Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

THE NARROW MARGIN (Richard Fleischer/USA 1952)


"What kind of a dame would marry a hood?" - "All kinds."

The Narrow Margin (Um Haaresbreite) ~ USA 1952
Directed By: Richard Fleischer

Nachdem sein Partner (Don Beddoe) gleich vor Ort erschossen wird, hat Detective Sergeant Walter Brown (Charles McGraw) die unleidliche Aufgabe, die Gangsterwitwe Neal (Marie Windsor) allein von Chicago nach L.A. zu eskortieren - per Überlandzug. Da Mrs. Neil im Besitz einer Liste mit Namen korrupter Persönlichkeiten ist, hat die Unterwelt höchstes Interesse daran, sie aus dem Weg zu räumen und heftet sich an ihre und Browns Fersen.

Ein kleines Schätzchen aus Fleischers bekanntermaßen umfangreich bestückter Werkstruhe, konzentriert und auf den Punkt inszeniert. Trotz des begrenzten Zug-Settings hält Fleischer die notwenige Spannung zum Fortschreiben der Story unentwegt aufrecht und zieht die bedrohlichen Schlingen um seine Protagonisten immer enger zusammen. Dabei ist kaum einer der Mitreisenden wirklich das, was er oder sie zu sein vorgibt - allein die Gangster machen keinen Hehl aus ihrer Identität und finsteren Gesinnung. Doch gibt auch Brown beileibe keine makellose Heldenfigur ab. Er steht bei der Internen ohnehin im Verdacht, bestechlich zu sein (ein zweideutiger Hinweis auf eine zumindest undurchsichtige Berufskarriere) und muss tatsächlich merklich mit sich hadern, als ihm einer der Ganoven (Peter Brocco) ein großzügiges Geldangebot macht, für dass er im Gegenzug seine Schutzbefohlene ausliefern soll. So erreicht "The Narrow Margin" in jeder Hinsicht die bedürftige Tiefe eines führenden film noir, zu welchen er somit auch zweifelsohne gezählt werden muss.

9/10

Richard Fleischer Zug Eskorte film noir


Foto

POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE (Jürgen Roland/BRD 1964)


"Ich such' bloß meinen Freund, den Albert!"

Polizeirevier Davidswache ~ BRD 1964
Directed By: Jürgen Roland

Der rund um den Hamburger Kiez berüchtigte Gewaltverbrecher Bruno Kapp (Günter Ungeheuer) wird aus dem Knast entlassen und hegt nur einen Gedanken: Rache an dem Bullen, der ihn einst dorthin gebracht hat! Dabei hat Hauptwachtmeister Glantz (Wolfgang Kieling) ohnehin schon genug um die Ohren: Die Navy ist im Hafen stationiert und hat Landgang. Außerdem kommt bereits in absehbarer Zeit seine halbverwaiste Tochter mit dem Zug aus der Schweiz.

Großartiger Kolportagefilm, der seinen im Grunde einzigen, etwas dummen Fehler im Titel trägt: Das an der Davidstraße gelegene Polizeirevier 15 muss nämlich in Wahrheit ohne das Fugen-S auskommen und heißt tatsächlich 'Davidwache'. Ansonsten machen Roland und Menge die Vorturner für alles, was in den folgenden zehn Jahren von Olsen & Co. über die Hansestadt produziert werden sollte. Was "Polizeirevier Davidswache" mit seinen späteren Nachfolgern verbindet, ist die Mischung aus rauer Herzlichkeit, mit dem das anrüchige, aber eben irgendwie doch urige Lokalkolorit gewürdigt wird und spießbürgerlicher Widernis - man geht ja doch mal drüber, wenn man schon in Hamburg ist, ist aber doch froh, bald darauf wieder in der Bahn Richtung Hotel zu sitzen und das hier geschilderte Nachtleben nicht aus der Nähe miterleben zu müssen. Dabei ist die flickwerkartig erzählte Geschichte ganz vortrefflich vorgertragen; die Toleranzschwelle der hier arbeitenden Beamten ist hoch, ebenso wie der allgemeine Sinn für funktionelle Koexistenz. Es sind dann schon eher die allabendlich einfallenden Legionen besoffener Amüsiertouristen, die zwar Geld, aber oft auch Ärger mit sich bringen. Bruno Kapp jedenfalls findet sich nach dem rein gewinnorientierten Mord an einer Hure (Silvana Sansoni) bald vom gesamten Kiez geächtet und bekommt dies auch zu spüren. Dennoch wird am Ende nicht er das Opfer einer fehlgeleiteten Racheaktion. Schriftliche Inserts protzen damit, mit dem soeben präsentierten Film eine authentische Geschichte vorzulegen und ebendas macht ja den Charme der kurzlebigen, aber eruptiven Kiez-Film-Welle aus: Der Anspruch, Realität zu reproduzieren, in Wahrheit aber doch bloß Fantasiegebilde zu unterfüttern.

8/10

Jürgen Roland Wolfgang Menge Hamburg St. Pauli Kiez Prostitution Rache


Foto

TEXAS KILLING FIELDS (Ami Canaan Mann/USA 2011)


"You don't know what you're dealing with here."

Texas Killing Fields ~ USA 2011
Directed By: Ami Canaan Mann

Die beiden in Texas City tätigen Cops Mike Souder (Sam Worthington) und Brian Heigh (Jeffrey Dean Morgan) werden mit mehreren, fast parallel stattfindenden Morden an Mädchen und jungen Frauen konfrontiert. Diese stehen in einer langen Tradition von ähnlichen Gewalttatewn und Vermisstmeldungen, die mitunter bereits Jahrzehnte zurückreichen und deren lokales Zentrum das Marschland des Mississippi Delta zu sein scheint. Dort ist Mikes Ex-Frau Pam (Jessica Chastain), ebenfalls Detective, tätig. Zusammen mit ihr finden die zwei Polizisten die Urheber zumindest der aktuellen Verbrechen.

Gibt es so etwas wie 'abwesende' Filme, cineastische Pendants vielleicht zum Phänomen des Asperger Syndroms? Sollte dem so sein, dann wäre "Texas Killing Fields" ein Kandidat dafür. Ohne Exposition landet man mitten in der Welt der Detectives Souder und Heigh, ist von nun an auf deren point of view angewiesen und muss einfach der stoischen Marschroute des Films, im Übrigen das Kino-Regiedebüt von Michael Manns Tochter, folgen. Darin steht man nicht immer ganz auf sicherem Boden und wird durch die einerseits konzentrierte, andererseits jedoch immens eigenbrötlerische Erzählweise häufig allein gelassen. So gibt es denn am Ende auch keine sonderlich aufregende conclusio, die Aufklärung der nur teilweise zusammenhängenden, von unterschiedlichen Tätern begangenen Ausgangsverbrechen überrascht nicht, zumal mit dem sich für fiese Typen stets empfehlenden Stephen Graham einer davon ohnehin von vornherein feststeht.
Doch da ist noch etwas Ungreifbares, Böses, das mit dem kargen Landstrich jener im Titel vorkommenden 'killing fields' zusammzuhängen scheint: Offenbar ist es dieses gottverlassene Areal, das potenziell böse Leute anstiftet, Böses zu tun. Vieles liegt hier im Argen, dysfunktionale Familien, Elend, Ausreißertum und Prostitution bestimmen das alltägliche Lokalkolorit. Natürlich darf da der Hoffnungsschimmer am Ende - der gute, gottesfürchtige Familienvater-Bulle adoptiert das liebe Waisenkind - nicht fehlen.
Ich konnte die Richtung, die der Film verfolgt, so er denn überhaupt eine verfolgt, nicht ganz ausmachen, oder, etwas profaner formuliert, weiß ich nicht recht, was der Film eigentlich von mir wollte. Nun, wenngleich wir wohl keine dicken Freunde geworden sind, kann ich ihn als ungewöhnliches Werk akzeptieren und wertschätzen.

7/10

Ami Canaan Mann Michael Mann Texas Sumpf Serienmord Südstaaten


Foto

EXTREME JUSTICE (Mark L. Lester/USA 1993)


"They don't care at all! They love us!"

Extreme Justice ~ USA 1993
Directed By: Mark L. Lester

Der junge LAPD-Sergeant Jeff Powers (Lou Diamond Phillips), oftmals verwarnt wegen aggressiver Methoden im Einsatz und bereits im Fadenkreuz der internen Untersuchung, stößt zur SIS, einer streng geheimen Polizei-Subdivision. Aufgabe der SIS ist es, just aus dem Gefängnis entlassene Wiederholungstäter so lang zu beschatten, bis sie ihr nächstes Verbrechen durchführen, um sie dann auf frischer Tat verhaften zu können. Doch die Befugnisse der SIS reichen inoffiziell noch weiter: Die meisten ihrer "Kunden" werden von den Cops vor Ort in tödlich endende Feuergefechte verwickelt. Als Powers, dessen früherer Partner Vaughn (Scott Glenn) die SIS-Einsätze leitet, hinter die fragwürdigen Funktionsprinzipien der Abteilung kommt und immer wieder feststellt, wie dort Menschenrechte mit Füßen getreten werden, entscheidet er sich für den Ausstieg...

Inoffizielle Todesschwadronen der Polizei, handelt es sich nun aus dem Dunkel heraus operierende oder gar um städtisch tolerierte, haben im Genrekino eine längere Tradition. Bereits der zweite "Dirty-Harry"-Film "Magnum Force" machte es zum Thema, nicht zuletzt, um die fragwürdigen Methoden seiner Hauptfigur moralisch abzugrenzen und gewissermaßen auch zu legitimieren. In Hyams' "The Star Chamber" wird dann sogar die Judikative zur reaktiv handelnden Institution, indem sie schuldigen, wegen der Beweislage jedoch offiziell freigesprochenen Gewalttätern nachträglich die Todesstrafe "zukommen" lassen. "Extreme Justice" steht in dieser Ahnenreihe. Hier allerdings steht die betreffende Organisation noch zusätzlich unter dem Deckmantel politischer Duldung: Los Angeles hat entschieden, dass diese Männer und ihre Verfahrensweisen notwendig sind, um Folgeverbrechen der zu observierenden Kriminellen zu verhindern und deren Bestrafung im Zweifelsfall gleich vor Ort vorzunehmen.
Lester ist nicht eben dafür bekannt, ein sonderlich filigran vorgehender Regisseur zu sein. Sein zwischen Anfang der Achtziger und Mitte der Neunziger entstandenes Hauptwerk erzählt zumeist ruppige Geschichten mit ruppigem Personal. Dem Thema "Selbstjustiz" kommt dabei häufig eine hervorgehobene Funktion zu. Schon "Class Of 1984" berichtete davon, dass in Härtefällen eine "Grundreinigung" stattfinden muss, um wieder Ruhe einkehren lassen zu können. "Extreme Justice" nimmt sich im Hinblick auf diese fatalistische Perspektive etwas zurück und positioniert sich mehr in der Mitte. Die Männer von der SIS werden als durchweg gestört charakterisiert: Schießwütige Waffennarren, Zyniker, Alkoholiker, Soziopathen. Einer von ihnen (Richard Glove) zerbricht angesichts seiner Taten und nimmt sich das Leben. Die übrigen haben längst die Grenzen zwischen Vetretbarkeit und Faschismus überschritten. Sie sind mittlerweile kaum mehr besser als der von ihnen verfolgte Abschaum. Powers' Kehrtwende ist also auch ein Stück weit von Selbsterhaltung geprägt: So möchte man schließlich nicht enden in jungen Jahren.

7/10

Los Angeles Mark L. Lester Selbstjustiz


Foto

FALLING DOWN (Joel Schumacher/USA 1993)


"I'm on the other side of the moon now and everybody is going to have to wait until I pop out."

Falling Down ~ USA 1993
Directed By: Joel Schumacher

An einem besonders heißen Sommertag dreht der ohnehin latent psychiotische Bill Foster (Michael Douglas) durch und bahnt sich seinen Weg durch Los Angeles von Pasadena bis nach Venice. Fosters kleine Tochter Adele (Joey Hope Singer) hat Geburtstag und obgleich Foster sich Frau (Barbara Hershey) und Kind per Gerichtsbeschluss nicht mehr nähern darf, setzt er sich, einer Dampfwalze gleich, in Bewegung. Auf seinem Weg wird er Zeuge der Schattenseiten der Stadt und schon nach wenigen Metern verwandelt sich seine kleine Reise in einen Amoklauf, die eine Schneise der Angst und Zerstörung quer durch die Stadt hinterlässt.

Wenn man betreffs "Falling Down" schon von politischer Implikation sprechen muss, so bitte nur kurz - ein unleidliches Thema. Eine buchstäblich reaktionäre Tendenz ist dem Film natürlich nicht abzuleugnen. Er jongliert mit klassischen Wutbürger-Themen wie Einwanderung, ethnischen Unruhen, ökonomischem Ungleichgewicht und der hoffnungslosen Überforderung der staatlichen Instanzen. Beeinflussbare Gemüter mögen darin unschwer nachvollziehbare Geisteshaltungen ausmachen und darum ist Schumachers Film ideologisch nicht unbedenklich. Wenngleich an der psychischen Labilität Bill Fosters, denn die Credits analog zu seinem Nummernschild martialisch als "D-Fens" ausweisen, kein Zweifel offen bleibt, widersteht "Falling Down" nicht der Versuchung, ihn als tragischen Antihelden zu glorifizieren, ein Opfer der allgemeinen und individuellen Umstände, dessen permanente Einschüchterungsaktionen letzten Endes als universelle Warnungen zu verstehen sind und dessen zwei aktive Totschläge im Laufe seines Stadttrips aus Notwehr beziehungsweise im Zuge eines vom Opfer provozierten Unfalls heraus stattfinden.
Trotz all dieser Bedenklichkeiten gelang Schumacher mit "Falling Down" ein guter, streckenweise sogar exzellenter Film. Abseits seiner oberflächlichen, sicherlich gezielt populistischen Verhandlungen demoskopischer Themen berichtet er nämlich auch in mithin poetischer Form von einem heißen urbanen Sommertag, der bekanntlich dazu taugt, anfällige Menschen irrational agieren zu lassen, von einem unmittelbar vor der Pension stehenden Polizisten (Robert Duvall), der als ultima ratio zu Bill Fosters Antagonisten wird und bietet zudem einen virtuellen Streifzug durch die eher unschönen, nichtsdestotrotz jedoch existenten Gegenden von Los Angeles. Mit Duvall, Frederic Forrest und Barbara Hershey befinden sich drei Schlüsselschauspieler New Hollywoods im Film, deren konzentrierte Mitwirkung durchaus den Schluss zulässt, dass "Falling Down", gewissermaßen ohnehin ein westcoast heir von "Taxi Driver", auch wunderbar zwanzig Jahre zuvor hätte entstehen können. Ob er dann allerdings so fruchtbar diskutabel ausgefallen wäre, ist müßige Gedankenspielerei.

8/10

Joel Schumacher Los Angeles Amok Familie Duell Madness Sommer Venice Beach Selbstjustiz


Foto

T-MEN (Anthony Mann/USA 1947)


"These are the six fingers of the Treasury Department fist. And that fist hits fair, but hard."

T-Men (Geheimagent T) ~ USA 1947
Directed By: Anthony Mann

Um einen landesweit operierenden Falschmünzerring dingfest zu machen, schickt das Schatzamt die zwei Agenten O'Brien (Dennis O'Keefe) und Genaro (Alfred Ryder) undercover ins Feld. Geschickt schleichen sie sich in die Reihen der misstrauischen Kriminellen ein, deren Hauptsitz in Los Angeles liegt. Schließlich fliegt Genaros Tarnung auf und er wird erschossen. Für O'Brien ein persönlicher Grund mehr, die Sache zum Abschluss zu bringen.

Mit dokumentarischer Genaugkeit ohne Vernachlässigung der atmosphärischen Sujet-Qualitäten ging Anthony Mann für "T-Men" zu Werke. Unterhaltungsfilme, die zur damaligen Zeit Exekutiv-Organisation wie das FBI oder in diesem Falle das Schatzamt zum Thema hatten, stellten zugleich allerdings auch immer ein Stück PR-Arbeit für die entsprechende Institution dar. Im Prolog von "T-Men" hält der echte Schatzbeamte Elmer Lincoln Irey eine trockene Einführungsrede über die unnachgiebige, heroische Arbeit seiner Kollegen, derweil sich der Film im weiteren Verlauf narrativ an den regelmäßigen Kommentaren eines Off-Sprechers (Reed Hadley) entlanghangelt. Manns versierte Regie im Verbund mit der brillanten Kameraarbeit des großartigen John Alton machen jene verbalen Orientierungspunkte vollkommen überflüssig und lassen sie retrospektiv hoffnungslos naiv erscheinen. Unter dem kunsthistorischen Aspekt, dass sie zur Repräsentanz der Werksoriginalität eben unentbehrlich sind, lassen sie sich jedoch ertragen. Es bleibt aber eine unabdingbare Tatsache, dass "T-Men" ohne jene Einspieler, die ihn ungerechterweise zu einer partiellen Werbeplattform für den US-Polizeiapparat machen, als wichtiges, ja, visionäres Werk mit wesentlich höherem Popularitätsgrad Bestand hätte.

8/10

Anthony Mann film noir Detroit Los Angeles Falschgeld undercover


Foto

END OF WATCH (David Ayer/USA 2012)


"You feel like a hero?" - "No." - "Yeah, me neither."

End Of Watch ~ USA 2012
Directed By: David Ayer

Die beiden in Southcentral Los Angeles Streife fahrenden Polizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) unterscheiden sich im Grunde lediglich durch ihre Uniform und ihre moralischen Grundfesten von den sie umgebenden Gangs, in Habitus und Kodex ähneln sie diesen jedoch sehr. Ihre Frauen (Natalie Martinez, Anna Kendrick) bilden jedoch eine feste Basis in ihrem teils über die Grenzen hinaus gehenden Metier. Als Taylor und Zavala eher versehentlich einem mexikanischen Drogenkartell auf die Finger klopfen und diesem später wiederholt in die Quere kommen, stehen sie auf der Abschussliste.

Der Polizeifilm lebt - dank David Ayer, der dem Subgenre in Wort und/oder Bild regelmäßig ähnlich intensive Beiträge beschert wie dereinst Sidney Lumet, Harold Becker oder Joseph Wambaugh. "End Of Watch" markiert bereits das sechste Projekt, in dem Ayer die Exekutivewaltigen von L.A. seziert, ihre Machtbefugnisse, Möglichkeiten, Gefahren und Grenzen. Nachdem er sich bereits korrupte, drogensüchtige und machthungrige Cops vorgeknöpft hat, hält sich Ayer in "End Of Watch", seinem bisherigen Meisterwerk, an die kleinen Streifenpolizisten - gernegroß, naiv, nicht sonderlich intelligent, aber herzlich, gutgläubig und aufrichtig heroisch, wenn es darauf ankommt. Welche unkontrollierbaren Kräfte sie entfesseln, als sie in ihrem Revier einige gut getarnte Heroinlager hochnehmen, ahnen sie nicht einmal ansatzweise und so sind ihre letztlich kleinen, wenn auch kräftigen Lebenslichter sehr bald zum Verlöschen determiniert. Mit dem suggestiven Stilmittel der subjektiven Kamera - Taylor ist Ex-Filmstudent und dreht einen Dokumentarfilm über seine und Zavalas tägliche Einsätze -, das ja in den letzten Jahren vermehrt im Horrorfilm genutzt wurde, kreiert Ayer eine immens bedrohliche, explosive Atmosphäre. Jump cuts und zusätzliche Wackelbilder verhelfen ihm zu noch unmittelbarerer Authenzität, die trotz großer zeitlicher Sprünge innerhalb der Erzählzeit dann auch permanent bestehen bleibt. Mit "End Of Watch" ist David Ayer nun schlussendlich wirklich das gelungen, was er vermutlich bereits seit "Training Day" anstrebt: Ein Meilenstein des Polizeifilms. Viel sollte es hernach zum Thema nicht mehr zu sagen geben.

9/10

David Ayer Los Angeles Slum embedded filming


Foto

DETECTIVE STORY (William Wyler/USA 1951)


"I built my whole life on hating my father. All the time he was inside me, laughing."

Detective Story (Polizeirevier 21) ~ USA 1951
Directed By: William Wyler

Der als übereifrig berüchtigte Manhattaner Detective McLeod (Kirk Douglas) wittert endlich seine große Chance, den von ihm seit langem verfolgten Kurpfuscher Dr. Schneider (George Macready) dingfest zu machen. Sowohl Schneiders Anwalt Sims (Warner Anderson) als auch McLeods Vorgesetzter (Horace McMahon) haben große Sorge, dass der cholerische McLeod Schneider im unbeobachteten Verhör misshandeln oder gar foltern könnte. Als sich im Laufe des Tages immer mehr Druck um ihn herum aufbaut, der sogar eine unangenehme biographische Episode um McLeods Ehefrau (Eleanor Parker) einfasst, steht der von inneren Dämonen geplagte Polizist schließlich kurz vorm Explodieren...

Um die Vierziger und frühen Fünfziger spielte Kirk Doglas stets Antihelden oder zumindest stark angekratzte Figuren, die ihr moralisches Schuldenkonto am Ende nicht selten um den Preis des eigenen Lebens zu tilgen hatten, so in "Ace In The Hole", "The Big Trees" oder "The Bad And The Beautiful". Die Rolle des fanatischen Detective McLeod dürfte dabei zu seinen vordersten Glanzleistungen zählen. Douglas vermag es, um seinen Charakter herum eine unglaublich dichte, intensive Dunstglocke der Bedrohlichkeit und Unberechenbarkeit aufzubauen, die sich nach anfänglichen Sympathieevokationen durch das Script - man hält ihn zunächst für einen aufrechten Beamten mit gesundem Privatleben und einem möglicherweise etwas reaktionär angehauchten, aber doch ehrbarem Berufsethos - regelrecht forciert ins Gegenteil verkehrt. Zum Schluss, als die Zeitbombe McLeod endlich offenbart, welch pathologische Krüppelseele ihm innewohnt, lässt sich an Douglas' Gesicht die ganze Schrecknis einer schwer traumatisierten Psyche ablesen; eine meisterliche Darstellung. Dabei trägt Douglas "Detective Story" keineswegs allein. Unterstützt durch ein großartiges Ensemble, dem unter anderem der spätere Dr. No Joseph Wiseman als drogeninfizierter Kleingangster und Lee Grant als Kleptomanin vorstehen, entsteht unter Wylers nurmehr als exzellent zu bezeichnender Inszenierung das schon als klassisch zu bezeichnende Abbild eines nicht ganz regulären New Yorker Revieralltags. Wunderbar.

10/10

William Wyler New York based on play Sidney Kingsley Ensemblefilm


Foto

OPERATION ZUCKER (Rainer Kaufmann/D 2012)


"Geh' du mal heim zu deiner Familie..."

Operation Zucker ~ D 2012
Directed By: Rainer Kaufmann

Die beiden Berliner Polizisten Karin Wegemann (Nadja Uhl) und Uwe Hansen (Anatole Taubman) sind einem im großen Stil operierenden Kinderprostitutionsring auf der Spur, der seine Opfer in Osteuropa ankauft und in Deutschland an teuer zahlende "Exklusivkunden" verschachert. Nachdem sie mit Mühe und Not die arrivierte Staatsanwältin Lessing (Senta Berger) auf ihre Seite gezogen haben, gelingen ihnen ein paar kleine Schläge gegen die Organisation, deren Drahtzieher und Mittelsmänner jedoch in so hohen gesellschaftlichen Positionen verkehren, dass ein umfassender Sieg zwangsläufig reine Illusion bleibt.

In der vagen Hoffnung, einen weiteren so brillanten Film zu diesem schwierigen Thema zu sehen zu bekommen wie Dominik Grafs meisterlichen "Das unsichtbare Mädchen" habe ich mir "Operation Zucker" angeschaut, der bei seiner Ausstrahlung vor ein paar Monaten für einige Furore sorgte: Die unzensierte Fassung mitsamt ihrem wesentlich pessimistischeren Ende durfte erst im Nachtprogramm gezeigt werden, was einige Kritiker aus unterschiedlichen Gründen teils lautstark monierten. Diese Debatte entpuppt sich als viel Lärm um wenig: Tatsächlich ist die Art und Weise des sensiblen Anstrichs, den sich Kaufmanns Film mit einigem Narzissmus selbst verleiht, dem Gesamtresultat wenig förderlich. Am Ende bleibt sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht kaum mehr denn ein unetikettierter, profaner "Tatort", in dessen Gestaden "Operation Zucker" gut aufgehoben gewesen wäre. Ich weiß nicht, inwieweit die Fabulierfreude des Films, eine schwerkriminell aktive pädophile Klientel aus Menschenschacherern hinter einer wohlfeil getarnten Geheimloge vom Schlage der Freimaurer auszumachen, als realitätsnah eingestuft werden kann, die Art allerdings, wie er jene Verdachtsmomente verkauft, mit seinem Allerwelts-Hausfrauenpopulismus sagte mir wenig zu. Als Kriminalfilm ist "Operation Zucker" gelungen, weil spannend, involvierend und von der Berger großartig gespielt; als ernstzunehmend-kritische Reflexion zum Thema jedoch kommt er über biederes Betroffenheitskino ohne wahren Schneid kaum hinaus. Wie erwähnt: Greifen Sie zum Graf. Der hat Chuzpe.

5/10

Rainer Kaufmann TV-Film Pädophilie Menschenhandel Prostitution Berlin


Foto

WHERE THE SIDEWALK ENDS (Otto Preminger/USA 1950)


"Where the devil am I? I keep coming and going..."

Where The Sidewalk Ends (Faustecht der Großstadt) ~ USA 1950
Directed By: Otto Preminger

Der verbissene New Yorker Detective Mark Dixon (Dana Andrews) ist bereits seit Jahren hinter dem Gangsterboss Tommy Scalise (Gary Merrill) her, hat dem aalglatten Ganoven bisher jedoch nie etwas anhängen können. Als Scalise einen reichen Spielpartner, der ihn zuvor um eine hohe Sume erleichtert hat, kaltblütig umbringen lässt und versucht, die Schuld auf Ken Paine (Craig Stevens), einen seiner Speichellecker, abzuwälzen, wittert Dixon die heiß ersehnte Chance, Scalise endlich dingfest machen zu können. Paines Verhör verläuft jedoch anders als erwartet: Dixon muss sich gegen den Betrunkenen zur Wehr setzen und erschlägt ihn versehentlich. Um nicht selbst an den Pranger gestellt zu werden, versteckt Dixon Paines Leiche in den Docks. Dort wird sie jedoch kurz darauf entdeckt und Jiggs Taylor (Tom Tully), der Vater von Paines schöner Ex-Frau Morgan (Gene Tierney) gerät unter dringenden Tatverdacht. Dixon versucht alles, um Taylor vor der drohenden Verurteilung zu schützen, doch dafür muss er letztlich seine Schuld eingestehen.

Sechs Jahre nach "Laura" kam das 'winning team' Preminger - Andrews - Tierney erneut zusammen, um einen weiteren großen Beitrag zur Schwarzen Serie zu leisten. Wiederum in New York angesiedelt, mit deutlichen Parallelen in der Protagonistenzeichnung, unterscheidet sich "Where The Sidewalk Ends" aber doch in einigen Punkten von dem weichen Upper-Class-Crime des Vorbilds. "Where The Sidewalk Ends" ist ein Film der Nacht und der Lower East Side, der schummrigen kleinen Appartments, Bars und Restaurants, wo schmierige Gauner wie Tommy Scalise in den Hinterräumen zwielichtiger Dampfbäder ihre heimlichen Pokerrunden abhalten und Taxifahrer ein angesehener Job ist. Alfred Newmans wunderbares "Street Scene" findet hierin, wie in etlichen Filmen der Fox dieser Jahre, mehrfach Verwendung. Dabei ist es fast schon zu 'positiv' konnotiert, um gerade diesen Film einzuleiten Mark Dixon, besessen davon, alles besser zu machen als sein früh verstorbener, krimineller Vater, führt kein Privatleben. Verbissen lebt er nur für seinen Beruf und die verblendete Sisyphos-Tätigkeit, dem organisierten Verbrechen den Hahn abzudrehen. Darüber verflüchtigt sich auch schonmal der eigene Moralkodex. Erst die Liebe zu der unmöglich schönen, für eine Arbeitertochter eigentlich viel zu elegante Morgan Taylor führt ein Umdenken herbei.
"Where The Sidewalk Ends" ist natürlich nicht besser - oder schöner - als "Laura", dafür fehlt es ihm allein schon an Clifton Webb und Vincent Price; jedoch muss man ihn als ikonischen Polizeifilm kategorisieren, sozusagen als einen der transportierenden Urväter des heute zum alltäglichen cineastischen Figurenreservoir zählenden Fanatiker-Cops, dem das Subgenre alles in allem eine ganze Menge schuldet.

9/10

Otto Preminger New York Victor Trivas film noir





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare