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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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12 ANGRY MEN (William Friedkin/USA 1997)


"What do you want? I say he's guilty." - "We want to hear your arguments."

12 Angry Men (Die 12 Geschworenen) ~ USA 1997
Directed By: William Friedkin

Zwölf Geschworene begegeben sich an einem schwül-heißen Sommertag zwecks möglicher Schuldsprechung im Falle eines jungen Mannes (Douglas Spain), der seinen Vater ermordet haben soll, nach der Hauptverhandlung in einen abgeriegelten Raum. Elf von ihnen halten den Angeklagten in der Erstabstimmung für 'schuldig', nur der Geschworene Nummer 8 (Jack Lemmon) stimmt dagegen. Im Laufe der folgenden zwei Stunden gelingt es ihm, bei seinen Mitsitzern so immense Zweifel an den gehörten Zeugenaussagen und der nachlässigen Arbeit des Pflichtverteidigers zu wecken, dass man sich schließlich auf ein einstimmiges 'nicht schuldig' einigen kann.

Sinn und Unsinn von Remakes, die dem Original infolge ihrer sklavischen Ergebenheit kaum Neues hinzuzusetzen vermögen, zu erörtern, erspare ich mir an dieser Stelle, zumal darüber in der Vergangenheit in unserem Forum schon mehrfach ausgiebig diskutiert wurde. Stand ich Friedkins Variation von Reginald Roses Drama früher skeptisch gegenüber, eben weil sie "lediglich" eine Neu-Verfilmung darstellte, hat sich die Perspektive nun doch sehr zugunsten des Films verrückt. Zwar verzichtet er auf das zwingende Schwarzweiß des Originals von Sidney Lumet und besitzt vielleicht auch nicht ganz den emotionalen inszenatorischen Ungestüm des Jungregisseurs. Dafür lancieren ihn eben andere Qualitäten. Dass ein solcher Stoff auch vor unspektakulärer Inszenierung nämlich allein kraft seiner mentalen Ausgereiftheit Bestand hat, könnte vielleicht gar nicht trefflicher bewiesen werden denn via Friedkins Readaption. Er kann auf ein uneingeschränkt brillant aufspielendes Ensemble bauen, das vor allem infolge seines geschlossenen Zusammenspiels mindestens ebenso stark ist wie das aus Lumets Film. So bleibt, bis auf die geringfügige Auffälligkeit, dass Friedkin respektive sein dp Fred Schuler erhöhten Gebrauch von der Steadicam machen, die Inszenierung stets hintergründig bis auktorial. Insgesamt famos; Lumet beinahe ebenbürtig. Hätte ins Kino gehört.

8/10

William Friedkin Remake TV-Film Courtroom Ensemblefilm


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MOSQUITO (Gary Jones/USA 1995)


"Hey Doc, that's science fiction bullshit!"

Mosquito ~ USA 1995
Directed By: Gary Jones

Einer über einem US-Nationalpark abgeworfener außerirdischer Kapsel entsteigt ein rasch wachsendes, insektenartiges Wesen, dessen Gene sich mit denen einheimischer Moskitos vereinigen. Schon bald wird das Gelände von Schwärmen riesiger Mücken unsicher gemacht, derer sich eine unwillkürlich zusammengewürfelte Gruppe erwehren muss.

Possierlicher kleiner Trasher, der mächtig stolz darauf ist, dass Gunnar Hansen in ihm mitspielt und diesen am Ende dann auch gleich noch mit einer Kettensäge gegen die mutierten Viecher antreten lässt. Der Rest ist typischer monster mash, der seine Hauptenergie ungebremst in die visuelle Effektarbeit fließen ließ, dessen tonale F/X (Schrotflintenschüsse klingen wie Knallerbsen) mitsamt ein wenig armseligem Synthie-Geklimper, das man dreist als Score verkaufen möchte, dafür umso katastrophaler ausfallen. Da "Mosquito" allerdings noch aus einer Zeit stammt, in der zwanghafte Selbstreflexion noch nicht unabdingbarer Bestandteil eines jeden Genrefilms zu sein hatte, geht ihm glücklicherweise jedwede vorgeschobene Subtilität ab. Dies rettet Jones' Film, der sich noch weithin unbewusst naiv ausnimmt, immerhin in die Kategorie 'liebenswert inkompetenten Handwerks' mit dem Herzen am rechten Fleck.

4/10

Gary Jones Monster Tierhorror Aliens Trash Exploitation


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TEXASVILLE (Peter Bogdanovich/USA 1990)


"Hellzapoppin'!"

Texasville ~ USA 1990
Directed By: Peter Bogdanovich

1984 feiert Texasville County sein hundertjähriges Bestehen. Die Einwohner des Städtchens Anarene leben fast alle noch (oder wieder) vor Ort: Duane Jackson (Jeff Bridges) ist mittlerweile im Ölgeschäft reich geworden, first citizen des Städtchens und steht permanent kurz vor der Pleite. Er ist verheiratet mit der resoluten Alkoholikerin Karla (Annie Potts), hat vier Kinder und zwei Enkelkinder. Sein alter Freund Sonny Crawford (Timothy Bottoms), mittlerweile Bürgermeister von Anarene, hat niemals geheiratet und ist noch ganz der alte Melancholiker, der infolge seiner persönlichen full life crisis langsam wunderlich wird. Als auch die das Trio komplettierende Jacy Farrow (Cybill Shepherd) nach einigen privaten Schicksalsschlägen nach Anarene zurückkehrt und zu Karlas bester Freundin avanciert, glaubt auch Duane den Verstand zu verlieren.

Mit "Texasville" hat der mittlerweile seit Jahren in kreativer und rezeptiver Ödnis dahinvegetierende Peter Bogdanovich nicht etwa den Fehler begangen, formelhaft an sein Meisterwerk "The Last Picture Show", dessen spätes Sequel er hiermit vorlegte, anknüpfen zu wollen. Die dem Original innewohnende Tragik und existenzielle Schwere weicht hier der Leichtigkeit gesetzter Lebenserfahrung, zugunsten einer glänzenden Satire, die den Klassiker auf die vermutlich denkbar versöhnlichste Weise aufrundet. Die Perspektive wechselt komplett von Sonny Crawford zu seinem Kumpel Duane Jackson, der eben nicht das karge Lamento einer aussterbenden Zeit repräsentiert, sondern die Mittachtziger mit all ihren kleinen und großen Verrücktheiten. Im Country-Radio läuft jetzt vornehmlich Willie Nelson und nur einen Sender weiter bekommt man Madonna und Springsteen um die Ohren gehauen. Duane hat eine feudale Villa mit diversen Gästezimmern, in der jeder Einwohner von Anarene ein- und ausgeht. Die allseitig praktizierte Promiskuität ist längst kein wohlbehütetes Geheimnis mehr, sondern fester Altagsbestandteil geworden, was recht unübersichtliche Blüte in Form beinahe inzestuöser Lendenfrüchte treibt. Auch Duanes Sohn Dickie (William McNamara) mischt munter in dem bunten Treiben mit. Es wird allerorten gesoffen, dass die Schwarte kracht und wozu die anstehende Hundertjahrsfeier nochmal zusätzlich Anlass gibt. Einzig Sonny erweist sich als anachronistische Konstante: Er spielt die Spiele seiner Mitbürger nicht mit und hält sich am liebsten dort auf, wo sein wahres Zuhause liegt: In der Vergangenheit. Dies führt seinerseits zu merkwürdigen Aktionen, die das seltsame Mutter-Sohn-Verhältnis mit seiner alten Liebe Ruth Popper (Cloris Leachman) neu auffrischen. Die im Geschriebenen (auch die Vorlage zu "Texasville" stammt von Larry McMurtry) vergangene Zeit von 33 Jahren kann mit dem Anstand der beiden Filme (19 Jahre) nicht ganz Schritt halten, was jedoch in keinster Weise stört. wenngleich sich "Texasville" weitaus zynischer, witziger und künstlerisch zugänglicher gestaltet, wohnt ihm doch noch die alte Seele inne, verbindet ihn mit "The Last Picture Show" noch immer der vervollkommnete Anspruch eines runden Personen-Kaleidoskops. Viele Freunde des Originals hatten und haben mit "Texasville" ihre liebe Not, ich mag ihn, schon aufgrund seines unwiderstehlichen Humors, fast so sehr wie die große, alte Schwester.

9/10

Peter Bogdanovich Larry McMurtry Texas Sequel Familie Freundschaft Alkohol


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LAST KIND WORDS (Kevin Barker/USA 2012)


"We walk on the same paths."

Last Kind Words ~ USA 2012
Directed By: Kevin Barker

Der Teenager Eli (Spencer Daniels) zieht mit seinen Eltern auf ein Farmgelände in Kentucky, wo der Gutsbesitzer Waylon (Brad Dourif) seinem alten Jugendfreund Bud (Clay Wilcox), Elis Vater, etwas Arbeit offeriert, um über die Runden zu kommen. Im Wald jenseits des abgezäunten Grundstücks begegnet Eli der schönen, mysteriösen Amanda (Alexia Fast), in die er sich verliebt. Das sie umgebende Geheimnis kann der junge Mann bald lüften: Amanda ist ein Geist, in Wahrheit schon vor vielen Jahren erhängt an einem Baum im Wald. Sie war Waylons Schwester und auch die Jugendliebe von Elis Vater, der sie nie vergessen hat. Es gelingt Eli nach einigen schrecklichen Ereignissen, Amanda von ihrem Halbdasein als Zwischenwesen zu erlösen, doch der alte Fluch verlangt Nachschub...

Als Repräsentant dessen, was man etwas postmodernistisch gemeinhin als 'Southern Gothic' bezeichnen könnte, ist "Last Kind Words" vor allem dies: Erlesenst photographiert und von höchstem ästhetischen Reiz. Die kräftigen, sonnenlichdurchfluteten und verführerisch vitalen Farben, mit denen dp Bill Otto das Lokalkolorit einfängt, sprechen eine höchstselbst codierte Sprache, die den gesamten Rest des Films nebst seiner zerbröckelnden Ratio ganz bewusst überlagert. Die Ereignisse in dem - gemessen an der aktuell vorherrschenden Filmsprache - beinahe provozierend langsamem Film verschwimmen in teilweiser Redundanz, vielmehr zählt, nach einem sich erst spät besinnenden Prolog die höchst subjektiv gelagerte Perspektivierung. Eine dunkelromantische Coming-of-Age-Story entwickelt sich für den orientierungslosen Eli, der für die Liebe zur geisterhaften, sphärischen Amanda das Interesse an der ohnehin lähmenden Welt der Lebenden verliert: Was können die Erinnerung an einen alkoholisierten Vater, eine unglückliche Mutter, Geldnot und Schulden - die Erinnerungen an eine solch kaum erquickliche realis - auch für Reize bereit halten? Selbst seine höchst vitale Freundin Katie (Sarah Steele), die den "Absprung" schafft, vermag Eli nicht von seiner Faszination fürs Jenseitige zu heilen. Schließlich ist die Todessehnsucht allzu übermächtig. Die Verdammnis verschafft sich für ein paar Jahrzehnte ihren nächsten treuen Adlatus.

8/10

Kevin Barker Südstaaten Kentucky Wald Geist Coming of Age


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LAKE MUNGO (Joel Anderson/AU 2008)


"Who was that girl?"

Lake Mungo ~ AU 2008
Directed By: Joel Anderson

Im Rahmen einer (Pseudo-) Dokumentation werden die Umstände um Verschwinden und Tod eines sechzehnjährigen australischen Mädchens (Talia Zucker) nebst des Umgangs ihrer Familie und Freunde mit dem urplötzlichen Verlust sowie die Möglichkeit geisterhafter Erscheinungen aufgearbeitet.

Mit ihrer Namensvetterin Laura Palmer, die mich just erst so intensiv im Rahmen der Serie "Twin Peaks" und des anschließenden Spielfilm-Prequels beschäftigte, teilt sich Alice Palmer, um deren Ableben und dessen Nachhall "Lake Mungo" kreist, nicht nur den Familiennamen. Wie Laura war auch Alice im Leben eine adoleszente Schülerin, deren sexuelle Entwicklung höchst seltsame, gesellschaftlich inakzeptable Wege beschritt, die ihr Sterben durch übernatürliche Omen voraussah; die insgeheim einen (Para-)Psychologen (Steve Jodrell) konsultierte und deren mysteriöser Tod ihre Mitmenschen nachhaltig in Anspruch nimmt. Ich halte diese Parallelen keineswegs für weit hergeholt - ein merkwürdiger Zufall insofern, dass ich beide Werke in so kurzem Abstand angeschaut habe.
Auf "Lake Mungo" bin ich im Rahmen einer interessanten kleinen BFI-Liste gestoßen, in deren ergänzenden Kommentaren der Film Erwähnung findet und aus der ich noch ein paar andere Werke sehen muss. Etwa zeitgleich zu dem nicht ganz themenfernen "Paranormal Activity" entstanden, entpuppt sich "Lake Mungo" dann doch weniger als trivial gehaltene Genrekost, denn eine Demonstration möglicher manipulativer, dokumentarfilmischer Mittel. Anders als die "interviewten" Protagonisten der Geschichte, die zum Zeitpunkt ihrer Berichte mit der Gesamtentwicklung des Falls vertraut sind, folgt der Rezipient den Ereignissen in chronologischer Form: Erste geisterhafte Erscheinungen entpuppen sich als Versuch des technisch versierten Bruders Matt (Martin Sharpe), mit dem Verlust seiner älteren Schwester ins Reine zu kommen, im späteren Verlauf erfolgt dann ein Abriss von Alices paralleler "Geheimexistenz" (sie pflegte eine Dreiecksbeziehung mit dem deutlich älteren Nachbarsehepaar) bis hin zu einem dann doch unerklärlichen Ereignis im titelgebenden Nationalpark, in dem Alice im Rahmen eines Schulausflugs ihrem bevorstehenden Tod ins Auge blickt. Durch den "Zugriff" auf privates Videomaterial, Fotografien und Handy-Clips ermöglicht sich ein filmisches Mosaik, das geschickt über bloße Interview-Fragmente hinausreicht. Ob die dann doch noch zum Phantastischen hin schwenkende Conclusio ein Zugeständnis an Genrestruktur und Zuschauer-Antizipation ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Meine persönliche Einordnung des Films nimmt sich allerdings verhalten aus; ich hätte mir schlicht mehr Spuk und weniger familiäres Umherrutschen gewünscht. Den sicherlich ungeschickteren, konventionelleren "Paranormal Activity" jedenfalls fand ich deutlich packender. Bin da wohl doch eher 'used to them old guts'.

6/10

Joel Anderson Australien Geist Tod Familie Mockumentary embedded filming


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THE LAST PICTURE SHOW (Peter Bogdanovich/USA 1971)


"Nothin's really been right since Sam the Lion died."

The Last Picture Show (Die letzte Vorstellung) ~ USA 1971
Directed By: Peter Bogdanovich

Texas, 1951: Das kleine Kaff Anarene ist ein Ort, an dem Langeweile kultiviert wird. Jeder kennt hier jeden, viele hatten mal was miteinander und wenn nicht, dann kommt wahrscheinlich noch was nach. Im Radio läuft unentwegt Hank Williams und die Football-Saison der lokalen Highschool läuft mies, weil die Jungs vor allem Bourbon, Billard und billigen Sex im Kopf haben. Am Samstag geht's ins Kino, das zumeist die nicht mehr ganz aktuellen Filme zeigt: "Father Of The Bride", "Sands Of Iwo Jima", "Winchester 73". Sam, der Löwe (Ben Johnson), ein Cowboy alten Schlags, betreibt die drei Hauptinstanzen des Orts: Die Spielhalle, das Diner und besagtes Kino, das 'Royal'. Als der stille Sonny (Timothy Bottoms) und sein lauter Kumpel Duane (Jeff Bridges) für ein verlängertes Wochenende runter nach Mexiko fahren und zurückkommen, ist das endgültige Schicksal Anarenes besiegelt: Sam ist während des Wochenendes gestorben. Mit ihm weicht auch die Seele aus der Kleinstadt, die jetzt noch mehr zu einem Hort der Einsamkeit und Traurigkeit wird. Das Royal zeigt seine letzte Vorstellung, Hawks' "Red River".

Nach Larry McMurtrys autobiographischem Roman entstand mit "The Last Picture Show" eines der vordringlichen Meisterwerke New Hollywoods, das aufzeigt, welche Möglichkeiten die damalige Ära für junge Filmemacher bereithielt. Aus heutiger Sicht scheint es nachgerade unglaublich, dass dieser melancholische Abgesang auf Männlichkeitsbilder, Naivität, Jugend und gewissermaßen auch die Unschuld des Kinos in schwarzweiß gefilmt und von Peter Bogdanovich unter vergleichsweise kleinen Auflagen selbst geschnitten werden durfte, und das unter der Ägide eines der großen Studios (Columbia). Im Zentrum des Geschehens steht, als alter ego des Autors, der weichherzige, unsichere Sonny Crawford, der mit seiner offenkundigen Sensibilität und Weichheit nicht recht in das staubige Westtexas passen mag. Er macht sich mehr Gedanken über die Dinge als sein bester Freund Duane Jackson, der mit seiner Vorliebe für Autos, die junge Stadtschönheit Jacy Farrow (Cybill Shepherd) und diverse Flausen so viel mehr dem tradierten amerikanischen Teenagerklischee entspricht. Sonny hat ein offenes Ohr für die Geschichten des das alte Texas reräsentierenden Sam, den er wie einen Ersatzvater verehrt sowie den geistig behinderten Jungen Billy. Natürlich geht er auch er mit Jacy, als sie ihm in Duanes Abwesenheit verzweifelte Avancen macht, aber sein tieferes Mitgefühl gehört der depressiven, doppelt so alten Trainer-Gattin Ruth Popper (Cloris Leachman), mit der ihn darüber hinaus eine eidesitig funktionale Liebelei verbindet.
Vielleicht ist "The Last Picture Show" so vereinnahmend, weil er, anders als die Regiearbeiten Bob Rafelsons etwa, auf größere Distanzen zu seinem Figurenreservoir verzichtet, im Gegenteil stets ganz nah dran bleibt an ihm und mehr Mut zur Herzlichkeit (wie auch zum verschrobenen Humor) besitzt als die häufig bierernsten, distanzierten Arbeiten mancher Gesinnungsenossen. Das mag aber auch bloß ein subjektiver Erklärungsansatz sein, warum ich Bogdanovichs Film so sehr ins Herz geschlossen habe, mit jeder Einstellung und allem was ihm zukommt.

10*/10

Peter Bogdanovich Texas Kleinstadt period piece Freundschaft Coming of Age Larry McMurtry New Hollywood Bob Rafelson


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DAS FINSTERE TAL (Andreas Prochaska/AT, D 2014)


"Gimme the gun!" - "Woas?"

Das finstere Tal ~ AT/D 2014
Directed By: Andreas Prochaska

Südtirol, irgendwann im 19. Jahrhundert: Ein aus Amerika kommender Fremder namens Greider (Sam Riley) mietet sich in einem einsamen Taldorf für den Winter als Logiergast bei einer Bäuerin (Carmen Gratl) und ihrer Tochter (Paula Beer) ein.
Wie sich herausstellt, wird das Dorf noch althergebracht-feudalistisch regiert: Über allem ragt bedrohlich der Schatten des wohlhabenden Holzbauern Brenner (Hans-Michael Rehberg) und seiner sechs Söhne, die hier tun und lassen, was ihnen beliebt. Doch mit der Ankunft Greiders im Tal beginnt ihre lokale Allmacht zu bröckeln. Nachdem bereits zwei der Brenner-Söhne tödlichen Unfällen zum Opfer gefallen ist, wird klar, dass nur Greider den Mut besitzen kann, gegen den Despoten aufzubegehren. Und tatsächlich hat der schweigsame, jedoch wild entschlossene junge Mann eine viele Jahre zurückliegende Rechnung zu begleichen...

Die im Zusammenhang mit dem Film vielfach verwendete Kategorisierung als "Alpenwestern" trifft "Das finstere Tal" in der Tat hervorragend. Wobei man das "Alpen-"-Präfix auch einfach weglassen könnte und ihm immer noch vollends gerecht würde. Denn natürlich ist Prochaskas erfrischend lichtferner Film ein in der Tradition vor allem von Leone und Corbucci stehender Euro-Western, der eben ausnahmsweise auch einmal vor Ort spielt und in dem die Leute mit Südtiroler Dialekt sprechen. Ansonsten sind die figurale Ausstattung, die Geschichte mitsamt ihren sanften politischen Implikationen und selbst die Landschaft durchweg als unverwechselbare Genre-Medien identifizierbar. Der karg kommunizierende Fremde, der als personifizierter Tod in die Einöde kommt, um als Erlöserfigur die armen Menschen vom Joch ihrer Usurpatoren und verlogenen Vergangenheit zu befreien - traditionsbewusster geht es ja kaum. Wobei das in solch einem Falle der Außenwelt-Abschottung akute Problem von Zwangsinzest und Blutlinienfortführung hier meines Wissens erstmals so unzweideutig umrissen wird.
Entsprechend knüppelhart pflanzt sich des Greiders Rache-Odyssee - auch Verrat und Bigotterie bleiben nicht ungesühnt - bis zu ihrem unvermeidlichen Ende hin fort, vom Jüngsten hinauf bis hin zum Ältesten, sozusagen. Dann kommt der Frühling ins Tal und mit ihm die längst überfällige Chance auf einen Neubeginn.

8/10

Andreas Prochaska Österreich Berge Südtirol Rache period piece Winter Brüder Familie


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FOREIGN INTRIGUE (Sheldon Reynolds/USA 1956)


"A man's got to learn to protect himself in today's world. It's really a jungle, you know."

Foreign Intrigue (Die fünfte Kolonne) ~ USA 1956
Directed By: Sheldon Reynolds

Obwohl der Amerikaner Dave Bishop (Robert Mitchum) bereits seit Jahren für den superreichen Victor Danemore (Jean Galland) in dessen Haus bei Nizza arbeitet, kennt er seinen Chef so gut wie gar nicht. Als dieser dann eines Tages einem Herzinfarkt erliegt und sein Leben in Bishops Armen aushaucht, interessieren sich urplötzlich diverse Personen dafür, was wohl Danemores letzte Worte gewesen sein mögen. Der Ursprung seines Vermögens ist nämlich, wie sich herausstellt, höchst mysteriös. Man weiß nur, dass Danemore in regelmäßigen Abständen nach Wien flog, wo er einen notariellen Verwalter (Frederick Schreicker) besaß und offenbar geheime Treffen in einem schäbigen Gasthaus mit blinder Eigentümerin (Lily Kann) abhielt. Die Spur führt den neugierigen bishop nach Schweden, wo er der schönen Brita (Ingrid Thulin) und ihrer Mutter (Inga Tidblad) begegnet - Tochter und Witwe eines von Danemores "Geschäftspartnern", der vor nicht allzu langer Zeit Suizid begangen hat. Die Erklärung für all diese Rätsel ist ungeheuerlich - und wartet bereits auf Dave Bishop in Wien...

Hübsch, vor allem aber hübsch verworren nimmt sich Sheldon Reynolds' Spionagethriller aus, der wohl gern hitchcock'sches Format besessen hätte, mit den großen Werken des Meisters jedoch freilich nicht konkurieren konnte. "Foreign Intrigue" entstand als Kino-Nachklapp eines ebenfalls unter Reynolds' Schirmherrschaft stehenden, erfolgreichen TV-Serials der frühen Fünfziger, die jeweils halbstündige Episoden um Spionage und im Noir-Stil erzählte.
Im Film nun geht es letztlich einmal mehr um die Spätfolgen des Zweiten Weltkrieges - Dave Bishops Arbeitgeber Danemore entpuppt sich im Weiteren als berufsmäßiger Erpresser, der die Namen von einigen vormaligen Landesverrätern kannte, die vormals von Hitler engagiert wurden, um den Invasionstruppen der Nazis im Falle eines (über-)Falles Tür und Tor des jeweiligen Staats zu öffnen, bis Kriegsende jedoch unerkannt blieben. Am Ende erweist sich ausgerechnet der höchst unfreiwillig in den Fall hineingezogene Dave Bishop als Trumpfkarte der internationalen Nachrichtendienste - und lässt sich von ihnen als Geheimagent engagieren, um gemeinschaftlich mit dem nichtsahnenden Privatdetektiv Spring (Frédéric O'Brady) die Namen der drei noch fehlenden Kriegsverbrecher aufzudecken. Echter suspense geht "Foreign Intrigue" ab - wirkliche Spannungsszenen gibt es keine, die Aktion bleibt flächig und träge. Robert Mitchum schlawinert sich ohne allzu großen Aufwand durch die zwischenzeitlich überkompliziert dargebotene Story und erweist sich mit seinem altbekannten, omnipräsenten Stoizismus dennoch als dramaturgischer Grundpfeiler. Ausnehmend schön fand ich zudem die Farbgebung und den unaugeregten photographischen Stil des Schweden Bertil Palmgren.

7/10

Sheldon Reynolds Spionage Côte dAzur Nizza Wien Stockholm femme fatale


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THE NATURAL (Barry Levinson/USA 1984)


"C'mon Hobbs, knock the cover off the ball!"

The Natural (Der Unbeugsame) ~ USA 1984
Directed By: Barry Levinson

1939: Wie aus dem Nichts taucht der nicht mehr ganz taufrische Baseball-Spieler Roy Hobbs (Robert Redford) aus der Versenkung auf, um für die New York Knights als Schläger anzutreten. Erst nach einigen Spielen als 'bench warmer' setzt der skeptische Trainer Pop Fisher (Wilford Brimley) Hobbs ein und erlebt sein blaues Wunder, als dieser mit seinem selbstgemachten Bat "Wonderboy" einen Ball zerdeppert. In der Folge avanciert Hobbs zum Star, wird jedoch durch die Umgarnungen der undurchsichtigen Schönheit Memo Paris (Kim Basinger) alsbald wieder in seinem Erfolgsradius eingeschränkt. Erst die Wiederbegegnung mit seiner Jugendliebe Iris (Glenn Close) bringt Hobbs wieder auf Kurs - wären da nicht ein unheiliges Managment im Hintergrund und eine erneut aufbrechende, alte Magenwunde, die Hobbs einst schonmal sechzehn Jahre vom Feld ferngehalten hat...

Baseball-Filme sind vermutlich die uramerikanischsten Filme, die Hollywood Zeit seines Bestehens hervorgebracht; noch uramerikanischer als propagandistische Kriegsfilme, noch uramerikanischer gar als jeder andere Sportfilm. Baseball, das ist Religion, Kunst, Krisenbewältiger. Mit den großen Spielern wurde einst gefeiert und gelitten wie mit kaum einer anderen nationalen Persönlichkeit, der Sport taugte sogar dazu, die Leute während der Depressionszeit kurzfristig zu Euphorikern werden zu lassen. Basaeball, das ist amerikanisches Leben. "The Natural" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Bernard Malamud, der in seinem Buch zwar die fiktive Biographie eines Spielers erzählte, darin jedoch zugleich etliche reale Ereignisse und Anekdoten rund um den Sport aufgriff und umverwertete. Die Figur des Roy Hobbs bildete somit ein Konglomerat aus verschiedenen echten Spielern, sozusagen einen erfundenen Archetypus. Im Gegensatz zur traurig endenden Vorlage entschieden die Script-Autoren sich zu einem happy end, einem der furiosesten des Kinos noch dazu. Hobbs trifft seinen letzten Ball und das nächtliche Stadion explodiert förmlich in einer gewaltigen Zeitlupen-Kaskade aus Funken. Überhaupt dürfte "The Natural" ein eminenter formaler Wegbereiter für all den Kitsch sein, der das nachfolgende Mainstreamkino aus der Traumfabrik so unverkennbar und später auch langweilig machte: Der dp Caleb Deschanel nutzte für etliche Aufnahmen die 'magic hour', die goldene Dämmerungsstunde, in der infolge des abendlichen Lichts alles in Gold getaucht zu sein scheint. Dazu schrieb ausgerechnet Randy Newman einen der pompösesten, heroischsten Scores der Dekade, wie ihn sonst höchstens Michael Kamen oder John Williams hinbekommen hätten. Dennoch ist "The Natural" ein schöner Film, der wie wenige andere Einblicke in die so leicht verwundbare amerikanische Seele offeriert.
Baseball-Filme sind die uramerikanischsten Filme, die es gibt und "The Natural" ist der uramerikanischste unter ihnen.

7/10

Barry Levinson Baseball period piece Biopic Bernard Malamud New York


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DUNE (David Lynch/USA 1984)


"He who controls the Spice, controls the universe!"

Dune ~ USA 1984
Directed By: David Lynch

Im dreiundzwanzigsten Jahrtausend hat die Menschheit längst Teile des Weltalls besiedelt. Die Planeten werden von hierarchisch aufgeteilten Häusern bewohnt, regiert von Imperator Shaddam IV. (José Ferrer). Eine Droge namens 'Spice', die auf dem Wüstenplaneten Arrakis gewonnen wird, gilt als wichtigste wirtschaftliche Ressource. An der Lehensherrschaft über Arrakis sind daher, neben vielen anderen, vor allem die Häuser Atreides und Harkonnen interessiert, deren Patriarchen Leto (Jürgen Prochnow) und Vladimir (Kenneth McMillan) verfeindet sind. Obschon Shaddam offiziell Leto Atreides die Kontrolle über Arrakis überträgt, tut er sich insgeheim mit Vladimir Harkonnen zusammen und überrennt mit einem Militärputsch Letos Abordnung auf Arrakis. Dessen Sohn Paul (Kyle MacLachlan), ein großer Kämpfer, geschult zudem im Einsatz gewaltiger telekinetischer Kräfte, alliiert sich mit den Ureinwohnern von Arrakis, den Fremen, lehrt sie seine Fähigkeiten und erobert den Wüstenplaneten schließlich von Harkonnen und dem Imperator zurück. Der mittlerweile als lang erwarteter Messias Erkannte krönt sich selbst zu neuen Imperator - der Beginn einer neuen Ära.

Nach "The Elephant Man" und vor "The Straight Story" der zweite von insgesamt drei Filmen David Lynchs, die klassischen narrativen Strukturen folgen, beziehungsweise deren Grundprämisse sich im weitesten Sinne als "irdisch-realitätsverwurzelt" bezeichnen lässt, obschon "Dune" ja einem gleichnamigen Science-Fiction-Zyklus von Frank Herbert folgt. Dessen Visionen, die sich bei näherer Betrachtung vielfach erkennbare Zeitbezüge aufweisen (Kalter Krieg, Energiekrise, Revolution, aufkeimende Jugend-Subkulturen etc.), lassen sich ansatzweise auch in der Bearbeitung Lynchs erkennen, die ja bekanntlich bereits den dritten Versuch einer Kino-Adaption des Stoffs abbildet, nachdem zuvor in den Siebzigern der Produzent Arthur P. Jacobs und später Michel Seydoux mit dem Regisseur Alejandro Jodorowsky an der Komplexität und Unverfilmbarkeit von Herberts Geschichten gescheitert waren. Als in Ehren gescheitert kann man auch Lynchs Film werten, wobei dies an der Redlichkeit und Wichtigkeit des prinzipiellen Ansatzes nicht rüttelt. Auch, wenn er letzten Endes als großformatiger Camp Bestand hat, dessen verquaste Dialoge und umfassende Hilflosigkeit im Umgang mit dem viel zu umfangreichen Material bezeichnend sind und er in seiner fraglosen visuellen Pracht, gepaart mit vornehmlich Stirnrunzeln evozierenden, unfreiwillig komischem storytelling (nebst der formalen Gestaltung) an den ebenfalls von De Laurentiis produzierten "Flash Gordon" erinnert, muss "Dune" unter die großen Genre-Beiträge eingeordnet werden. Zu pompös, als dass man ihn ignorieren dürfte, zu abseitig, als dass er sich für die nächste Mülltonne anböte, findet man in Lynchs Film eine rauschhafte Ebene, die ihn immerhin zu einer audiovisuellen tour de force macht, deren Dialoge und innere Monologe sich beinahe als Störfaktoren ausnehmen. Aus dieser bezieht er seine merkwürdige Kraft, diese verleiht ihm innere Stärke.

7/10

David Lynch Zukunft Frank Herbert Monster Drogen





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Funxton

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