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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ADIEU, POULET (Pierre Granier-Deferre/F 1975)


Zitat entfällt.

Adieu, Poulet (Adieu, Bulle) ~ F 1975
Directed by: Pierre Granier-Deferre

Der aufstrebende, aus der Industrie stammende Politiker Lardatte (Victor Lanoux) steht im Zusammenhang mit den Morden an einem jungen, oppositionellen Plakatierer (Eric Legrand) sowie dem ihm zur Hilfe eilenden Polizisten Moitrié (Gérard Hérold), für die einer von Lardattes gedungenen Schlägern, der Kriminelle Portor (Claude Brosset) verantwortlich ist. Der Beginn eines aufreibenden Duells zwischen dem sich unbefleckt gebenden Lardatte und Moitriés Kollegen und Freund Verjeat (Lino Ventura), einem Flic mit höchst eigenwilligen Methoden.

Während Bébel in Henri Verneils "Peur Sur La Ville" anno 75 über den Dächern von Paris herumturnte, um einen verrückten Killer dingfest zu machen, ließ es sein älterer Kollege Lino Ventura in der etwas nordwestlicher gelegenen Hafenstadt Rouen etwas ruhiger angehen: Ihm warfen keine Klischeeverbrecher Knüppel zwischen die Beine, sondern ein korrupter, machtgieriger Populist, dessen größtes Bestreben dahin deutete, sich sämtliche Exektuiv- und Judikativkräfte in die eigene Tasche zu stecken und aus dieser heraus für sich arbeiten zu lassen. Als Verjeat eine öffentlichkeitswirksame Diffamierung Lardattes durch den Vater (Jacques Rispal) des erschlagenen Plakatierers tatkräftig unterstützt, soll er prompt versetzt werden. Doch es bleibt noch immer der Fall Moitrié abzuschließen. Mithilfe seines etwas eigenwilligen, aber höchst loyalen Kollegen Lefèvre (Patrick Dewaere) inszeniert Verjeat eine Korruptionsaffäre um seine Person, die eine unmittelbare Versetzung zunächst unmöglich macht und ihm somit mehr Zeit einräumt. Doch sein Vorgesetzter Ledoux (Julien Guiomar) torpediert beständig weiter Verjeats Ermittlungen, bis sich die Finsterlinge schließlich gegenseitig bekriegen. Als man nun doch auf Verjeats Vermittlungskünste zurückgreifen will, wendet der sich mit einem verächtlichen 'Adieu' ab und zieht seiner Wege.
Der französische Polizeifilm der siebziger Jahre schaute sich hier und da manches von seinen amerikanischen Vorbildern ab, wobei er vielleicht etwas weniger Wert auf Spektakel und Aktion legte wie die italienischen Nachbarn. "Adieu, Poulet" ist dabei ein Schwellenfilm, er vermengt Kühle, Abgeklärtheit und Zynismus, die sich durch Venturas Trenchcoat-Figur personifiziert finden, mit einer eher zukunftsweisenden, jugendlichen Rotzigkeit - inkarniert durch den weitaus impulsiver und beweglicher agierenden (und demnach für die wenigen Actionsequenzen verantwortlichen) Patrick Dewaere. Die Hauptqualität von "Adieu, Poulet" liegt darin, beide Pole hinreichend zu bedienen.

8/10

Pierre Granier-Deferre Francis Veber Duell Rouen Buddy Movie


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DREI MÄNNER IM SCHNEE (Kurt Hoffmann/BRD 1955)


"Noch einen Cognac für mich!"

Drei Männer im Schnee ~ BRD 1955
Directed By: Kurt Hoffmann

Der reiche Unternehmer Schlüter (Paul Dahlke) gönnt sich den Luxus, sein von ihm selbst gestelltes Preisausschreiben unter falschem Namen ("Schulze") und getarnt als armer Schlucker zu gewinnen und ihm winterlichen 'Grand Hotel' abzusteigen, seinen Diener Johann (Günther Lüders), der seinerseits als Großaktionär auftreten soll, in unmittelbarer Nähe. Dabei geht die "Rettungsaktion" von Schlüters Töchterchen Hilde (Nicole Heesters) schwer nach hinten los: Diese kündigt telefonisch im Grand Hotel an, dass ein wohlhabender Sonderling, der sich als bettelarm ausgibt, vor Ort als Gast residieren wird und dass man ihm den dortigen Aufenthalt doch bitte möglichst komfortabel gestalten möge. Der überemsige Hoteldirektor (Hans Olden) hält jedoch den Zweitgewinner des Preisausschreibens, den wirklich armen Dr. Hagedorn (Claus Biederstaedt) für den angekündigten Millionär und Schlüter/Schulze für einen aufdringlichen Schmarotzer. Die beiden ungleichen Männer entwickeln derweil eine innige Freundschaft.

Grundgutes Wirtschaftswunderkino der etwas gescheiteren Sorte, nämlich, ganz kästner-like, als charmante Gesellschaftssatire, in der einmal mehr die Oberklasse als wunderliches, dennoch liebenswertes Exzentrikervölkchen exponiert wird und der arme, aber aufrechte Bildungsbürger als grundsolider, brav-bescheidenre Sozialverlierer, der dann im weiteren Verlaufe seine Chance zum Aufstieg bekommt durch die Bekanntschaft mit einem Vertreter vom anderen Ende des Verdienstspektrums. Über ein solch simplifiziertes Weltbild muss man weder länger sinnieren, noch sich an ihm reiben, zumindest nicht für die Dauer von Lektüre oder Betrachtung. Kästner war ein moderner Märchenerzähler, der es verstand, schnittigen Humor zu liefern ohne zynisch zu sein und seine Charaktere in all ihrer unperfekten Phänotypie liebenswert zu gestalten. Darum lachen die Protagonisten vermutlich auch mehr als das Publikum - man ist fröhlich um des Frohsinns Willen, wenngleich Paul Dahlkes Lachanfälle hier und da schon etwas gestellt anmuten. Immerhin saufen und qualmen die drei Herrschaften, dass es eine wahre Freude ist. Zu jeder Gelegenheit wird ein Gläschen Cognac gereicht oder eine Zigarre angezündet und auf die Gesundheit zugunsten von ein paar Genussminuten geschissen. Vor sechzig Jahren ging das noch, ganz reuelos.

8/10

Kurt Hoffmann Erich Kästner Hotel Freundschaft Satire Standesdünkel Alkohol


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DOWNHILL RACER (Michael Ritchie/USA 1969)


"World champion? There are many of them."

Downhill Racer (Schussfahrt) ~ USA 1969
Directed By: Michael Ritchie

Der aus Colorado stammende Abfahrtsläufer David Chappellet (Robert Redford) kommt als Ersatzmann während der Weltmeisterschaft nach Europa und macht sich durch hervorragende Zeiten einen Namen im US-Team. Sein Trainer Eugene Claire (Gene Hackman) hat dabei alle Hände voll zu tun, Chappellets naive Arroganz im Zaum zu halten. Zwei Jahre und diverse harte Lebens- und Sporttrainingssequenzen später läuft Chappellet nach dem Ausfall seines Mannschaftskollegen Johnny Creech (Jim McMullan) als Favorit bei der Winter-Olympiade.

Weder reizt mich Wintersport in aktiver noch in passiver Hinsicht sonderlich, aber Michael Ritchies etwas vergessenen Beitrag zu New Hollywood habe ich dennoch als meisterhaft empfunden. Nicht nur die von Anfang an fesselnde, collagehafte Montage, die eine dokumentarische Konnotation der ansonsten konventionellen Story ermöglicht, begeistert; auch die existenzialistische, mutige Einbettung jener drei Winter in eine ansonsten wenig bemerkenswerte Biographie kommt ungewöhnlich daher für den Sportfilm. So ist David Chappellet eigentlich kein besonders sympathischer Typ, sondern ein recht selbstgefälliger, wenig gescheiter Schnösel, dessen mangelnde Mondänität und Unerfahrenheit mit dem europäischen Wintersport-Jet-Set seine Herkunft als amerikanischer Kleinstadt-Bauernjunge belegt. Er verliebt sich unsterblich in die leicht versnobte Sportartikel-Managerin Carole (Camilla Sparv), muss jedoch bald frustriert erkennen, dass er in ihrer Welt von Glanz und Glitter nur einer von vielen ist. Ganz ähnlich sein finaler Sieg und die damit erworbene Goldmedaille - ein Konglomerat diverser, Chappellet zupass kommender Zufälle, die kaum werden verhindern können, dass auch sein Name irgendwann vergessen werden wird.
Ein kunstvoll inszeniertes Sportdrama, fernab aller Klischeefallen und absolut mustergültig für sein Genre.

9/10

Michael Ritchie Wintersport Schnee amour fou Freundschaft New Hollywood


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LE MOINE (Adonis Kyrou/F, I, BRD 1972)


"In nomine Patris et Filii, et Spiritus Sancti."

Le Moine (Der Mönch und die Frauen) ~ F/I/BRD 1972
Directed By: Adonis Kyrou

Vater Ambrosio (Franco Nero) gilt als besonders eherner, geschulter und aufrechter Kirchenvertreter, dessen Messen ihre Zuhörer regelmäßig in höchste Verzückung versetzen. So gottesfürchtig er sich gibt, so unerbittlich ist er in der Einhaltung kirchlicher Richtlinien: Die unfällig schwangere, ihn um Hilfe ersuchende Nonne Agnes (Elisabeth Wiener) aus dem Nachbarkonvent lässt Ambrosio rigoros bestrafen. Derweil gibt sich der junge Novize Rosario (Nathalie Delon) als Frau namens Matilda zu erkennen, die sich nach Ambrosio verzehrt und daher seine Nähe sucht. Eine unheilige Affäre beginnt, an der Ambrosio bald wieder das Interesse verliert, als er die minderjährige Antonia (Eliana De Santis) kennenlernt. Er will das Mädchen um jeden Preis besitzen und nimmt dafür sogar die schwarzen Künste, in denen Matilda bewandert ist, als Hilfsmittel. Doch sein folgender Annäherungsversuch endet mit Mord und Flucht. Ambrosio verliert jedwedes Zutrauen seiner vormaligen Gefolgsleute und findet letzte Zuflucht bei dem völlig dekadenten Duke von Talamur (Nicol Williamson), der Ambrosio bei der Inquisition denunziert. Deren Ankündigung, Ambrosio für seine Sünden büßen zu lassen, schlagen fehl: Seine mittlerweile geknüpften Verbindungen zur Unterwelt sorgen dafür, dass Ambrosio heilig gesprochen wird.

Nachdem Luis Buñuels Interesse an einer Filmadaption von Matthew Lewis' klassischem schauerromantischen Roman infolge mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten abgeebbt war, bediente sich sein Freund und Kollege Adonis Kyrou Buñuels Scripts und machte daraus eine eigene Filmversion. Diese liebäugelt mit der damals verbreiteten Nunsploitation-Welle und dem sonstigen via historische Stoffe kommuniziertem Camp jener Kinojahre, schafft jedoch zugleich etwas Unikales. Die ersten zwei Drittel von "Le Moine" bewegen sich, allerdings unter Auslassung zahlreicher Nebenfiguren und Handlungsstränge, relativ dicht am Romankern - ein sich unbefleckt gottesfürchtig wähnender Kirchenmann scheitert an der sich ihm offenbarenden Versuchung, gibt sein Zölibat auf und verfällt darüber hinaus noch sehr viel fürchterlicheren Sündenpfuhlen. Die stark ironisch konnotierte Figur des Duke von Talamur hingegen, die im weiteren Verlauf als komplette Negierung jedweder moralischer Werte eine zunehmend gewichtige Rolle einnimmt, wird hinzugedichtet. Talamur adoptiert -freiwillig und unfreiwillig - kleine Mädchen aus der Umgebung und lässt sie für sich arbeiten, derweil er sich manchmal auch eines von ihnen als Ragout zum Abendessen servieren lässt. Bei diesem Satan in Menschengestalt haust nicht nur Matilda als regelmäßiger Gast - auch für den tief gefallenen Ambrosio bewahrt er ein Plätzchen, da hier eine Art Seelenverwandter gefunden scheint. Doch währt diese junge Freundschaft auch nicht weiter als die Fangarme der Inquisition reichen, wobei deren weltlicher Machtumfang mittlerweile nicht mehr zu Ambrosios unvorstellbarer Fallhöhe hinabreichen. Da erreicht "Le Moine" dann seinen satirischen Höhepunkt: Der einst der Verdammnis zusprechende Sünder tritt als moderner Papst auf den Petersplatz hinaus und begrüßt seine ihm zujubelnden Schäfchen.
Im Roman gestaltet sich das Ende noch um Einiges versöhnlicher und konventioneller: In inquisitorischer Haft verscherbelt der angsterfüllte Ambrosio seine Seele endgültig dem Satan und muss dann in langer Qual, den Körper zerschmettert, sein Leben einsam in einer Schlucht aushauchen, derweil zwei durch die Ereignisse gezeichnete, junge Paare in den Ehehafen einfahren dürfen. Buñuels streitbare Conclusio gefällt mir da sogar wesentlich besser.

8/10

Adonis Kyrou Luis Buñuel Matthew Lewis Inquisition period piece Madness


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DAWN OF THE PLANET OF THE APES (Matt Reeves/USA 2014)


"Apes do not want war!"

Dawn Of The Planet Of the Apes (Planet der Affen: Revolution) ~ USA 2014
Directed By: Matt Reeves

Wenige Jahre nachdem das "Affenvirus" weite Teile der Menschheit getötet hat, liegt die globale Zivilisation in Trümmern und es existieren nurmehr kleine urbane Inseln von humanen Grüppchen, die sich als immun herausgestellt haben und versuchen, das Beste aus ihrer prekären Situation zu machen. So auch die Leute von Dreyfus (Gary Oldman), der eine kleine Gesellschaftsenklave inmitten des desolaten San Francisco zusammenhält. Um wieder Strom fließen zu lassen, muss ein brachliegendes Wasserwerk in den Wäldern nördlich der Stadt reaktiviert werden. Dieses liegt jedoch auf dem Territorium der Affen, die sich um den hier lebenden Caesar (Andy Serkis) als Führer geschart haben. Mit einiger diplomatischer Mühe und Not trift man eine territoriale Übereinkunft, die jedoch von kriegstreiberischen Strömen auf beiden Seiten, besonders durch den hasserfüllten Schimpansen Koba (Toby Kebbell) ausgenutzt wird, um einen Krieg zwischen den Arten vom Zaun zu brechen.

Eine enttäuschende Fortsetzung zu Rupert Wyatts außerordentlich starkem Reboot des Franchise von vor drei Jahren. Zeichnete sich jenes noch durch eine große Menge Einfallsreichtum, Ernsthaftigkeit und Sensibilität aus, die weit über das handelsübliche Maß im großbudgetierten Genrekino hinausreichte, wäre Reeves' Sequel nurmehr ein weiteres Exempel für dessen ordinäres Kalkül im Bereich erfolgreicher Serien. Hier und da gibt es ein paar schöne, intertextuelle Vermerke [der Menschen-Teenager Alexander (Kodi Smit-McPhee) und der alte Orang-Utan Maurice (Karin Konoval) nähern sich vorsichtig an, indem sie gemeinsam Charles Burns' Comicroman "Black Hole" lesen; der neuerliche Stromfluss wird untermalt mit dem Song "The Weight" von The Band, der bekanntlich auch die Aufbruchsstimmung in "Easy Rider" so schön akustisch illustrierte] und spannende bis spektakuläre Szenen, insgesamt schien mir der Film jedoch seine für das Sujet schlicht unmäßige Spielzeit mit nicht vorhandener Bedeutsamkeit gleichzusetzen. "Dawn Of The Planet Of The Apes" macht denselben Fehler, den sich bereits Tim Burtons Variante von 2001 leistete. Er ignoriert das intellektuelle Potenzial des Franchise nahezu völlig; lässt es gar brach liegen zugunsten einer Zirkusschau seiner sicherlich prächtigen Effekte und Formalia. Das ergibt jedoch kaum mehr denn kognitives fast food, was umso bedauerlicher ist, als dass der unmittelbare Vorgänger doch so ergiebig demonstrierte, was in "Planet Of The Apes" noch drinsteckt an Erhebenswertem. Eine vertane Chance, wenn man so will.

6/10

Matt Reeves Sequel Apokalypse Virus Affen Planet Of The Apes Dystopie


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FORCE: FIVE (Robert Clouse/USA 1981)


"Thank God for Black an' Decker!"

Force: Five (Die Macht der Fünf) ~ USA 1981
Directed By: Robert Clouse

Der teuflische Reverend Rhee (Master Bong Soo-Han) leitet eine Erleuchtungssekte, die ihm lediglich als Fassade dient, um in Ruhe seine Drogengeschäfte abwickeln und die zumeist aus reichem Hause stammenden Schäfchen um ihre dicken Börsen erleichtern zu können. Dem wohlhabenden William Stark (Michael Prince) sind Rhees Umtriebe seit Langem ein Dorn im Auge, doch jeder Versuch, dessen Organisation zu sprengen, schlug bislang fehl. Also heuert er den Kampfsportmeister Jim Martin (Joe Lewis) an, der wiederum ein sich aus bewährten Kampfprofis rekrutierendes Quintett (Sonny Barnes, Richard Norton, Benny Urquidez, Pam Huntington, Ron Hayden) um sich schart. Nachdem auch noch Stark von Rhees Handlangern ermordet wird, kennen Martin und seine Force: Five keine Gnade mehr.

Ein Remake in eigener Sache - "Force: Five" ist schon auf den ersten Blick nichts anderes als eine lediglich geringfügig modifizierte Variation von Clouses eigenem Schlager "Enter The Dragon". Anstelle von Bruce Lee ist nun Kickbox-Champion Joe Lewis zu sehen, der seine Mitstreiter allerdings nicht wie ehedem zufällig, sondern ganz gezielt auswählt, um den fiesen Obermotz zu vernichten. Jener wird - eine besonders hübsche Fußnote - von Master Bong Soo Han interpretiert, der wenige Jahre zuvor in der Enter The Dragon"-Parodie "A Fistful Of Yen", einem Segment aus John Landis' "The Kentucky Fried Movie", mit einem gewissen Dr. Klahn das Äquivalent zu Bruce Lees vormaligem Gegner Han (Shih Kien) spielte und am Ende durch eine Wasserdusche ("I'm melting, I'm melting!") besiegt wird. Allein jener "Besetzungscoup" verhindert, dass "Force:Five" sich auch nur ein Fünkchen Ernsthaftigkeit erwirtschaften kann. Doch auch der Rest des Films entspricht einer durchweg bizarren Scharade, die mehr mit den beiden um diese Zeit entstandenen Christian-Anders-Filmen "Die Brut des Bösen" und "Die Todesgöttin des Liebescamps" gemein hat als mit auch nur semiseriösem Genrekino. Dass der end boss hier in Form eines wilden Stiers daherkommt, scheint da nurmehr konsequent.
Ein wahlel Blüllel, wenn Sie mich flagen.

5/10

Robert Clouse Martial Arts Exploitation Trash


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THE BEAST WITH FIVE FINGERS (Robert Florey/USA 1946)


"Your mental balance is equal to mine, but don't consider that a tribute to your sanity."

The Beast With Five Fingers (Die Bestie mit den fünf Fingern) ~ USA 1946
Directed By: Robert Florey

Der in einem norditalienischen Städtchen wohnhafte, alternde Starpianist Francis Ingram (Victor Francen) kann seit einem Schlaganfall nurmehr die linke Hand bewegen. Dies tut seinem impressiven Reichtum jedoch keinen Abbruch. Um sich herum hat Ingram ein exklusives kleines Klübchen versammelt: Seine von ihm heißgeliebte Pflegerin Julie (Andrea King), den charmanten Trickbetrüger Conrad Ryler (Robert Alda), der Ingram spezielle Stücke für einhändiges Spiel schreibt, den zwielichtigen Notar Duprex (David Hoffman) und schließlich den Privatsekretär Hilary Cummins (Peter Lorre), einen überaus exzentrischen Zeitgenossen. Als Ingram eines Nachts die Treppe seines Hauses herabstürzt und stirbt, stellt sich die Frage nach seiner beträchtlichen Erbschaft. Diese gedenkt das kurz zuvor abgefasste Testament der überraschten Julie zu, doch die eilends herbeigereisten Vater (Charles Dingle) und Sohn Arlington (John Alvin), Vettern Ingrams, sind da ganz anderer Ansicht. Bald schon gibt es im Haus den ersten Toten. Und alles deutet darauf hin, dass Ingrams Hand sich selbstständig gemacht hat und nun auf Rachefeldzug geht...

Ein gepflegt aus der Rolle fallender, kleiner Genrefilm des vielbeschäftigten B-Filmers Robert Florey. Dieser hatte mit dem ebenfalls mit Peter Lorre besetzten "The Face Behind The Mask" wohl bereits sein mutmaßliches Meisterwerk abgeliefert, doch auch "The Beast With Five Fingers" hält sich recht stabil. Weder handelt es sich bei diesem um ein eindeutiges Werk der Gattung Horror, noch mag man ihn vollends dem Krimi-Genre zurechnen. Schmunzelnder Humor begleitet "The Beast" über weite Strecken wie ein alter Freund und löst seine ansonsten betont gotische Atmosphäre ein wenig ab. Kern und Herstück des Films ist erwartungsgemäß der irre mit den großen Augen rollende Lorre, dem man in seiner Rolle als eher nebenbei tätiger Sekretär und hauptsächlicher Astronom in einer Melange aus Sypathie und Befremdung zugetan ist. Zwar wird von Anfang an kein Hehl daraus gemacht, dass Hilary Cummins nicht mehr alle Nadeln an der Fichte hat, doch welch Irrsinn sich wirklich hinter seiner zuweilen kraus gezogenen Stirn verbirgt, dessen wird man erst zum Ende hin gewahr, nachdem man bereits bereit war, mit ihm an das Übernatürliche zu glauben. Hierin liegt dann auch ein außergewöhnlicher Kniff Floreys: Er macht die (im Übrigen sehr gut getricksten) Wahnvorstellungen Cummins' ohne weitere Erläuterungen zu objektiven Zuschauereindrücken, eine für die damalige Zeit noch recht unerhörte Praxis. Am Ende darf J. Carrol Naish, der zuvor alös emsiger Commissario zu ermitteln hatte, noch einen lustigen Finalgag aufbereiten. Damit fällt dann auch das letzte bisschen präservierter Grusel von dem Film ab. Schadet ihm trotzdem nichts.

8/10

Robert Florey Curt Siodmak Italien Kleinstadt Hand Madness period piece


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SATURDAY NIGHT AND SUNDAY MORNING (Karel Reisz/UK 1960)


"Don't let the bastards grind you down!"

Saturday Night And Sunday Morning (Samstagnacht bis Sonntagmorgen) ~ UK 1960
Directed By: Karel Reisz

Für den Jungarbeiter Arthur Seaton (Albert Finney) ist die Woche wohlstrukturiert: Von montags bis freitags geht's in die Fabrik, wo harte Maloche Ehrensache ist, am Samstag heißt es dann rein in den Zwirn und ab in den Pub, zehn bis zwölf Pints hinter die Binde und mit der eigentlich mit seinem Arbeitskollegen Jack (Brtyan Pringle) verheirateten Brenda (Rachel Roberts) in die Kiste. Der Sonntag ist dann zum gemächlichen Ausnüchtern bestimmt, bevor die Mühle am Montag wieder auf Null springt. Als Arthur die ihm deutlich zukommendere Doreen (Shirley Anne Field) kennenlernt, sieht er eine Möglichkeit, die sich ohnehin verkomplizierende Beziehung mit Brenda zu lösen - da eröffnet diese ihm, von ihm schwanger geworden zu sein. Für Arthur ein unhaltbarer Zustand, den er jedoch mittragen muss und der ihn einiges an Lehrgeld kostet.

Another angry young man, soon to be older: Diesmal sehen wir den noch taufrischen Albert Finney als einen Helden der Arbeiterklasse, der seine imposante Energie zum einen der Tatsache verdankt, dass er noch deutlich jünger ist als die meisten seiner Kollegen und zum anderen der unerschütterlichen Kraft der Träume. Für Arthur Seaton steht es außer Frage, dass er sich, wie bereits sein Vater (Frank Pettitt) vor ihm, zeitlebens den Buckel in der Fabrik krummschuften und früher oder später in die kleinbürgerliche Sackgasse des Alltags einfahren wird. Seine unerfreulich verlaufende Affäre mit der verheirateten Brenda grenzt ihn dabei zwar etwas von seinen geregelter dahinvegetierenden Zeitgenossen ab, bewahrt ihn letztlich jedoch auch nicht vor seinem vorgezeichneten Schicksal: Mit der reizenden Doreen naht zugleich das noch uneingelöste Versprechen des familiären Heimathafens. Mit ihr wird Arthur, so rotzig und kregel er sich jetzt auch geben mag, in Kürze eine eigene Familie gründen, in ein eigenes Häuschen ziehen und dereinst genauso enden wie sein Vater vor ihm. Was der Film von Arthur Seaton zeigt, ist vielleicht der letzte außergewöhnliche Ausschnitt seines Lebens, der letzte Rausch. Dann kommt nurmehr der Sonntagskater mit seinem langen, mühseligen Erwachen.

8/10

Karel Reisz Free Cinema Nottingham


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LOOK BACK IN ANGER (Tony Richardson/UK 1959)


"It's no good fooling about with love, you know."

Look Back In Anger (Blick zurück im Zorn) ~ UK 1959
Directed By: Tony Richardson

Jimmy Porter (Richard Burton) verdient sich seinen Lebensunterhalt zusammen mit seinem besten Freund Cliff (Gary Raymond) als Süßwarenverkäufer auf dem Markt. Sein wahres Herz schlägt jedoch für die Jazztrompete, der einzigen Möglichkeit für ihn, seine überbordende Gefühlswelt zu sublimieren. Jimmys Ehe mit der Middle-Class-Tochter Alison (Mary Ure) ähnelt derweil eher einem täglichen Kampf. Als erklärter Misanthrop macht er ihr mit seinen unkontrollierten Verbalattacken das Leben zur Hölle. Die Situation kippt, als Alison erfährt, dass sie ein Kind erwartet und zeitgleich ihre Freundin, die Schauspielerin Helena (Claire Bloom), für die Zeit eines Theater-Engagements in ihrer Wohnung unterkommt. Helena überredet Alison, Jimmy endlich zu verlassen, nur um sich dann selbst in eine halsbrecherische Affäre mit ihm zu stürzen. Am Ende müssen alle drei einsehen, dass sie falsche Entscheidungen getroffen haben.

Als eine Art britisches Pendant zu Tennessee Williams' "A Streetcar Named Desire" observiert John Osbornes Stück die Tücken einer viel zu schnell geschlossenen Ehe-Gemeinschaft, die ihren vorläufigen Bruch erlebt, als ein weiterer, weiblicher Part zwischen ihre verhärteten Fronten tritt. Tony Richardson fertigte daraus das erste bedeutende Werk des 'Free British Cinema' oder auch der Gattung 'Kitchen Sink': Genrelose Dramen, die, analog zur formal wesentlich verspielteren 'Nouvelle Vague' als Aufbruchskino entstanden und in der englischen Variante einen möglichst unverfälschten Blick auf die betont glanzlosen Alltagsexistenzen von Arbeiterfamilien und unzufriedenen Nachwüchslern warfen. Richard Burton zeichnet in der klassischen Rolle des Jimmy Porter, die übersee von Paul Newman oder Marlon Brando übernommen worden wäre, im Prinzip sein gesamtes folgendes Rollen-Repertoire vor. Er gibt hier den intellektuellen Zyniker in Reinform, der aus lauter Zorn über sein engmaschig umdrahtetes Leben zu einem in schäumendem Selbsthass gefangenen Individuum geworden ist, das jeden Tag mindestens ein rhetorisches Explosiönchen über seine Mitmenschen ergießt. Wo in späteren Rollen dann zumeist Resignation und Unterschwelligkeit regieren, leistet Burton sich hier noch den einen oder anderen veritablen Ausbruch. Dass es dabei zumeist seine zarte Ehefrau trifft, liegt in der Natur der Dinge. Dass am Ende die Erkenntnis obsiegt, dass man sich mit dem zu arrangieren hat, was das Leben einem bietet, ebenso. Allein der Weg dorthin macht "Look Back In Anger" so immens involvierend.

8/10

Tony Richardson John Osborne based on play Free Cinema Ehe amour fou Bohéme


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X: THE UNKNOWN (Leslie Norman/UK 1956)


"What happened, sir? I don't understand." - "Peter, I'm afraid I don't either."

X: The Unknown (XX... unbekannt) ~ UK 1956
Directed By: Leslie Norman

Während eines Übungseinsatzes der schottischen Armee, bei der die Rekruten den Umgang mit Geigerzählern lernen sollen, bricht urplötzlich der Erdboden auf und hinterlässt eine scheinbar bodenlose Spalte. Einer der Männer erleidet furchtbare Verbrennungen, die zu seinem Tode führen. Der herbeieilende Nuklearforscher Dr. Royston (Dean Jagger) findet nach weiteren Zwischenfällen heraus, was es mit dem Riss auf sich hat: Eine jahrmillionen alte Lebensform, die im Inneren der Erdkruste überlebt hat, bahnt sich ihren Weg nach draußen, um sich von Radioaktivität zu ernähren und weiter zu wachsen. Dem gallertartigen Wesen, das jeden, der ihm zu nahe kommt, durch Zerschmelzung gnadenlos vernichtet, ist zunächst nicht beizukommen. Schließlich entwickelt Royston die rettende Erfindung, um der Bestie den Garaus machen zu können...

Da waren die Briten mal schneller: Bereits zwei Jahre vor dem (dann aber doch etwas hübscheren) "The Blob" machte in "X: The Unknown" eines der raren intraterrestrisch wohnhaften Leinwandmonster den Fortbestand der Menschheit zum großen Fragezeichen. Welcher Farbe das Ding ist bzw. war, lässt sich leider nicht verifizieren, die höchst spezielle Konsistenz viskoser Konfitüre zumindest aber teilte es sich mit dem passend betitelten Weltraum-Ungeheuer aus Yeaworths Film.
Tatsächlich bildete "X: The Unknown" einen Versuch der damals noch nicht genrefesten Produktionsgesellschaft "Hammer Films", an den erfolgreich gelaufenen "The Quatermass Xperiment" anzuknüpfen. Hier wie dort bekam man "erwachsene", eloquente Sciende Fiction, die die Grenze zum Horror gern mal übertrat und gerade dadurch ihre Stabilität erreichte. Den weisen Wissenschaftler, der sich von einem einfältigen, aber zurecht erbosten Vater (Jameson Clark) zwar nachsagen lassen muss, dass er wegen seiner unheiligen Experimente bestraft gehöre, tatsächlich jedoch pro humanum agiert, spielt hier statt Brian Donlevy US-Import Dean Jagger, ähnlich charismatisch und sympathisch anzuschauen wie das große Vorbild.
Die recht deftigen Schmelz-Sequenzen schließlich schauen noch immer knorke aus. Saubere Kiste.

7/10

Leslie Norman Joseph Losey Jimmy Sangster Michael Carreras Hammer Schottland Militär Monster





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Funxton

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