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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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GIB GAS - ICH WILL SPASS! (Wolfgang Büld/BRD 1983)


"No, no Pizza. Calamari. Las Akne. Santa Maria di Hubert Kaiser. Markus, Platz!" - "Hä?"

Gib Gas - Ich will Spaß! ~ BRD 1983
Directed By: Wolfgang Büld

Tina (Nena) hat die Nase voll von Schule und Büffeln. Sie verknallt sich in den Schausteller Tino (Enny Gerber), der ihr die große Freiheit verspricht. Doch da ist auch noch der etwas weniger verwegene Klassenkamerad Robby (Markus), den Tina mitsamt seiner Vespa ausnutzt, um Tino durch die Provinz hinterherzujagen. Nach und nach muss Tina dann feststellen, dass es nicht lohnt, in die Ferne zu schweifen, wenn das Gute doch so nah liegt...

Sterben musste sowieso, schneller geht's mit Marlboro: Wolfgang Bülds Filmanalogie zur BRAVO, die anno 83 mindestestens jede eineinhalbste Woche den damaligen Dauerbrenner Nena auf dem Cover hatte, die damals entsprechend monströs bei den Kids einschlug und Beszucherzahlen-Sphären erklomm wie es heute bestenfalls noch stark werbeflankierte US-Animationsfilme für Kinder hinbekommen.
"Gib Gas - Ich will Spaß!", der sich auf den ersten Blick nicht sonderlich von der üblichen deutschen Strunz-Komödie jener Tage abhebt und ganz klar mit dem Serienkonzept der LISA-Film-Konkurrenz liebäugelt, zeichnet dabei ein gar nicht mal unverfälschtes Bild der subkulturell unbeflissenen Jugend dieser Tage, deren ausgestellt phlegmatische Rotzigkeit nicht einmal wenige Parallelen zu den "Zuständen" dreißig Jahre später aufweist. Büld hatte seinerzeit immerhin den Mut, mit den reinen, jedoch schwer angesagten Musikstars Nena und Markus, die jedweder schauspielerischen Ausbildung entbehrten, ein Revival des "Schlagerfilms" aus den Sechzigern als NDW-Musical zu drehen. Eine dankbare Entscheidung, das mit den Laiendarstellern, denn besonders die flippige, aus dem Südpott stammende Nena verleiht, noch in ihrer Prä-"99 Luftballons"-Phase dem Film eine regelrecht dokumentarische Authentizität, indem sie sich anscheinend schlicht selbst spielt. Auch hier ist die weitflächige Verwendung des Originaltons von entscheidender Bedeutung für das tragende Gesamtkonzept (die LISA synchronisierte ja häufig nochmal mit professionellen Sprechern im Studio nach), wobei allerdings zumindest der supporting punk Peter Lengauer in seinen Szenen von Martin Semmelrogge übersprochen wurde.
Es ist insgesamt schon schwer berückend, wie wenig Inhalt der Film transportiert und dabei doch voll ist von lebendigem Zeitkolorit. Und damit auch die Bananenfresser ihr Auskommen haben, gibt's den gloriosen Antiwitzler Karl Dall in multiplen Auftritten. Kleine Taschenlampe, brenn'...

6/10

Wolfgang Büld Musik München Kirmes Road Movie Venedig


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PHANTOM OF THE RUE MORGUE (Roy Del Ruth/USA 1954)


"I sure didn't kill anyone. My consciousness is clean as my hands, as they say!"

Phantom Of The Rue Morgue (Der Würger von Paris) ~ USA 1954
Directed By: Roy Del Ruth

Paris um die vorletzte Jahrhundertwende. Ein Frauenmörder, der über die Dächer der Stadt kommt und geht, macht die Metropole unsicher. Besonders ungewöhnlich dabei vor allem die Vorgehensweise des Täters, der seine Opfer mit ungeheurer Kraft verstümmelt und deren Wohnungseinrichtungen zertrümmert. Die Spuren - signierte Fotografien, kleine Schmuckgeschenke und ähnliches - führen den schnell mit Verdachtsmomenten bei der Hand befindlichen Inspecteur Bonnard (Claude Duphin) ins Studentenmilieu und weiter zu dem jungen Professor Dupin (Steve Forrest), der sich durch eine persönliche Mörderhatz unglücklicherweise noch verdächtiger macht. Doch Dupin gibt nicht auf und hat alsbald die rettende Idee: Der "Täter" muss ein konditionierter Affe sein; etwas, womit Dupins Kollege Marais (Karl Malden) einige Erfahrung hat...

Ähnlich wie Robert Floreys 1932 entstandener "Murders In The Rue Morgue" präsentiert diese lose auf Poes Kurzgeschichte basierende Adaption einen bösen menschlichen Geist hinter den äffischen Attacken. Diesmal geht der Plot allerdings nicht ganz so sehr in Richtung Science Fiction, sondern stellt einen verwirrten, beziehungskranken Verhaltensforscher in sein Zentrum, gespielt von einem wie immer höchst sehenswerten Karl Malden, der damals noch häufiger als gestörter Widerwart im Kino zu sehen war. "Phantom Of The Rue Morgue" gehörte, ebenso wie André De Toths atmosphärisch recht ähnlich gelagerter "House Of Wax", zu einer kleinen Offensive, im Zuge derer das besorgende Studio sich anschickte, Genrefilme in schickem Warnercolor und Zweistreifen-3D ins Kino zu bringen - mit wechselhaftem Erfolg. Heute sind vor allem die schönen Atelierbauten und Kostüme von gehobenem Interesse, sowie natürlich der arme, verwirrte Gorilla 'Sultan' (eine weitere Freiheit gegenüber Poe, bei dem der Amok laufende Primat ein Orang Utan war), wie uns der Film versichert, ein eigentlich liebenswerter Kerl, an dessen beschissener Sozialisation bloß ein halbgescheiter Matrose (Anthony Caruso) und eben dieser misogyne Wissenschaftler mit Freud-Tick Schuld tragen. Wie dereinst King Kong wird der Ärmste am Ende zusammengeschossen, nachdem er die Schöne (Patricia Medina) wieder hat laufen lassen und, immerhin, nachdem er sich seiner beiden selbsternannten Herren zuvor entledigt hat.

8/10

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THE LAST OF SHEILA (Herbert Ross/USA 1973)


"Give me a glass of water and a couple of lesbians."

The Last Of Sheila (Sheila) ~ USA 1973
Directed By: Herbert Ross

Der exzentrische Millionär Clinton Green (James Coburn) lädt sechs Freundinnen und Freunde (Richard Benjamin, Joan Hackett, Dyan Cannon, Ian McShane, Raquel Welch, James Mason) aus dem Filmbusiness zu einer kleinen Kreuzfahrt auf seiner Yacht vor der Côte D'Azur ein. Genau ein Jahr zuvor starb Greens geliebte Frau Sheila (Yvonne Romain) bei einem Unfall mit Fahrerflucht. Der Täter konnte nie ermittelt werden. Nun hat der Bootstrip durch die Riviera keinesfalls bloßes Baumelnlassen zum Ziel: Green hat ein Spiel entwickelt, bei dem jeder der Mitfahrenden eine Identitätskarte erhält, die die jeweils anderen entschlüsseln müssen. Bald schon offenbart sich infolge dessen, dass Green einige schmutzige Geheimnisse aus der jeweiligen Vergangenheit der Mitspieler kennt - darunter offenbar auch die Identität des Unfallwagenfahrers...

Eine böse, schwarze Krimikomödie, die Herbert Ross nutzt, um gegen das alte Hollywood und seine verblassende Eitelkeit zu wettern und um ein unerwartet erstklassig siebenköpfiges Ensemble vorzustellen, das, soviel wird rasch klar, sich keiner besonderen Sympathien des Publikums versichern kann. Nicht allein die Art der von Clinton green veräußerten, kleinen und großen biografischen Schnitzer ist es, die einem dieses (inklusive des ewig stichelnden Gastgebers) Septett vergällt - vor allem der Umgang damit beweist, mit welcher Art merkwürdiger Gesellschaft man es zu tun hat. Der unerwartete Mord in der Mitte des Films sorgt dann für eine cleveren Richtungswechsel in der Narration, worauf eine Art christie'sches Auflösungspuzzle erfolgt, ohne Meisterdetektiv freilich, dem wiederum ein Schlenker nachfolgt. Am Ende ist im Grunde alles wie zuvor; es gibt zwei Tote mehr und noch ein paar Möglichkeiten, seine Mitmenschen zu erpressen, dafür scheint sich ein vielversprechendes Filmprojekt anzubahnen - vielleicht jenes, welchem wir gerade beigewohnt haben?
Ebenjene Doppelbödigkeit macht Ross' Film so faszinierend, neben Ross' voller Hinweise steckender Inszenierung, die einem am Ende nochmal unübersehbar vor den Kopf geknallt wird. Eine schönes Exerzitium in Aufmerksamkeit, Konzentration und "richtigem" Hinschauen somit auch.

9/10

Herbert Ross Riviera Film Freundschaft Mittelmeer Reise Ensemblefilm Anthony Perkins


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TOY SOLDIERS (Daniel Petrie Jr./USA 1991)


"Fuck my father and fuck you too. I'm not going anywhere without my friends."

Toy Soldiers (Boy Soldiers) ~ USA 1991
Directed By: Daniel Petrie Jr.

Weil sein Vater Enrique (Jesse Doran), ein berüchtigter Drogenbaron, in den USA angeklagt, dorthin deportiert und in Florida inhaftiert wird, entschließt sich der Kolumbianer Luis Cali (Andrew Divoff), ihn freizupressen: Er besetzt mit seinen Genossen das Jungeninternat 'Regis High', das der Sohn (Knowl Johnson) des Hauptanklägers Donoghue besucht (wobei ausgerechnet dieser bereits präventiv beurlaubt wurde), und nimmt sämtliche Schüler als Geiseln, um den alten Herrn freizupressen. Unter den Kids befindet sich auch der renitente Billy Tepper (Sean Astin), der sich zusammen mit seinen Kumpels weigert, dem terroristischen Treiben tatenlos zuzusehen und stattdessen mit allerlei Tricks und Schliche gegen Cali und seine Männer vorgeht.

Nominell passend zur kolumbianischen Koks-Metropole Cali schickten der vormalige Scriptwriter Daniel Petrie Jr. in seinem Regiedebüt nebst Co-Autor David Koepp eine Gruppe aufrechter US-amerikanischer Jungs gegen eine Bande systemzersetzender Drogenterroristen ins Feld. Eine nicht mal unüble, spannende Motiv-Melange aus "Die Hard" und "Dead Poet's Society" kam dabei heraus, stark komplexitätsentschlackt freilich und auf ein primär affektiv orientiertes, junges Publikum zugeschnitten. Handwerklich tadellos geraten gibt sich der Film den Anstrich einer Hochglanz-Produktion, wie sie eigentlich doch deutlich besser zum Vorgänger-Jahrzehnt passte; den Schnitt besorgte Spielbergs Hauscutter Michael Khan und Robert Folks bombastischer Score klingt dementsprechend frappant nach John Williams und Jerry Goldsmith. Etwas eklektisch mutet zunächst die Kombination aus durchaus harter Flinten-Action, die der ihres großen Vorbilds kaum nachsteht und mehr oder weniger typischer Pennälerkomödie an. Ein Eindruck, der sich mit zunehmender Erzählzeit allerdings wieder realtiviert und am Ende sogar sinnstiftend wirkt.
Dass nämlich ein ebenso selbstbewusster wie unbegradigter teenage rebel die Kastanien aus dem Feuer holt [ohne sich dabei verbrennen, respektive besudeln zu müssen versteht sich; beim letzten, blutigen Akt unterstützt ihn sein liebenswerter Dekan und Ersatzvater (Louis Gossett Jr.)], spiegelt die reaktionäre Basisposition des Films wider: Nachdem Politik und Militär sich des Dilemmas staatlicher Erpressbarkeit nicht mehr stellen müssen, weil ihnen die Mafia bereits die Entscheidung abgenommen hat, kommt nurmehr eine militärische Lösung in Frage. Doch ginge diese gnadenlos in die Hose, weil von weißhaarigen Senioren (Mason Adams) initialisiert; es bedarf junger, erfindungsreicher Freigeister, um die Staatsräson durchzuboxen.

7/10

Daniel Petrie Jr. Schule Internat Terrorismus Mafia Freundschaft Militär


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NEVER SLEEP AGAIN: THE ELM STREET LEGACY (Daniel Farrands, Andrew Kasch/USA 2010)


"The idea of a thousand maniacs raping a nun, that's always good stuff."

Never Sleep Again: The Elm Street Legacy ~ USA 2010
Directed By: Daniel Farrands/Andrew Kasch

Erschöpfende Vier-Stunden-Dokumentation über das komplette "A Nightmare On Elm Street"-Franchise inklusive aller sieben Filme, der TV-Serie und "Freddy Vs. Jason". Das Remake war zum Entstehungszeitpunkt leider noch zu aktuell und daher wohl auch nicht für eine wahrhaft kritische Revision geeignet, im Gegensatz zum Rest der Reihe, der von jenen Beteiligten, die zu einem Interview bereit waren oder Zeit hatten, mitunter durchaus augenzwinkernd und ehrlich aufgearbeitet wird. Erwartungsgemäß muss man auf Statements von Johnny Depp und Patricia Arquette verzichten; dafür gibt es erfreulich witzige und frische Anekdoten von reizenden Gegenübern Clu Gulager, dem noch immer sagenhaft frischen John Saxon oder Alice Cooper zu hören. Der Status des ersten Films als initialisierender 'New-Line'-Retter, dessen Ernte Späteres wie die "Lord Of The Rings"-Trilogie in ihrer gegebenen Form erst ermöglichte, wird diskutiert, der ja wirklich unübersehbar homoerotische Paratext von "A Nightmare On Elm Street Part 2: Freddy's Revenge" den der damalige, tatsächlich schwule Hauptdarsteller Mark Patton als Coming-Out-Fanal zu nutzen wusste, der offene Liebhaber-Status von Chuck Russells eigensinnigem dritten Film schließlich, den viele Fans, darunter ich selbst, trotz überaus schwieriger Produktionsbedingungen als den schönsten der Serie schätzen. Die TV-Irrungen sowie die sukzessive nachlassende Qualität mit den Folgeteilen werden ebenso erötert wie der intermediale Impact eines Kinderschänders, Serienmörders und Traummonsters auf die Kinder- Jugend- und Alltagskultur in den Staaten.
Insgesamt eine mehr als engagiert gefertigte, repräsentative und selbst für Aficionados sehr interessante Filmdokumentation, an der man nichts misst, die trotz ihrer ausufernden Länge keine Sekunde langweilt und mit ihrer Abspann-Hommage, in der jeder der interviewten Darsteller nochmal einen Original-Oneliner repetiert, einen richtig herrlichen Ausklang findet.

9/10

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LE PETIT BAIGNEUR (Robert Dhéry/F, I 1968)


Zitat entfällt.

Le Petit Baigneur (Balduin, der Trockenschwimmer) ~ F/I 1968
Directed By: Robert Dhéry

Castagnier (Robert Dhéry), der Chef-Konstrukteur des Schiffebauers Fourchaume (Louis De Funès), gewinnt mit seinem neuen Segelboot "Kleiner Sausewind" eine Regatta in San Remo. Sofort findet das Bötchen reißenden Absatz bei den anwesenden Werftenchefs. Zurück in Frankreich will Castagnier seinem Chef die frohe Kunde überbringen, dieser jedoch hat wegen eines anderen firmischen Missgeschicks einen cholerischen Anfall und feuert Castagnier mit Pauken und Trompeten. Als Fourchaume dann vom Erfolg des "Kleinen Sausewinds" erfährt, tut er zusammen mit seinem getreuen Frauchen (Andréa Parisy) alles, um Castagnier für die Firma zurückgewinnen. Leider verursacht er mit seinen Schmeicheleien mehr Chaos als alles Andere...

Hübsch hyperaktiver und hübsch typischer Film für De Funès, der einmal mehr in seiner Paraderolle als permanent dem Herzinfarkt nahe, emotional unbeherrschte Kapitalistenkarikatur reüssiert. Dabei sind es wie immer mehr die kleinen, feinen Momente, die zu wahrem Gelächter herausfordern, etwa der, wenn Fourchaume inmitten heilloser Cholerik urplötzlich leise dem seltsam anmutenden (Wohl-)Klang eines Deckels lauscht, der aus einer Kartenrolle gezogen wird und sich dann so daran erfreut, dass er dies gleich mehrfach wiederholen muss. Das ist De Funès par excellence und weniger die späteren, sich zu Tode reitenden Actionszenen mit einem durchdrehenden Traktor oder einem abgetriebenen Außenklosett. Tatsächlich büßt der Film gegen Ende dann doch sehr an Frische und Originalität ein - beschränkt auf begrenzten Raumaktionismus, wie im theatralesken "Oscar", den De Funès allein durch seine physische Präsenz ausfüllt, war der Mann ja sowieso stets am Besten.

6/10

Robert Dhéry Frankreich Geschwister


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OUT OF THE FURNACE (Scott Cooper/USA 2013)


"I got a problem with everybody."

Out Of The Furnace (Auge um Auge) ~ USA 2013
Directed By: Scott Cooper

Als der rechtschaffene Stahlarbeiter Russell Blaze (Christian Bale) eines Abends leicht alkoholisiert in einen schweren Unfall verwickelt wird, hat dies schlimme Folgen für ihn: Er kommt wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Während seines Knastaufenthalts trennt sich seine geliebte Freundin Lina (Zoe Saldana) von ihm und kommt mit dem örtlichen Sheriff (Forest Whitaker) zusammen, sein Vater (Bingo O'Malley) stirbt und sein jüngerer Bruder Rodney (Casey Affleck), traumatisierter Irakkriegsveteran, lässt sich hochverschuldet auf illegale Bareknuckle-Fights ein. Rodney gerät dabei an den miesen Hillbilly DeGroat (Woody Harrelson) gerät, was seinen Tod bedeutet. Da sich die Polizei in dieser Situation als unfähig erweist, entschließt sich Russell, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen.

Nach "Crazy Heart" eine weitere, stargespickte Ur-Americana von Scott Cooper um eine nicht minder "landestypische" Fallgeschichte. Dem ungeschriebenen, folkloristischen Gesetz zufolge, dass Country-Musik und legaler Waffenbesitz die Nation zu dem machen, was sie ist, muss es nunmehr also um die Waffe gehen. Um ein Präzisions-Jagdgewehr, um präziser zu sein.
Russell Blaze ist ein Mann, dem das Schicksal übel mitspielt. Einer, der stets das Richtige will und den dann die Ungerechtigkeit ereilt. Seine Strafe für den Unfall nimmt er, wenngleich im Grunde teilschuldig, bereitwillig in Kauf und sitzt sie ab. Er kämpft um seine Ex-Freundin, sieht jedoch ein, dass es keine Chance mehr für sie als Paar gibt. Er weint am Grab des toten Vaters, den er beim Sterben nicht begleiten konnte. Der baldigen Schließung seiner Arbeitsstätte sieht er mehr oder weniger gelassen entgegen. Seinem kriegsgeschädigten Bruder hört er zu und versucht, ihm Vernunft einzubläuen. Russell ist einsam, negiert jedoch tapfer Stillstand und Depression.
Angesichts all dieser auferlegten Bürden kann er angesichts der noch folgenden Ermordung Rodneys nicht anders, als ein einziges Mal zu reagieren, nicht tatenlos da zu stehen und zuzusehen, wie das Leben an ihm vorbeimäandert, ohne ihn aufs Boot zu lassen. Russells Selbstjustiz ist gezielt durchdacht, durchplant, moralisch abgesichert und sogar kirchlich absolutioniert: Harlan DeGroat, ohnehin nichts als wandelnder Menschenmüll, hat angesichts seiner Taten sein weiteres Recht auf unbehelligtes Weitermachen mit dem, was er so tut und wovon garantiert gar nichts menschenwürdig ist, verwirkt. Sheriff Barnes als letzte verbleibende, irdische Instanz hat da keine Schnitte mehr.
"Out Of The Furnace" als Selbstjustiz-Propaganda zu deklarieren, wäre viel zu kurz gedacht. Es geht vielmehr um die Weigerung einer stets im Gleichgewicht befindlichen Persönlichkeit, die ihn umgebenden Schicksalsschläge weiter passiv hinzunehmen. Den anschließenden, möglichen Fall, die gesetzliche Konsequenz, wird er erhobenen Hauptes hinnehmen (wie es für Russell weitergeht, lässt das Ende offen, man sieht ihn in einem letzten kurzen Einspieler ernst blickend und mit geschnittenem Haar an seinem Tisch sitzen - möglicherweise lag dazwischen eine weitere Gefängnisstrafe). Ob Russell das Richtige tut, mag man bestreiten - für sich selbst, daran gibt es keinen Zweifel, tut er das einzig Mögliche.
Einen Film zudem, der sich mit Pearl Jams "Release" eine musikalische Klammer setzt, kann ich am Ende schließlich nur lobpreisen.

8/10

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VOM TEUFEL GEJAGT (Viktor Tourjansky/BRD 1950)


"Was ist das für ein Lärm da draußen...?"

Vom Teufel gejagt ~ BRD 1950
Directed By: Viktor Tourjansky

Der zu Unrecht in Ungnade gefallene Psychiater Dr. Fingal (Willy Birgel) findet, ebenso wie seine Freundin Cora (Maria Helst), eine Einstellung in der Klinik seines alten Freundes und Berufsgenossen Helmut Blank (Hans Albers). Blank gilt als idealistischer Arzt, der zugleich selbst mit pharmazeutischen Substanzen experimentiert. Ein aus dem Ausland importiertes, noch unerforschtes Mittel names K-27 verspricht Heilung sogar in schweren Fällen von Psychose. Um die körperlichen auswirkungen zu testen, probiert Blank das Mittel an sich selbst aus. Apathie, Gedächtnisverlust und Willenlosigkeit stellen sich für mehrere Stunden ein, bis der Geist sich wieder erholt. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Aussetzer: Nicht nur, dass Blank sich urplötzlich an ganze Tagesabläufe nicht erinnern kann, er entwickelt zugleich eine dunkle, kriminelle Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn er einen seiner "Aussetzer" hat...

Ein früher, deutscher Versuch, Genrekino zu machen, abseits von Heimatfilm, Kriegsschulddrama und aufkommender Wirtschaftswunderillusion und somit ein wichtiger Schritt in eine Richtung, die vor allem international verblasste, hiesige Leinwand wieder etwas weiter zu öffnen. "Vom Teufel gejagt" lässt sich dabei unschwer als "Jekyll/Hyde"-Variation identifizieren, wobei jedoch der Mut zu weiterer Intensivierung ausbleibt. Im Gegensatz zum "Original" ist Dr. Blank kein philosophisch angehauchter Kopf, der versucht, Es und Über-Ich zu trennen, sondern ein Philanthrop, dem es darum geht, seelische Krankheiten zu heilen. Im Selbstversuch muss der integre Mann dann unfreiwillig feststellen, dass er selbst eine ignorierte, weithin "abgespaltene" Persönlichkeitsfacette besitzt, die er bislang erfolgreich hat ignorieren können. Blanks Verwandlung in sein kriminelles alter ego wird zudem nie äußerlich sichtbar. Weder äffisches Schimpansengebiss noch zusammengewachsene Augenbrauen kennzeichnen seine Veränderung, nur ein leichtes Lichthuschen über die Augenpartie und eine lallende Sprechweise signalisieren: Der "böse Blank" ist wieder da.
Ein wenig klassischer "Mabuse" liegt darin, zudem eine recht hemdsärmelige Auffassung von Psychiatrie, die wahlweise nur völlig gestörte Geisteskranke (Alexander Golling) kennt oder überkandidelte Luxusfrauchen (Lil Dagover) mit Schoßhund. In jedem Fall ein nicht zu unterschätzender Lichtblick innerhalb der zeitgenössischen, nationalen Kinolandschaft.

8/10

Viktor Tourjansky Psychiatrie Medizin Madness Mad Scientist Jekyll & Hyde


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THE MAGIC SWORD (Bert I. Gordon/USA 1962)


"I'd recognize you amongst thousands!"

The Magic Sword (Ascalon - Das Zauberschwert) ~ USA 1962
Directed By: Bert I. Gordon

Im finsteren Mittelalter entführt der böse Zauberer Lodac (Basil Rathbone) des Königs schöne Tochter Helene (Anne Helm) um sie seinem stets hungrigen Drachen zum Fraße vorzuwerfen. Da ist jedoch noch der fesche Jüngling George (Gary Lockwood) vor, der Helene zwar nur durch Bilder aus einem magischen See kennt, sie aber trotzdem von Herzen liebt. Von seiner schusseligen Ziehmutter Sybil (Estelle Winwood) mit dem nötigen Equipment für eine solch gefahrvolle Expedition ausagestattet, zieht er ohne deren Billigung los, sechs Ritter aus allen Teilen Europas sowie den undurchsichtigen Hofritter Branton (Liam Sullivan) an der Seite. Sieben Flüche gilt es auf dem Weg zu Lodacs Feste zu übwerwinden, einer schrecklicher als der andere.

Eigentlich ein Fall für Nathan Juran und Ray Harryhausen, wurde "The Magic Sword" zu einem, na ja, semi-erfolgreichen Versuch des stets günstig arbeitenden Monsterbarden Bert I. Gordon, traditionelle Märchen- und Fabelmuster in einem bunten, familientauglichen Abenteuerfilm unterzubringen. Auch viele Pulp-Horror-Elemente sind enthalten: Es gibt einen Riesenwerwolf, ein nebliges Moor mit säurehaltigen Tümpeln, eine hässliche Dämonenhexe, Geister, allerlei mutiertes Zaubervolk (Zwerge, Eierköpfe und Vogelmenschen) und natürlich den handlungsstiftenden Drachen. Das alles scheint mir, unter vornehmlicher Verwendung von Rückprojektionen und Bildmontagen, halbwegs passabel getrickst, insgesamt jedoch mit zu wenig Schmiss und zuviel Routine dargebracht. Die Besetzung um die beiden seniorigen Kontrahenten Rathbone und Winwood hält immerhin ein paar kleine Überraschungen bereit: In Cameos finden sich Vampira und Angelo Rossitto an, letzterer allerdings im Zuge eines eher undankbaren Auftritts.

5/10

Bert I. Gordon Ritter Magie Märchen Monster Drache Hexe


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DEATH FORCE (Cirio H. Santiago/USA, PH 1978)


"The law is the sword."

Death Force (Ein Mann wird zum Killer) ~ USA/PH 1978
Directed By: Cirio H. Santiago

Nach einem Golddeal, an dem sich die drei Vietnam-Veteranen Russell (James Iglehart), McGee (Leon Isaac Kennedy) und Morelli (Carmen Argenziano) eigentlich nach dem Krieg gesundstoßen wollen, wird Ersterer von seinen zwei gierigen Kumpels verraten, aufgeschlitzt und ins südpazifische Meer geworfen. Wie durch ein Wunder landet Russell auf einer einsamenInsel, wo ihn zwei nach dem Zweiten Weltkrieg versprengte japanische Soldaten aufsammeln und gesund pflegen. Der Ältere von ihnen, Sakuro (n.n.), lehrt Russell den Umgang mit dem Samurai-Schwert und den uralten Krieger-Kodex.
Derweil reißen McGee und Morelli daheim in L.A. die gesamte Unterwelt an sich und avancieren mit einiger Brutalität zu den Bossen der Stadt. McGee hat es zudem auf Russells Frau Maria (Jayne Kennedy) abgesehen, die ihren Mann tot glaubt. Schließlich gelangt Russell über Umwege zurück in die Staaten, wo ihn von seiner unerbittlichen Rache an den ehemaligen "Freunden" nichts mehr abhält...

Aus dem kaum mehr übersichtlichen Werk Cirio H. Santiagos ein besonders herzhafter (und -licher) Beitrag; ein wiederholtes, spätes Blaxploitationbekenntnis, in dem allerdings weniger weibliche Anschaulichkeiten gepflegt werden (leider, muss man festhalten, denn Jayne Kennedy, damals Noch-Ehefrau von Leon Isaac Kennedy, war damals ein flottes Dämchen), sondern stattdessen einige possierliche Splatter-Maröttchen zum Einsatz kommen. James Igleharts flott geschwungenes Katana taugt nämlich hervorragend für Zwangsamputationen aller Art - am Ende rollen gar mehrfach die (Gips-)Köpfe. Dabei kommt gar ein subtiles, psyhologisches Momet zum Tragen: Kann ein Mann, den Vietnam und Verrat so dermaßen versaut haben, dass er die Häupter seiner Gegner nunmehr auf Spieße steckt und im Vorgarten drapiert, überhaupt noch einen funktionalen Familienvater abgeben? Kann ein Mann, der Rache, Sadismus, Perfidie und Blutwurst, äh, -durst noch leidenschaftlicher praktiziert als seine Feinde noch fähig sein zu Zärtlichkeit und Vaterliebe?? Der Film beantwortet diese existenzialistischen Fragen kurzerhand mit einem rotschildrigen "No!" und lässt Russell in der Schlusseinstellung unvermuteterweise von einem alliiert geglaubten Polizisten durchsieben. Vielleicht eine Art von Gnadenschuss oder Notschlachtung infolge gesteigerten Samurai-Wahnsinns - man weiß es nicht.
In jedem Falle aber kann sich "Death Force" trotz exorbitanter Länge noch gut vorzeigen, verfügt über eine vorzügliche Münchener Synchro mit Norbert Gastell, Tommi Piper und Fred Maire und hat somit alles, was es nimmt. Äh, braucht.

6/10

Cirio H. Santiago Exploitation Martial Arts Blaxploitation Los Angeles Vietnamkrieg Sleaze Mexiko Rache





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