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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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NUDE... SI MUORE (Antonio Margheriti/I 1968)


Zitat entfällt.

Nude... Si Muore (Sieben Jungfrauen für den Teufel) ~ I 1968
Directed By: Antonio Margheriti

Nach den Sommerferien beginnt im mondänen "St. Hilda"-Internat für Mädchen an der französischen Riviera das neue Schuljahr. Einige frisch eingestellte Lehkräfte ergänzen das ohnehin etwas eigenartige Kollegium um ein paar neue, schräge Typen. Doch muss eine oder einer von ihnen ein Mörder sein, denn parallel zu ihrer Ankunft erschüttert eine Serie grausam herbeigeführter Todesfälle die Schule. Inspector Durand (Michael Rennie) hat alle Hände voll zu tun, dem geschickten Killer auf die Spur zu kommen.

Ein weithin unblutiger Früh-Giallo von Margheriti, der mit schöner Farbgestaltung, einem flotten Score (Carlo Savina) und einer hübschen Ansammlung undurchsichtiger Charaktere punktet.
Das ortsspendende St.Hilda-Internat ist wohl wirklich eine exklusive Schule, denn auf jede der (eigenartigerweise gleichaltrigen) Schülerinnen kommt eine ebenfalls vor Ort beheimatete Lehrkraft nebst Hausfaktotum (Umberto Papiri) und Gärtner (Luciano Pigozzi) plus Luxus-Installationen wie Pferde-Stallungen und Swimming Pool. Das muss kosten! Egal, zur Ansiedlung eines mediterranen Serienmörderkrimis ist die gewählte Location natürlich super. Überhaupt erscheinen Plot und Atmosphäre etwas rivalisierend; da sich mit dem sonnendurchfluteten, manchmal bewusst komischen Ambiente keinerlei wirkliche Spannung oder gar Suspense einstellen mag. Sonderbarerweise stört dies wenig, da die positiven Attribute des Films deutlich gewichtiger scheinen und Vieles retten.

7/10

Antonio Margheriti Côte dAzur Internat Serienmord Giallo


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THE UNBEARABLE LIGHTNESS OF BEING (Philip Kaufman/USA 1988)


"Take off your clothes."

The Unbearable Lightness Of Being (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins) ~ USA 1988
Directed By: Philip Kaufman

Zur Zeit des Prager Frühlings lernt der renommierte Hirnchirurg Tomas (Daniel Day-Lewis), ein wilder Filou, die sanfte Kellnerin Tereza (Juliette Binoche) kennen und lieben. Zusammen mit der lebenslustigen Künstlerin Sabina (Lena Olin), mit der Tomas schon seit langem ein rein sexuelles Verhältnis pflegt, das Tereza trotz ihrer baldigen Heirat mit Tomas weiterhin widerwillig duldet, erlebt das Paar Höhen und Tiefen ihrer Beziehung. Angewidert von der Systemtreue des Altherren-Parteiflügels verfasst Tomas ein Pamphlet, in dem er die Kommunisten mit dem durch die Erkenntnis der Wahrheit gestraften König Ödipus vergleicht und das ein liberales Blatt veröffentlicht. Kurz vor dem Einmarsch der Hardliner-Kommunisten und Dubčeks Rücktritt im August desselben Jahres setzt sich Sabina nach Genf ab; Tomas und Tereza folgen ihr. Terezas Ängste und Unsicherheiten angesichts Tomas' nach wie vor sehr freigiebigem Lebensstil treiben sie jedoch nach einiger Zeit allein zurück in das mittlerweile trist anmutende Prag. Tomas, der Tereza bald vermisst, folgt ihr nach und soll einen Widerruf seiner dereinst verfassten Schrift unterzeichnen. Als er sich weigert, erhält er Berufsverbot und muss sich als Fensterputzer durchschlagen, heißt die "Degradierung" zum einfachen Arbeiter jedoch umweglos willkommen. Schließlich gehen er und Tereza aufs Land, wo sie bei dem Bauern Pavel (Pavel Landowský), einem früheren Patienten von Tomas, unterkommen und noch einmal glückliche Tage erleben. Ein gemeinsamer Autounfall setzt ihrer beider Leben ein Ende. Die mittlerweile in die USA emigrierte Sabina erhält Nachricht von Tod ihrer Freunde und ist zutiefst erschüttert.

An meinen erstmaligen Kontakt mit Kunderas Jahrhundertroman erinnere ich mich noch gut: Das war noch vor der Verfilmung, irgendwann Mitte der Achtziger, als "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" gerade der heißeste Belletristik-Scheiß all around war und meine vier Jahre ältere Cousine das Buch (leihweise, wenn ich mich recht erinnere) las - zur größten Empörung meiner erzspießigen Tante (von der ich später zumindest die Berufswahl übernahm), die dahinter für Teenager höchst ungeeignete Pornographie witterte und dementsprechend wetterte. Es gab dann bei einem sommerlichen Grillfest bei den Verwandten eine hitzige Tischdiskussion, der ich höchst gespannt lauschte. Bis ich selbst zu Kunderas Buch griff, war ich bereits mit literarischen Schmutzfinken wie Miller und Bukowski vertraut; der Tscheche konnte mir also in dieser Hinsicht nichts mehr anhaben. Erst jetzt begriff ich, wie im Prizip herrlich symptomatisch der einstige Disput zwischen Cousine und Tante war; meine Cousine war die Prager Jeunesse im lüsternen Reformtaumel, meine Tante die Sowjets beim Okkupieren ihres gefährdeten Geistes. Fehlte nur noch der Panzer unter ihrem Arsch.
Die von dem für epische bzw. geschichtsträchtige Stoffe perfekt geeigneten Produzenten Saul Zaentz vorbereitete und von Phil Kaufman inszenierte Adaption hält mit Kunderas peitschender Schreibe nicht ganz Schritt, ist aber ein höchst delektables Hollywoood-Epos voller Grandeur und Brillanz, dessen berauschende, tatsächlich niemals ins Anzügliche abfriftende Bilder über die gesamte Distanz des Films vereinnahmen; ganz so, wie es schwierige Liebesgeschichten vor historischen Zäsuren ja im besten Falle immer tun sollten. In den Szenen um den Einmarsch der Truppen und Panzer des Warschauer Pakts erreicht der Film seinen höchsten Effektivitätsgrad: Authentische Aufnahmen des tschechischen Filmemachers Jan Nemec vermischen sich nahtlos mit von dp Sven Nykvist nachgedrehten Sequenzen um die beiden Protagonisten. Hier gehen Fakt und Fiktion eine fast schon beängstigend "wahre" Symbiose ein. Zum Schluss muss man dann gleich zweimal heftigst schlucken: Erst wird die die Geschicke von Tereza und Tomas stets begleitende, unter Krebs leidende Hündin Karenin eingeschläfert, dann, Karenins Ableben weist bereits darauf hin, "entfliehen" die beiden Helden dem repressiven System auf die einzig optionale Art. Weiß, schwarz, Abblende. Aus.

10/10

Philip Kaufman Milan Kundera Prag Prager Frühling Tschechoslowakei Schweiz Genf Ehe Sittengemälde Widerstand Bohème


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FIGHTING MAD (Jonathan Demme/USA 1976)


"That Tom Hunter oughta act a bit more sensitive."

Fighting Mad (Mach' ein Kreuz und fahr' zur Hölle) ~ USA 1976
Directed By: Jonathan Demme

Nachdem er sich mit seiner Frau zerstritten hat, plant Tom Hunter (Peter Fonda), sich mit seinem kleinen Sohn Dylan (Gino Franco) vorerst in New Mexico niederzulassen, wo sein Vater (John Doucette) und sein jüngerer Bruder Charlie (Scott Glenn) Grund besitzen und eine Pferderanch bewirtschaften. Doch sowol die Hunters als auch die anderen Kleinfarmer und Landbewohner sind dem ortsansässigen Tagebau-Unternehmer Crabtree (Philip Carey) ein Dorn im Auge. Mittels diverser legaler und illegaler Mittel vertreibt er die Leute von ihrem Grund und Boden. Als Charlie und seine schwangere Frau (Kathleen Miller) einen Unfalltod sterben, wird Tom bereits stutzig, obschon er nichts beweisen kann. Doch Crabtree übt immer mehr Druck aus. Als das Maß endgültig voll ist, begibt sich Tom auf einen Rachefeldzug gegen Crabtree und seine Leibgarde.

Rough, tough, different: mit seinem dritten Spielfilm, zugleich dem letzten, den er unter Roger Cormans Produzentenägide anfertigte, gelang Jonathan Demme ein ebenso schnörkelloser wie knackiger Vigilantenthriller, der sich durch seinen einerseits beinharten Habitus und seine andererseits überdurchschnittlich ambitionierte Form einen Platz unter den besten Selbstjustizfilmen der Dekade erarbeitete. "Fighting Mad", dessen reißerischer deutscher Titel ihm auch recht gut steht, bedient sehr traditionelle Genre-Strukturen - man fühlt sich in einen der vielen Fünziger-Western versetzt, in dem mittellose Existenzgründer, sprich Farmer, gegen großkapitalistische Rancher und deren Stacheldraht-Manieren anzukämpfen haben. Auch hierin wird wahlweise ein Familienvater bis zum Äußersten gedrängt oder hilft ein kampferprobter Gunman seinen unfreiwilligen Schutzbefohlenen aus der Misere.
Dass Tom Hunter sich keinesfalls der Typ ist, der sich kommentarlos und allzu weit in die Defensive drängen lässt, davon zeugt bereits der Prolog des Films: kaum in seiner alten Heimstatt angelangt, gibt es sogleich Ärger mit den Gesetzeshütern, die natürlich - wenngleich eher unbewusst und aus Angst - auf der Seite der Hochwirtschaft stehen. Seine Wehrhaftigkeit stellt er später noch mehrfach unter Beweis; mit Fäusten, Dynamit sowie Pfeil und Bogen. Immerhin gewährt Demme ihm, wobei es zunächst nicht danach aussieht, ein durchaus reaktionär konnotiertes Happy End. Hunter hat seine Selbstjustiz unter Einsatz seines Lebens zu einem konsequenten Ende geführt und geht möglicherweise sogar straffrei aus. Im Extremfall, so das unschwer vernehmbare post scriptum, lohnt die Remobilisierung des altehrwürdigen Pioniergeists - und der Griff zur Waffe.

8/10

Jonathan Demme New Mexico Rache Selbstjustiz Duell Roger Corman Vater & Sohn


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DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL (Adrian Hoven/BRD, I 1966)


"Ach, das Kind wird den Weg schon finden."

Der Mörder mit dem Seidenschal ~ BRD/I 1966
Directed By: Adrian Hoven

Die kleine Claudia (Susanne Uhlen) beobachtet durch Zufall, wie der gemeingefährliche Halunke Boris Garrett (Carl Möhner) ihre Mutter (Helga Liné), eine Tingeltangel-Sängerin, in ihrer Wohnung erdrosselt. Aus Angst, im Waisenhaus zu landen, entwischt Claudia den sich um sie kümmernden Polizeibeamten und versteckt sich mal hier, mal dort, den gefährlichen Garrett stets auf den Fersen. Polizeirat Moll (Folco Lulli) und sein Assistent Fischer (Harald Juhnke) haben alle Hände voll zu tun, Garrets Identität zu lüften und Claudia noch vor dem Verbrecher ausfindig zu machen.

Der aus etlichen mehr oder weniger schmalzigen Wirtschaftswunderfilmen als Akteur bekannte Tiroler Adrian Hoven besann sich mit Mitte 40 darauf, dass seine aparte Erscheinung ihm nicht ewigen Darstellerruhm würde eintragen können und dass ein zweites Standbein als Regisseur nicht schaden könnte. Das Debüt seiner dann in quantitativer Hinsicht doch eher spärlich fokussierten, dafür an späteren Höhepunkten umso reicheren Filmemacher-Karriere markierte dann "Der Mörder mit dem Seidenschal", eine triviale Wiener Kriminalgeschichte, basierend auf einem Groschenroman der eher karg beleumundeten Romancière Thea Tauentzien, die sich für ihre Mär wiederum mehr oder weniger eklatant von J. Lee Thompsons großartigem "Tiger Bay" hatte inspirieren lassen. Hier wie dort steht ein reizendes kleines Mädchen im Zentrum, das als unfreiwillige Mordzeugin auf gefährlichem Fuße lebt, derweil jedoch (allerdings aus unterschiedlichen Motiven heraus) kein Interesse daran hegt, sich in den sicheren Hafen des Polizeischutzes zu begeben. Bei Hoven allerdings ist die von einer noch sehr putzigen Susanne Uhlen gespielte Claudia nochmal deutlich schlechter dran, denn der ihr nachstellende Killer ist kein überspannter Matrose mit gutem Herzen, sondern ein echter Haderlump, der es dann auch nicht bei einem Kapitalverbrechen belässt (Hoven, der sich selbst einen nichtkreditierten Auftritt als schmieriger Zocker Waldemar Fürst spendierte, wird von Möhner aufs Fieseste hinterrücks erdolcht). Diese kunterbunte Mischung ergibt einen sehr lebendigen, kleinen Reißer, der gern ein bisschen wie "The Third Man" wäre, am Ende aber doch "nur" als kleinformatiger Krautkrimi bestehen kann. Ist aber auch gut so.

7/10

Adrian Hoven Wien Flucht car chase


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THE FOUR FEATHERS (Zoltan Korda/UK 1939)


"Why worry? Be a coward and be happy."

The Four Feathers (Vier Federn) ~ UK 1939
Directed By: Zoltan Korda

Unmittelbar vor seiner Abordnung in das unter dem aufständischen Mahdi brodelnde Nordostafrika quittiert der junge Offizier Harry Faversham (John Clements) seinen Dienst, teils aufgrund seiner pazifistischen Überzeugung, teils aus Unsicherheit betreffs seines regelkorrekten Verhaltens im Einsatz. Seine drei besten Soldatenfreunde und auch seine Braut Ethne (June Duprez) quittieren Harrys Entscheidung mit ernüchterter Enttäuschung und lassen ihm als Zeichen ihrer Verhöhnung vier Federn zukommen. Harry, der diese Schmach nicht erträgt, schifft sich insgeheim doch noch Richtung Nil ein und gibt sich vor Ort als geächteter Eingeborener aus. In dieser Rolle erhält Harry die Möglichkeit, seinem im Einsatz erblindeten Freund Durrance (John Richardson) zunächst unerkannt das Leben zu retten und dem später in Khartoum einrückenden Sirdar Kitchener entscheidende Rückendeckung bescheren. Harry kehrt als Held nach England zurück.

Zoltan Kordas prachtvollster Film bereicherte das internationale Kino-Superjahr 1939 um eine weitere Attraktion: Gewaltige Statistenaufmärsche in schönstem Drei-Streifen-Technicolor, aufwändige On-Location-Drehs und eine von wildem Herzschmerz geprägte Geschichte um eine buchstäblich heldenhafte Rehabilation präsentierte eindrucksvoll, das mit großem Abenteuer- und Monumentalkino nicht nur aus Hollywood zu rechnen war. A.E.W. Masons Vorlage trieb Regisseure diverser Kinoepochen um und wurde insgesamt nicht weniger als sechsmal adaptiert. Kordas Fassung gilt als die schönste und sehenswerteste darunter und wenngleich ich sonst nur die beiden jüngsten Verfilmungen kenne, bin ich geneigt, dem zuzustimmen. Um diese mittlerweile ja doch recht anachronistische Fabel um einen schlafenden Krieger im Pazifistenpelz glaubhaft darbieten zu können, bedarf es einem hohen Maß an Flamboyanz und emotionaler Auslieferung durch den Regisseur, wie sie heute, das zeigt etwa Shekhar Kapurs Version von 2002, kaum mehr zu aktivieren ist. Korda indes vermochte Harry Favershams widerwillige "Mannwerdung" noch mit adäquatem Herzblut und voller ehrlicher Inbrunst anzupreisen.

9/10

Zoltan Korda Kolonialismus Ägypten Sudan Khartoum Mahdi-Aufstand Militär Freundschaft A.E.W. Mason


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GUNGA DIN (George Stevens/USA 1939)


"Her Majesty's very touchy about having her subjects strangled."

Gunga Din (Aufstand in Sidi Hakim) ~ USA 1939
Directed By: George Stevens

Nordwestindien in den 1880ern: Die längst zerschlagen geglaubten Thuggees, eine im Zeichen der Todesgöttin Kali operierende Sekte von Attentätern, hat sich heimlich reformiert und plant unter ihrem fanatischen Oberguru (Eduardo Ciannelli) die sukzessive Zerschlagung der britischen Armee. Durch einen eher unbewussten Hinweis des einheimischen Bhisti Gunga Din (Sam Jaffe), der sein Herz für das Militär Ihrer Majestät entdeckt hat, stößt das herzliche Sauf- und Raufboldtrio Cutter (Cary Grant), MacChesney (Victor McLaglen) und Ballantine (Douglas Fairbanks Jr.) auf den verborgenen Haupttempel der Thuggees. Das Quartett gerät in Gefangenschaft und soll als Köder für die Suchmannschaft, die hinterrücks überfallen werden soll, fungieren, doch Gunga Din kann durch eine heldenhafte Aktion das Blatt in letzter Sekunde wenden.

Nach Rudyard Kiplings Heldenballade über einen indischen Wasserträger, der zum glorreichen Soldaten der Kolonialarmee wird und sein Leben für diese gibt, entstand dieser Prestige-Film der 1939 noch auf Höhe befindlichen RKO. Wenngleich Stevens' Werk gleich Kiplings Gedicht den Namen des heldenhaften, im Film von Sam Jaffe gespielten Eingeborenen trägt, spielt Gunga Din erwartungsgemäß nur eine untergeordnete Rolle und muss sich trotz anderslautend voregetragenen Epilogs mit einem realen Status als Nebenfigur begnügen. Stattdessen wird das Trio Grant/McLaglen/Fairbanks Jr. bis in höchste Sphären gejubelt: Eine todesmutige, prügellustige kleine Posse, von denen jeder allein schon mindestens zwanzig Würgern im Dienste Kalis den Hintern versohlen kann, deren geballte Kraft jedoch das Empire widerspiegelt wie nichts sonst. Stevens inszeniert dieses durchaus homoerotisch gefärbte (Fairbanks Jr. will seine von Joan Fontaine gegebene Braut Emmy heiraten, wird jedoch permanent und erfolgreich von seinen beiden Busenfreunden davon abgehalten) Machotum mit einer gewaltigen Portion Ironie, die besonders Cary Grant allerlei Raum für seine Dandy-Späße bietet. Dass sich hinter "Gunga Din" ursprünglich und tatsächlich ein feistes Prosit in Richtung Commonwealth verbirgt, erscheint angesichts des Spaßfaktors, den das hier und da farcenhafte Stück verbreitet, kaum mehr von Bedeutung. Die mehr oder weniger heimliche Liebäugelei mit dem Wildwest-Genre (gefilmt wurde quasi gleich vor der Studiotür in Lone Pine) erkannte man später als gewinnbringende Option für ein entsprechendes Remake und fertigte, unter der Regie von John Sturges, analog dazu den lustigen, aber nicht mehr ganz so schmissigen Rat-Pack-Western "Sergeant's 3".

8/10

period piece Indien George Stevens Kolonialismus Rudyard Kipling


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THE WOMAN IN BLACK (James Watkins/UK, CA, S 2012)


"Don't go chasing shadows, Arthur."

The Woman In Black (Die Frau in Schwarz) ~ UK/CA/S 2012
Directed By: James Watkins

Für den Londoner Angestellten Arthur Kipps (Daniel Radcliffe), verwitweter und alleinerziehender Vater eines vierjährigen Jungen (Misha Handley), wird es brenzlig: Seine depressiven Episoden haben ihn schon beinahe seine Anstellung gekostet, als er den Auftrag erhält, den Nachlass einer verstorbenen Dame, Mrs. Drablow, zu sichten, die ihr abgelegenes Haus Eel Marsh mitten im nordenglischen Marschland, in der Nähe des Dörfchens Gifford bewohnte. Mit Ausnahme des offenherzigen Squire Sam Dailey (Ciarán Hinds) begegnen ihm die Einwohner Giffords durchweg mit hohem Misstrauen. Niemand will etwas mit Eel Marsh House zu tun haben oder darüber sprechen. Der Grund dafür wird Arthur bald nur zu einleuchtend: In dem Haus hat sich dereinst Mrs. Drablows Schwester Jennet Humfrye (Liz White) das Leben genommen, nachdem man ihr zunächst ihren Sohn Nathaniel weggenommen hat und dieser dann im Marschland ertrunken ist. Ihr hinterlassener Fluch besagt nun, dass jedesmal, wenn sie als geisterhafte "Frau in Schwarz" jemandem erscheint, eines oder mehrere Kinder sterben müssen. Arthur erfährt diese Weissagung bald am eigenen Leibe, und mehr, als ihm lieb sein kann...

Nach dem im heutigen New York angesiedelten, sehr konventionellen Thriller "The Resident" bildet "The Woman In Black" die nächste Produktion der revitalisierten Hammer; ein in jeder Beziehung hinreißender, vor allem jedoch erlesen fotografierter Gruselfilm im viktorianischen Gewand; sich auf "alte" Tugenden des Genres besinnend, indem er von langen Einstellungen und gemächlichen Kamerafahrten Gebrauch macht und überhaupt sehr geschmackvoll mit seinen vortrefflichen Ingredienzien verfährt. Der auf einem - angesichts seiner in punkto Zeitkolorit blendend getroffenen Atmosphäre - noch erstaunlich jungen Roman (1983) von Susan Hill basierende gothic horror verzichtet dabei bis auf wenige, dafür umso wirkungsvoller eingesetzte Ausnahmen auf modischen Digitalkintopp. Stattdessen gedenkt man der früheren Hammer-Qualitäten: set pieces, Interieurs, Kostüme sind von ausgesuchter Noblesse und Authentizität, die Landschaftsbilder gleichen oftmals den Gemälden zeitgenössischer Romantiker und sogar Daniel Radcliffe als trauriger junger Notarsadlatus in direkter Erbfolge eines Jonathan Harker überzeugt trotz seiner schweren Zauberer-Bürde. Für alle Liebhaber von haunted house movies, besonders von jenen, die in England (oder zumindest in Neu-England) angesiedelt sind, eine unbedingte Pflichtveranstaltung!

9/10

James Watkins Victorian Age Haus Spuk Fluch Geister England Dorf


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THE RESIDENT (Antti Jokinen/UK, USA 2011)


"This time, you get to remember."

The Resident ~ UK/USA 2011
Directed By: Antti Jokinen

Die gestresste Unfallärztin Juliet Deverau (Hillary Swank) hat gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich und sucht nach einer neuen Wohnung. Diese findet sie in einem schicken Appartment des Hausbesitzers Max (Jeffrey Dean Morgan): geräumig, mit Blick auf die Brooklyn Bridge und für eine Spottmiete ist das gute Stück zu mieten. Zudem scheint Max ein durchaus aparter Mann zu sein, was ihn für Juliet zunächst interessant macht. Doch sie liebt ihren Exfreund Jack (Lee Pace) noch immer und weist Max letztlich ab. Was Juliet nicht ahnt: Max ist ein Psychopath, der längst eine irre Obsession für Juliet entwickelt und ihr die Wohnung sogar gezielt zugeschustert hat. Er hat mehrere geheime Zugänge zu Juliets Wohnung, kann sie von überallher beobachten und betäubt sie des Nachts mit hochdosierten Anästhetika, um sie anzufassen und zu missbrauchen. Als Juliet hinter die Wahrheit kommt, muss sie Max in einem blutigen Duell entgegentreten.

Just your usual psycho picture: Irre Vermieter, die ihr gesamtes Haus über schmutzige, kleine Gucklöcher überwachen können, Geheimgänge hinter ihren Wänden konstruiert haben und Mitbewohner drangsalieren, sind ein altes Motiv im Genrekino; wobei der Wahnsinn manchmal auch nicht den Eigentümer, sondern den Mieter befällt. Alles längst bekannt. Dabei erinnert die Hammer-Produktion "The Resident" noch am Ehesten an David Schmoellers schön schmuddeligen "Crawlspace", in dem dereinst Kinski als Hausbesitzer durch Geheimgänge krabbelte, um seine eingemieteten Mitbewohnerinnen zu drangsalieren. Hier läuft all das etwas gepflegter ab; mit Hillary Swank, "Comedian" Jeffrey Dean Morgan und dem altehrwürdigen Hammer-Rückkehrer Christopher Lee als Großvater des Irren gibt es eine beträchtliche Besetzung und Spannung und Terror bewegen sich auf gediegenem Samstagabendunterhaltungslevel, so dass niemand angewidert Kino oder Zimmer verlassen muss. Ich schätze, für alleinstehende, junge Karrieristinnen wie die im Film von der Swank gespielten, die sich in großstädtische Appartments eingemietet haben und den Hauseigentümer möglicherweise sowieso für etwas unkoscher befinden, ist "The Resident" deutlich besser nachvollziebarer Horror - ein Typ, der in deiner Abwesenheit deine Zahnbürste benutzt, in der Wanne onaniert oder den Wäscheschrank durchwühlt und dich in deiner Anwesenheit stöhnend begafft oder gar im Schlaf befingert - diese Vorstellung dürfte für die eine oder andere Dame mit Fug und Recht höchst enervierend sein. Ich im umgekehrten Falle fände das jetzt - aber pssst! - nicht ganz so schlimm.

6/10

Antti Jokinen Hammer New York Madness Duell


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LITTLE ODESSA (James Gray/USA 1994)


"It's done."

Little Odessa ~ USA 1994
Directed By: James Gray

Schon vor Jahren hat sich Joshua Shapira (Tim Roth) seinem Heimatviertel Brighton Beach in Brooklyn, das die russisch-jüdischen Einwanderer "Little Odessa" nennen, den Rücken gekehrt. Er hatte in seiner Eigenschaft als Auftragsmörder damals den Sohn des hiesigen Paten Boris Volkoff (Paul Guilfoyle) getötet und war daher zur Flucht gezwungen. Sein aktueller Auftrag führt ihn zurück in die alte Zweitheimat. Ein Polizeispitzel (Leonid Citer) soll beseitigt werden. Joshuas Reise in die Vergangenheit bedeutet auch die Wiederbegegnung mit seiner Familie: Mit seinem kleinen Bruder Reuben (Edward Furlong), dessen Identitätssuche bisher erfolglos ist, mit seiner todkranken Mutter (Vanessa Redgrave) und vor allem mit dem verhassten Vater (Maximilian Schell), der zeitlebens erfolglos versucht hat, die Werte der Alten Welt mit in die Neue zu nehmen. Trotz fester Vorsätze lässt Joshua diverse alte Kontakte wieder aufleben, was geradewegs in die Katastrophe führt...

Ein tiefschwarzes Familiendrama ist James Grays bravouröses Langfilmdebüt geworden, eines zudem, für das ihm eine phantastische Besetzung zur Verfügung stand. Allen voran Tim Roth und Maximilian Schell, die ein zutiefst entzweites Vater-Sohn-Paar interpretieren, das dem jeweils anderen das eine ums andere Mal den Tod an den Hals wünscht und gerade durch diese Unbarmherzigkeit für eine furchtbare Wendung der Ereignisse sorgt. Joshua Shapira hat nichts von den glamourösen, coolen Auftragskillern der klassischen und jüngeren Kino-Historie. Er ist ein verhärmter Soziopath, der nichts und niemanden dichter als unbedingt nötig an sich heranlässt, einer, der es verlernt hat, zu weinen und zu lachen. Zwar erwacht mit seiner Rückkehr nach Little Odessa ein Rest familiäres Verantwortungsbewusstsein in ihm; dieses fällt infolge der gleichermaßenen Unerbittlichkeit des Vaters und dessen nicht minder überlagernden Unfähigkeit, alte Wunden sich schließen zu lassen, auf unfruchtbaren Boden. Am Ende ist aus Joshuas ursprünglichem Auftrag eine sehr viel tiefgreifedere, hochnotpersönliche Inventur geworden. Seine Familie ist tot und er wird seine nächste Mission noch verhärteter, noch gnadenloser ausführen als zuvor. James Grays betont kalte, winterliche Bildsprache gemahnt an die Filme der siebziger Jahre, in denen häufig kein Platz mehr war für Hochglanz und Farbe. Die Kamera nutzt durchweg gegebene, unarrangierte Lichtquellen, was dem Film genau jene grieslige Kargheit verleiht, die er zur Untermalung seiner Geschichte benötigt. Ein schöner Kontrastpunkt auch zu Tarantinos gerade im Erstarken begriffenen Westküsten-Genrefilm, der ja Tim Roth als gewissermaßene Verbindung vorweist: Bei Gray gibt es im Vergleich dazu keinerlei grelle Oberflächenreize und die in "Little Odessa" vorkommende Gewalt lädt weder zum Lachen, noch zum Applaudieren ein. Hiernach möchte man sich ganz einfach nur noch ganz klein machen.

9/10

James Gray New York Familie Vater & Sohn Brüder Russenmafia Profikiller ethnics Winter


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THE TIME MACHINE (George Pal/USA 1960)


"Which three books would you have taken?"

The Time Machine (Die Zeitmaschine) ~ USA 1960
Directed By: George Pal

Am Silvesterabend des Jahres 1899 reist der Erfinder George Wells (Rod Taylor) mit seiner selbstkonstruierten Zeitmaschine in die Zukunft. Er ist mit der allgemeinen Kriegstreiberei seiner Ära unzufrieden und sucht nach einem möglichen, künftigen Utopia, in dem die Menschheit endlich gelernt hat, in Frieden miteinander auszukommen. Doch die jeweils nur kurz beobachteten Ereignisse belehren ihn eines Besseren: Nach dem Ersten Weltkrieg folgen noch ein Zweiter und ein Dritter, möglicherweise sogar noch mehr, wobei jeder von ihnen die Menschheit mit immer größeren Verlusten bezahlen lässt. Irgendwann im 803. Jahrtausend hält George seine Zeitmaschine an. Die Welt ist wieder grün und üppig, doch die noch lebenden Menschen sind zu hübschen, blonden, gleichförmigen Idioten retardiert. Nichts mehr interessiert sie, bewegt sie, affiziert sie: Der Preis für globalen Frieden? Doch ist dieses, sich selbst Eloi nennende Volk nicht das einzige noch existente. Im Schutze unterirdischer Dunkelheit wohnen die zu verstrahlten Albinos mutierten Morlocks, die zu Kannibalen geworden sind und die Eloi als Nutzvieh halten und züchten. George, der sich in das Eloi-Mädchen Weena (Yvette Mimieux) verliebt, führt die vormals so lethargischen Autisten zur längst überfälligen Revolution gegen die Morlocks. Zurück in der Vergangenheit, glauben seine Freunde, mit Ausnahme seines Nachbarn Filby (Alan Young), George kein Wort von seiner Geschichte...

Nicht allein anlässlich Rod Taylors Tod eine sowieso längst überfällige Wiederbetrachtung dieses Sci-Fi-Meisterwerks aus den Spätfünfzigern. "The Time Machine", der früher einmal mit einiger Regelmäßigkeit im Fernsehen wiederholt wurde, war eigentlich schon seit eh und je einer meiner Lieblingsfilme. Die Gründe dafür sind, wie mir gestern wieder klar wurde, naheliegend: Pals Film demonstriert auf naive Weise die schrecklichen Folgen von Aufrüstung und Waffenstarre, die uns irgendwann in den Abgrund reißen muss, um hernach in kaum vorstellbarer, ferner Zukunft in ein abartiges Feudalsystem zu münden. Diese Kausalkette begreift selbst ein weltpolitisch ungebildeter Steppke im Grundschulalter ziemlich schrankenlos. Die Morlocks sind hübsch eklige Mutantenmonster mit Leuchtaugen, so eine Art Mixtur aus Zombies und Kannibalen und somit unvergessliches Genre-Inventar. Doch auch Kleinigkeiten und Details wie die Schaufensterpuppe in Filbys Laden oder die Veränderung von Georges Grundstück; die starke Farbgebung und die ganz wunderbare Musik von Russell Garcia; Alan Youngs freundliches Gesicht und natürlich Yvette Mimieux, die mit ihrer rigorosen Kleinmädchen-Expression natürlich sehr apart auf kleine Jungs wirkt, sind unvergesslich. Ein Film somit zum bedingungslosen Liebhaben, Immerwiederanschauen und garantiert Niemüdedabeiwerden.

10/10

George Pal H.G. Wells Zeitreise Dystopie Apokalypse Zukunft Mutanten England Victorian Age Fin de Siècle Kannibalismus





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