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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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NACHT DER WÖLFE (Rüdiger Nüchtern/BRD 1982)


"Wir müssen mal wieder was bringen."

Nacht der Wölfe ~ BRD 1982
Directed By: Rüdiger Nüchtern

Revierstreitigkeiten zwischen der alteingesessenen Gang der "Revengers" und der sich in ihrem Viertel breitmachenden Türkenbande "Blutige Adler" sorgen dafür, dass sich die Lage besonders für die unstete Daniela (Daniela Obermaier) zuspitzt, die eigentlich nichts mehr so recht mit ihren früheren Freunden, besonders dem akut aggressiven Duke (Karl-Heinz von Liebezeit) zu tun haben möchte und den jüngeren Dogan (Ali Arkadas) von der gegnerischen Seite dafür nicht unsympathisch findet. Schließlich kommt es zum nächtlichen Aufmarsch beider Gruppen, der mit einem unschuldigen Todesopfer endet.

Die meisten Versuche deutscher Filmemacher, jugendliche Subkulturen nicht nur der Früh-und Mittachtziger dramaturgisch in Szene zu setzen, wirken heute stark nostalgisch bis posserlich. Wo die meisten internationalen Regisseure weitaus größere Erfolge verbuchen konnten, bleibt aus hiesigen Breitengraden also eher schmunzeln Machendes. "Nacht der Wölfe" bildet da keine besondere Ausnahme. Nüchterns Film, der mich streckenweise stark an den mir bereits seit anno dunnemals bekannten, jedoch vier Jahre jüngeren "Verlierer" von Bernd Schadewald erinnerte, befremdet bereits etwas durch seine Münchener Vorstadt-Location. Das alles hat viel zu wenig von urbanem Ghetto, um die erwünschte Trostlosigkeit glaubhaft zu machen. Auch der Versuch, die rivalisierenden Gangs mit Ausnahme von Ethnien ("Verlierer" ging in dieser Hinsicht später deutlich weniger demoskopisch vor) einen eindeutigen Stempel aufzudrücken, misslingt gepflegt. Weder sind die "Revengers" Nazi-Skins, noch Heavys, noch Punks noch überhaupt irgendwas Konkretes; mehr so eine gezielt spießbürgerfeindliche Gruppierung, die eigentlich bloß postpubertären Radau zu veranstalten geruht, schlechten Metal-Sound hört und durch dummes Getue auffällt. Für die zumindest wesentlich friedfertigeren Türken gilt ansonsten Ähnliches.
Nüchtern scheitert also zur Gänze darin, eine ernsthafte oder zumindest authentische Vivisektion westdeutscher Teenager-Befindlichkeit jener Ära zu liefern. Zumindest Zeitkolorit und unfreiwilliger Humor jedoch kommen zu keiner Sekunde zu kurz und retten "Nacht der Wölfe" dann doch noch über seine Runden. Die DVD lohnt sich vornehmlich wegen der urigen Extras, darunter ein aktuelles Interview mit dem damaligen Haupt- und Laiendarsteller Ali Arkadas, der die Gelegenheit beim Schopfe packt, Reklame für seinen Lackierbetrieb zu machen und in jedem zweiten Satz betont, "wie schön" es damals war. Funny.

6/10

Rüdiger Nüchtern München Subkultur Teenager Gangs


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OCULUS (Mike Flanagan/USA 2013)


"Hello again! You must be hungry."

Oculus ~ USA 2013
Directed By: Mike Flanagan

Schreckliche Ereignisse von vor elf Jahren brachten Tim Russell (Brenton Thwaites/Garrett Ryan) einst in die geschlossene Psychiatrie: Damals waren seine Eltern (Rory Cochrane, Katy Sackhoff) nach dem Umzug in ein Landhaus sukzessive wahnsinnig geworden; Tims Vater hatte seine Mutter getötet und er selbst musste, um sich und seine ältere Schwester Kaylie (Karen Gillan/Annalise Basso) zu retten, seinerseits den Vater erschießen. Nunmehr therapiert und entlassen, glaubt Tim an einen rational erklärbaren Hergang dieser Ereignisse. Nicht so jedoch Kaylie: Diese erinnert Tim an ihren alten Pakt, den antiquarischen Spiegel, der tatsächlich für all das Böse, das damals passierte, verantwortlich war, zu zerstören. Tim mag zunächst nicht an Kaylies Annahme glauben und verdrängt die Tatsache, dass die lange Geschichte des Spiegels von Blut und zahlreichen Selbstmordopfern getränkt ist. Doch die folgende Nacht in ihrem mittlerweile leerstehenden Elternhaus in Anwesenheit des Spiegels belehrt in eines Schlimmeren...

Der Spiegel als ein Leitmotiv phantastischer Literatur besitzt eine lange Tradition. Immer wieder wurde sein Status als Dimensionstor, als Zugang zu Parallelwelten, als Versteck für dämonische Kräfte, als Orakel oder als in irgendeiner Form besessenes Objekt prononciert - uralte abergläubische Annahmen, "Schneewittchen", Lewis Carrolls "Alice"-Fortsetzung "Through The Looking-Glass", Henry S. Whiteheads Kurzgeschichte "The Trap", Vampire, die sich nicht im Spiegel sehen können, im jüngeren Genrefilm "Amityville: A New Generation" oder "Candyman" - die Faszination des Spiegels als Mysterium bleibt gefüttert.
"Oculus" nun bemüht in dieser Zeit inflationärer Horrorproduktionen, die garantiert keine klassische Saite der Gruselklaviatur auslassen, auch jenen alten Reflektionstopos wieder. Hierin ist der Spiegel eine Art Lebensenergie aufsaugendes Monster, der sich an allem Organischen nährt, was sich in seinem Einflussradius findet: Pflanzen, Haustiere und Menschen. Diesen entzieht er zunächst den Verstand, um sie dann zu willenlosen Objekten zu machen, die sich dann, veranlasst durch subjektiv empfundene Scheinrealitäten, gegenseitig umbringen. Dabei vermag er es, sich selbst stets zu retten, denn niemand, der es sich auch noch so sehr vornimmt, ist in der Lage, den Spiegel zu zerstören. Insofern ist Kaylies noch so ausgeklügelter Plan, das böse Stück Zierrat zu überwältigen, natürlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Spiegel spielt mit den Geschwistern, gaukelt ihnen Trugbilder vor, lässt sie schlimme Dinge begehen und sorgt schließlich dafür, dass der arme "Timbo", wie seine Familie ihn zu Lebzeiten neckisch zu nennen pflegte, wieder dort landet, wo er just geheilt herkam: in der Gummizelle.
Die inszenatorische Finesse Flanagans liegt darin, Zeitebenen nahtlos zu überlappen und mittels exzellenter Montage zu demonstrieren, dass der böse Spiegel seine Übermacht allein dergestalt genüsslich ausspielt, indem er die Geschwister wieder in dieselben Fallen tappen lässt wie bereits elf Jahre zuvor. Spätestens in den letzten Minuten wird klar, dass das Monster unbesiegbar, ihm mit noch so viel Equipment und Willenskraft nicht beizukommen ist. Der Spiegel ist allmächtig. Der sich hier und da dann doch allzu sehr auf Gewohnheitsmäßiges und Vorgefertigtes verlassende Film nicht ganz, aber grundsätzlich anschauenswert wäre er wohl.

7/10

Mike Flanagan Bruder & Schwester Spiegel


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THE SACRAMENT (Ti West/USA 2013)


"I ain't goin' to heaven..."

The Sacrament ~ USA 2013
Directed By: Ti West

Die drei Dokumentaristen Patrick (Kentucker Audley), Sam (AJ Bowen) und Jake (Joe Swanberg) spüren einer geheimnisvollen Sekte nach, in der Patricks vormals drogensüchtige Schwester Caroline (Amy Seimetz) ein neues Leben begonnen hat. Die religiöse Gemeinde hat ein Hauptquartier jenseits der US-Grenzen, versteckt im Dschungel, die ausschließlich per Hubschrauber zu erreichen ist. Es gelingt dem Trio, eine Einladung nach "Eden Parish", wie sich das Sektendorf nennt, zu erhalten. Bereits der Empfang mit stark bewaffneten Wächtern macht einen wenig positiven Eindruck auf die drei jungen Männer, doch der bald auftauchenden Caroline gelingt es, sie zu beschwichtigen. Zudem machen die Bewohner des Camps einen überaus zufriedenen, ausgeglichenen Eindruck. Das bald stattfindende Interview mt dem charismatischen Sektenführer "Vater" (Gene Jones) gestaltet sich als das erwartungsgemäße Gespräch mit einem psychologisch wie rhetorisch gebildeten Mann, der kritische Fragen betreffs der Finanzierung seiner Sache oder möglicher Aussteiger geschickt herunterspielt oder abwälzt. Tatsächlich wurden die meisten der Sektierer einer Gehirnwäche unterzogen, mussten Folterungen erdulden und werden, so sie sich nicht Vaters Anweisungen fügen, hier festgehalten. Als Patrick, Sam und Jake die Wahrheit offenlegen, kommt es zur Katastrophe.

Nach dem von mir als sehr enttäuschend empfundenen "The Innkeepers" vollzieht Ti West mit "The Sacrament" wieder einen deutlichen Schritt nach vorn. Zwar ist seine Sekten-Observation im Prinzip alles andere als originell, doch vermag West es darin ein beträchtliches Maß an Atmosphäre, die von nachhaltiger Bedrohlichkeit und einigen Parallelen zum klassischen Genrekino geprägt ist, zu kreieren. "The Sacrament" bleibt über seine gesamte Distanz durchweg interessant und es gelingt ihm, seine unterschwellige Angststimmung konsequent zu schüren. Dabei ist der Kollektiv-Selbstmord einer radikalchristlichen Sekte, deren Führerfigur mit Personenkult, Abschottung, Autarkie-Illusionen und Suggestionen arbeitet ein ganz alter Hut in Film und Realität. Die Figur des "Father" und auch seines Ordens orientiert sich unzweideutig an dem realen Jim Jones und seiner Sekte "People's Temple", die sich im November 1978 infolge politischen Drucks durch einen von Jones befohlenen Massensuizid ein Ende setzte. In "The Sacrament" sind es allerdings nicht Menschenrechtswächter, sondern die heute noch omnipotenteren Massenmedien, die Father den entscheidenden Tiefschlag versetzen. Sein auf Gerechtigkeit und Philanthropie fußendes Moralkonstrukt bekommt starke Risse, als eine Mutter (Kate Lyn Sheil) die letzte Fluchtmöglichkeit für ihre bereits schwer bestörte, kleine Tochter (Talia Dobbins) wittert und den Reportern gegenüber unbequeme Wahrheiten ans Tageslicht bringt. Damit ist der Traum "Eden Parish" ausgeträumt und wer seinen Zyanid-Shake nicht freiwillig schluckt, wird abgeknallt. Father erweist sich derweil als ein seinem utopistischen Wahn verfallener, koksschnupfender Späthippie, dessen Konzept von Lieben und Friede mit sich durchsetzender Waffengewalt von Anfang an völlig verlogen war.
Dass West seinem Mockumentary-Stil nicht immer sicher sicher nachgeht und hier und da formale Brechungen in Kauf nimmt, um seinem Film über die eine oder andere Hürde zu hieven, sei ihm angesichts des mitreißenden Resultats verziehen. So kann es gern weitergehen.

7/10

Ti West Sekte Bruder & Schwester embedded filming Eli Roth


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PLANES, TRAINS & AUTOMOBILES (John Hughes/USA 1987)


"You're fucked!"

Planes, Trains & Automobiles (Ein Ticket für Zwei) ~ USA 1987
Directed By: John Hughes

Der in Manhattan tätige Werbekreative Neal Page (Steve Martin) möchte gern rechtzeitig zum Thanksgiving-Truthahn bei seiner Familie in Chicago sein und müht sich daher mit allen Mitteln, pünktlich zum Flughafen zu kommen. Doch bereits auf der 5th Avenue gerät er im Zuge der Jagd nach einem Taxi mit dem übergewichtigen Duschvorhangringverkäufer Del Griffith (John Candy) aneinander - der Beginn einer überaus fruchtbaren Hassliebe, die sich in den nächsten 48 Stunden stärkstens intensivieren wird. Denn die beiden ungleichen Männer werden immer wieder durch sich selbst oder das Schicksal zusammengeführt auf ihrer höchst stressintensiven Heimreise, die sich in immer abstrusere, halsbrecherischere Aktionen verläuft.

Ein Evergreen, passend zum Pilgerväter-Feiertag geschaut. Wie alle Filme John Hughes, wobei dieser der erste ist, der sich nicht mit der Bestandsaufnahme von Achtiger-Jahre-Mittelklasse-Teenagern befasst, ist auch "Plains, Trains & Automobiles" eine herrlich spitzfindige Satire mit einem brillanten Blick für komödiantisches Timing und exzellenter Darstellerführung. Dazu gibt es immer wieder pointierteste Musikeinsätze und, neben all den wunderbar skurrilen Nebenfiguren von Kevin Bacon als arrogantem Yuppie bis Dylan Baker als ekligem Kansas-Hillbilly, schließlich zwei große Humoristen in jeweiliger Höchstform; ferner nicht zu vergessen wunderhübsche Regieeinfälle wie der immer wieder großartige Moment, in dem Steve Martin während eines Unfalls John Candy als Teufel herbeiphantasiert. Soweit ein starker Film, wahrscheinlich eine der besten und klügsten Komödien ihres Jahrzehnts gar.
Allein die fürchterlich melancholische Conclusio als Siedepunkt diverser jeweils im Vorhinein gelegter Bindfäden, die den in dieser Form doch liebgewonnen, seinem Mitreisenden in vielerlei Hinsicht doch so sehr überlegenen Charakter des Del Griffith gewissermaßen über den Haufen werfen und zu einer im Grunde rein tragischen Figur machen, die von der nunmehr erstarkten Figur des Superspießers Neal Page "gerettet" werden muss, nimmt dem Film wieder eine Menge weg, beschädigt ihn sogar ein Stück weit. Es hat mich immer schon gestört, dieses süßliche Feiertagsschmelz-Ende auf den Spuren von "It's A Wonderful Life", wobei ich ehrlich gesagt auch keine rechte Alternative wüsste. Vielleicht hätte man Griffith einfach nicht zum Witwer machen und stattdessen am Ende eine Art Familienzusammenführung herbeidichten können oder Ähnliches. Dieser märchenhafte Schluss, der letztlich auch keine dauerhafte Lösung für Griffiths Probleme beinhaltet (soll er jetzt bei den Pages einziehen? wird dann später eine Sitcom draus??), zu dem fürderhin ein ziemlich ätzendes Paul-Young-Cover intoniert wird, markiert allerdings die einzige echte Kerbe in einem ansonsten über weite Strecken makellosen Film.

9/10

John Hughes Road Movie Freundschaft New York St. Louis Kansas Chicago Reise Satire Thanksgiving


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SILVER LODE (Allan Dwan/USA 1954)


"Just ten minutes ago you all wanted to kill me. And now you're telling me you're sorry..."

Silver Lode (Stadt der Verdammten) ~ USA 1954
Directed By: Allan Dwan

Just am Tage seiner Hochzeit mit der schönen Rose Evans (Lizbeth Scott), die auf den 4. Juli gelegt wurde, erhält der allseits geachtete Kleinstadtbürger Dan Ballard (John Payne) Besuch von einem angeblichen Marshall McCarthy (Dan Duryea) und seinem Deputy-Gefolge. McCarthy bezichtigt Ballard, vor zwei Jahren hinterrücks seinen Bruder niedergeschossen zu haben und sich mit einer hohen, geraubten Geldsumme aus dem Staube gemacht zu haben. Wenngleich zunächst niemand dem urplötzlich auftauchenden Tross Glauben Schenken mag, gelingt es McCarthy, immer mehr von Ballards Nachbarn und Freunden auf seine Seite zu ziehen, bis der Ärmste die ganze Stadt gegen sich hat. Nur seine Braut und das Barmädchen Dolly (Dolores Moran) stehen tapfer zu ihm und können McCarthy schließlich als den Schwindler entlarven, der er ist.

Wie ein dahergelaufener Scharlatan namens McCarthy sich mit marktschreierischen Sprüchen die vox populi zu Eigen macht, indem er sich selbst und seine politische Paranoia zur ultima ratio erklärt, etliche unmündige Naivlinge mitzieht und sie sogar dazu bringt, langjährige Bekannte und Freunde zu verachten und sogar zu denunzieren, das erlebte Amerika gerade in der Realität, als die RKO einen kleinen B-Western namens "Silver Lode" vom Stapel ließ, der sich ebenjene unhaltbaren Vorgänge allegorisch abzublden traute und damit zu einem der politischsten und mutigsten Filme seiner Ära geriet. Der falsche Prophet trägt in diesem Falle gar den Namen seines tatsächlichen Pendants: Ein intriganter, brutaler Hund, der sich tatsächlich sogar wesentlich mehr für das verschwundene Geld interessiert als für die Rache am Tod seines Bruders. Wesentlich eindrucksvoller allerdings gelingt Dwan, binnen 77 Minuten Spielzeit zu demonstrieren, wie eine ganze Gemeinde sich von demagogischer Stimme in eine hetzerischen Mob versäuseln lässt, nur um hernach räuspernd wieder zum Alltagsgeschäft zurückzukehren. Am Ende wird der Bösewicht tödlich von einer von ihm selbst abgefeuerten Kugel getroffen, die an einer Nachbildung der originalen Liberty Bell abprallt. Ein überaus konsequentes Ende für einen ausgemachten Hundsfott. Dass "Silver Lode" sich rein dramaturgisch betrachtet nicht wenig bei Fred Zinnemanns "High Noon" bedient, sei ihm angesichts seines starken Symbolismus' großmütig nachgesehen.
Ein wichtiger, unerlässlicher Genrebeitrag.

9/10

Allan Dwan Rache Kleinstadt


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SCHREIE IN DER NACHT (Antonio Margheriti/BRD, I 1969)


Zitat entfällt.

Schreie in der Nacht ~ BRD/I 1969
Directed By: Antonio Margheriti

England in den Spätzwanzigern: Auf dem Weg zu seiner Villa in Brighton bleibt der Wagen des reichen Archibald Barrett (Giuliano Raffaeli) im regennassen Matsch stecken. Ihn begleiten sein Notar Ben Taylor (Joachim Fuchsberger), dessen Frau Vivian (Marianne Koch), Barretts Frau Margarete (Dominique Boschero) und das Hausfaktotum Alfred (Claudio Camaso). In der Nähe befindet sich weit und brei lediglich ein finsteres, altes Haus, in dem die Gruppe Unterschlupf findet. Dort findet man den merkwürdigen Uriat (Luciano Pigozzi) und seine noch merkwürdigere Mutter (Marianne Leibl) vor - offenbar ein Medium. Flugs lassen sich die Herren der Runde nach einem Glas speziellen Weines zu einer Séance überreden und werden daraufhin mit ihren alten Sünden konfrontiert. Denn jeder der Anwesenden hat schweren Dreck am Stecken...

Nicht ganz so spektakulär wie der zuvor gesehene Trash-Reißer "I Criminali Della Galassia" kommt dieser Versuch Antonio Margheritis daher, sein Faible für gothic horror mit der bereits Abebben befindlichen Wallace-Welle zu kombinieren. Vielleicht war die meinerseitige Erwartung auch schlicht eine andere, zu diesem Zeitpunkt unerfüllbare. Jedenfalls hält sich "Schreie in der Nacht", der im Co-Produktionsland Italien als "Contranatura" lief, eher an gedeckte Sepia-Farben, erfreut sich am ruchhaften Zwanziger-Look mit Zigarettenspitze und pomadiertem Mittelscheitel und seinem etwas albern veräußerten Naiv-Mystizismus, von dem man nach dem etwas verwirrenden Ende gar nicht recht weiß, ob er nun real war oder doch bloß in den Augen der von schlechtem Gewissen geplagten, schuldigen Intriganzia existierte. Dazu gibt es noch etwas unausgegorene Lesben-Erotik, der ausgerechnet die zumindest mir stets als etwas biedere Dame im Sinn befindliche Marianne Koch als geifernde Schöpfkelle vorsteht, die jeder anderen Frau unbedingt (und immer erfolglos) an die Wäsche will.
War wie erwähnt nicht ganz so mein Fall, trotzdem wohl okay.

5/10

Antonio Margheriti period piece Rache Haus Nacht amour fou Mutter & Sohn


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I CRIMINALI DELLA GALASSIA (Antonio Margheriti/I 1966)


Zitat entfällt.

I Criminali Della Galassia (Raumschiff Alpha) ~ I 1966
Directed By: Antonio Margheriti

In der Zukunft gehört es zum Alltag, dass die Menschheit im All herumgondelt. Verschiedene Interessengruppen aus Politik, Polizei und Wissenschaft koexistieren mehr oder weniger friedlich und kommen sich gegenseitig nur selten ins Gehege. Der sinistre Wissenschaftler Dr. Nurmi (Massimo Serato) jedoch führt ganz eigene Pläne im Schilde: Er plant die Erschaffung einer neuen Menschenrasse mit perfekten körperlichen Eigenschaften. Dazu lässt er von seinen Mitarbeitern unbescholtene Erdenbürger entführen und auf Barbie-Puppen-Größe schrumpfen, um dann schreckliche Experimente an ihnen vorzunehmen. Ein Segen, dass der wackere Polizei-Commander Mike Halstead (Tony Russel) ihm auf die Schliche kommt, zumal Nurmi Mikes Freundin Connie (Lisa Gastoni) schöne Augen macht...

Exploitation-Wiz Antonio Margheriti war in den Sechzigern noch bekannt bzw. berüchtigt für seine Science-Fiction-Filme, wobei insbesondere "I Criminali Della Galassia" einen speziellen Ruf genießt. Der Grund dafür liegt offen auf der Hand: Mit billigsten Mitteln, größtem Einfallsreichtum, vor allem jedoch völlig schamlos schickt Margheriti Plastikautos durch deutlichst als solche erkennbare Miniaturlandschaften, Pappraketen durch ein Pappuniversum und swingende Aliens mit Sonnenbrille und zusätzlichem Armpaar auf Menschenraub. Das semi-kretinistische Geschwätz auf der Dialogspur gibt dabei ebensoviel her wie die wirklich grandios selektierten Ausstattungsstücke und Interieurs, die ebenso liebevoll den Zeitgeist widerspiegeln (bzw. den damaligen Begriff von futuristischem Leben) wie der Film strunzalbern ist. Camp nennt man sowas wohl, aber im Quadrat. Vorab vielleicht noch ein Joint, und der Streifen ist garantiert dein Freund.

7/10

Antonio Margheriti Zukunft Weltraum Aliens Mars mad scientist Kidnapping Camp Trash


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LA REINE MARGOT (Patrice Chéreau/F, I, D 1994)


Zitat entfällt.

La Reine Margot (Die Bartholomäusnacht) ~ F/I/D 1994
Directed By: Patrice Chéreau

Paris, im August 1572. Nachdem die intrigante Königsmutter Katharina De Medici (Virna Lisi) ihre Tochter Margot (Isabelle Adjani) mit dem protestantischen König Henri de Navarre (Daniel Auteuil) verheiratet hat - eine rein diplomatisch bestimmte Ehe, der beide Parteien nur höchst widerwillig zustimmen - steigern sich die ohnehin latenten Aggressionen am Königshof gegen die Hugenotten, allen voran deren Führer Coligny (Jean-Claude Brialy), noch weiter. Wiederum durch den Einfluss seiner Mutter Katharina befiehlt der psychisch angeschlagene König Charles IX (Jean-Hugues Anglade) die verhängnisvolle Ermordung sämtlicher in Paris befindlicher Hugenotten. Ein beispielloses Massaker folgt, dem rund 6000 Menschen zum Opfer fallen, dem jedoch zumindest Navarre durch den Schutz Margots entgehen kann. Jene verliebt sich ihrerseits in den ebenfalls dem protestantischen Glauben frönenden Edelmann La Môle (Vincent Perez), derweil Navarre sich aus eher eigennützigen Motiven mit Charles befreundet. Sowohl dessen Mutter als auch seinem Bruder Anjou (Pascal Greggory) ist diese Freundschaft ein Dorn im Auge. Von den folgenden Mordanschlägen trifft schließlich einer Charles selbst, der sich elendig an einer Arsen-Vergiftung zu Tode quält. Auch La Môle wird getötet. Navarre flieht zurück in die Gascogne und Margot verlässt Paris, das Haupt ihres Geliebten mit sich führend.

Ein herrlich selbstverliebtes Epos, voll von Pomp, Blut, Sex und Intriganz, schwer und süffig wie ein alter Roter. Der hollywoodschen Art, Historienfilme zu erstellen bewusst entsagend, gibt sich Chéreaus Film ganz europäisch; die Dynastie derer von Medici wird ausgegeben als eine von irrläufigem Adelswahn geprägte Familie, bestehend aus zutiefst selbstgefälligen und bösen bis gestörten Mitgliedern. Über allem thront die legendäre Katharina, die Massenmord und Attentate im Sekundentakt befiehlt und ihren unbeholfenen Sohn als Marionette missbraucht. Wer gegen die Staatsräson oder das, was die Königsfamilie darunter versteht, verstößt, wird ohne großes Zaudern aus dem Weg geräumt, selbst, wenn es eine ganze Glaubensgemeinschaft betrifft. Zwischendrin vögelt sich die nebenbei noch dauergeile Gesellschaft ihre Pfade durch die Betten des Palastes, wobei jederzeit damit gerechnet werden muss, dass ein Parfum, ein Lippenstift oder ein Glas Wein zur Todesfalle werden kann.
Chéreau versteht es ausgezeichnet, dieses gleichfalls morbide wie lebenshungrige Klima des sich neigenden Spätmittelalters mit kräftigen Farben und ausgesuchtem Chiaroscuro zu inszenieren; ohnehin zur Exzentrik neigende Darsteller wie Adjani, Anglade, Auteuil oder der deutsche Thomas Kretschmann spielen dieses ausufernde grand guignol voller beserkerhaftem overacting. Die eine oder andere Länge, die jeweils die kurze Befürchtung aufkommen lässt, "La Reine Margot" gehe gleich die Puste aus, wird durch die garantiert folgende, nächste spektakuläre Sequenz wieder entkräftet. Großes Kostümkino aus der Nachbarschaft also, auch mal schön.

8/10

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THE SIGNAL (William Eubank/USA 2014)


"What is the truth of the matter here?"

The Signal ~ USA 2014
Directed By: William Eubank

Auf dem Weg zur Westküste, wohin sie ihre Freundin Haley (Olivia Cooke) bringen, wollen die beiden Computernerds Nic (Brenton Thwaites) und Jonah (Beau Knapp) gleich noch dem geheimnisvollen Hacker 'Nomad' einen Besuch abstatten, der sich in alle möglichen abgeschirmten Intranetze einloggen kann und das Trio somit auf Schritt und Tritt verfolgen und überwachen kann. Die Spur führt zu einer geheimnisvollen, leerstehenden Hütte auf dem Land, die jedoch nicht zu Nomad, sondern geradewegs in ein unterirdisches Labor voller schutanzugbewährter Wissenschaftler, allen voran dem wortkargen Damon (Laurence Fishburne) führt. Dieser unterstellt dem desorientierten, verdutzten Nic, Kontakt mit Aliens gehabt zu haben und möglicherweise kontaminiert zu sein. Als Nic entsetzt feststellt, dass seine Beine gegen künstliche Substitute ausgetauscht worden sind, ergreift er zusammen mit Haley die nächste Möglichkeit zur Flucht. Offenbar befindet man sich im Bereich der "Area 51", die Herrschaften aus dem Labor dicht auf den Fersen...

"The Signal" wirkt ein wenig wie ein Film aus der Frühphase des Kanadiers Vincenzo Natali; stilisiert bis zur Perfektion, formal von penibelster Sorgfalt getragen und voller guter Ideen, die sich im Nachhinein jedoch en gros als bloßes Handwerkszeug zur Kreierung eines schicken Spielfilms und somit als selbstzweckhaft entpuppen. Das Gesamtbild entschädigt zwar dafür, kann seine Natur des Aufmerksamkeitheischens jedoch kaum verhehlen. Natürlich dreht sich am Ende die gesamte Szenerie auf den Kopf mitsamt herausgefordertem Aha-Effekt, ein paar lose inhaltliche Fäden bleiben aber dennoch zurück. "The Signal" enthält dabei unverhohlen ausgespielte Elemente aus Superhelden-Filmen zwischen "Unbreakable" und "X-Men", verschafft jedoch auch diesen eine gehörige Kehrtwende, als klar wird, welcher Natur die physischen Modifikationen der Kids in Wahrheit sind.
Seine untadelige Form macht "The Signal" trotz alledem recht delektabel und ich kann mir vorstellen, ihn mir beizeiten nochmal anzusehen, um dann vielleicht sogar einen besseren Eindruck zu gewinnen. Wäre doch nett, ge'.

7/10

William Eubank Aliens Kidnapping Freundschaft Teenager Verschwörung Road Movie


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DANZA MACABRA (Antonio Margheriti/I, F 1964)


Zitat entfällt.

Danza Macabra ~ I/F 1964
Directed By: Antonio Margeriti

Eigentlich kommt der Reporter Alan Foster (Georges Rivière) nur in die trübe Schänke "Four Devils", um den just in England weilenden Literaten Edgar Allan Poe (Silvano Tranquilli) zu interviewen. Das Treffen endet jedoch mit einer Wette, die Foster der ebenfalls anwesende Lord Blackwood (Umberto Raho) stellt: Foster möge eine Nacht in seinem verlassenen Landsitz verbringen und werde dort lernen, an das Übernatürliche und seine irdischen Manifestationen zu glauben. Foster lässt sich auf die Wette ein und begegnet im nur vermeintlich leerstehenden Blackwood Castle gheheimnisvollen Frauen (Barbara Steele, Margrete Robsahm), einem muskulösen Brutalinski (Giovanni Cianfriglia) sowie einem Doktor (Aturo Dominici), der die Grenzübergänge zwischen Tod und Leben erforscht. Wenngleich ihm zumindest die schöne Elisabeth (Steele) wohlgesonnen scheint, muss Foster bald wahrlich um sein Leben bangen...

Anschmiegsame gothic tale des noch jungen Margheriti, der aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste herausholte und den gerade im Erstarken begriffenen, italienischen Horrorkino eines seiner schönsten Frühwerke schenkte. Margheritis Neigung zur Exploitation erschöpft sich hier noch in der kurzen Zurschaustellung eines blanken Busenpaars; ansonsten bleiben die vampiresken Bedürfnisse und Praktiken der untoten Hausbewohner, deren Zahl sich jeweilsjubilarisch erhöht, von gediegenen Bildern umkränzt. Zusammen mit dem Zuschauer lernt Foster die wahre Natur des von Spinnweben und klappernden Fensterläden gesäumten Schlösschens kennen; der Friedhof im Vorpark, die Gruft im Keller und vor allem die unterschiedlichen Beweggründe der gespenstischen Wohngenossen, die am Ende doch alle auf dasselbe hinauslaufen, präsentieren und erschließen sich erst im weiteren Verlauf der Nacht, via Rückblende und Erlebnisbericht. Schließlich wird Alan Foster an die zuvor so vehement durch ihn belächelten Phänomene glauben, doch nicht, ohne seinen Tribut entrichtet zu haben...

8/10

Antonio Margheriti Schloss Edgar Allan Poe Vampire Sergio Corbucci





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