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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RISE AND FALL OF IDI AMIN (Sharad Patel/UK, KE 1981)


"I'm the sex champion!"

Rise And Fall Of Idi Amin (Idi Amin - Der Schlächter) ~ UK/KE 1981
Directed By: Sharad Patel


1971 putscht sich der selbstherrliche Militarist Idi Amin (Joseph Olita) zum Diktator Ugandas. Sein folgendes Terrorregime, dass Hunderttausende Tote fordert, währt acht Jahre. Idi Amin macht sich nach und nach diverse abendländische Staaten der Welt zu Feinden, stilisiert sich, nach einer Absage der Israelis bezüglich militärischer Unterstützung Ugandas, zum von Allah berufenen Antisemiten und Hitlerverehrer und lässt jeden, ob national oder international, der seine Person auch nur andeutungsweise anzweifelt und dessen er habhaft werden kann, verschwinden. Mit dem Versuch, Tansania zu erobern, endet schließlich Idi Amins Gewaltherrschaft.

Diktatoren eignen sich ja schon aufgrund ihres häufig expliziten Irrsinns hervorragend als Karikaturgegenstand. Der verrückte Egozentriker Idi Amin wurde bereits während seiner aktiven Zeit zum Inhalt und Namensgeber eines Films, den Barbet Schroeder mit ihm persönlich 1974 als die Dokumentation "Général Idi Amin Dada: Autoportrait" in die Welt entließ. Jene begnügte sich auf kluge Art und Weise damit, Amin sich durch seine maßlose Selbstdarstellung entlarven zu lassen. "The Rise And Fall Of Idi Amin" hingegen ist lupenreine Exploitation. In einer rasanten Abfolge von Szenen wird jede Kleinstanekdote hervorgekramt, die der Despot während seiner Herrenjahre hinterlassen hat; von seiner Vergrätzung und Vertreibung jeder bei ihm ansässigen Gastnationalität über seine diversen, teils auf bizarre Weise gefeierten Hochzeiten, den Usus, seine Opfer den Nilkrokodilen zum Fraß vorzuwerfen, die Legende, dass er das Fleisch seiner Feinde zu verspeisen pflegte, seinen unersättlichen Sexhunger, seine bequem ausgelegte muslimische Lebensart, die öffentlich abgehaltene Auszeichnung seines sechsjährigen Sohnes mit der Tapferkeitsmedaille, die Anweisung, mangelnde Devisen kurzerhand durch das fixe Nachdrucken von Dollars auszugleichen und schließlich faktischere Episoden wie die Geiselnahme von Entebbe. Hechel. Wenn auch nur die Hälfte davon wahr ist, lässt sich doch feststellen: Das ist de facto reinster Exploitationstoff. Insofern ist Patels Film gar nicht so plump effektheischerisch, wie man zunächst annehmen muss. Und dass die Darstellung wahnhafter Diktatoren zuweilen in die Satire abrutschen darf, liegt in der Natur der Sache. Den Monstern der Weltgeschichte nimmt man am ehesten ihren Schrecken, indem man sie der Lächerlichkeit preisgibt. Das hat zumindest zu gewissen Teilen auch Patel erkannt.

6/10

Realsatire Pseudo-Dokumentation Historie Exploitation Diktatur Biopic Afrika


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TIME BANDITS (Terry Gilliam/UK 1981)


"So that's what an invisible barrier looks like."

Time Bandits ~ UK 1981
Directed By: Terry Gilliam


Der kleine Kevin (Craig Warnock) gerät eines Abends von seinem Bett aus in die Gesellschaft von sechs Zwergen (David Rappaport, Kenny Baker, Malcolm Dixon, Mike Edmonds, Jack Purvis, Tiny Ross), die von ihrem Arbeitgeber, dem "Obersten Wesen" (Ralph Richardson), eine Karte gestohlen haben, welche Unregelmäßigkeiten in der Schöpfung dokumentiert. Diese Unregelmäßigkeiten gestalten sich als Löcher im Zeitgefüge. Die Zwerge wollen ebendiese Löcher nutzen, um reiche Beute zu machen, stellen sich dabei jedoch ziemlich unbeholfen an. Stets verfolgt von ihrem Boss und dem "Absolut Bösen" (David Warner), landen die sieben Freunde nacheinander bei Napoleon (Ian Holm), Robin Hood (John Cleese), Agamemnon (Sean Connery) (der sich sogar als Adoptivvater für Kevin anbietet), auf der Titanic kurz vor ihrem Untergang und schließlich in der Parallelwelt der Legenden, wo das Absolut Böse sich ihrer zu entledigen plant.

Everything is dream beim Filmauteur Terry Gilliam, der mit "Time Bandits" endgültig seine weitere Identität als Regisseur definierte. Das relativ kostengünstig hergestellte, seine endgültige Veröffentlichung wie viele andere britische Produktionen dieser Zeit primär dem großen George Harrison (respektive dessen Unternehmen 'Handmade Films') verdankende Zeitreiseabenteuer exponierte Gilliam für alle, die es bis dahin noch nicht verstanden hatten, als Geschichtenerzähler, der die Grenzen der Konvention missachtete und alle störenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten kurzerhand aushebelte, um seine bisweilen höllischen Visionen in eine halbwegs massenkompatible Form zu bringen. Gilliam ist ein im besten Sinne "literarischer Filmemacher", der seiner Rezipientenschaft trotz aller von ihm erschaffenen audiovisuellen Vorgaben noch immer großzügigen Platz für die eigene Imagination lässt. Sein bereits zu Monty-Python- Zeiten unverwechselbarer, greller Stil ist mit Ausnahme der für seine Verhältnisse luziden Auftragsarbeit "The Brothers Grimm" stets unverwechselbar geblieben. "Time Bandits" mag im Nachhinein als erster Teil einer Träumer-Trilogie betrachtet werden, die mit "Brazil" (Dystopie) und "The Adventures Of Baron Munchhausen" (umgeschriebene Geschichte) in der Dritt- und Erstgeneration fortgeführt wurde.
Der aus mittleren englischen Verhältnissen stammende Kevin wächst in einem Elternhaus auf, dessen existenzielle Erfüllung im Erwerb praktischer Küchenmaschinen und im Konsum stupider Gameshows im Fernsehen besteht. Der Junge träumt sich fort aus diesem grauen Alltag, um mit seinen Zwergenfreunden bzw. ihrer Karte als Medium den historischen Helden seiner Phantasie begegnen zu können, die sich dann freilich allesamt selbst demontieren: Napoleon entpuppt sich als grenzwahnsinniger, unter seinem Kleinwuchs leidender Profilneurotiker, Robin Hood als tuckiger Pseudoheld, dessen Almosen an die Armen nach ihrer Schenkung sogleich wieder an ihn selbst abgeführt werden und Agamemnon als einsamer, zuneigungsentwöhnter Diktator, der sein kleines Seelenheil in billigen Taschenspielertricks findet.
Für den Kinderfilm, der er eigentlich sein soll, ist "Time Bandits" wohl eine Spur zu finster, vielleicht auch zu abstrakt geraten. Als Parabel über die Freiheit der Träume und über altersunabhängige Selbstbestimmung hingegen erweist er sich - sei dies als gilliam'sche Maßlosigkeit zu verstehen - als unendlich wertvoll.

9/10

Napoleon Agamemnon Mittelalter Robin Hood Satan Historie Antike Terry Gilliam Zwerg Zeitreise Kinder


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IL MERCENARIO (Sergio Corbucci/I, E 1968)


Zitat entfällt.

Il Mercenario (Mercenario - Der Gefürchtete) ~ I/E 1968
Directed By: Sergio Corbucci


Während der mexikanischen Revolution wird der amerikanische Söldner Sergei Kowalski (Franco Nero), genannt 'der Pole', von dem Silberbaron García (Eduardo Fajardo) angeheuert, der seine Vorräte lieber in den Staaten und geschützt vor den Rebellen sähe. Als Kowalski in Mexiko ankommt, haben sich Garcías Arbeiter, allen voran der etwas unbedarfte Neo-Renegat Paco Roman (Tony Musante), bereits der Hacienda ihres vormaligen Unterdrückers bemächtigt. Das gesamte Silber ist bei einer Explosion verschüttet worden. Kowalski lässt sich kurzerhand von Roman als Militärberater anheuern. Gejagt von García, der Regierungsarmee und dem rachsüchtigen Ganoven Ricciolo (Jack Palance), schlagen die beiden sich mal als Freunde, mal als Feinde durch die Revolutionswirren.

Mit "Il Mercenario" liegt nun endlich auch das lang erwartete, letzte noch fehlende der Hauptwerke des Italowestern auf DVD vor. Unmittelbar vor seinem Meisterwerk "Il Grande Silenzio" fertigte Corbucci diesen völlig anders gearteten Film für den Großproduzenten Alberto Grimaldi und konnte somit neben wunschlos machenden Equipment auch über eine ansehnliche internationale Besetzung verfügen. "Il Mercenario" kombinierte die schalkhafte personelle Ausgangssituation von "Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo" mit dem in Italien beliebten Thema der Revolution in Mexiko. Wie der andere Sergio setzte auch Corbucci auf die humorige Triangel dreier Gegenspieler (Nero, Musante, Palance), von denen jedoch nur einer ein wirklicher Schurke ist und die beiden übrigen linke Opportunisten, die den jeweils anderen lediglich für ihre eigenen Zwecke benutzen, um ihn in der Folge immer wieder zu übervorteilen.
Dennoch präsentiert sich "Il Mercenario" als hinreichend eigenständig und qualitätsbewusst, um nicht einfach als bloßer Nachzügler gehandelt zu werden. Heute verbucht man ihn zu Recht unter den maßgeblichen italienischen Revolutionswestern neben "Quién Sabe?", "Corri Uomo Corri" und "Giù La Testa".

8/10

Sergio Corbucci Italowestern Mexikanische Revolution period piece


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LAND OF THE LOST (Brad Silberling/USA 2009)


"Captain Kirk's nipples!"

Land Of The Lost (Die fast vergessene Welt) ~ USA 2009
Directed By: Brad Silberling


Der von allen Seiten belächelte, selbsternannte Quantenpaläontolge Dr. Marshall (Will Ferrell) entwickelt einen Teilchenbeschleuniger, der seinen Benutzer an einen paralleldimensionalen Ort führt, an dem sich die Zeitströme treffen. Zusammen mit seiner Assistentin Holly (Anna Friel) und dem Wüstennepper Will (Danny McBride) gerät Marshall per Unfall in ebenjene Parallelwelt, in der Dinosaurier, Urmenschen und sogar Außerirdische ihr Unwesen treiben. Unterstützt von dem haarigen Priaten Chaka (Jorma Taccone) erlebt das Trio einige haarsträubende Abenteuer.

Der letztjährige Ferrell-Nonsens fällt gegenüber seinen Vorgängern etwas ab; dem auf einer alten TV-Serie basierenden "Land Of The Lost" fehlt ganz offensichtlich ein wirklich dominanter Regisseur, sowie ein Ferrell ebenbürtiger Quatschmacher wie etwa John C. Reilly. Dennoch gibt es versöhnlicherdings noch immer hinreichend zu lachen, um mehr recht als schlecht über die Runden zu kommen. Einige spezielle humoristische Feinheiten ergeben sich etwa durch Dr. Marshalls hanebüchene Einfälle, darunter der, sich mit Saurierpisse einzureiben, um den fortwährenden Attacken eines hochintelligenten Tyrannosaurus Rex zu entgehen, mit dem Marshall bald nach seiner Ankunft eine besondere Intimfeindschaft verbindet. Der ewig hungrige, überkandidelte Akademiker macht sich in einem Anfall zivilisatorischer und intellektueller Arroganz außerdem nicht nur den Urmenschen Chaka zu seinem persönlichen Diener, sondern vertraut seinem selbstgefilmten Handytagebuch im Geheimen auch gleich an, ihn bei Nahrungsknappheit unbedingt verspeisen zu wollen ("We WILL cook and eat Chaka"). Der heimliche Höhepunkt des Films präsentiert sich schließlich in einem Mezcalrausch, der auf einer von Chaka geernteten Flüssigkeit aus einer Art vorsintflutlicher Agave basiert. Das gibt dann endlich die wohlfeil genutzte Gelegenheit zu einer echt formidablen Ferrell-Szene ("Marco"..."Polo").
Doch, "Land Of The Lost" ist bei Licht betrachtet schon ziemlich lustig, zumindest für Ferrell-Fans.

6/10

Will Ferrell Brad Silberling Drogen Nonsens Dinosaurier


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DESIGN FOR LIVING (Ernst Lubitsch/USA 1933)


"It's true we had a gentleman's agreement, but unfortunately, I am no gentleman."

Design For Living (Serenade zu dritt) ~ USA 1933
Directed By: Ernst Lubitsch


Im Zug nach Paris begegnen die mittellosen Bohémiens George (Gary Cooper) und Tom (Fredric March) der Werbedesignerin Gilda (Miriam Hopkins). Diese beginnt ohne das Wissen des jeweils anderen mit beiden ein Techtelmechtel. Als die zwei Freunde von ihrem "Glück" erfahren, gibt Gilda zu, dass sie sich für keinen der beiden entscheiden kann. Man entscheidet sich also für eine platonisch gehaltene Dreiecksbeziehung. Kaum jedoch, dass auf Tom der große Erfolg in London wartet - durch Gildas Intervention wurde sein Stück produziert - hat der Ärmste das Nachsehen. Als er über ein Jahr später nach Paris zurückkehrt, auch George ist mittlerweile als Maler erfolgreich, wird Gilda sofort wieder wankelmütig und entschließt sich, der Misere endgültig durch eine Vernunftehe mit ihrem spießigen Berufskollegen Plunkett (Edward Everett Horton) zu entgehen. Ein glatter Selbstbetrug.

Der auf einem Theaterstück von Noel Coward basierende "Design For Living" kommt inhaltlich ungefähr einer domestizierten Episode aus Henry Millers "Quiet Days In Clichy" gleich. Autor und Maler, beste Freunde und professionelle Berufsgammler vor dem Herrn, landen mit derselben Frau im Bett und entdecken bald, dass es sich auch so gut leben lässt. Für einen Hollywoodfilm von 1933 ist diese Botschaft, die gesellschaftliche Untugenden wie die wilde Ehe propagiert, schon ziemlich frivol geraten. Nun, der Hays Code griff um diese Zeit noch nicht vollends und im Grunde beschränkte sich die unzweifelhafte Lüsternheit auf die Dialoge und das laszive Gehabe der Hopkins, die sich, selbstverständlich im Abendkleid, selbsttrunken von ihrer radikalen Feminität, als Quasi-Nymphomanin auf einem Chaiselongue räkelt. Da wir uns in einem Lubitsch-Film befinden, stößt das Liegemöbel jedoch bei jeder ihrer Bewegungen dicke Staubwolken aus - und schon relativiert sich die perfide Erotik der Szene, um wieder in perzeptionistisch akzeptable Bahnen zurückzufallen. Dies ändert jedoch glücklicherweise nichts an den insgesamt doch rotzfrechen statements des Films, die ihrer Gegenwart um ein paar Äonen voraus sind.

8/10

Paris based on play Screwball Ernst Lubitsch Noel Coward Ménage-à-Trois


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THIEVES LIKE US (Robert Altman/USA 1974)


"You liar! You cheated on me!"

Thieves Like Us (Diebe wie wir) ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Misissippi zur Depressionszeit: Die drei Lebenslänglichen Bowie (Keith Carradine), Chicamaw (John Schuck) und T-Dub (Bert Remsen) fliehen aus dem Staatsgefängnis und rauben im gesamten Süden der USA zahlreiche Banken aus. Besonders Chicamaw geht dabei zunehmend gewalttätig vor. Als Bowie sich in die unbedarfte Jungfrau Keechie (Shelley Duvall) verliebt, beginnt er ansatzweise, seine kriminelle Existenz zu hinterfragen, kann und will jedoch nicht über seinen Schatten springen, was ihn schlussendlich das Leben kostet.

In den USA der dreißiger Jahre Bankräuber zu sein, bedeutete angesichts der ökonomischen Verhältnisse zugleich Rebellion als oberstes Existenzprinzip sowie eine besonders harsche Form der Systemfeindlichkeit; erst einige Dekaden später wurden aus den grimmigen Schattenwesen hinter den Tommy Guns echte Menschen, die in der Populärkultur bis heute eine nachträgliche Mythisierung erfahren. Im Gegensatz zu Bonnie und Clyde oder John Dillinger sind die "Helden" in Altmans "Thieves Like Us", jener nach Rays gut 25 Jahre älterem "They Live By Night" bereits die zweite Verfilmung von Edward Andersons gleichnamigem Roman, derweil Gegenstände reiner Fiktion, die eine starke Verwurzelung in der historischen Realität allerdings nicht verleugnen können. Der unweigerliche Moralisierungsfaktor ist zwar auch hier evident, jedoch verdeutlicht Altman durch stetige kleine Hinweise die schon damals allgegenwärtige Einflussnahme der Massenmedien, in diesem Fall des Radios. Permanent laufen im Hintergrund die damals beliebten Rundfunkserien wie "The Spirit" und "The Shadow", die das Bandenunwesen staatlich legitimiert und in höchstem Maße naiv bis in seine Grundfesten verdammen und der öffentlichen Ächtung preisgeben, als eine Art stiller Kommentar. Dabei bestand seinerzeit für den "kleinen Mann" eine der wenigen Chancen, zu etwas Flüssigem zu kommen, darin, den göttlichen Pfad der Tugend zu verlassen. Altman versäumt es trotz bewusster Aussparung von offensichtlichem Sozialkitsch nicht, darauf hinzuweisen. Müßig zu erwähnen, dass "Thieves Like Us" stilistisch eindeutig als einer seiner Filme identifizierbar ist.

8/10

New Hollywood period piece Suedstaaten Great Depression Robert Altman Couple on the Loose


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THE BIG SLEEP (Howard Hawks/USA 1946)


"You don't look like a man who'd be interested in first editions." - "I collect blondes in bottles, too."

The Big Sleep (Tote schlafen fest) ~ USA 1946
Directed By: Howard Hawks


Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) erhält von seinem Klienten General Sternwood (Charles Waldron) den Auftrag, sich um eine Erpressungsepisode seine jüngere Tochter Carmen (Martha Vickers) betreffend zu kümmern und wenn möglich den Aufenthaltsort von Sternwoods verschwundenem Freund Sean Regan ausfindig zu machen. Marlowe stößt schnell auf die einfältige Erpresserbande, muss dann jedoch feststellen, dass auch Sternwoods andere Tochter Vivian (Lauren Bacall) in die Klauen eines Erpressers gefallen ist.

Einer von Hawks' schönsten Filmen und eines der großen Meisterwerke des klassischen film noir, das zudem die filmische Inkarnation des hardboiled p.i. ausdefiniert. Für Bogart bedeutete der Part des Philip Marlowe, nachdem er ja für Huston bereits Hammetts Sam Spade gespielt hatte, die coolste Rolle seiner Leinwandkarriere. Marlowe ist ein Typ, den absolut nichts anficht und der selbst bei höchster Gefahr für Leib und Leben noch Herr der Lage bleibt. Auf schnippische Kommentare zu seiner Person, besonders solche, die auf seine Körpergröße abzielen oder ihn anderweitig aus der Reserve locken sollen, hat er stets die passende Antwort parat. Wie "To Have And Have Not" ist auch "The Big Sleep" vorneweg ein Vehikel für die Paarung Bogart/Bacall. Ansonsten erweist er sich als großer Triumph singulärer Bestandteile über die Gesamtkohärenz. Trotz des brillanten Dialogscripts, das vor wundervollen, zitierfähigen Zeilen nur so wimmelt, ist die Story in ihrer Gesamtheit nicht vollends nachvollziehbar. Selbst wenn man sich mit einem Notizblock danebensetzte und bunte mind maps anfertigte, würde man vermutlich nicht restlos jede Plotwendung erfassen können, so dermaßen verworren und konfus läuft das Ganze ab. Der eigentliche Kniff liegt aber eben darin, diese vermeintliche Schwäche durch die vielen übrigen Stärken zu egalisieren. Sogar die erst relativ spät entstandene Synchronisation macht dem Film trotz mancher Soundtrackpfuschereien keine Schande. Arnold Marquis, der auf Bogart besetzt war, lieferte eine seiner allerbesten Vorstellungen.
Ich persönlich finde es nur jedesmal, da ich mir die knappen zwei Stunden mit diesem prachtvollen Film schenke, schade, dass meiner Lieblingsfigur, nämlich dem alten General Sternwood, nicht etwas mehr screentime eingeräumt wurde.

10/10

hardboiled Howard Hawks Raymond Chandler film noir Philip Marlowe William Faulkner Los Angeles


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DREAMCATCHER (Lawrence Kasdan/USA, AU 2003)


"I Duddits!"

Dreamcatcher ~ USA 2003
Directed By: Lawrence Kasdan


Seitdem die vier Freunde Henry (Thomas Jane), Jonesy (Damian Lewis), Beaver (Jason Lee) und Pete (Timothy Olyphant) vor zwanzig Jahren den geistig behinderten Jungen Duddits (Andrew Robb) vor einigen Schlägern gerettet haben, verfügen sie allesamt über telepathische Kräfte und eine mentale Verbindung zueinander. Ihr diesjähriger Jagdausflug wird überschattet von einem schweren Unfall Jonesys. Damit nicht genug werden sie, in den Wäldern von Maine angekommen, Zeugen einer außerirdischen Invasion. Das Militär stellt die Gegend unter Quarantäne und schlägt die Aliens zu großen Teilen zurück, eines jedoch, kryptisch "Mr. Gray" betitelt, verschmelzt sich mit Jonesy und will seine Mission unbedingt zu Ende bringen. Henry und der mittlerweile erwachsene Duddits (Donnie Wahlberg) sind die einzigen, die es aufhalten können.

Lawrence Kasdan scheint mit seiner King-Adaption nicht besonders glücklich zu sein; eine solch lange Regiepause wie seither hat er in seiner verhältnismäßig kurzen Karriere im Filmfach jedenfalls noch nie walten lassen. Allerdings äußern auch die Publikumsstimmen zu großen Teilen unmutig bis verärgert über den Film, wofür sich mir die Gründe jedoch verschließen. Ich muss gleich dazu einräumen, dass ich mir "Dreamcatcher" zum zweiten Mal angesehen habe, weil mich erst unlängst das unbestimmte Gefühl beschlich, ich hätte bei der Erstbetrachtung manches übersehen. Gesichert ist wohl, dass es sich nach (so man diesen fragwürdigen Terminus überhaupt bemühen möchte) 'allgemeinen Qualitätskriterien' um keinen ernstzunehmend guten Film, oder, pointierter gesagt, um eine verschenkte Chance handeln dürfte. Die äußeren Faktoren erschienen mir noch immer weitgehend stimmig - sieht man vielleicht von der Besetzung Morgan Freemans als durch schief aufgeklebte Theo-Waigel-Gedenkbrauen entstellter Militärhardliner ab - inhärent jedoch erweist sich der Film als zerfasernd und hilflos. Nach einem recht gelungenen Beginn, der sich spätestens mit der Einführung der Kampfeinheit in weite Strecken der Substanzlosigkeit veabschiedet, erfahren wir, dass die schleimigen E.T.s bereits seit Dekaden immer wieder versuchen, die Erde zu erobern, dank der US-Streitkräfte aber stets erfolglos und vor allem unbemerkt (!) in ihrem Tun blieben. Es schließt sich eine überaus konventionelle SciFi-Invasionsstory an, bei deren Beschau man ncht von ungefähr daran denken muss, dass Kasdan einst das Script zu "Return Of The Jedi" verfasst hat. Selbst die durch Bildverschiebungen eingeleiteten Szenenwechsel rufen eher Assoziationen zum "Star Wars"-Franchise denn zum kammerspielartigen Prolog des Films. Dieses waghalsige Amalgam geht dann auch nicht auf. Kasdan scheint irgendwann einfach den Faden verloren und nicht mehr wiedergefunden zu haben. Schade, denn es bleiben immer noch diverse unbestreitbar schätzenswerte Ansätze.

6/10

Militaer Monster Lawrence Kasdan Stephen King Aliens


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THIS GUN FOR HIRE (Frank Tuttle/USA 1942)


"Who trusts anybody?"

This Gun For Hire (Die Narbenhand) ~ USA 1942
Directed By: Frank Tuttle


Weil der Profikiller Philip Raven (Alan Ladd) für seinen jüngsten Job mit Blüten bezahlt wird, will er sich an seinem Auftraggeber, dem feisten Nachtlubbesitzer Gates (Laird Cregar), rächen. Jener gerät zur selben Zeit ins Visier des Geheimdiensts, denn er arbeitet für einen Industriellen, der Waffen und Kampfstoffformeln an Kriegsgegner verhökert. Die schöne Ellen Graham (Veronica Lake), Verlobte des Polizisten Crane (Robert Preston), soll Gates aushorchen und kommt Raven in die Quere.

"This Gun For Hire" etablierte den vielbeschworenen Typus des Auftragsmörders im Trenchcoat als einsamer Wolf des Großstadtdschungels. Ausgerechnet der häufig wegen seines Untalents verspottete, nur knapp über einssechzig messende Alan Ladd verkörperte diese später als ikonische Abbildung in die Kinoannalen eingegangene Figur mit stoischer Mine und schmerzlicher Gleichmut. Obgleich erst an vierter Besetzungsstelle gelistet - Ladd war bis dato nur in Nebenrollen aufgetreten - ist "This Gun For Hire" ganz sein Film, respektive der des neu erfundenen Paars Ladd/Lake, das noch drei weitere Male zusammen auftreten und vielerorts als "Bogart/Bacall des kleinen Mannes" bezeichnet werden sollte. Die Lake, von Raymond Chandler abschätzig 'Moronica Lake' genannt, war noch um einige Zentimeter kleiner als Ladd und für ihn somit in gewisser Beziehung relativ unproblematisch als Partnerin zu handhaben.
Und trotz alledem gilt: als film noir mit einer ausnahmsweise sehr hellsichtigen Story und relativ kinetischen Spannungsszenen muss "This Gun For Hire" den ohnehin haltlosen Unkenrufen zum Trotze als nachhaltiger Glücksfall bezeichnet werden.

8/10

film noir Profikiller Frank Tuttle WWII


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TWO LOVERS (James Gray/USA 2008)


"I'm as fucked up as you are!"

Two Lovers ~ USA 2008
Directed By: James Gray


Nach einer gescheiterten Beziehung und mehreren halbherzigen Suizidversuchen lebt der depressive Brooklyner Leonard Kraditor (Joaquin Phoenix) wieder bei seinen Eltern (Moni Moshonov, Isabella Rossellini). Urplötzlich ziehen ihn gleich zwei auf ihre jeweilige Weise bezaubernde Frauen aus seiner anhaltenden Lethargie heraus: Sandra (Vinessa Shaw), die Tochter eines Geschäftspartners (Bob Ari) von Leonards Vater und die im selben Haus wohnende Michelle (Gwyneth Paltrow). Während Sandra den Kontakt zu Leonard sucht und Hals über Kopf in ihn verliebt ist, fühlt er sich stärker von der impulsiven, sich mondän gebenden Michelle angezogen, die in Leonard allerdings eher einen brüderlichen Freund sieht und sich in einer haltlosen Beziehung mit einem verheirateten Mann (Elias Koteas) herumquält. Die immer akuter werdende, marternde Frage nach "der Richtigen" beantwortet sich für Leonard schließlich von selbst.

James Gray entwickelt sich mehr und mehr zu einem der großen New Yorker Kinochronisten. Nach drei im Gangstermilieu angesiedelten Arbeiten versucht er sich in seinem dritten Film in Folge mit Joaquin Phoenix (der seinerseits ankündigte, dass dies sein letzter sei) nun an der lebensbejahenden Geschichte eines sich selbst verloren Glaubenden, der durch die Liebe gerettet wird. Die so sinnstiftende wie einfache Konklusion des Films lautet, dass es manchmal besser ist, aufrichtig geliebt zu werden, als seine eigene Liebe in die nutzlose Leere hinein zu verpulvern. Außerdem entscheidet sich Gray, der auch stilistisch seine eingeschlagenen Pfade weiterverfolgt, stellvertretend für Leonard im Film wider die körpergesteuerte Impulsivität und für die existenziell sichere Seite der Vernunft, eine lebensweise Erkenntnis, die wohl nur ein Enddreißiger so konsequent zu formulieren in der Lage ist. Heraus kommt eine erfreulich ernstzunehmende, wirklich schöne und offensiv-erwachsene Liebesgeschichte, versetzt mit leisem Humor an den passenden Stellen.

8/10

New York Ethnics James Gray





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Funxton

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