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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CALIFORNIA SPLIT (Robert Altman/USA 1974)


"Everybody's named Barbara."

California Split ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Die zwanghaften Zocker Bill (George Segal) und Charlie (Elliot Gould) lernen sich am Pokertisch kennen und entdecken unvermittels ihre Seelenverwandtschaft. Beide schätzen die existenziellen Unverbindlichkeiten, verabscheuen Kontrolle und Planung und bevorzugen eher das leichte Sichtreibenlassen. Eine gemeinsame und ausgesprochen gewinnträchtige Fahrt ins Spielerparadies Reno lässt Bill über sich und sein Leben reflektieren.

Ein weiterer wunderbarer Altman aus dem bereits der seichten Abendämmerung anheim fallenden New Hollywood. So lässig und lakonisch wie eh und je lässt er seine beiden Patrone aufschlagen, beobachtet sie, wie sie zeitweilig gemeinsam und ohne den anderen ein paar Tage durch- und überleben, ohne irgendwelche moralischen Zwangsbehauptungen aufzustellen oder sich sonstwie in das Geschehen einzumischen. Zwar lernt man die beiden, insbesondere Bill, im Zuge der 105 Erzählminuten recht gut kennen, tendenziöse Urteile und Analysen bleiben einem jedoch erspart. Das Ganze wirkt eher wie ein lebenserfahrenes Bukowski-Poem, nur dass es hier eben weniger um Alkohol geht. Trocken, undramatisch, straight. Besonders der wie immer sehenswerte und bei Altman sowieso stets zur Höchstform aufgelaufene Elliot Gould macht aus "California Split" eine unbedingt sehenswerte, kanonische Spielerstudie. Meisterlich.

9/10

Robert Altman New Hollywood Spieler Poker Freundschaft Bonvivant Gluecksspiel


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TRAINSPOTTING (Danny Boyle/UK 1996)


"Would Sir care for a starter of some garlic bread perhaps?" - "No, thank you. I will proceed directly to the intravenous injection of hard drugs, please."

Trainspotting ~ UK 1996
Directed By: Danny Boyle


Die Geschichte des jungen Edinburgher Arbeitersprösslings Renton (Ewan McGregor) und seiner Kumpels Spud (Ewen Bremner), Sick Boy (Johnny Lee Miller), Begbie (Robert Carlyle) und Tommy (Kevin McKidd). Renton, Spud und Sick Boy sind heroinabhängig. Die Droge bildet wie bei jedem Junkie ihren zentralen Lebensinhalt und fordert von jedem von ihnen hohe Tribute. Als man schließlich in London selbst eine große Menge Stoff verdealt, entscheidet sich Renton für den Absprung.

Angefixt durch "Shallow Grave" fühlte ich mich sozusagen genötigt, mir nach langer Pause endlich auch einmal wieder Boyles Zweit- und Hauptwerk anzuschauen. "Trainspotting" ist ja in Rekordgeschwindigkeit zu einem emblematischen Film der neunziger Jahre geworden und darf wohl als einer der maßgeblichen popkulturellen Einflüsse seiner Zeit gelten. Tatsächlich ist dieser sein Status alles andere als unberechtigt; Boyle demonstriert ein absolutes Höchstmaß an inszenatorischer Konzentration, präsentiert zur Visualisierung des Rauschs und seiner Folgen traumhafte Regieeinfälle und bewältigt den naturgemäß kaum zu bewältigenden Spagat zwischen dem glaubwürdig dargestellten Porträt einer Subkultur und der für das Sujet unumgänglichen pädagogischen Warnung, indem er die Hölle der Sucht - so paradox das klingen mag - so nüchtern zeigt wie irgend möglich. Dass H nicht unmittelbar in die physische bzw. soziale Verwahrlosung führt, über kurz oder lang aber doch brutale Folgen für Leib und Leben mit sich bringt, weiß ein jeder, dass es aber sage und schreibe Spaß machen kann, dabei zuzusehen, ist allein Boyles Verdienst.
Was nach vierzehn Jahren noch bleibt von "Trainspotting", ist eigentlich all das, was ihn auch damals schon ausmachte: Das Bild eines überwältigend präzis und sorgfältig gemachten Films, bis hin zu seiner einmaligen Songauswahl von einer alles durchdringenden Stimmigkeit, von der 99% aller Filmemacher bloß träumen können.

10/10

Danny Boyle Heroin Drogen Subkultur Schottland Popkultur Teenager


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AIR FORCE (Howard Hawks/USA 1943)


"Tell the crew they can sleep in the next world."

Air Force ~ USA 1943
Directed By: Howard Hawks


Eine B-17-Staffel wird ausgerechnet am 6.12.1941 - dem Vortag des Pearl-Harbor-Überfalls - von San Francisco nach Honolulu beordert. Die tapfer zusammenhaltende Besatzung eines der Bomber, von seiner Mannschaft gern als "Mary Ann" und "flying fortress" bezeichnet, bekommt den Befehl, im Angesicht des Eintritts in den Pazifikkrieg von Hawaii aus weiterzufliegen bis nach Manila. Dort kommt es wiederum zu schweren Zusammenstößen mit der japanischen Armee, die u.a. das Leben von Captain Quincannon (John Ridgely) fordern, dem Piloten der Mary Ann. Schließlich wartet die größte Bewährungsprobe auf die Besatzung, als sie vor den Philippinen eine feindliche Seeflotte ausfindig macht.

Zwei Jahre nach "Sergeant York", dessen Propagandismus noch vergleichsweise verhaltener ausfiel, führte Hawks auf das Drängen eines befreundeten, hochrangigen Offiziers Regie bei diesem von den Warners produzierten Reklame-Spielfilm für die amerikanische Luftwaffe. Technisch und formal betrachtet bewegt sich "Air Force" auf höchstem Niveau, zeigt rasante, beachtliche Actionszenen und bedient sich einmal mehr des hawks'schen Leitmotivs einer verschworenen Gruppe von Profis, die jeder äußeren Bedrohung standhalten und ihre Mission bzw. Bestimmung leidenschaftlich verfolgen. Sich im Jetzt noch über die undifferenzierte bis rassistische Darstellung der Japaner zu ereifern, die aufgrund ihrer Attacke auf Pearl Harbor als größte und feigste Kriegsverbrecher der Geschichte bezeichnet werden sowie als brutale, gesichtslose Mörder und einfach tot umfallen, wo die Amerikaner einen pathetisch aufgeladenen Heldentod sterben, lohnt nicht. "Air Force" ist, wie etliche der während dieser Zeit entstandene Filme, unverhohlene Kriegspropaganda mit tendenziösem Heldenbild, punktum. Sehr viel interessanter sind da schon die Mechanismen, mittels derer Hawks besagtes Bild ausfüllt und zugleich seine eigene Idee heroischer Tugendhaftigkeit transportiert. Der Bomber ist im Grunde bloß ein austauschbares Vehikel, das fraglos als heimlicher Hauptdarsteller fungieren sollte, für Hawks, dessen Hauptaugenmerk auf der geballten Menschlichkeit innerhalb der Metallhülle liegt, jedoch zum Mittel zum Zwecke wird. Eine eindeutige Regieleistung und ein klares Indiz dafür, wie sehr, und das ist hier durchaus positiv konnotiert, Inszenierung über bloße Inhalte triumphieren kann.

8/10

WWII Howard Hawks Pearl Harbor Propaganda Pazifikkrieg


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BAD BIOLOGY (Frank Henenlotter/USA 2008)


"We two belong together."

Bad Biology ~ USA 2008
Directed By: Frank Henenlotter


Der New Yorker Kunstphotographin Jennifer (Charlee Danielson) macht ihre anatomische Besonderheit, eine siebenfache Klitoris zu besitzen, nicht eben wenig zu schaffen. Ihr Bedarf nach koitalen Kontakten ist nämlich dementsprechend hoch und die dazu auserkorenen Partner überleben den Beischlaf zumeist nicht, weil Jennifers ekstatische Orgasmen sich bisweilen sehr ausufernd gestalten. Zudem gebiert sie stets rund zwanzig Minuten später ein unfertig augebildetes Freakbaby, das jeweils zurückgelassen oder in der nächsten Mülltonne entsorgt wird. Doch es gibt Hoffnung für Jennifer in Form eines potenziell perfekten Gegenparts: Batz' (Anthony Sneed) primäres Geschlechtsmerkmal als 'Penis' zu bezeichnen, käme einer Beleidung für alle Penisse dieser Welt gleich. Das etwa einen halben Meter des Raumes beanspruchende, ungeschlachte und vor allem widerlich hässliche Riesenteil führt nicht nur ein trotziges Eigenleben, sondern ist zudem unersättlich, was seine Befriedigung angeht. Eines Tages macht Batz' Pimmel sich dann selbstständig und geht auf Weiberjagd in Manhattans Upper-Class-Apartments, derweil Jennifer Batz ausfindig gemacht hat und ihm ihre Zuneigung gesteht - leider mit etwas Verspätung...

Siebzehn Jahre nach seiner letzten Regiearbeit "Basket Case 3" kommt der New Yorker Undergroundfilmer Frank Henenlotter also doch nochmal mit einer lang erwarteten, weiteren Geschmacklosigkeit um die Ecke. Das Erfreulichste gleich vorweg: Henenlotter hat nichts verlernt, sein bizarrer Humor lässt noch immer den instinktiv arbeitenden Körperregionen den Vortritt. Seine eigenartige Vorliebe für phallische Extremitäten spiegelt sich nach wie vor in obskuren, per stop-motion animierten Knetkreaturen wider - Batzens Schwanz beispielsweise könnte auch ein Cousin zweiten Grades von des fiesen kleinen Pusherwurms Elmer aus "Brain Damage" sein. Doch auch sonst bleibt das Meiste beim Alten, sieht man vielleicht von Henenlotters bisher unentdecktem Interesse für Hip-Hop ab: "Bad Biology" bietet, wie das komplette bisherige Oeuvre des Regisseurs, kompromissloses, abseitiges Independent-Kino, das jedoch stets einen gewissen Sinn für Anstand und Ästhetik wahrt und nie vollends in die gefährlich lockende Selbstzweckhaftigkeit ausufert. Trotz aller seiner streitbaren formalen Merkmale erzählt "Bad Biology" primär noch immer eine tragische Romanze und die Geschichte zweier unglücklicher Großstadt-Individuen, denen ihre jeweilige, brisante Physis einen Strich durch alle auch nur annähernd konventionellen Lebensentwürfe macht. Als Film ist das, Henenlotters Signatur eben, natürlich nicht für jeden gemacht, aber doch ein mutiges Stück Kino und für grundsätzlich Genreinteressierte zumindest einen Blick wert.

8/10

Monster Independent Underground Bohème New York Frank Henenlotter


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BRAZIL (Terry Gilliam/UK 1985)


"An empty desk is an efficient desk."

Brazil ~ UK 1985
Directed By: Terry Gilliam


In einem nicht näher bezeichneten totalitären Staat des vergangenen Jahrhunderts, der allerdings frappierend einem dystopischen England gleicht, entdeckt der unbedeutende Büroangestellte Sam Lowry (Jonathan Pryce) die Fehleranfälligkeit des Systems, für das er buckelt. Statt eines freischärlenden, des Terrorismus verdächtigten Heizungsingenieurs (Robert De Niro) wird ein braver Familienvater in die grausamen Verhörmühlen des Großen Bruders Mr. Helpmann (Peter Vaughan) gezwängt. Zusammen mit der sich rebellisch gebenden Jill (Kim Greist) begehrt Sam zugleich gegen die ihn umfangenden systemischen und matriarchalischen Diktaturen auf - und scheitert jeweils kläglich.

Gilliams Meisterwerk, ein ungeheuer vielschichtiges, monströses, zugleich enthusiastisches und grausiges Horrorszenario über die Macht der Träume und das, was einem letztlich niemand stehlen kann: Das tief verborgene, innere Selbst. "Brazil", entstanden im Orwell-Jahr 1984, führt in zugleich satirischer und höchst glaubwürdiger Weise die Schrecken eines absoluten Überwachungsstaats vor Augen, in dem die menschliche Population nicht mehr zu leben, sondern nur noch zu funktionieren hat. Die emotionale Wahrheit hat hier längst jeglichen Wert verwirkt, alles verkommt zu verlogener Hörigkeit einer grotesken Obrigkeitsidee. Gut hat es hier nur, wer "jemanden kennt", so wie Sams fürchterliche Mutter (Katherine Helmond), ein Vorzeigeprodukt der unter überreifen Damen hochaktuellen Verjüngungschirurgie. Allein durch ihren Einfluss, respektive den von Sams bereits verstorbenem Vater, fällt der kleine kafkaeske Held die Treppe des innersystemischen "Erfolges" herauf bis ins "Ministerium für Informationenwieder-beschaffung". Ein paar Etagen höher findet sich hier auch Sams alter Freund Jack Lint (Michael Palin), oberster Verhörspezialist und Folterknecht von Mr. Helpmann, der, innerlich und äußerlich blutbesudelt und -berauscht, seine eigene Familie nicht mehr identifizieren kann. Dem armen Sam ist schlussendlich immerhin eine romantische Liebesnacht mit seiner Jill vergönnt, bevor er selbst auf Lints Stuhl sitzt und ihm nur noch die Flucht in die (Un-)Tiefen seiner eigenen Traumwelt bleibt, so tief hinab freilich, dass ein Wiederhervorkommen unmöglich ist. "He's got away from us", bleibt es Mr. Helpmann, dem heimlichen (und unheimlichen) obersten Kopf des vielgliederigen Bürokratiestaats, da nur noch mit höhnischem Bedauern zu konstatieren. Der bittere Sieg des kleinen Mannes.

10*/10

Zukunft Parabel Farce Traum Dystopie Terry Gilliam Satire Terrorismus


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JUNIOR BONNER (Sam Peckinpah/USA 1972)


"Ya bet."

Junior Bonner ~ USA 1972
Directed By: Sam Peckinpah


J.R. Bonner (Steve McQueen), genannt Junior, kommt zurück in seine Heimatstadt in Arizona, um ein paar Kröten beim hiesigen Rodeo abzustauben. Zu Hause hat sich vieles verändert. Seine Mum (Ida Lupino) und sein Dad (Robert Preston), zwei ältliche Zausel, entfremden sich zunehmend voneinander und nicht genug damit, dass Juniors Bruder Curly (Joe Don Baker) dabei ist, zu einem unangenehmen Immobilienhai zu avancieren, vertreibt er auch noch die eigenen Eltern von ihrem Grund und verfachtet sie in Seniorenheime um, um den Familienbesitz verscherbeln zu können. Doch Junior ist keine Kämpfernatur, er nimmt am Rodeo teil, schnappt sich ein Mädchen (Barbara Leigh), teilfinanziert seinem Dad einen letzten spinnerten Traum und zieht danach wieder von dannen.

Aaah - zurücklehnen, relaxen, genießen. "Junior Bonner" ist der rechte Begleiter zu einem schmackhaften Sechserpack Dosenbier und nebenbei wahrscheinlich die entspannteste, lässigste Arbeit Peckinpahs. Im Gegensatz zu dessen unverzichtbaren SloMo-Schnitt-Gegenschnittparaden haben Gewalt oder Tote haben in dieser intimen Familiengeschichte keinen Platz, wenn auch die alte Weise vom anachronistischen Cowboy, der im Westen die weite Freiheit sucht und irgendwann unweigerlich auf Bulldozer, Planierraupen und andere Hindernisse stößt, hier wiederum ganz akut ist. Doch was wäre ein Peckinpah auch ohne solcherlei Sehnsuchtsformulierungen? Ansonsten gibt sich "Junior Bonner" eher undramatisch und kokettiert lieber mit naturalistischem Witz, der wunderbare Steve McQueen demonstriert einmal mehr, dass echte Coolness nicht gelernt werden kann und das bezaubernde Lächeln von Barabara Leigh unter der Krempe ihres weißen Stetson lässt ganze Gletscher schmelzen.

8/10

Neowestern Rodeo Sam Peckinpah


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MYSTIC RIVER (Clint Eastwood/USA, AU 2003)


"Admit what you did."

Mystic River ~ USA/AU 2003
Directed By: Clint Eastwood


Das Leben der drei Bostoner Freunde Jimmy (Jason Kelly), Sean (Connor Paolo) und Dave (Cameron Bowen) ändert sich eines Tages schlagartig, als Dave von zwei Mißbrauchstätern in ein Auto gezerrt wird und einem vier Tage anhaltenden Martyrium ausgesetzt ist. Viele Jahre später haben sich die Lebenswege der Drei auseinanderentwickelt: Jimmy (Sean Penn) vekehrte einige Zeit in kriminellen Kreisen, Sean (Kevin Bacon) ist bei der Mordkommission und Dave (Tim Robbins) ist noch immer innerlich zerschmettert. Eines Nachts wird dann Jimmys älteste Tochter Katie (Emmy Rossum) ermordet. Sean bekommt den Fall übertragen, Jimmy schwört, dass er den Täter vor der Polizei ausfindig macht und seiner gerechten Strafe zuführt. Als sich die Indizien mehren, Dave könne für Katies Tod verantwortlich sein, kommt es zur Katastrophe.

Einer von Eastwoods komplexesten Filmen. Hatte er rund zwanzig Jahre zuvor in "Sudden Impact" das Thema Selbstjustiz noch in unverhältnismäßig spekulativer Weise abgehandelt, verwendet der Regisseur es für seine Romanadaption "Mystic River", um die entsetzliche Fehlbarkeit persönlicher Rache- und Hassgefühle zu induzieren. Dabei erweist sich besonders die Zeichnung der Figuren und der sie umtreibenden Lebensumstände als umfassend. Eastwood nutzt die ihm zur Verfügung stehende Erzählzeit großzügig, umkreist seine Charaktere in zunehmend enger werdenden Radien, um schließlich in ihr tiefstes Selbst vorzudringen. Am Ende stehen dann Entwicklungen, mit denen vorher nicht zu rechnen war, Lebenslektionen und Verdammnis, wobei selbst diese für Jimmy Markum noch in perverser Weise diskutabel ausfällt. Und die Verwurzelung all dessen lässt sich zurückdatieren auf jenen einen schicksalhaften Tag, an dem Dave Boyle zu den Femden ins Auto stieg. Existenzielle Fragen um Vorbestimmung und Schicksal, Schuld und Verantwortung lasten wie schwere Wolken über Eastwoods monochromem Boston und dem Mystic River, der Jimmys Sünden schlucken muss. Zumindest kann ein Drittel des Trios am Ende in ein vergleichsweise unbeschwertes Leben zurückkehren.
"Mystic River" ist ein alles andere als bequemer Film, sondern rauer, herber Stoff, der die späte existenzialistische Antenne Eastwoods, die sich mit den folgenden Filmen weiter präzisieren wird, auf nachdrückliche Art zur Geltung bringt sowie ein weiterer Beweis dafür, dass sein Regisseur zu den größten Geschichtenerzählern des amerikanischen Films gezählt werden darf und muss.

9/10

Sean Penn Tim Robbins Clint Eastwood Sexueller Missbrauch Dennis Lehane


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RISE AND FALL OF IDI AMIN (Sharad Patel/UK, KE 1981)


"I'm the sex champion!"

Rise And Fall Of Idi Amin (Idi Amin - Der Schlächter) ~ UK/KE 1981
Directed By: Sharad Patel


1971 putscht sich der selbstherrliche Militarist Idi Amin (Joseph Olita) zum Diktator Ugandas. Sein folgendes Terrorregime, dass Hunderttausende Tote fordert, währt acht Jahre. Idi Amin macht sich nach und nach diverse abendländische Staaten der Welt zu Feinden, stilisiert sich, nach einer Absage der Israelis bezüglich militärischer Unterstützung Ugandas, zum von Allah berufenen Antisemiten und Hitlerverehrer und lässt jeden, ob national oder international, der seine Person auch nur andeutungsweise anzweifelt und dessen er habhaft werden kann, verschwinden. Mit dem Versuch, Tansania zu erobern, endet schließlich Idi Amins Gewaltherrschaft.

Diktatoren eignen sich ja schon aufgrund ihres häufig expliziten Irrsinns hervorragend als Karikaturgegenstand. Der verrückte Egozentriker Idi Amin wurde bereits während seiner aktiven Zeit zum Inhalt und Namensgeber eines Films, den Barbet Schroeder mit ihm persönlich 1974 als die Dokumentation "Général Idi Amin Dada: Autoportrait" in die Welt entließ. Jene begnügte sich auf kluge Art und Weise damit, Amin sich durch seine maßlose Selbstdarstellung entlarven zu lassen. "The Rise And Fall Of Idi Amin" hingegen ist lupenreine Exploitation. In einer rasanten Abfolge von Szenen wird jede Kleinstanekdote hervorgekramt, die der Despot während seiner Herrenjahre hinterlassen hat; von seiner Vergrätzung und Vertreibung jeder bei ihm ansässigen Gastnationalität über seine diversen, teils auf bizarre Weise gefeierten Hochzeiten, den Usus, seine Opfer den Nilkrokodilen zum Fraß vorzuwerfen, die Legende, dass er das Fleisch seiner Feinde zu verspeisen pflegte, seinen unersättlichen Sexhunger, seine bequem ausgelegte muslimische Lebensart, die öffentlich abgehaltene Auszeichnung seines sechsjährigen Sohnes mit der Tapferkeitsmedaille, die Anweisung, mangelnde Devisen kurzerhand durch das fixe Nachdrucken von Dollars auszugleichen und schließlich faktischere Episoden wie die Geiselnahme von Entebbe. Hechel. Wenn auch nur die Hälfte davon wahr ist, lässt sich doch feststellen: Das ist de facto reinster Exploitationstoff. Insofern ist Patels Film gar nicht so plump effektheischerisch, wie man zunächst annehmen muss. Und dass die Darstellung wahnhafter Diktatoren zuweilen in die Satire abrutschen darf, liegt in der Natur der Sache. Den Monstern der Weltgeschichte nimmt man am ehesten ihren Schrecken, indem man sie der Lächerlichkeit preisgibt. Das hat zumindest zu gewissen Teilen auch Patel erkannt.

6/10

Realsatire Pseudo-Dokumentation Historie Exploitation Diktatur Biopic Afrika


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TWO LOVERS (James Gray/USA 2008)


"I'm as fucked up as you are!"

Two Lovers ~ USA 2008
Directed By: James Gray


Nach einer gescheiterten Beziehung und mehreren halbherzigen Suizidversuchen lebt der depressive Brooklyner Leonard Kraditor (Joaquin Phoenix) wieder bei seinen Eltern (Moni Moshonov, Isabella Rossellini). Urplötzlich ziehen ihn gleich zwei auf ihre jeweilige Weise bezaubernde Frauen aus seiner anhaltenden Lethargie heraus: Sandra (Vinessa Shaw), die Tochter eines Geschäftspartners (Bob Ari) von Leonards Vater und die im selben Haus wohnende Michelle (Gwyneth Paltrow). Während Sandra den Kontakt zu Leonard sucht und Hals über Kopf in ihn verliebt ist, fühlt er sich stärker von der impulsiven, sich mondän gebenden Michelle angezogen, die in Leonard allerdings eher einen brüderlichen Freund sieht und sich in einer haltlosen Beziehung mit einem verheirateten Mann (Elias Koteas) herumquält. Die immer akuter werdende, marternde Frage nach "der Richtigen" beantwortet sich für Leonard schließlich von selbst.

James Gray entwickelt sich mehr und mehr zu einem der großen New Yorker Kinochronisten. Nach drei im Gangstermilieu angesiedelten Arbeiten versucht er sich in seinem dritten Film in Folge mit Joaquin Phoenix (der seinerseits ankündigte, dass dies sein letzter sei) nun an der lebensbejahenden Geschichte eines sich selbst verloren Glaubenden, der durch die Liebe gerettet wird. Die so sinnstiftende wie einfache Konklusion des Films lautet, dass es manchmal besser ist, aufrichtig geliebt zu werden, als seine eigene Liebe in die nutzlose Leere hinein zu verpulvern. Außerdem entscheidet sich Gray, der auch stilistisch seine eingeschlagenen Pfade weiterverfolgt, stellvertretend für Leonard im Film wider die körpergesteuerte Impulsivität und für die existenziell sichere Seite der Vernunft, eine lebensweise Erkenntnis, die wohl nur ein Enddreißiger so konsequent zu formulieren in der Lage ist. Heraus kommt eine erfreulich ernstzunehmende, wirklich schöne und offensiv-erwachsene Liebesgeschichte, versetzt mit leisem Humor an den passenden Stellen.

8/10

New York Ethnics James Gray


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TO HAVE AND HAVE NOT (Howard Hawks/USA 1944)


"Where do your sympathies lie?" - "Minding my own business."

To Have And Have Not (Haben und Nichthaben) ~ USA 1944
Directed By: Howard Hawks


Zusammen mit dem alten Säufer Eddie (Walter Brennan) bewirtschaftet der knorrige Harry Morgan (Humphrey Bogart) ein Fischerboot auf der Karibikinsel Martinique. Die Vichy-Regierung streckt ihre Klauen selbst bis hierher aus; die hiesige Kommandantur unter Captain Renard (Dan Seymour) verfolgt unerbittlich jeden Gaullisten, dessen sie fündig wird. Eines Tages lernt Harry die schöne Taschendiebin Marie (Lauren Bacall) kennen, die ohne Geld auf Martinique festsitzt und bekommt zu selben Zeit von ein paar Résistance-Leuten das Angebot, einen ihrer Männer (Walter Szurovy) von einer der Nachbarinseln herüberzuschippern. Obwohl er stets betont, sich aus allem rauszuhalten, übernimmt Harry den Auftrag, um Marie die Weiterreise finanzieren zu können. Doch am Ende kommt alles ganz anders.

Hawks versicherte seinem Freund Hemingway infolge einer Wette, selbst aus dessen unbrauchbarster Vorlage noch einen guten Film machen zu können. Auf die augenzwinkernde Gegenfrage des großen Literaten, welches denn sein miesestes Stück Literatur sei, antwortete Hawks: "That piece of crap called 'To Have And Have Not'". Hawks gewann die Wette natürlich, allerdings auf eine etwas verruchte Weise: Er krempelte den Inhalt der Romanvorlage kurzerhand völlig um und ließ das Script danach von William Faulkner finalisieren. Das Resultat war eine dicht an "Casablanca" angelehnte Abenteuergeschichte, in der ein selbstsicherer Opportunist mit trüber Vergangenheit vor exotischer Kulisse, angeregt durch die Liebe zu einer Frau, eine späte Heldenkarriere antritt. Selbst das Motiv der so verachtenswerten Kollaborationsregierung Vichy wurde wiederaufgenommen. An sein großes Vorbild reicht "To Have And Have Not" allerdings nicht ganz heran, dafür sorgt schon Bogeys hässliche Kapitänsmütze. Andererseits ist dies der Film, der ihn mit Lauren Bacall - 25 Jahre jünger - zusammenbrachte. Seine bis zu Bogarts dreizehn Jahre späterem Tod anhaltende Romanze verdankte das Paar letztlich Hawks, der nach Intervention seiner Frau Nancy das Model Betty Perske aus New York nach Hollywood geholt und zu der flamboyanten Filmschauspielerin Lauren Bacall gemacht hatte. Der große Regisseur beäugte die Beziehung der beiden zu deren Beginn allerdings voller Argwohn und Eifersucht.
Der "To Have And Have Not" umwabernde Anekdotenreichtum übersteigt - das muss man wohl zugeben - seine filmische Relevanz. Der Film hängt sich nicht nur an "Casablanca", sondern in der Entwicklung der Protagonistenbeziehung auch deutlich an Hawks' eigenen "Only Angels Have Wings" und erscheint wie dieser zu großen Teilen, als spiele er sich auf einer Theaterbühne ab. Eigentlich ist es primär jenes vielbeschworene, große Knistern zwischen Bogart und Bacall, das "To Have And Have Not" dann doch so denkwürdig macht.

8/10

Karibik Howard Hawks Ernest Hemingway WWII Widerstand





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Funxton

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