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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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PATTY HEARST (Paul Schrader/USA 1988)


"I'm always dead."

Patty Hearst (Patty) ~ USA 1988
Directed By: Paul Schrader


San Francisco, 1974: Die Millionärserbin Patricia Hearst (Natasha Richardson) wird von mehreren Mitgliedern einer selbsternannten linksrevolutionären Stadtguerilla, der SLA (Symbionese Liberation Army), entführt, fast zwei Monate lang gefangen gehalten und schließlich mit der Eigenentscheidung konfrontiert, in ihr altes Leben als Bourgeoise zurückzukehren oder sich dem Untergrund anzuschließen. Patty wählt die Option 'Klassenkampf', landet jedoch bereits nach wenigen Wochen in den Fängen der Justiz und wird wegen Mittäterschaft bei einem Bankraub zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt.

Paul Schrader arbeitete 1988 mit "Patty Hearst" den spektakulären Kidnappingfall um Patricia auf, die Enkelin des Medienmoguls William Randolph Hearst, der sich in den siebziger Jahren ereignet hatte. Von einer konventionellen Kriminalfilmgeschichte ist "Patty Hearst" weit entfernt, Schrader lässt mehr als genug Raum für Eigeninterpretationen und Wertungen durch sein Publikum, das sich die Frage nach der psychischen Gesundheit einer 57 Tage lang eingepferchten, vergewaltigten und mittels permanenter Indoktrination gemarterten Gefangenen selbst beantworten muss. Die erste Hälfte des Films, die sich mit Pattys Gefangenschaft befasst, ist somit nicht eben angenehm zu betrachten und es ergibt sich ein scheinbares Missverhältnis mit der umso strahlender ausgeleuchteten, mitunter komischen zweiten Hälfte, in der die beiden unorganisierten Rebellionsträumer Teko (William Forsythe) und Yolanda (Frances Fisher) zusammen mit der nunmehr aus freien Stücken präsenten Patty durch den US-Westen tingeln.
Ein so karger wie introvertierter Film, von einer ganz speziellen, seltsamen Magie.

8/10

Klassenkampf period piece Madness Terrorismus Biopic Independent Kidnapping Paul Schrader


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ONLY ANGELS HAVE WINGS (Howard Hawks/USA 1939)


"Heads you stay, tails you go."

Only Angels Have Wings (SOS Feuer an Bord) ~ USA 1939
Directed By: Hoiward Hawks


Die Unterhaltungskünstlerin Bonnie Lee (Jean Arthur) landet in dem südamerikanischen Nest Barranca, wo der draufgängerische Pilot Geoff Carter (Cary Grant) eine kleine Fluglinie leitet. Der Beruf des Piloten, so erfährt Bonnie bald ziemlich unumwunden, ist dabei ein oftmals tödlicher. Dennoch verliebt sie sich in Carter, der allerdings keine Frau mehr an sich heranlässt, seitdem er einmal sitzengelassen wurde. Dennoch kann auch er seine Gefühle für Bonnie nicht lange verbergen. Als der Pilot MacPherson (Richard Barthelmess) und seine Gattin (Rita Hayworth) nach Barranca kommen, sieht sich die ruppige Idylle noch mehr gestört als ohnehin schon.

Eine von Hawks' Spezialitäten war es, vor zumeist exotischem Hintergrund einen Mikrokosmos mit einer ganzen Phalanx so knarziger wie herziger Typen zu entwickeln und in Verbindung damit eine bestenfalls als loses Gerüst vorhandene, episodenhafte Geschichte abzuspulen, die kaum mehr als eine Alibifunktion besaß. Eines der besten Beispiele dafür ist sein später Film "Hatari!", gewissermaßen ein jüngerer "Only Angels Have Wings". Die Coolness und komödiantische Leichtigkeit des bunten Afrika-Abenteuers geht der in den Ateliers der Columbia gefilmten Fliegerstory noch ab; die Grundfesten jedoch sind eindeutig dieselben: Cary Grant in einer seiner ersten ernsten Rollen gibt den von keiner Ungelegenheit leicht zu beeindruckenden Luft-Superhelden, dessen betont maskuline Kraft natürlich nur solange vorhält, wie ihm keine passende Frau unter die nach Zärtlichkeit gierenden Finger gerät; dazu kommen Barthelmess und Thomas Mitchell in eigentlich wesentlich dankbareren Rollen als tief verwurzelte Todfeinde, die sich später auf rührende Weise aussöhnen sowie ein gutes halbes Dutzend weiterer Charakterköpfe, die gerade soweit vorgestellt und eingeführt werden, dass der Zuschauer das Gefühl hat, sie bereits seit Äonen zu kennen und selbst zum kurzzeitigen Einwohner Barrancas zu werden. Diese heimelig-familiäre, beileibe nur vorgeblich so naive Atmosphäre konnte niemand anderes so kreieren wie der Meister.

8/10

Howard Hawks Suedamerika Fliegerei


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ON DEADLY GROUND (Steven Seagal/USA 1994)


"What does it take to change the essence of a man?"

On Deadly Ground (Auf brennendem Eis) ~ USA 1994
Directede By: Steven Seagal


Forrest Taft (Steven Seagal), Experte für die Eindämmung von Bohrunfällen aller Art mit nebulöser Vergangenheit, holt alle naselang die Kastanien für seinen Chef Jennings (Michael Caine) aus dem sprichwörtlichen Feuer. Dieser ist jedoch in Wahrheit ein haltloser Umweltsünder, der bei genügend Profit auch die komplette Verpestung von Alaska in Kauf nimmt, indem er mangelhafte Sicherheitsventile an seinen Förderstationen installiert. Als Taft davon Wind bekommt, will Jennings ihn um jeden Preis ausschalten und engagiert sogar eine Truppe beinharter Söldner zu jenem Zweck. Doch Taft entpuppt sich als unschlagbarer Einzelkämpfer, der, zudem mit mythischer Absegnung durch einen uralten Eskimohäuptling (Chief Irvin Brink), gnadenlos zurückschlägt.

Wer mal wieder richtig herzhaft lachen möchte, der sollte sich Steven Seagal als Rainbow Warrior in Eigenregie geben. "On Deadly Ground" ist so unglaublich peinlich und doof, dass sich die Balken biegen und dermaßen von vorne bis hinten durchsetzt von geistigen Schwachheiten, dass es ein wahres Vergnügen ist. Ob man da bei Seagals Fransenlederjacke anfängt, bei seiner schlagkräftigen Predigt an einen respektlosen Indianerklatscher (Mike Starr) oder bei seiner breit ausgespielten Wiederergeburt als Bärenkrieger, die er nur fünf Filmminuten darauf wieder als unbedeutende Nichtigkeit revidiert, spielt da eine sehr untergeordnete Rolle; fest steht, dass der gute Steven es keinesfalls an den üblichen Sauereien mangeln lässt und seine Feinde in teils unflätigster Manier gleich dutzendfach niedermäht und -kloppt (und ebendas will man ja letztlich sehen, schaut man sich schonmal einen Seagal an), womit der Hauptauftrag schließlich bestens erfüllt wäre. Über die blanke Hohlköpfigkeit dieses Films, die ihren Gipfel in der Schlusssequenz findet (nach einem umfassenden Massenmord erläutert Taft mit wichtiger Miene den Wert des Lebens und des ökologischen Gleichgewichts auf Erden), sollte man sich dabei nicht das eigene Haupt zerbrechen, sondern sich ihr einfach freudestrahlend hingeben. Sowas gibt's wahrlich nicht zweimal!

4/10

Alaska Umweltverschmutzung Steven Seagal


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NO ESCAPE (Martin Campbell/USA 1994)


"You really don't want to hear what the second prize is."

No Escape (Flucht aus Absolom) ~ USA 1994
Directed By: Martin Campbell


Im Jahre 2022 sind Gefängnisse zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig geworden, daher überbieten sich die privatisierten Institutionen gegenseitig mit ihren Hochsicherheitsmaßnahmen. Der Ex-Offizier Robbins (Ray Liotta), der nach einem mörderischen Kriegseinsatz seinen Vorgesetzten erschossen hat, kommt nach einem Zwischenfall schließlich auf die offiziell nicht existente Gefängnisinsel Absolom. Dort kämpfen die 'Insider', eine Gruppe so zivilisiert wie möglich lebender Sträflinge, und die 'Outsider', brutale Kopfjäger und Kannibalen, um die Vorherrschaft. Robbins schließt sich den Insidern an, die eigentlich unmögliche Flucht von Absolom permanent im Hinterkopf.

Ganz respektable Mischung aus Sci-Fi- und Knastfilm, der seine Ursprünge unverkennbar findet im Szenario von "Escape From New York" und sich der kleinen Welle ähnlich gelagerter Genrefilme aus den frühen Neunzigern um "Fortress", "Wedlock" und "Alien³" an, denen jeweils die Idee gemeinsam ist, dass die Menschen im Rahmen einer absolutistisch orientierten, futuristischen Haftsituation eine Art evolutionäre Umkehr hin zu atavistischen Zuständen vollziehen. Das Überleben wird zur obersten Maxime, das Selbst der beste Verbündete, eine brisante Situation insbesondere in einem Rahmen bestehend aus ausschließlich kriminellen Individuen. Diese Grundsituation macht sich also auch "No Escape" zunutze und jagt seinen von vornherein als überharten Knochen präsentierten Helden durch seine persönliche kleine urweltliche Hölle. Robbins' Entkommen bekommt dabei mit zunehmender Erzählzeit mehr und mehr Gewicht, denn es gibt gleich zwei Geheimnisse, die es publik zu machen gilt.
Die Qualitäten von Campbells Arbeit als Actionfilm bleiben in eher mäßigen Bahnen; "No Escape" holt viel heraus durch seine relative Rüpelhaftigkeit. Dafür hat man selten den Eindruck, dass auch nur einer der Beteiligten das Projekt so ernst genommen hat, wie es ihm eigentlich zukäme. Immerhin sind Spaß und Amüsement gewährleistet.

6/10

Martin Campbell Gefaengnis Dystopie Zukunft


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I... COMME ICARE (Henri Verneuil/F 1979)


Zitat entfällt.

I... Comme Icare (I wie Ikarus) ~ F 1979
Directed By: Henri Verneuil


Ein Jahr nach dem tödlichen Attentat auf den liberalen Präsidenten Jary (Gabriel Cattand) weigert sich Staatsanwalt Volney (Yves Montand), die Ergebnisse der Untersuchungskommission, die den von vornherein verdächtigen Schützen Daslow als Einzeltäter verifizieren sollen, abzusegnen. Volney gründet eine neue, alternative Kommission bestehend aus vertrauenswürdigen Mitarbeitern und stößt bald auf eine gigantische, durch den Geheimdienst eingefädelte Verschwörung.

Verneuils stellenweise unerhört packender Politthriller schlägt in exakt dieselbe Kerbe wie die Costa-Gavras-Filme "Z" und "Ètat De Siège", in denen jeweils ebenfalls Yves Montand in einer tragenden Rolle zu sehen war und die genau wie "I... Comme Icare" realpolitische Ereignisse in eine filmdramaturgische Gewandung kleideten. Verneuils Film rekonstruiert sehr unzweideutig den Mord an John F. Kennedy, transportiert die um einiges entschlackten und simplifizierten Ereignisse, die insbesondere die verbissene nachträgliche Untersuchung durch den Staatsanwalt Jim Garrison zum Zentrum haben, direkt in ein fiktives (nie als solches bezeichnetes) Frankreich, möglicherweise der nahen Zukunft. Alles scheint möglich in diesem sich in demokratischer Scheinsicherheit wiegenden, zugleich dystopischen und gegenwartsbezogenen Sündenbabel, in dem sich staatliche Institutionen als autoritäre Macht so gut wie unbemerkt die absolute Gewalt aneignen können, wenn ihnen nur daran gelegen ist. Damit ist "I... Comme Icare" in erster Linie ein flammender Anruf zur individuellen Mündigkeit, ein entschieden formuliertes Pamphlet für den gesunden Menschenverstand abseits aller Subordinationsanweisungen durch jedwede Obrigkeiten. Um das zu verdeutlichen, siedelt Verneuil als so faszinierende wie erschreckende Herzsequenz eine umfangreiche Szene an, in der Volney Zeuge des Milgram-Experiments wird, jenes berühmten sozialpsychologischen Laborversuchs, der die unbedingte Gehorsamsbereitschaft zunächst ahnungsloser Probanden in geradezu erschreckender Weise bewies. Eine überaus geschickte Konstruktion innerhalb dieses großartigen Spannungsfilms.

10/10

Henri Verneuil Attentat Verschwoerung





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Funxton

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