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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RAMPART (Oren Moverman/USA 2011)


"You know what I think? I think you were a dirty cop from day one."

Rampart ~ USA 2011
Directed By: Oren Moverman

L.A. 1999: Der Streifenpolizist Dave Brown (Woody Harrelson) ist vermutlich der meistgehasste Cop der Stadt. Permanent lässt sich sein Name mit Gewalttaten in Verbindung bringen, was die Medien populistisch fachgerecht auzuschlachten verstehen und auch sein Privatleben, geprägt von Promiskuität, Nikotin, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch gleicht einer Katastrophe. Dennoch weigert sich Brown strikt, sein Berufsideal zugunsten einer aus seiner sicht verweichlichten öffentlichen Meinung aufzugeben.

Sehenswerter, grandios montierter und inszenierter Polizeifilm, dem man James Ellroys kreativen Input recht umschweifelos anmerkt. Getragen von einem großartigen Ensemble, das unter anderem Ned Beatty in einer schönen Altersrolle aufbietet, ist "Rampart" vor allem ein Film über Anachronismen. Diverse Zitate verdeutlichen, dass Dave Brown ein legitimer Erbe der Dinosaurier-Polizisten vom Schlage eines Harry Callahan, freilich gemixt mit einem Viertel Bad Lieutenant ist, ein Misanthrop, der die Uniform benutzt, um möglichst unkompliziert seiner eigenen, herrischen Natur frönen zu können. Brown weiß Menschen für sich "einzunehmen"; diverse Personen schulden ihm einen Gefallen. Sei es der Apotheker, von dem Brown seine Benzos rezeptfrei bezieht oder der Hotelrezeptionist, der ihm für lau eine Notunterkunft gewährt. Vor den Stadtoberen, Staatsanwälten und Anzugträgern, hat Dave keine Angst. Er weiß, wie das Spiel gespielt wird und ist schlau genug, im Sanktionsfalle zurückschlagen zu können. Dass er auf der anderen Seite verantwortlich ist für zahlreiche ungerechtfertigte Gewaltakte, bekommt der kleine, demonstrationsbereite Mann auf der Straße mit. Allein es interessiert Dave nicht. Er lässt sich nicht ändern. Und warum auch? Schließlich ist er nichts weiter als das konsequente Echo der Straßenschluchten.

8/10

Los Angeles Korruption Oren Moverman James Ellroy


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FARGO (Joel Coen/USA 1996)


"Yah?" - "Yah."

Fargo ~ USA 1996
Directed By: Joel Coen

Für den armen Jerry Lundegaard (William H. Macy), Autoverkäufer und Familienvater aus Minneapolis, geht finanziell alles schief. Dazu lässt sein reicher Schwiegervater Wade (Harve Presnell) ihn am ausgestreckten arm verhungern. Also kommt Jerry auf die Idee, eine Scheinentführung seiner Frau Jean (Kristin Rudrüd) zu inszenieren und sich mit dem von Wade gezahlten Lösegeld zu sanieren. Dummerweise engagiert er für den Job die zwei ebenso gewalttätigen Soziopathen Showalter (Steve Buscemi) und Grimsrud (Peter Stormare), die schon kurz nach Jeans "Inempfangnahme" anfangen, Leichen aufzutürmen. Die schwangere Kleinstadtpolizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) löst den obskuren Fall mittels ihrer ebenso offenen wie aufdringlichen Art.

"Fargo" dürfte der Film sein, der den Coens ihre noch letzten unerschlossenen Publikumssegmente eingefahren hat, dabei ist er nicht mehr oder weniger anbiedernd als ihre vorhergehenden Werke, sondern ein ebenso verschrobener Glücksspender wie man es von ihrem bisherigen Œuvre eben kennt. Die winterliche Atmosphäre Minnesotas unterdrückt sämtliche Schallwellen, noch unterstützt durch Carter Burwells unheilschwangere Musik. Höchstens Carl Showalters manchmal aufbrausende Art oder die diversen Pistolenschüsse lassen einen aus jener befremdlich angespannten Lethargie hervorschrecken, die die Coens so wie kein anderer gegenwärtig aktiver Filmemacher zu evozieren verstehen. Dazu ist der Film urkomisch, indem er den Mittleren Nordwesten mit seinen schwedischen Immigranten in der x-ten Generation so urig wie sonderbar porträtiert, ohne sie jedoch zu denunzieren. Schließlich stammt man selbst aus der Gegend und pisst sich nicht ins heimische Wohnzimmer. Sein Leben bezieht "Fargo" aus der jeweils freundlichen als auch unnachgiebigen Natur seiner Figuren. Niemand gibt auf, in allen schlummert hinter ihrer lächelnden Fassade ein Wolf, seien es die liebenswerte Chief Gunderson oder auch der Superloser Jerry Lundegaard. Und dann sind da freilich die wie Fremdkörper auftretenden Nebencharaktere, nach deren Auftreten man sich am Kopf zu kratzen geneigt ist, um dann erst zu verstehen, dass der Film ohne sie unvollständig wäre - der Indianer Chep Proudfoot (Steven Reevis) etwa, Marges alter Schulfreund Mike Yanagita (Steve Park) oder die beiden Huren (Larissa Kookernot, Melissa Peterman), mit denen sich Carl und Gaear im Motel vergnügen. Ein leidenschaftlich-verhalten vorgetragenes Kaleidoskop der US-Provinz entspinnt sich da, das ausnahms- und glücklicherweise einmal nicht im Süden angesiedelt ist.

10/10

Coen Bros. Winter Ensemblefilm Minnesota Minneapolis


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CLOCKERS (Spike Lee/USA 1995)


"If God created anything better than crack cocaine he kept that shit for hisself."

Clockers ~ USA 1995
Directed By: Spike Lee

Der in den Nelson-Mandela-Projects in Brooklyn wohnende, junge Strike (Mekhi Phifer) ist ein 'Clocker', was bedeutet, dass er als Teil eines großen Pushernetzwerks Crack für den kompromisslosen Großdealer Rodney (Delroy Lindo) vertickt, eine Art ungekrönten König der Projects. Weil das Pushen auf der Straße Strike zunehmend stresst und Nerven kostet - er leidet trotz seines Alters bereits an einem hefigen Magengeschwür - sehnt er sich nach einer etwas ruhigeren Position. Rodney sichert ihm diese zu - als Geschäftsführer einer örtlichen Burgerbude, die wiederum als Tarnung für Rodneys Crackgeschäfte fungiert. Der einzige Haken besteht darin, dass Strike zuvor den bisherigen Filialchef (Steve White) umlegen muss. Nach dessen gewaltsamem Ableben wird der Cop Klein (Harvey Keitel) auf Strike aufmerksam, muss jedoch Strikes sich zu der Tat bekennenden Bruder Victor (Isaiah Washington) in Gewahrsam nehmen. Für Strike wird derweil die Situation auf der Straße immer brenzliger: Nicht nur, dass Klein ihn permanent aufsucht und öffentlich verhört, es sitzen ihm auch noch der um seine Freiheit fürchtende Rodney, der verrückte Killer Errol (Tom Byrd) und der Streifenpolizist André (Keith David) im Nacken...

Nachdem zunächst Martin Scorsese Richard Prices ursprünglich in der Bronx angesiedelten Roman verfilmen wollte, sich dann aber dem ambitionierten Gangsterepos "Casino" widmete, übernahm Spike Lee die Inszenierung und Scorsese blieb immerhin als Co-Produzent an Bord. Lee macht aus der komplexen Geschichte mit zwei gleichberechtigten Protagonisten ein sozial engagiertes Brooklyn-Porträt, das zeigt, wie die gegenwärtige afroamerikanische Gemeinde sich dank gewissenloser Verbrecher wie Rodney Little selbst auffrisst. Dem berüchtigten Rattenfänger gleich schart Rodney, der als legale Fassade eine kleine Trinkhalle besitzt, zunächst sämtliche farbigen Jungs des Viertels über zehn Jahren um sich, beschäftigt sie für ein Taschengeld und kleine Geschenke, um sie dann ein paar Jahre wie eine fette Spinne später als 'Clockers' in sein komplexes Dealernetz einzuflechten. Strike ist eines der Opfer Rodneys und wandelt damit permanent auf Messers Schneide. Mittlerweile ist er jedoch alt genug, um seine gefährliche Situation zu realisieren - und die Sackgasse, in der er sich befindet. Doch der Strudel hat bereits einen zu hohen Sog entwickelt: Strike zieht seinen älteren Bruder Vic, einen eigentlich ehrbaren und besonnenen Familienvater sowie den ihn anhimmelnden kleinen Shorty (Peewee Love) mit in den Abgrund. Seine letzte Chance besteht schließlich in einer Flucht ohne Rückfahrkarte.
Eine von Lees vordringlichen Stärken besteht in der Inszenierung von Charakteren. Mit wenigen Ausnahmen ist Mekhi Phifer fast in jeder Szene des Films zu sehen und hinter dem vordergründig bildungsfernen ghetto kid entspinnt sich langsam das Bild eines ebenso komplexen wie bemitleidenswerten jungen Mannes. Ähnliches gilt auch für die interessanten Nebenfiguren wie den am amerikanischen Albtraum partizipierenden, ebenso charismatischen wie furchteinflößenden Rodney (Delroy Lindo in seiner stärksten Rolle) oder den Strike im Roman glreichgesetzten Rocco Klein, von Keitel in der ihm wie üblich zukommenden, coolen Art und Weise interpretiert. Hinzu kommen eine mit Farbfilter und hoher Körnigkeit "beschwerte" Photographie, die "Clockers" grandios-satte Bilder beschert sowie einige sich niemals abnutzende, herrliche Regieeinfälle wie etwa die brillante visuelle Vermischung von Verhör und Zeugenerinnerung, bekannt aus Fleischers "The Boston Strangler" oder Lees mittlerweile zum Markenzeichen avancierender, personenzentrierter Dollyshot, den man aus "Mean Streets" kennt.
Wiederum ein grandioser Joint.

9/10

Spike Lee New York Drogen Crack Martin Scorsese Richard Price


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MINORITY REPORT (Steven Spielberg/USA 2002)


"Sometimes, in order to see the light, you have to risk the dark."

Minority Report ~ USA 2002
Directed By: Steven Spielberg

In den mittleren fünfziger Jahren des 21. Jahrhunderts ist die Mordrate in Washington D.C. gegen 0 gesunken, dabei ist ein strukturierter Polizeiapparat kaum mehr erforderlich. Erreicht werden kann das durch die 'Precrime Division', die aus einer kleinen Spezialeinheit von Polizisten unter der Führung Chief Andertons (Tom Cruise) und drei, in permanentem Dämmerzustand gehaltene Medien besteht. Jene Medien, im Volksmund 'Pre-Cogs' genannt, haben die Gabe, Morde und Totschläge über mehrere Stunden vorauszusehen, wodurch die Gewaltakte bereits vor ihrer Ausübung verhindert werden. Die im Prinzip noch unschuldigen Täter werden in einer gigantischen Verwahrungsstelle schlafen gelegt. Als Anderton just ein paar Tage, bevor Precrime unter großem Medienandrang auf die gesamte Nation ausgeweitet werden soll, auf eine verjährt geglaubte Unebenheit stößt, die der Precrime-Initiator Burgess (Max von Sydow) kurzerhand als "Pre-Cog-Echo" abtut, sieht er sich urplötzlich selbst als Mörder, der in 36 Stunden einen ihm völlig unbekannten Mann töten wird. Zusammen mit dem von ihm entführten Pre-Cog Agatha (Samantha Morton) versucht Anderton, jenes Rätsel zu lösen, stets dicht gefolgt von dem forschen Aufsichtsbeamten Witwer (Colin Farrell) und seinen früheren Partnern.

Hat mich diesmal völlig kaltgelassen. Natürlich ist die auf einer wie immer brillanten Grundidee Philip K. Dicks basierende Future-Motivik nicht übel und wird auch alles andere als visuell uninteressant ausgespielt. Vermutlich liegt aber genau hier der Knackpunkt. "Minority Report" suhlt sich geradezu autoerotisch in seinen Entwürfen der zukünftigen Gesellschaft; in den Appartments und Fahrzeugen sowie den aufdringlichen product placements an allen Ecken und Enden. Auch hat der Film eine sichtlich selbstergötzende Freude daran, seine Uniformträger in ihren schneckenähnlichen Fluggeräten und mit kleinen Antriebsraketen durch die Gegend sausen zu lassen, die als "Spinnen" berüchtigten, mobilen kleinen Augendetektoren auszusenden etc. pp. Bleibt alles anders anno 2054. Nicht zu vergessen die spezielle, milchig-körnige Überstrahlungsoptik. Hübsch stilbewusst, bestimmt. Aber zu keiner Sekunde wirklich fesselnd oder gar mitreißend, da allzu reißbrettartig in der Umsetzung. Von einer diskursiven, sozialthischen Sinnsuche ("Blade Runner"), wie sie bei Dick-Adaptionen bislang eigentlich zum guten Ton gehörte oder auch von einer Meditation über Perzeption und Realitätsempfinden ("Total Recall") kann bei"Minority Report" indes keine Rede sein. Dazu ist Spielberg dann doch ein allzu emotionszentrierter Filmemacher und vermutlich auch schlicht nicht intelligent genug.
140 Minuten cruisescher Selbstsuche und Läuterung plus inszenatorisches Autonomiegewichse bar jeder Bodenhaftung können sich da doch ganz schon ziehen.

5/10

Steven Spielberg Philip K. Dick Zukunft Verschwörung Medizin Washington D.C. Drogen Dystopie


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THE SUGARLAND EXPRESS (Steven Spielberg/USA 1974)


"We're in real trouble."

The Sugarland Express ~ USA 1974
Directed By: Steven Spielberg

Das White-Trash-Pärchen Lou Jean (Goldie Hawn) und Clovis Poplin (William Atherton) mag sich nicht damit abfinden, dass ihr kleiner Sohn Langston (Harrison Zanuck) bei Pflegeeltern aufwächst. Also befreit Lou Jean Clovis kurzerhand aus der Besserungsanstalt. Gemeinsam kapern sie einen Streifenwagen mitsamt unglückseligem Fahrer (Michael Sacks) und machen sich auf den Weg quer durch den Stadt nach Sugarland, um Langston abzuholen. Die sie verfolgende Polizeieskorte wird dabei immer größer, ebenso wie die Medienwirksamkeit und Popularität, die Lou Jean und Clovis als moderne Outlaws bei der Bevölkerung genießen.

Mit "The Sugarland Express" hatte Spielberg bereits den Großteil seines Hausstabs beieinander: Ohne Vilmos Zsigmond, Joe Alves und John Williams geht künftig nichts mehr. Als Sujet für sein lang herbeigesehntes Kinodebüt wählte Spielberg einen urtypischen New-Hollywood-Topos: Das Outlaw-Pärchen auf der Flucht. They fought the law and the law won. Mit "Bonnie And Clyde" und "The Honeymoon Killers" ging's los, dann kamen noch "Thieves Like Us" und "Badlands", womit im Prinzip bereits alles zum Thema gesagt ist. Als thematisch innovativ kann man "The Sugarland Express" also nicht eben bezeichnen, eher als "sure thing" für einen Start ins Filmgeschäft. Glücklicherweise macht Spielberg auch nicht den Fehler, sich hundertprozentig an die Zugkraft seines Plots zu lehnen. Stattdessen entwickelt er bereits hier sein Talent, visuelle Gags möglichst trocken darzubieten, nutzt das Panavision-Verfahren vortrefflich, um häufig mehrere Dinge parallel im Bild zu zeigen und evoziert mit aller Macht Sympathie für sein Antihelden-Paar, von dem man natürlich von vornherein weiß, dass es für ein Happy End denkbar ungeeignet ist.

7/10

Steven Spielberg Texas Road Movie Couple on the Loose car chase New Hollywood Hal Barwood


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LA CITTÀ SCONVOLTA: CACCIA SPIETATA AI RAPITORI (Fernando Di Leo/I 1975)


Zitat entfällt.

La Città Sconvolta: Caccia Spietata Ai Rapitori (Auge um Auge) ~ I 1975
Directed By: Fernando Di Leo

Als ein Gangstersyndikat Antonio (Francesco Impeciati), den jungen Sohnemann des reichen Bauunternehmers Filippini (James Mason) entführt, nehmen sie aus Gründen der Bequemlichkeit auch gleich noch Antonios Freund Fabrizio (Marco Liofredi) mit. Dessen Vater, der verwitwete KFZ-Mechaniker Mario Colella (Luc Merenda), könnte jedoch bestenfalls Almosen als Lösegeld berappen. Der korrupte Filippini erweist sich indes als höchst geizig und ziert sich, die verlangte Summe zu zahlen, bis die Entführer Fabrizio als Warnung hinrichten. Für Colella gibt es kein Halten mehr: Im Alleingang bringt er das gesamte Syndikat zur Strecke.

Profitorientiertes Kidnapping zählte im Italien der Siebziger zum kriminellen Tagesgeschäft, wie es auch Di Leos Film recht schön veranschaulicht. Die Polizei, selbst in Person ehrbarer Beamter wie des in den Fall involvierten Commissario Magrini (Vittorio Caprioli), resigniert angesichts der Ohnmacht, die sie tagtäglich erleben muss. Auf der anderen Seite gibt es die reichen Großbürger, die ihr Kapital selten mit feineren Methoden erwirtschaftet haben als es nunmehr die sie erpressenden Kidnapper tun. Eifersüchtig wie ein seinen Knochen bewachender Köter weigern sie sich, auf die Lösegeldforderungen einzugehen und schachern um die Leben ihrer Lieben. Was passiert, wenn da eine entschlossene Seele vom anderen Ende der Nahrungskette, nämlich ein ebenso grundsolider wie entschlossener Malocher, in eine solche Geschichte verwickelt wird und nichts tun kann als warten, zuschauen und schließlich verzweifeln, genau davon erzählt "La Città Sconvolta". Das dritte Filmakt widmet sich ganz dem ebenso unbarmherzig wie minutiös ausgeführten Racheplan Colellas, dessen Vergeltung keine Atempause kennt und der seinen großen Kehraus ebenso zielstrebig bis zum allerletzten Hintermann durchführt. Wie gut schließlich einer wie Di Leo solche Sachen in Szene setzen kann, das weiß man ja.

7/10

Fernando Di Leo Mailand Kidnapping Rache Selbstjustiz


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ICH SPRENG' EUCH ALLE IN DIE LUFT (Rudolf Zehetgruber/BRD 1968)


"Was würde wohl Sergeant Blomfield dazu sagen?"

Ich spreng' euch alle in die Luft ~ BRD 1968
Directed By: Rudolf Zehetgruber

Johnny (Werner Pochath), der jüngere Bruder des beim letzten Coup der beiden zu Tode gekommenen Ganoven Blincky Smith (Herbert Fux), will Rache für das Geschehene. Verantwortlich für Blinckys Tod macht Johnny allein den umtriebigen Sergeant Blomfield (Götz George). Kurzerhand besetzt Johnny, eine Handfeuerwaffe und ein Fläschchen Nitroglycerin im Gepäck, Blomfields Revier in East London. Dumm nur, dass der Sergeant gar nicht vor Ort, sondern unterwegs und mit einem rätselhaften Mordfall in einer noblen Villengegend befasst ist. So hält Johnny Blomfields Kollegen kurzerhand als Geiseln...

Deutscher Krimisleaze aus den späten Sechzigern, der gleichfalls ein bisschen was von den Wallace-Adaptionen und ein bisschen was von Rolands und Olsens St.-Pauli-Geschmiere im Gepäck trägt. Als Handlungssetting muss einmal mehr London herhalten; offenbar klingen englische Namen und Ortsbezeichnungen etwas kosmopolitischer und waren dazu angetan, die spätwirtschaftswunderliche Republik in etwas exotischere Sphären zu versetzen. "Ich spreng' euch alle in die Luft", der später als "Mad Jo" und noch später als "Der Superbulle" wiederveröffentlicht wurde, ist natürlich sehr witzig und baut seine Nägelkaukalkulation auf denkbar putzigste Art. Die Stuntdoubles sehen allesamt garantiert völlig anders aus als ihre Vorbilder und es gibt viel zu lachen über manch einen Troglodyten in Polizeiuniform und die tief verwurzelte, hausbackene Misogynie des Films. Umso erstaunlicher, welch großartige Besetzung Zehetgruber beieinander hatte: Neben George, Pochath und Fux finden sich noch Anthony Steel, Walter Barnes, G.G. Hoffmann, Siegfried Wischnewski, Karl Schönböck und Eddi Arent, als comic relief natürlich.
Lohnt für Freunde des Nostalgisch-Abseitigen das Risiko eines Blicks.

6/10

Sleaze Europloitation London Rudolf Zehetgruber


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HANNIBAL (Ridley Scott/USA, UK 2001)


"Tata."

Hannibal ~ USA/UK 2001
Directed By: Ridley Scott

Zehn Jahre nach seiner Flucht bemüht sich der Serienmörder und Kannibale Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) als Dr. Fell um eine Kuratorenstelle in einem Florentiner Museum. Dort wird der gierige Polizist Pazzi (Giancarlo Gianini) nicht nur auf ihn, sondern auch die von Lecters einzig überlebendem, einst schwer verstümmelten Opfer Mason Verger (Gary Oldman) ausgesetzte Belohnung, aufmerksam. Verger hat seine Rache viele Jahre lang geplant und nutzt nunmehr Lecters Faible für die Agentin Clarice Starling (Julianne Moore), um seinen Intimfeind in eine Falle zu locken. Doch Lecter erweist sich einmal mehr als zu gerissen für jedweden Verfolger.

Nachdem sowohl Jonathan Demme als auch Jodie Foster dem Projekt "Hannibal" den Rücken zugedreht hatten, konnte Dino de Laurentiis immerhin Ridley Scott für selbiges begeistern. Bereits das Erscheinen des Romans wurde von einigem Entsetzen über Thomas Harris' potenzierte Detailfreude flankiert - soviel Gedärm und extrahierte Gehirnmasse mochten die etablierten Damen und Herren Prominenz dann doch nicht durchwaten. Die Folge ergibt einen sowohl in narrativer als auch in formaler Hinsicht völlig anders gearteten Film. "Hannibal" schwelgt in Pomp und edlem Stuck, konsumiert Kunst jedweder Kuleur im Dauerakkord und nutzt das Kulturzentrum Florenz als ehrwürdige Kulisse dafür. Gleichermaßen majestätisiert er Unappetitlichkeiten als hieße sein Regisseur Dario Argento, so dass das Werk sich ohne den Gang großer Umwege auch als Hommage an den klassischen Giallo lesen lässt. In den ersten beiden Teilen seiner "Lecter-Trilogie" überließ Harris die forsche Grausamkeit des promovierten Psychopathen noch der sekundären Hand; hier nun rückt der Gute endlich selbst ins Zentrum des Geschehens und erhält einige Gelegenheit, seinen zuvor lediglich angerissenen, barbarischen Habitus in einiger Ausprägung vorzustellen. Jedoch ist Lecter auch nur so kaputt wie seine Umwelt - die Allüren des nicht nur unfreiwillig widerwärtigen Milliardärs Mason Verger sind keinen Deut besser. Überhaupt wählt Hannibal ausschließlich "moralisch verwertbare" Todesarten für seine Herausforderer: den kleinen, von Pazzi beauftragten Taschendieb (Enrico Lo Verso) lässt er verbluten, Pazzi stirbt genau wie Judas auf einer frühmittelalterlichen Darstellung. Verger wird von seinen eigenen Schweinen aufgefressen und Clarices Konkurrenten, den schmierigen Agent Krendler (Ray Liotta), lässt Lecter sich an seinem eigenen Hirn delektieren - an jenem Teil freilich, der, wie man sagt, "für die guten Manieren zuständig" sei. Seine inszenatorische Fabulierfreude und Finesse sowie sein omnipräsenter Hang zur Exploitation im ästhetisch ansonsten so tragfähigen Gewebe machen "Hannibal" nicht nur zu etwas Besoderem, sondern vor allem zu einer von Scotts faszinierendsten Arbeiten.

9/10

Ridley Scott Hannibal Lecter Serienmord FBI Thomas Harris Florenz Rache Schweine David Mamet amour fou


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THE SILENCE OF THE LAMBS (Jonathan Demme/USA 1991)


"They don't have a name for what he is."

The Silence Of The Lambs (Das Schweigen der Lämmer) ~ USA 1991
Directed By: Jonathan Demme

Um einem kalauernd 'Bufallo Bill' getauften Serienmörder auf die Spur zu kommen, macht sich FBI-Stabschef Jack Crawford (Scott Glenn) daran, eine junge Auszubildende namens Clarice Starling (Jodie Foster) mit dem seit acht Jahren in Sicherheitsverwahrung befindlichen Dr. Lecter zusammenzubringen. Clarice soll - ohne davon zu ahnen - die Sympathie und das Vertrauen Lecters gewinnen, um so wertvolle Fahndungshinweise seinerseits bezüglich der möglichen Identität 'Buffalo Bills' zu erhalten. Tatsächlich gelingt Crawfords Plan. Lecter kennt sogar den Killer aus seiner früheren Praxis - lässt jedoch kjeineswegs mit sich schachern, ohne dass Clarice ein Stück ihrer eigenen seelischen Abgründe dafür preisgeben müsste.

Ein vorrangiges Beispiel für perfektioniertes, absolut messerscharfes Filmemachen und auch für die formale Emanzipation des Films der Neunziger von dem seines Vorgängerjahrzehnts. Kaum ein Horrorfilm - und ein solcher ist "The Silence Of The Lambs", noch mehr als dass er dem Thriller zugehörig wäre, vermochte es jemals, selbst das nickelbebrillte Establishment zu einem Kinobesuch zu verleiten und allein dafür gebühren ihm noch immer höchste Weihen. Demme vergisst seine Wurzeln nicht, bringt zum Beweis Roger Corman und George A. Romero in Cameos und hält zusätzlich noch nette kleine Rollen für Charles Napier und Diane Baker bereit. Dazu verschafft er dem Genre eine ungewohnte Respektabilität, indem er es schlichtweg ernst nimmt wie schon lange vor ihm niemand mehr und ihm eine gehörige Portion Abgründigkeit und Weltschmerz hinzusetzt. Die Figuren - die traumatisierte, stets um Selbstbehauptung bemühte Clarice Starling in einer von Männern dominierten (Berufs-)Welt, der ebenso geniale wie wahnsinnige Hannibal Lecter und auch der getriebene Jame Gumb (Ted Levine) - werden in rund 110 Erzählminuten so konturiert ausgebaut wie es sonst nur in umfangreicher Prosa möglich scheint; hinzu kommen eine kraftvolle, immanente Grausamkeit auf der einen Seite und eine gleichsam relativierende, humanistische Sensibilität auf der anderen. Obschon ich Demmes konzentrierten Film seit dem ersten Mal im Kino bestimmt schon gute zwanzig Male gesehen habe, werde ich der Wiederholungen nicht müde. Einfach, weil er so rund, so schön, so toll ist.

10/10

Jonathan Demme Hannibal Lecter Thomas Harris FBI Profiling Serienmord Madness Herbst


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RED DRAGON (Brett Ratner/USA, D 2002)


"Be grateful. Our scars have the power to remind us that the past was real."

Red Dragon (Roter Drache) ~ USA/D 2002
Directed By: Brett Ratner

Special Agent Will Graham (Edward Norton) vom FBI besitzt die Gabe, aufgrund besonderer empathischer Fähigkeiten beinahe mit der Gedankenwelt gesuchter Serienmörder verschmelzen zu können und ihnen so rasch auf die Spur zu kommen. Nachdem er einst den ebenso brillanten wie irrsinnigen Psychiater Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) festsetzen konnte und dabei fast zu Tode gekommen wäre, hat sich Graham zur Ruhe gesetzt. Als ein Familienmörder, den die Boulevardpresse "Zahnfee" getauft hat, die Ostküste unsicher macht, überredet Grahams früherer Vorgesetzter Jack Crawford (Harvey Keitel) ihn, ein weiteres Mal als Profiler tätig zu werden. Die Mörderhatz, bei der sich Graham auch auf die Hilfe Lecters stützt, wird bald zu einer wechselseitig zunehmend persönlich gefärbten Angelegenheit.

Die Neuverfilmung von Thomas Harris' erstem Roman seiner späteren "Hannibal-Lecter-Trilogie" kann trotz bombensicherer Produktionsbedingungen mit Michael Manns brillantem, sechzehn Jahre älteren "Manhunter" nicht mithalten. Gegen die fast verschworen wirkende Überstilisierung jenes Films ('tech noir' nennt man es wohl), in dem seinerzeit die nach wie vor eher eingeweihten Kreisen geläufigen Darsteller Brian Cox, William Petersen und Tom Noonan in den maßgeblichen Parts glänzten, wirkt Ratners solide, aber überraschungsarme Regie kaum mehr als beliebig. Benachteiligend hinzu wirkte sich ferner aus, dass nach all den sich um jeweils möglichst finstere Erscheinungsbilder bemühten Serienmörderfilmen, die das Kino der Neunziger und des Jahrtausendwechsels hervorbrachten, der gesamte Topos arg erschöpft und ausgewrungen wirkte. Letzten Endes kann man sich einer untrüglichen Eingebung kaum erwehren, derzufolge es dem Produzenten und Rechteinhaber De Laurentiis um unwesentlich mehr ging als um eine möglichst zeitnahe Auspressung des Franchise mit dem ja auch nicht jünger werdenden Anthony Hopkins. Dazu gesellt sich freilich eine Besetzung, die wohl die traumhafteste sein dürfte, mit der ein Hollywood-Regisseur in der letzten Dekade arbeiten konnte und die "Red Dragon" eigentlich seine komplette Qualität verleiht. Ansonsten rezitiert das Script nochmal die schönsten Dialogfetzen aus Manns Film, kann es mit dessen wallender Vorführung kühler Poesie jedoch wiederum kaum aufnehmen. Somit ist "Red Dragon" ein risikoarmer, wenn auch recht guter Film, der trotz seiner production values immer und ewig darunter leiden wird, lediglich die Zweitbesetzung eines exzellenten Spielmachers zu sein.

7/10

Brett Ratner Profiling Madness Thomas Harris Hannibal Lecter Serienmord FBI Chicago Florida





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Funxton

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