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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ENEMY (Denis Villeneuve/CA, E 2013)


"Now we're even."

Enemy ~ CA/E 2013
Directed By: Denis Villeneuve

Der Geschichtsdozent Adam Bell (Jake Gyllenhaal) lebt mit seiner Freundin Mary (Mélanie Laurent) eine eher freudlose, karge Existenz, in deren Verlauf jeder Tag dem anderen gleicht. Als er bei der Betrachtung einer geliehenen Film-DVD einen Statisten entdeckt, der ihm bis aufs Haar zu gleichen scheint, wird Adam hellhörig und beginnt nachzuforschen: Anthony Claire (Jake Gyllenhaal), der in der gleichen Stadt wohnt, ist tatsächlich Adams exaktes Ebenbild. Allerdings hat Anthony eine schwangere Frau, Helen (Sarah Gadon), deren Vertrauensverhältnis zu ihrem Mann stark erschüttert scheint. Nachdem sich Adam und Anthony treffen, verlangt letzterer, für einen Abend in Adams Rolle zu schlüpfen, um mit Mary schlafen zu können. Aus dem zunächst einseitigen Arrangement wird ein Rollentausch, der Adam zu Helen führt.

Schwerlich zu entschlüssende Parabel über einen grenzdepressiven Mann, der dadurch, dass er seinem Ebenbild begegnet, in eine nochmals potenzierte Lebenskrise gerät. "Enemy" verbleibt dabei bewusst multipel interpretierbar: Möglicherweise geht es um eine gewissensbedingte Persönlichkeitsspaltung mit wahlweise unklarem oder tödlichem Ausgang; möglicherweise verhandelt der Film den psychointernen Kampf eines Mannes in der Mittlebenskrise mit sich selbst; vielleicht ist dies alles aber auch bloß prätentiöse, heiße Luft und Apologie für den für mich noch immer nicht klar einschätzbaren Villeneuve, seine Kunst in die Welt zu entlassen. In rein formaler Hinsicht berichtet "Enemy" viel über Villeneuves persönlichen Stilwillen: In vornehmlichen Gelbtönen gehalten verliebt sich die Kamera immer wieder in die bizarren Architekturen der Großstadt, die häufig ohne Fundament oder aus der Froschperspektive abgebildet werden und so als stumme, monolithische Zeugen urbaner Anonymität fungieren. Die überirdischen elektrischen Leitungen wirken wie das Netzwerk einer gigantischen Spinne, die in einer Einstellung dann auch wirklich einmal über die Stadt hinwegkrabbelt. Überhaupt die Spinnensymbolik: Sie unterteilt den Film gewissermaßen in drei Erkenntnismomente bis hin zum abgeblendeten Verschlingen(?).
Eine gewisse Ratlosigkeit bleibt jedenfalls bestehen, ebenso wie die zum jetzigen Zeitpunkt für mich noch sehr uneindeutige, qualitative Einordnung.

7/10

Denis Villeneuve Surrealismus Ehe Toronto Madness Parabel Persönlichkeitsstörung


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Z (Constantin Costa-Gavras/F, ALG 1969)


"He's gone."

Z ~ F/ALG 1969
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Der als "Doktor" (Yves Montand) bekannte, politische Führer der liberal-pazifistisch positionierten Oppositionspartei in einem namentlich nicht näher umrissenen südeuropäischen Staat, wird nach einer abendlichen Kundgebung von einem Schlagstock tödlich verletzt. Da der Attentäter sich auf der Ladefläche eines vorbeifahrenden Lieferwagens befindet und blitzschnell agiert, erfährt die Öffentlichkeit zunächst nur, dass der Doktor einem Unfall zum Opfer gefallen sein soll. Doch es gibt auch Zeugen, die es besser wissen. Jene machen ein mit dem Fall betrauter, engagierter Untersuchungsrichter (Jean-Louis Trintignant) sowie ein engagierter Journalist (Jacques Perrin) ausfindig, vor deren zunächst ungläubigem Auge sich nach und nach eine bis in höchste Polizei- und Militärkreise reichende Verschwörung entrollt. Es kommt nach einem verbissenen Kampf des Richters gegen alle möglichen, sich ihm in den Weg rollenden Steine zu Anklagen gegen beinahe sämtliche Mitverschwörer. Diese werden jedoch samtens abgeschmettert, wichtige Zeugen fallen Unfällen zum Opfer, Richter und Reporter werden verleumdet und diffamiert. Doch in den Herzen vieler Bürger heißt es weiterhin: Z - Er lebt!

"Z" dürfte der bis heute wütendste, nachhallendste linksliberale Agitprop-Spielfilm sein, der in den popkulturellen Kanon Einzug gehalten hat. Mit ihm gelangt Costa-Gavras der einmalige Brückenschlag zwischen authentischer Historie und spannendem Politthriller nebst brillanter inszenatorischer Ausgestaltung - ein in dieser Form unerreichtes Meisterwerk. "Z" beruht auf dem gleichnamigen Roman von Vassilis Vassilikos, der sich wiederum der Ereignisse um den Tod des griechischen Oppositionellen Grigoris Lambrakis annahm, eines charismatischen Linkspolitikers, der Wert darauf legte, nicht als Kommunist zu gelten, sondern öffentlich gegen Krieg, Aufrüstung und Ausbeutung und für Bildung und Fortschritt einzustehen und dessen wachsender Popularität von der rechten Regierungspartei ERE 1963 begegnete, indem sie ihn nach einer Friedenskundgebung ermorden ließ. Die Umstände um Lambrakis' Tod und die nachfolgende Untersuchung arbeitet der Film ebenso minutiös wie populistisch-tendenziös auf, ergeht sich nicht in dröger Verschwörungstheorie sondern präsentiert flammendes Unterhaltungs- und Ezählkino nicht ohne eine feine satirische Nuance. Eindrucksvoll zeichnet er dabei die Funktionsweisen heimlicher Diktaturen auf: Die öffentliche Schlachtbank, sofern sie denn überhaupt bestückt werden muss, ist für die kleinsten Getrieberädchen reserviert; dumme, bildungsferne Stammtischfanatiker, die sich wahlweise durch Bestechung oder Druckausübung politisch missbrauchen lassen. Auf der anderen Seite rückhaltlose Heldenverehrung - sollte Lambrakis zum damaligen Zeitpunkt, dem Jahrzehnt der Attentate, nicht ohnehin schon Märtyrer gewesen sein, so setzte ihm Costa-Gavras dafür mit "Z" das letztnötige, flammende Fanal.

10*/10

Constantin Costa-Gavras Verschwörung Griechenland Parabel Satire Vassilis Vassilikos


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THE CASSANDRA CROSSING (George P. Cosmatos/I, UK, BRD 1976)


"Good God, woman! Do you think I would personally send a thousand people to their deaths?"

The Cassandra Crossing (Treffpunkt Todesbrücke) ~ I/UK/BRD 1976
Directed By: George P. Cosmatos

Zwei schwedische Ökoterroristen brechen in die Genfer Zentrale der International Health Organisation ein und kommen dabei mit einem tödlichen Lungenpest-Erreger in Berührung. Während der eine (Stefano Patrizi) von ihnen gefasst werden kann und im Labor stirbt, kann der andere (Lou Castel) sich, bereits schwer gezeichnet, in den Zug nach Stockholm retten, in dem sich noch rund eintausend weitere Passagiere befinden - darunter auch der Nobelpreisträger für Medizin, Dr. Chamberlain (Richard Harris). Während der hochstehende US-Offizier Mackenzie (Burt Lancaster) bereits einen sinistren Notfallplan im Hinterkopf hat, kümmert sich Chamberlain um die bereits infizierten Fahrgäste, die sich jedoch ebenso schnell erholen, wie sie sich angesteckt haben, da das Pestvirus im Kontakt mit Sauerstoff abstirbt. Dennoch will Mackenzie kein Risiko eingehen und den Zug über eine marode Brücke hinter der polnischen Grenze schicken - und damit sämtliche Passagiere in den sicheren Tod.

Carlo Ponti hat die Schirmherrschaft über dieses vornehmlich in Cinécittá gefertigte Starvehikel nach dem Vorbild der damals grassierenden Katatrophenfilm-Welle übernommen. Mit den gigantischen Schauwerten amerikanischer Konkurrenzproduktionen wie "The Towering Inferno" kann Cosmatos' Film zwar nicht mithalten, wirkt im Direktvergleich sogar eher bescheiden, dafür fährt man ein schillerndes vip package auf, das mit seinem internationalen Glanz höchsten Besetzungsansprüchen genügt. Time for some proud namedropping then: neben den Erwähnten sind noch die Diven Sophia Loren, Ingrid Thulin, Alida Valli und Ava Gardner zu bewundern, dazu Martin Sheen, O.J. Simpson, John Phillip Law, Lionel Stander, Ann Turkel, Ray Lovelock, Renzo Palmer und sogar der greise Lee Strasberg in einer Schlüsselrolle als jüdischer Schicksalslenker. Ein personelles Rundum-Sorglos-Paket also, dem es viel Freude macht, bei seinem Ausflug in camp und pulp zuzuschauen und das natürlich den ganzen Film erst wertig macht. Ansonsten ist die haarsträubende Story um ein gefährliches und dann doch wieder ungefährliches Pestvirus und schweinische US-Militärs, verquickt mit diversen kleinen Privatschicksalen von Heroinschmuggel bis KZ-Flucht, nämlich durchsetzt von den üblichen Heulern jener Genre-Dramaturgie, die den erfolgreichen amerikanischen Mustern wiederum in nichts nachstehen. Wenn sich im Zug am Ende eine tapfere kleine Gruppe Mitreisender unter Führung von Richard Harris anschickt, gegen die bösen Soldaten in ihren weißen Schutzanzügen aufzubegehren, gibt es sogar noch ein paar bleihaltige MP-Duelle. Und auch um die innerlich herbeigesehnte Katastrophe wird man nicht beschissen; klar, die macht den Braten schließlich erst richtig fett.

7/10

George P. Cosmatos Schweiz Zug Virus Pest Ensemblefilm Polen


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WRONG TURN 6: LAST RESORT (Valeri Milev/USA 2014)


"This... is family!"

Wrong Turn 6: Last Resort ~ USA 2014
Directed By: Valeri Milev

Der New Yorker Danny (Anthony Ilott) erbt ein halbverfallenes Kurhotel bei einer thermischen Quelle inmitten der Appalachen. Nachdem Danny sich an der Börse verspekuliert und fast sein gesamtes Hab und Gut verloren hat, ein möglicher warmer Regen für den depressiven, jungen Mann. Dennoch muss Danny erst von seiner Freundin Toni (Aqueela Zoll) überredet werden, die Reise in die Provinz anzutreten. Zur moralischen Erbauung kommen gleich noch fünf weitere Freunde der beiden mit auf den Trip. Vor Ort angekommen, ändert sich Dannys trübsinnige Attitüde überraschend schnell: Er scheint auf geheimnisvolle Weise dem seltsamen Verwalter-Pärchen (Sadie Katz, Chris Jarvis) zu verfallen, entdeckt bislang ungekannte, archaische Jagdtriebe und verfolgt hochtrabende Pläne bezüglich der Zukunft des Hotels. Als er schließlich herausfindet, welch seltsame Blüten seine hier seit Jahrhunderten ansässigen Familienwurzeln getrieben haben, bleibt er erstaunlich gelassen...

Mit dem mittlerweile fünften Sequel verlässt Declan O'Brien das seit immerhin drei Filmen von ihm entscheidend mitgeprägte DTV-Franchise. Und wie sich mit Danny frisches Blut in die zunehmend derangierten Familienbande um Three Finger (Rhys Coiro), One Eye (Asen Asenov) und Sawtooth (Danko Jordanov) begibt, bekommt auch der Regiewechsel der Reihe recht gut. Im Vergleich zu seinen graphisch doch sehr "spektakulär" geratenen Vorgängern bietet "Last Resort" eine beinahe schon intime Geschichte um den dramatischen Persönlichkeitswechsel eines jungen Großstädters, der sein bisheriges Yuppie-Dasein mit in den vermüllten DNA-Pool um die kannibalischen Hillbillys trägt und so für den (auch in ökonomischer Hinsicht) familiären Fortbestand sorgt. Da die knüppelharten F/X der letzten Teile ohnehin nicht mehr getoppt werden können, konzentriert man sich auf ein charmant-exploitatives Element mitsamt Einflüssen verquerer Erotik und den nicht mehr ganz so inflationär vorgetragenen, üblichen Schlacht- und Fressorgien. Anstatt also den sich letzthin bereits andeutenden, selbstreflexiven Humor der Serie weiter auf die Spitze zu treiben und somit den aktuell typisch-referenziellen Weg zu verfolgen, versuchen der bulgarischstämmige Regisseur Valeri Milev und der bis dato als Dokumentarist in Erscheinung getretene Scriptautor Frank H. Woodward es mit einer aufrichtigen, atmosphärischen Hinwendung zum europäischen Genrekino der Siebziger. Wenngleich dieser Ansatz sich als in der Ausführung noch nicht ganz ausgereift erweist, eine dennoch begrüßenswerte Entwicklung, wie ich finde.

6/10

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TRUE DETECTIVE: SEASON 1 (Cary Fukunaga/USA 2014)


"Time is a flat circle."

True Detective: Season 1 ~ USA 2014
Directed By: Cary Fukanaga

Die beiden sehr unterschiedlichen Detectives Rust Cohle (Matthew McConnaughey) und Marty Hart (Woody Harrelson) müssen 1995 als Partner den Mord an einer jungen Frau untersuchen, die in einem abgebrannten Weizenfeld gefunden wird. Im Laufe ihrer umfassenden Ermittlungen, in die besonders Cohle seine ganze Energie investiert, stoßen die beiden Cops immer wieder auf Gegenwind aus allen möglichen Richtungen, finden aber dennoch heraus, dass die Tote mit einer geheimen, paganistischen Sekte in Verbindung gestanden haben muss, sowie die Tatsache, dass es eine riesige Zahl ungeklärter Vermisstenfälle entlang der Bayou-Grenze gibt. Cohle ist überzeugt, es mit einer weitreichenden Verschwörung zu tun zu haben, in die die mächtige, alteingesessene Tuttle-Familie verstrickt ist, die führende Persönlichkeiten in Kirche und Politik stellt. Tatsächlich kostet es das Duo rund siebzehn Jahre und einen tiefgreifenden, entzweienden Streit, bis es endlich dem "gelben Riesen" gegenübersteht...

So kann ich mir ansonsten von mir wenig geliebte TV-Serien munden lassen: In Form einer abgeschlossenen, von vornherein auf eine begrenzte Episodenzahl angelegte Geschichte; geschrieben und inszeniert zudem von lediglich zwei zentralen Köpfen (Pizzolatto, Fukunaga) und somit extrem homogen und geschlossen in Stil und Ausrichtung. So ist "True Detective" - von wenigen Konzessionen an seine zwangsläufige Episodenhaftigkeit und der einen oder anderen dramaturgische Dehnungsfuge abgesehen - im Prinzip kaum anderes denn ein überlanger Spielfilm, der sich alle benötigte Zeit nimmt, um sein Kaleidoskop aus Figuren, Storywendungen, Diskursen und Zeitsprüngen sorgfältig zu entwickeln und ebenso gemächlich wie spannungsreich vor dem Publikum auszurollen.
Letztlich wird zwar eine Erwartungshaltung beim Rezpienten evoziert, die das Finale samt seiner mit Horrorelementen liebäugelnden Konventionalität nicht ganz einzulösen vermag und es bleiben einige Handlungsfäden lose; trotzdem zeigt "True Detective" recht eindrucksvoll auf, welch geräumiges episches, kreatives und auch intellektuelles Potenzial das zeitgenössische Fernsehen mittlerweile beherbergt. Davon dann gern mehr.

9/10

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BREAKDOWN (Jonathan Mostow/USA 1997)


"You the fella looking for his wife?"

Breakdown ~ USA 1997
Directed By: Jonathan Mostow

Auf ihrer Reise nach San Diego haben die aus Massachusetts stammenden Jeff (Kurt Russell) und Amy Taylor (Kathleen Quinlan) eine Autopanne in der Wüste. Ein anhaltender Trucker (J.T. Walsh) nimmt Amy mit - angeblich zum nächsten Diner, um von dort aus den Reparatur-Service anzufordern. Nachdem Jeff den Wagen selbst flott bekommen hat und zu dem Restaurant fährt, will dort niemand Amy gesehen haben. Und noch schlimmer: Der kurz darauf wieder auftauchende LKW-Fahrer behauptet in Anwesenheit eines Highway-Polizisten, weder Jeff noch Amy je begegnet zu sein. Bald findet Jeff herus, was hinter dem Albtraum steckt: Der Trucker ist der Oberkopf einer hiesigen Gang, die in der Gegend ahnungslose Touristen überfällt, erpresst, ausnimmt und "verschwinden" lässt - und dies offenbar im großen Stil. Doch Jeff ist eindeutig verbissener als deren bisherige Opfer...

Dynamisch inszeniertes Genrekino auf dem Punkt, von mitreißender Spannung sowie einer hervorragenden Inszenierung getragen. Die in "Breakdown" aufgetischte Story bietet zwar wenig Neues und zehrt von ähnlich konstituierten Vorgängern von "Duel" bis "The Road Killers", rettet auf seine überaus versierte Weise jedoch zumindest wesentliche Elemente des klassischen Terrorkinos in dieses ansonsten ja eher maue Filmjahrzehnt. Die Tatsache, dass sich hinter dem sich im Vergleich zum üblichen Hillbilly-Gezücht vordergründig als freundlicher Fernfahrer und Familienvater ein heimtückischer Gewaltverbrecher verbirgt, der ganz nebenbei offenbar Serienmord im großen Stil und aus rein profitären Zwecken betreibt, wird in "Breakdown" beinahe beiläufig geschildert. Viel mehr konzentriert er sich ganz auf das immer privater werdende Duell Russell-Walsh und deren sich über mehrere Runden erstreckenden Verlauf. Dabei ist auch die Wahl Russells für die Protagonisten-Rolle eminent, denn ihm nimmt man den erschrockenen und vor Angst gelähmten Spießbürger ebenso ab wie den über sich hinauswachsenden Action-Heros, in den sich Jeff Taylor forcierterdings verwandelt. Der eigentliche Star jedoch ist der auteur Jonathan Mostow, der wirklich tadellose Arbeit abliefert, ja, es sogar versteht, mit seiner konzentrierten Suspense-Action-Melange höchsten Ansprüchen zu genügen. Ein Jammer, dass er sich später an so mediokre Stoffe verschwendet hat.

8/10

Jonathan Mostow Wüste Kalifornien Terrorfilm Kidnapping Serienmord


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BLENDED (Frank Coraci/USA 2014)


"My bad!"

Blended (Urlaubsreif) ~ USA 2014
Directed By: Frank Coraci

Sie sind füreinander geschaffen und merken es nichtmal: Jim (Adam Sandler) ist Frühwitwer mit drei Töchtern (Alyvia Alyn Lind, Emma Fuhrmann, Bella Thorne), denen es ganz eindeutig an mütterlicher Fürsorge mangelt; Lauren (Drew Barrymore) ist halbwegs frisch getrennte Mutter zwei Söhne (Kyle Red Silverstein, Braxton Beckham), die sich in Ermangelung eines ordentlichen Vaters in etwas seltsame Richtungen zu entwickeln drohen. Ein erstes Blind Date zwischen den beiden geht hoffnungslos in die Hose, doch es kommt noch dicker: Ein dummer Zufall führt sie beide mitsamt ihren Kids in ein südafrikanisches Clubhotel für Frischverliebte, in dem neben einer durchgeknallten Belegschaft (u.a. Terry Crews, Abdoulaye Ngom) auch das amouröse Schicksal auf sie lauert...

Wenn der Sandman und Drew Barrymore zusammentreffen, dann kommt im Regelfalle Großartiges dabei heraus. "Blended" bildet diesbezüglich nach "The Wedding Singer" und "50 First Dates" keine Ausnahme, sondert bildet sogar das heimliche Meisterstück ihrer bisherigen, unoffiziellen "Traumpaar-Trilogie". Sandler, der sich in seinem Kernwerk ja stets neosoziokultureller Phänomene annimmt und diese auf seine so unnachahmlich authentische Weise observiert, widmet sich diesmal der Institution der Patchwork-Familie und singt zugleich ein Hohelied auf diese. Wobei, so neu ist dieser komödiatische Ansatz auch nicht, man denke an die alte Serie "The Brady Bunch". Heuer finden sich Sandler und Barrymore also als unfertige Familienoberhäupter wieder, die, wobei die alte Chemie sich wiederum wunderbar aufgefrischt findet, sogar ausnahmsweise über den kartographischen Rand der USA hinweg jetten müssen, um sich mittelfristig in die Arme schließen zu können. Die einzelnen Akte kommentiert allenthalben, wie im klassisch-aristotelischen Drama, ein ausgerechnet von einem herrlich ausgelassenen Terry Crews angeführter Chor.
Dem in diesem Zusammenhang naheliegenden Ruf praller Tourismus-Satire folgt "Blended" in diesem Zusammenhang auch gleich nach. Dabei ist Coracis Film gerade so bonbonfarben-überzeichnet, wie das Thema es eben so zulässt und damit auch von einer glänzenden Form. Ein wahrer Springbrunnen für Herz und Seele, ein zauberhafter Film, einer der schönsten des Jahres.

9/10

Frank Coraci Adam Sandler Südafrika Urlaub Hotel Patchwork-Familie


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DELIVER US FROM EVIL (Scott Derrickson/USA 2014)


"You radar again?"

Deliver Us From Evil (Erlöse uns von dem Bösen) ~ USA 2014
Directed By: Scott Derrickson

Der für seine besondere Spürnase bekannte New Yorker Detective Ralph Sarchie (Eric Bana) stößt auf eine Reihe seltsamer Vorkommnisse: Ein bis dahin unauffälliger Irakkriegs-Veteran (Chris Coy) wird seiner Familie gegenüber gewalttätig; eine Mutter (Olivia Horton) wirft ihr kleines Kind in einen Löwenkäfig; im Keller des Hauses einer Familie, in dem es zu spuken scheint, findet Sarchie eine übel zugerichtete Leiche. Der sich ebenfalls für die Ereignisse interessierende Pater Mendoza (Édgar Rámírez) arbeitet mit Sarchie zusammen. Gemeinsam finden die beiden heraus, dass alle Fäden zu einem Soldatentrio zusammenführen, das im Irak auf einen uralten Dämon gestoßen ist. Jener hat von ihnen Besitz ergriffen und treibt nun sein Unwesen in Manhattan. Die einzige Möglichkeit, den Unhold loszuwerden, ist ein fachmännisch durchgeführter Exorzismus...

Eine - im Prinzip erwartbare - Riesenenttäuschung. In der Hoffnung, einen "Sinister" zumindest halbwegs ebenbürtigen Nachfolger zu bekommen, gelang es mir wohl, die eigentlich unschwer erkennbaren, üblen Vorzeichen zu ignorieren. Tatsächlich setzt "Deliver Us From Evil" der bereits in den Neunzigern bis zum Erbrechen durchexerzierten Konstellation "Großstadtcop vs. Dämon/Serientäter" nicht eine frische Nuance hinzu, sondern akkomodiert lediglich sämtliche der altbekannten Narrativa und Formalia: Schauplatz ist ein vornehmlich nachtaktiver, verregneter Großstadtmoloch; Protagonist ein glaubensnegierender, harter Bulle, der seinen zermürbenden beruflichen Stress möglichst aus der Familie raushalten will, zu seinem Leidwesen dann aber doch einmal seine kleine Tochter (Lulu Wilson) anschreit. Den fiesen Dämon schleppen die besessenen US-Soldaten ausgerechnet aus dem Irak mit ein. Ob als Reminiszenz an "The Exorcist" oder als "subtiler" Kommentar bezüglich des dortigen Militäreinsatzes gedacht - dies wirkt schlicht redundant. Der Dämon hat, wie es sich für das inkarnierte Böse im jüngeren Studiofilm gehört, natürlich ein popmusikalisches Leitthema - dieser hier steht, Vorsicht, Symbolik, auf die "Doors", im Speziellen ihren Song "Break On Through (To The Other Side)". Escht ma janz wat neus.
Von der Belieferung von Spannung oder auch nur eines Hauchs Gänsehaut könnte Derricksons irritierend einfallsloser Film somit gar nicht weiter entfernt sein. Eine veritable Nullnummer, mit der zu verpassen man sich einen Gefallen tut.

3/10

Scott Derrickson New York Dämon Exorzismus Familie


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LONE SURVIVOR (Peter Berg/USA 2013)


"No sky too high, no sea too rough, no muff too tough."

Lone Survivor ~ USA 2013
Directed By: Peter Berg

Afghanistan, Sommer 2005: Eine Navy-SEALS-Einheit hat den Auftrag, in der Provinz Kunar den Taliban-Kopf Ahmad Shah (Yousuf Azami) zu lokalisieren und unschädlich zu machen. Die vier SEALS Lutrell (Mark Wahlberg), Murphy (Taylor Kitsch), Dietz (Emile Hirsch) und Axelson (Ben Foster) stoßen ins Feindesgebiet vor, machen Shah tatsächlich ausfindig und treffen auf dem Berg auf drei Ziegenhirten (Nicholas Patel, Daniel Arroyo, Zarin Rahimi). Man entscheidet sich, sie gehen zu lassen - ein tödlicher Fehler. Als besonders nachteilig erweist sich zudem der der permanent gestörte Funkverkehr zur Basis. In Windeseile werden die Taliban benachrichtigt, die das Quartett prompt einkesseln und binnen weniger Stunden gnadenlos aufreiben. Einzig Lutrell gelingt schwer verletzt die Flucht. Ein afghanischer Dörfler versteckt ihn und verteidigt ihn gegen die heranrückenden Taliban, bis Lutrell endlich von der Kommandatur geborgen und gerade noch gerettet werden kann.

Ein höchst zwiespältiger Film, der über die Jahre sicherlich fairer wird beurteilt werden können. Formal ist Peter Berg mit "Lone Survivor" ein veritables Meisterwerk gelungen. Ich bin mit den Regiearbeiten Bergs bis auf wenige Ausnahmen infolge zumeist thematischen Desinteresses wenig vertraut und kann mir insofern kein umfassendes Urteil darüber bilden, wie sehr er sich mit "Lone Survivor" seinem kreativen Zenit annähert - die zwingende klaustrophobische Atmosphäre allerdings, mit der er sich der authentischen Ereignisse um die Operation "Red Wings" annimmt, vermag die Situation von Soldaten im Einsatz für den Zuschauer zumindest nachvollziehbar zu gestalten. Was da passierte und später von Marcus Lutrell (der sich im Film per Cameo die Ehre gibt) als Aufarbeitung seines Traumas in Buchform gepresst wurde, ist tatsächlich albtraumhaft und wird ebenso unkomfortabel auch von Berg wiedergegeben: Den Tod permanent vor Augen, von der endgültigen Verzweiflung nurmehr durch indoktrinierten Männlichkeitsglauben bewahrt, sausen den belagerten Soldaten die Projektile um die Ohren und treffen sie hier und da, so lange, bis sie ins Gras beißen.
Unabhängig von der ganz intimen Grauenhaftigkeit jener Ereignisse bleibt natürlich ihre Sinnhaftigkeit nebulös: "Lone Survivor" versteht sich vermutlich nicht als Werbefilm für die Navy, der Rahmen allerdings, in dem deren existenzielle Notwendigkeit, ihr eingeschworener Kameradschaftskodex (die Soldaten bezeichnen sich stets als "Brüder") und ihre sie zu Elitekämpfern stählende Ausbildung stilisiert werden, kann sich von eindeuztig tendenziösen Elementen nicht freisprechen. Zudem sollte man nie vergessen, dass Lutrell und seine tragischerweise verstorbenen Freunde Berufssoldaten sind bzw. waren, die sich freiwillig zum Bestandteil der Weltpolizei gemacht haben. Dies mag ihren Tod weder rechtfertigen noch beschönigen, es veranschaulicht jedoch - und dies "vermeidet" "Lone Survivor" geflissentlich zu erwähnen, seine traurige Sinnlosigkeit.

7/10

Peter Berg period piece Afghanistan Militär Historie Freundschaft


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MY BODYGUARD (Tony Bill/USA 1980)


"Welcome to your sophomore year."

My Bodyguard (Die Schulhofratten von Chicago) ~ USA 1980
Directed By: Tony Bill

Clifford Peache (Chris Makepeace) ist 15 und führt ein eher untypisces Teenagerleben. Sein Vater (Martin Mull) ist Manager eines renommierten Chicagoer-Hotels und Witwer. Dafür vervollständigt Cliffords quirlige Oma (Ruth Gordon), die hinter Drinks und Männern her ist, wie der Teufel hinter der armen Seele, das funktionale Generationen-Trio. Gerade hat Clifford von einer Privatschule auf die ordinäre High School gewechselt und muss gleich mit den lokalen Bullys Bekanntschaft schließen, allen voran mit dem öligen Moody (Matt Dillon), der die Jüngeren um ihr Essensgeld erpresst. Doch da ist noch der hünenhafte Ricky Linderman (Adam Baldwin), der zwar kaum den Mund auftut, über den aber diverse schlimme Gerüchte kursieren. Clifford macht Ricky kurzerhand zu seinem persönlichen Bodyguard gegen Moody, ohne zu ahnen, dass Ricky zwar imposant auftritt, körperliche Gewalt jedoch in Wahrheit zutiefst verabscheut...

Eine wahrlich schöne "Coming-of-Age"-Komödie ist Tony Bill da mit seinem Regiedebüt aus den Fingern geflossen; ein feiner Chicago-Film noch nebenbei und ein glaubwürdig zeitangebundenes Schulporträt. Im Zentrum von "My Bodyguard" steht natürlich die Freundschaft zwischen den höchst unterschiedlichen Jungs Clifford und Ricky, die zwar etwa gleichaltrig sind, jedoch bereits physisch höchst unterschiedlich geartet. Ein entsprechend großes Missverständnis legt den Grundstein für ihre Beziehung: Wie alle anderen hält Clifford Ricky, den eine Menge phantastischer Anekdoten umwabern, zunächst für einen Massenmörder in Schülergestalt. Doch weit gefehlt: Hinter dem so gewaltigen Äußeren Rickys steckt ein sensibler, einsamer Junge mit einem gewaltigen Schuldkomplex, der in höchster Angst davor lebt, jemand anderen verletzen zu können.
Wie in den meisten halbwegs gescheiten Jugendgeschichten geht es folglich auch hier darum, sich von falschen Rollenerwartungen freizustrampeln, sprich: einen elementaren Schritt in Richtung Erwachsensein zu vollziehen. Tony Bill und vor allem der Autor Allan Ormsby bewältigen dies mit aller nötigen Sensibilität und Figuren-Empathie, was auch für die vielen, bunt gezeichneten Randfiguren ihrer Erzählung gilt.
Witzig in diesem Zusammenhang einmal mehr die deutsche Marketing-Strategie, die den Film wohl als hartes Ghettodrama im Stile von "The Warriors" und Ähnlichem zu verkaufen trachtete. Da wird manch einer blöd geguckt haben.

8/10

Tony Bill Chicago Familie Freundschaft Schule Hotel Coming of Age





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Funxton

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