art seiner neuen "Freunde" und aufrichtigem Respekt für deren klare Ehrbegriffe kommt es am Schluss doch noch zu unausweichlichen Konfrontation, als man des Killers schließlich habhaft wird...

Ein ungeschliffener Rohdiamant des wilden australischen Siebziger-Kinos, das ultimative Oz-Pendant zu "The Wild Angels", "Easy Rider" und ihren vielen Epigonen. Inszenatorisch gleichermaßen unangepasst wie kompetent entspricht der Einblick in die "Szene", den "Stone" gewährt, ebenso wie die Perspektive des ehern auf der Gesetzesseite stehenbleibenden Polizisten, eine nie zur Gänze entschlüsselte Mixtur aus ehrlicher Faszination und ehrlichem Respekt. Die Charakterköpfe der Grave Diggers mit ihren lustigen Namen haben oder nehmen sich alles, was ihre instinktgesteuerte Para-Existenz ihnen vorgibt: Sie saufen, kiffen, schmeißen hier und da einen Trip, bumsen, wenn ihnen danach ist, machen Kneipenbesuche, pöbeln, beleidigen und prügeln sich mit der "Konkurrenz". Das höchste Freiheitsgefühl beziehen sie von dem Bock zwischen ihren Beinen. Ach, und Satanisten sind sie auch noch, im libertinär geprägten Stil eines Aleister Crowley, versteht sich.
Die Finalszene bringt die unausgewogene, weil unlösbare Ambivalenz, die Stone empfindet, auf den ultimativen Punkt: Der justament "Ausgestiegene", weil er die Suche nach dem Killer unter Gewaltanddrohung beenden konnte, referiert gegenüber seiner aus gutem, bourgeoisem Hause stammenden Freundin über die vielen Vorzüge, die sein kurzes Leben im Rocker-Milieu so mit sich brachte - nur um in der nächsten Sekunden von seinen geschätzten Freunden, die sich wegen Stone um ihre Rache betrogen fühlen und in sein Haus eindringen, schwer krankenhausreif, möglicherweise auch zu Tode geprügelt zu werden. Dennoch insistiert er: "Keine Polizei...". Das was Stone bei den Grave Diggers fand, möchte er nie mehr missen, auch, wenn es ihn die gesammelten Knochen im Leib kostet...

9/10

Sandy Harbutt Rocker Australien Sydney Subkultur undercover Freundschaft Drogen Marihuana Alkohol


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WOLFCOP (Lowell Dean/USA 2014)


"Could you once again report what happened?" - "Yeah. It was a big fuckin' wolf."

WolfCop ~ USA 2014
Directed By: Lowell Dean

Der versoffene Kleinstadt-Cop Lou Garou (Leo Fafard) wacht eines morgens und ohne Erinnerung an die Nacht zuvor mit einem großen, eingeritzten Pentagramm auf der Brust auf. Bei Aufzug von Vollmond und Sonnenfinsternis verwandelt sich Lou schon in der nächsten Nacht um Punkt 10 p.m. in einen Werwolf. Mithilfe des durchgeknallten Waffenladenbesitzers Willie (Jonathan Cherry) hebt der im lykanthropen Zustand noch immer bei Bewusstsein befindliche daraufhin erstmal das örtliche Nest von Crystal-Meth-Rockern aus und pimpt sein Polizeiauto zum Wolfsmobil auf. Doch sein Zustand kommt nicht von ungefähr: Das Provinznest wird nämlich schon seit Jahrhunderten unerkannt von einer echsenhaften Gestaltwandler-Sippe beherrscht, die alle 32 Jahre frisches Werwolfsblut benötigt um ihren Fortbestand zu sichern...

Ein liebenswertes kleines Fun-Splatter-Flick von Fans für Fans, gut sichtbar mit durchweg handgemachten, nostalgieverhafteten Latexeffekten ausgestattet, manchmal etwas über-albern, doch in der Regel durchaus cool, lässig und gewitzt. Der kreative Kopf hinter "WolfCop", Lowell Dean, hat dabei vor allem seine Hausaufgaben betreffs adäquater Genre-Verwurzelung bravourös erledigt: Aus diversen Gattungsbeiträgen der letzten Jahrzehnte finden sich kleine und große hints, von der "Howling"-Reihe über "Teen Wolf" bis hin zu "Full Eclipse". Der bereits präventiv als Serienheld angelegte Antiheld Lou Garou (eine Texttafel am Schluss verkündet groß: "WolfCop will return in 2015") macht in seiner origin dabei eine katapultartige Entwicklung vom versoffenen Dümmling hin zum haarigen Supermann durch, der üble kriminelle und/oder paranormale Elemente wahlweise anpisst, unter Pistolenfeuer nimmt, oder gleich um teils lebenswichtige Gliedmaßen erleichtert. Eine comiceske Figur, wie geschaffen für weitere Abenteuer. Nun, solange diese weiterhin so amüsant eingestielt sind, bin ich gern dabei.

6/10

Lowell Dean Independent Splatter Groteske Werwolf Monster Hommage Trash


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UN FLIC (Jean-Pierre Melville/F, I 1972)


Zitat entfällt.

Un Flic (Der Chef) ~ F/I 1972
Directed By: Jean-Pierre Melville

Commissaire Coleman (Alain Delon) von der Pariser Polizei ist ein harter, emotionsloser Knochen, dem jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel recht ist, um an seine Ziele zu gelangen. Aktuell stehen die Dingfestmachung eines berüchtigten Heroindealers (Léon Minisini) sowie die Verfolgung eines Gaunerquartetts an, das eine Bank überfallen und einen der Kassierer erschossen hat. Dass beide Fälle auf seltsame Weise zusammenlaufen werden, kann Coleman nicht ahnen, ebensowenig die Tatsache, dass sein Freund, der Nachtclubbesitzer Simon (Richard Crenna) und die schöne Cathy (Catherine Deneuve) dabei Schlüsselrollen spielen.

Melvilles letzter Film ist zugleich sein desillusioniertester. Das weihnachtliche Paris gleicht nunmehr einer schmutzigen Metropole in monochromen Farben ohne jedwede Wärme oder Empathie. Auch die Sympathien für seine antagonisten verschwimmen zusehends, wobei den Ganoven; den Unangepassten, den Outlaws, immer noch Melvilles hauptsächliche Zuneigung gilt. Ein Spiel Gut gegen Böse hat es in traditioneller Herkömmlichkeit ohnehin noch nicht gegeben bei Melville; diesmal scheinen die Grenzen allerdings noch fließender, was die in "Un Flic" vorgestellte Welt gleichermaßen zu einem höchst trost- und hoffnungslosen Ort werden lässt. Der Flic gleicht einem verbissenen, opportunistischen Hund, der erniedrigt und unfair spielt, um an Informationen zu gelangen und dem Zwischenmenschlichkeit nichts bedeutet. Sein Gegenspieler Simon führt derweil ein trauriges, überaltertes Krimiellenquartett an - einer seiner Freunde (André Pousse), der beim ersten Coup angeschossen wird, muss getötet werden, bevor er die anderen verraten kann, ein anderer (Riccardo Cucciolla) versucht, seinen früheren Lebensstil aufrecht zu erhalten und neigt zur Depression. Simon selbst ist sich dauerhaft bewusst, mit dem Feuer zu spielen und akzeptiert am Ende, doch noch verraten und verkauft, sein moraläquivalentes Schicksal, wobei er den Freitod dem Gefängnis vorzieht. Einzig Cathy, die sich immerhin auch eines Mordes schuldig gemacht hat, lässt Coleman entkommen. Eine angesichts seiner üblichen Berufspraxis wenig nachvollziehbare Entscheidung, vielleicht eine letzte, menschliche Regung eines ansonsten entmenschlichten Rechtsverfechters.

8/10

Jean-Pierre Melville Paris Heist Freundschaft amour fou


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LE SAMOURAI (Jean-Pierre Melville/F, I 1967)


Zitat entfällt.

Le Samouraï (Der eiskalte Engel) ~ F/I 1967
Directed By: Jean-Pierre Melville

Jef Costello (Alain Delon), Pariser Auftragskiller, erhält den Auftrag, einen Clubbesitzer zu töten. Die Aktion gelingt, doch die aparte Jazzpianistin Valérie (Cathy Rosier) blickt direkt in Jefs Antlitz. Bei einer späteren Gegenüberstellung, eingefädelt durch den ermittelnden, von Jefs Schuld überzeugten Polizeikommissar (François Périer), leugnet sie jedoch, Jef zu kennen. Sein zuvor sorgfältig zurechtgeschustertes Alibi verhindert schließlich Jefs Verhaftung. Seine Auftraggeber jedoch werden von der Unsicherheit der Situation erfasst: Jef soll sterben, bevor er sie womöglich identifiziert. Doch dreht dieser wiederum den Spieß um und erhält nun, da die Hintermänner scheinbar von seinen Qualitäten überzeugt sind, einen weiteren Auftrag: Er soll Valérie erschießen.

Die (etwas mysteriös anmutende) unkreditierte Romanvorlage zu "Le Samouraï" stammt von einer gewissen Joan McLeod und heißt etwas treffender "The Ronin". Die ja mittlerweile längst weitflächig in die Popkultur eingegangene Bezeichnung "Ronin" beschreibt einen ehrlosen Samurai ohne Feudalherrn, der aus unterschiedlichen Gründen, zumeist jedoch unfreiwllig, seines Dienstes enthoben und zum losen Umherwandern gezwungen ist. Wer als Ronin nicht die rituelle Selbsttötung ("Seppuku") vollzieht, ist zu einer Existenz in Schimpf und Schande verdammt. Mit diesen oberflächlichen Informationen im Hinterkopf erklärt sich, warum die Titulierung "Ronin" sehr viel besser zu Jef Costello passt. Der zunächst noch scheinbar trefflich im Geschäft befindlichen Profikiller wird zur persona non grata - das verlorene Engagement infolge der Weigerung, eine gefährliche Zeugin gleich vor Ort aus dem Weg zu räumen bedeutet einen nicht wieder gut zu machenden Fehler innerhalb des engmaschigen Berufskodex'. Und wer in diesem Metier einmal versagt hat, dessen Ruf ist irreparabel geschädigt, der ist nichts mehr wert. Dabei ist offenbar gerade der schweigsame, traurige Jef Costello ein Gattungsexemplar, das nurmehr für seinen Stand lebt. Wenngleich nach seinem Äußeren zu urteilen stets tadellos gekleidet und gepflegt, gleicht seine "Wohnung" einer leblosen, anonymen Bleibe, bestenfalls funktional und von schmutzigen Wänden umkränzt, frei von jedweden Hinweisen auf eine Persönlichkeit. Sein Mitbewohner ist ein in einem schmucklosen, kleinen Käfig gehaltener Dompfaff, der ihm als unscheinbarer "Wachhund" dient. Seine einzige, desolate Form der Zwischenmenschlichkeit erlebt er bei der Prostituierten Jane (Nathalie Delon), die ihm zwar verfallen ist, die er seinerseits jedoch hauptsächlich für eventuelle Alibistellungen benutzt. Melvilles "Samouraï" (oder Ronin) ist bei aller beinahe monströsen Ikonographie (Jef Costello ist von allen Berufskillern der Filmgeschichte wahrscheinlich derjenige, dessen kultureller Impact am nachhaltigsten währt und der einen ganzen cineastischen Genpool begründete) ein trauriger, armseliger Paranoiiker, der, so berührend sein "Seppuku" am Ende auch ausfällt, tot wahrscheinlich besser dran ist als er es in seinen letzten Lebensjahren war. Das fleisch- und bildgewordene Apokryph des ultimativen Antihelden.

10*/10

Jean-Pierre Melville Paris Profikiller Duell


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LE DEUXIÈME SOUFFLE (Jean-Pierre Melville/F 1966)


Zitat entfällt.

Le Deuxième Souffle (Der zweite Atem) ~ F 1966
Directed By: Jean-Pierre Melville

Nachdem der berüchtigte Gangster Gu Minda (Lino Ventura) aus dem Gefängnis entflohen ist, sucht er nach einer Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen, um sich dort vorerst zur Ruhe setzen zu können. Der emsige Commissaire Blot (Paul Meurisse) heftet sich wie ein Bluthund an seine Fersen. Bevor Gu via Marseille verschwindet, bietet sich ihm eine letzte Chance für einen einträglichen Coup, der um einen wertvollen Platin-Transport kreist. Er steigt auf das Angebot ein, der Überfall gelingt planmäßig. Kurz darauf tappt Gu in eine von Blot gestellte Falle, die ihn dazu bringen soll, seinen Partner Paul Ricci (Raymond Pellegrin) zu denunzieren und die ihn mittels manipulierter Presse öffentlich zum Verräter stempelt. Gu gelingt jedoch ein weiteres Mal die Flucht. Diesmal gilt es, Namen und Ehre reinzuwaschen und sich an Blots Kollaborateur - Pauls Bruder Jo (Marcel Bozzuffi) - zu rächen. Um jeden Preis...

In Melvilles Gangsterfilmen geht es stets um ein kriminelles, nach ordinären gesellschaftlichen Maßstäben moralisch verachtenswertes Individuum, um dessen determiniert verlorenen Hals eine sich immer enger ziehende Schlinge liegt. Jeder seiner Protagonisten wäre eigentlich profiliert, geschickt und vor allem intelligent genug, um sich noch rechtzeitig aus der Affäre ziehen und die Flucht durch die Hintertür antreten zu können, doch unterliegt ebenso jeder von ihnen einem ebenso strengen wie komplexen Ehrenkodex, der den Zuschauer zunächst bangend auf seine Seite zieht, ihm dann aber schlussendlich doch zum Verhängnis wird. Denn sie alle sind ebenso Todgeweihte, deren prädestiniertes Ende wenig zeitliche Flexibilität duldet. So ergeht es auch Gu Minda, von Lino Ventura mit dem ihm eigenen, berühmten Stoizismus verkörpert. Minda ist wahrlich kein Unschuldslämmchen, die vielen Jahre im Milieu und im Gefängnis haben ihn unerbittlich gemacht. Menschenleben bedeuten ihm nicht viel, schon gar nicht, wenn es sich um die von amateurhaften Erpressern, oder noch ärger, um die von Polizisten handelt. Ohne mit der Wimper zu zucken drückt er in diesen Fällen den Abzug. Dass beinahe übermenschlich gezeichneten Antihelden wie ihm dennoch das Handwerk gelegt werden kann, liegt an ihren nicht minder verbissenen Antagonisten. Der Pariser Beamte Blot findet sich dabei von Anbeginn deutlich unsympathischer gezeichnet als der Gangster Gu - ein langweiliger, zynischer, uninteressanter Spießer ohne erwähnenswerte existenzielle Höhen und Tiefen, nur leider höchst begütert in der Wahl seiner Mittel und vor allem am längeren ethischen Hebel befindlich. So rückt sich die Welt am Ende von "Le Deuxième Souffle" mit einem von Kugeln durchsiebten Gu Minda wieder in die graue Stromlinienform zurück - um einen unangepassten, schillernden, aber leider weltfalschen Charakter ärmer.

10/10

Jean-Pierre Melville Heist Flucht Paris Duell Freundschaft


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ADIEU, POULET (Pierre Granier-Deferre/F 1975)


Zitat entfällt.

Adieu, Poulet (Adieu, Bulle) ~ F 1975
Directed by: Pierre Granier-Deferre

Der aufstrebende, aus der Industrie stammende Politiker Lardatte (Victor Lanoux) steht im Zusammenhang mit den Morden an einem jungen, oppositionellen Plakatierer (Eric Legrand) sowie dem ihm zur Hilfe eilenden Polizisten Moitrié (Gérard Hérold), für die einer von Lardattes gedungenen Schlägern, der Kriminelle Portor (Claude Brosset) verantwortlich ist. Der Beginn eines aufreibenden Duells zwischen dem sich unbefleckt gebenden Lardatte und Moitriés Kollegen und Freund Verjeat (Lino Ventura), einem Flic mit höchst eigenwilligen Methoden.

Während Bébel in Henri Verneils "Peur Sur La Ville" anno 75 über den Dächern von Paris herumturnte, um einen verrückten Killer dingfest zu machen, ließ es sein älterer Kollege Lino Ventura in der etwas nordwestlicher gelegenen Hafenstadt Rouen etwas ruhiger angehen: Ihm warfen keine Klischeeverbrecher Knüppel zwischen die Beine, sondern ein korrupter, machtgieriger Populist, dessen größtes Bestreben dahin deutete, sich sämtliche Exektuiv- und Judikativkräfte in die eigene Tasche zu stecken und aus dieser heraus für sich arbeiten zu lassen. Als Verjeat eine öffentlichkeitswirksame Diffamierung Lardattes durch den Vater (Jacques Rispal) des erschlagenen Plakatierers tatkräftig unterstützt, soll er prompt versetzt werden. Doch es bleibt noch immer der Fall Moitrié abzuschließen. Mithilfe seines etwas eigenwilligen, aber höchst loyalen Kollegen Lefèvre (Patrick Dewaere) inszeniert Verjeat eine Korruptionsaffäre um seine Person, die eine unmittelbare Versetzung zunächst unmöglich macht und ihm somit mehr Zeit einräumt. Doch sein Vorgesetzter Ledoux (Julien Guiomar) torpediert beständig weiter Verjeats Ermittlungen, bis sich die Finsterlinge schließlich gegenseitig bekriegen. Als man nun doch auf Verjeats Vermittlungskünste zurückgreifen will, wendet der sich mit einem verächtlichen 'Adieu' ab und zieht seiner Wege.
Der französische Polizeifilm der siebziger Jahre schaute sich hier und da manches von seinen amerikanischen Vorbildern ab, wobei er vielleicht etwas weniger Wert auf Spektakel und Aktion legte wie die italienischen Nachbarn. "Adieu, Poulet" ist dabei ein Schwellenfilm, er vermengt Kühle, Abgeklärtheit und Zynismus, die sich durch Venturas Trenchcoat-Figur personifiziert finden, mit einer eher zukunftsweisenden, jugendlichen Rotzigkeit - inkarniert durch den weitaus impulsiver und beweglicher agierenden (und demnach für die wenigen Actionsequenzen verantwortlichen) Patrick Dewaere. Die Hauptqualität von "Adieu, Poulet" liegt darin, beide Pole hinreichend zu bedienen.

8/10

Pierre Granier-Deferre Francis Veber Duell Rouen Buddy Movie


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MORTE SOSPETTA DI UNA MINORENNE (Sergio Martino/I 1975)


Zitat entfällt.

Morte Sospetta Di Una Minorenne (The Suspicious Death Of A Minor) ~ I 1975
Directed By: Sergio Martino

Im Zuge eines Undercover-Einsatzes macht sich der Mailänder Commissario Germi (Claudio Cassinelli) an die junge Prostituierte Marisa (Patrizia Castaldi) heran - nur um diese kurze Zeit später mit durchschnittener Kehle in ihrer Wohnung aufzufinden. Seine nachfolgenden Ermittlungen mithilfe des Trickganoven Giannino (Adolfo Caruso) führen Germi nicht nur tiefer ins Rotlichtmilieu, sondern auch zu einer längst geklärt scheinenden Kindsentführung, Versicherungsbetrug im großen Stil und schließlich einem Verbund arrivierter Geschäftsmänner, dem der aalgatte Pesce (Massimo Girotti) vorsitzt. In diesem hat Germi bald seinen persönlichen Intimfeind, zumal sein Chef (Mel Ferrer) zwecks Skandalsvermeidung um jeden Preis verhindern will, dass Pesce öffentlich an den Pranger gestellt wird...

Mit "Morte Sospetta Di Una Minorenne" legte Alleskönner Sergio Martino einen ebenso schönen wie ungewöhnlichen Spagat zwischen den drei damals aktuellen Erfolgslinien im italienischen Kriminalfilm vor: Das Stück beginnt wie ein Giallo, verwandelt sich später, nachdem die zuvor mysteriös gehaltene Rolle des Protagonisten Germi sich geklärt hat, in einen Poliziottesco und enthält darüberhinaus latente, an die Rizzo- und Giraldi-Reihen angelehnte Humor-Elemente, die natürlich zumeist im Zusammenhang mit den Auftritten von Germis Sidekick Giannino stehen; darunter eine ebenso actionreich wie komisch inszenierte Verfolgungsjagd mit Ente. Hinzu gesellen sich die Aufklärung einer brutalen Mordserie, für die vordergründig ein Killer mit verspiegelter Sonnenbrille verantwortlich zeichnet, die übliche Dosis Gesellschaftskritik, die hinter den organisierten verbrecherischen Schweinereien die ehrbarsten Gesellschaftsmitglieder der Stadt nebst einer mundtot geschalteten Justiz verortet un ein klein wenig Exolitation. Alles in allem ergibt das einen kleinen Sonderling auf dem großzügig beackerten Areal des mediterranen Thrillers, in dem ganz besonders Claudio Cassinelli zu glänzen weiß. Wie der sich nach einer scheinbar resignierten Fügung in den Lauf der ungerechten Dinge doch noch zum Racheengel aufschwingt, das ist einfach überaus wohlschmeckend.

8/10

Sergio Martino Mailand Giallo Poliziottesco Rache Freundschaft


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MIO CARO ASSASSINO (Tonino Valerii/I, E 1972)


Zitat entfällt.

Mio Caro Assassino (My Dear Killer) ~ I/E 1972
Directed By: Tonino Valerii

Ein Versicherungsangestellter (Francesco Di Federico) wird, von einem Bagger enthauptet, am Ufer eines Sumpfes vor der Stadt aufgefunden. Der zunächst rätselhaft anmutende Fall führt den ermittelnden Inspettore Peretti (George Hilton) bald zu weiteren Leichen, die, wie sich herausstellt, allesamt in Verbindung mit einem bereits als abgeschlossen geltenden Fall von Kindesentführung in Verbindung stehen: Damals wurde die kleine Stefania Moroni (Lara Wendel) von Unbekannten entführt und nebst ihrem Vater später tot aufgefunden...

Ein eher unspektakulär ausgefallener Giallo, der formale Extravaganzen weitgehend vermissen lässt und sich stattdessen ganz auf die Lösung des von George Hilton zu bearbeitenden, verworrenen Kriminalfalles konzentriert. Tonino Valerii, der beim Western begann und auf diesem Sektor auch seine bleibendsten Arbeiten sowie hauptsächliche Meriten eingefahren hat, liebäugelte nur dieses eine Mal mit dem italienischen Kriminalgenre und verlor sich später in immer selteneren Genrearbeiten, bis er sich Ende der Neunziger ganz vom Film zurückzog. Für seinen unikalen Œuvre-Status kann "Mio Caro Assassino", der sich zudem eines eindringlichen Morricone-Scores rühmt, allerdings von sich behaupten, einen gelungenen Exkurs zu repräsentieren, wenngleich er auf die psychedelischen Farb- und Kameraspiele der schönsten Gialli verzichtet. Unter dem Strich hinterlässt er, mit Ausnahme vielleicht der etwas albernen, an Agatha-Christie-Auflösungen gemahnenden Finalszene, in der Peretti alle Verdächtigen versammelt und den Schuldigen schließlich aus der Reserve lockt, ebenso schnörkelloses wie zufriedenstellendes, mediterranes Thrillerkino.

6/10

Tonino Valerii Giallo Rom Kidnapping Serienmord


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LANTANA (Ray Lawrence/AU, D 2001)


"Sometimes, love's not enough."

Lantana ~ AU/D 2001
Directed By: Ray Lawrence

Der zur Cholerik neigende Sidneyer Detective Leon Zat (Anthony LaPaglia) ist verheiratet und hat zwei Söhne. Dennoch lässt er sich auf einen Seitensprung mit Jane (Rachael Blake) ein, einer Frau aus jener Tanzschule, die auch Leon und seine Frau Sonja (Kerry Armstrong) besuchen. Während für Jane, die sich just von ihrem Mann (Glenn Robbins) getrennt hat, die Beziehung zu Leon mehr als nur ein Techtelmechtel ist, bereuts dieser die Affäre bereits nach kurzer Zeit. Währenddessen verschwindet die renommierte Analytikerin Valerie Somers (Barbara Hershey) spurlos nach einer nächtlichen Autopanne im Busch. Jane, die von dem Fall in den Nachrichten hört, verdächtigt ihren Nachbarn Nik (Vince Colosimo), etwas mit dem Fall zu tun zu haben, den wiederum Leon untersucht. Dessen Verdachtsmomente gehen in eine andere Richtung: Auf ihren Tonbandaufzeichnungen, unter denen Leon auch ihm bisher unbekannte Sitzungen mit seiner Frau Sonja entdeckt, berichtet Valerie von einem homosexuellen Patienten (Russell Dykstra), der eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat. Hinter diesem vermutet Leon Valeries Ehemann John Knox (Geoffrey Rush), den er einer Gewalttat durchaus für fähig hält...

Warum nicht mal Sidney statt Los Angeles? Wo die kalifornische Metropole sonst den traditionellen Hintergrund für kaleidoskopartige Ensemble-Dramen stellt, geht Ray Lawrence mit seiner Theaterverfilmung nach Sidney und nutzt die dortigen Gegebenheiten, zu denen besonders eine üppige, dschungelartige Vegetation gehört, für seine vielköpfige, brillant verflochtene Beziehungsgeschichte. Wenngleich ein Kriminalfall, der eigentlich gar keiner ist und der sich schließlich als ein durch böse Umstände herbeigeführter Unfalltod einer zunehmend neurotischen, seit dem Tod ihrer kleinen Tochter vereinsamten Frau entpuppt, im Zentrum der Geschichte steht, geht es in "Lantana" vor allen Dingen um Kommunikation: Um Sprechen, Verstehen, Zuhören. Die Geschicke der Figuren werden samt und sonders durch den Verzicht auf Aussprachen, die Angst vor Nachfragen und Missinterpretationen des Verhaltens ihrer Gegenüber in falsche Richtungen gelenkt. Zum Schluss steht dann, nach oftmals kathartischen Selbsterfahrungen, die in dieser Art Film stets notwendige, allgemeine Conclusio, die den meisten Figuren einen Neuanfang ermöglicht, den tragischen, letztlich unnötigen Tod der psychisch geschädigten Analytikerin jedoch nicht ungeschehen macht.
"Lantana" fasziniert besonders deshalb, weil er infolge seiner überaus geschickt konstruierten Narration häufig Gedankenspiele in multiple Richtungen ermöglicht und zahlreiche interpretatorische Freiräume lässt. So wird aus einem Stoff, der leicht hätte Gefahr laufen können, einer ordinären und spannungslosen Verarbeitung anheim zu fallen, ein intelligentes, ausgefeiltes Stück Kino.

9/10

Ray Lawrence Andrew Bovell Ensemblefilm Sidney Australien based on play





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