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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE GREAT PRETENDER (Rhys Thomas/UK 2012)


“I'm just a musical prostitute, my dear.”

The Great Pretender ~ UK 2012
Directed By: Rhys Thomas

"Mein" erster wirklich angehimmelter Star, der das Zeitliche zu segnen hatte und dessen Tod ich rundum bewusst und voller Trauer wahrnahm, war Freddie Mercury. Mit der Musik von Queen war ich seit den frühen Achtzigern aufgewachsen, über ihren Soundtrack zu "Flash Gordon", ihr 84er-Album "The Works", das ich noch als musikalische Begleitung zu einem damaligen Dänemark-Urlaub im Ohr habe, über die Songs in "Highlander", dann die rauf und runter genudelte "The Miracle" (vielleicht die meistgehörte Platte meines Lebens) und dann, zum Abschluss, "Innuendo", dessen Schwanengesangs-Beiklang durch Songs wie "These Are The Days Of Our Lives" und vor allem den Abschlusstitel "The Show Must Go On" unüberhörbar wurde. Nach "Innuendo" ging alles recht flott; Freddie machte, nach jahrelangem Hin und Her nicht nur über seine sexuelle Ausrichtung, sondern eben auch über seinen Gesundheitszustand, im November 91 seine AIDS-Erkrankung öffentlich und starb nur 2 Tage darauf im Alter von 45 Jahren an einer Lungeninfektion. Die Welt hatte keine Zeit mehr, sich über das, was Freddie Mercury war oder hatte, zu ereifern, sie war damit beschäftigt, um Fassung zu ringen.
Nachdem ich an jenem graunassen Herbstmorgen von Freddies Tod in den Nachrichten hörte, musste ich noch mehrfach an diesem Tag weinen. Einer meiner musikalischen "Erzieher" war plötzlich weg, einer, der mit seiner ansteckenden Exaltiertheit und seiner unvergleichlichen Präsenz der Rockmusik Einzigartiges geschenkt hatte.
"The Great Pretender" befasst sich in der Hauptsache mit den letzten sieben Lebensjahren Freddie Mercurys und beginnt mit dem Punkt in seiner Karriere, an dem er erste Solo-Ambitionen zeigte. 1984 war in Giorgio Moroders aufgepoppter "Metropolis"-Fassung sein Stück "Love Kills" zu hören, etwa ein Jahr später folgte das erste von zwei Solo-Alben, das poppiger als die meisten Queen-Sachen ausfiel, aber immer noch eine Menge Verwandtschaft zu deren Sound aufwies. Spektakulärer fiel da schon seine 88er-Kollaboration mit der Opern-Sopranistin Montserrat Caballé, "Barcelona" aus. Neben der Caballé finden sich noch einige andere Weggefährten und Zeitzeugen Freddies interviewt, darunter sein Lebensgefährte Jim Hutton (Queen-Bassist Roger Deacon zeigt sich seltsamerweise nicht vor der Kamera), wobei die eindrucksvollsten Beiträge immer noch die dokumentierten Statements von "Mr. Bad Guy" himself sind.
Aus dem Gros guter Musiker-Dokus sticht Thomas' "The Great Pretender" weder strukturell noch formal hervor; er taugt jedoch fürstlich dazu, sich an diesen wunderbaren Menschen zu erinnern und sich vielleicht mal wieder durch die alten Platten zu hören.

8/10

Rhys Thomas Musik Rock


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THE STORY OF RUTH (Henry Koster/USA 1960)


"Where are His blessings?" - "You are one of them."

The Story Of Ruth (Das Buch Ruth) ~ USA 1960
Directed By: Henry Koster

Um 1000 v. Chr.: Die moabitische Priesterin Ruth (Elana Eden) ist im strengen Glauben an den Gott Kemosch erzogen worden, dem regelmäßig kleine Mädchen geopfert werden und der den reichen Führungsriege im Lande als Götzenbild dient. Als Ruth den Judäer Mahlon (Tom Tryon) kennenlernt, der ihr von seinem christlichen Gott berichtet, beginnt sie an Kemosch zu zweifeln und stört schließlich die Opferung der von ihr schwesterlich geliebten Tebah (Daphne Einhorn). Daraufhin wird Mahlon zur Arbeit im Steinbruch verdonnert und Ruth zur Besinnung ihrer selbst ins Gefängnis gesteckt. Nach ihrer Entlassung sorgt sie für Mahlons Flucht, doch der Unglückliche wird tödlich verwundet. Zusammen mit Mahlons Mutter Naomi (Peggy Wood) erreicht Ruth schließlich Judäa, wo sie den Grundbesitzer Boaz (Stuart Whitman) kennenlernt, der die Moabiter hasst. Nun ist es an Ruth, einen anderen Menschen zur Besinnung zu bringen und zur Toleranz zu erziehen, über viele Hindernisse hinweg.

Sieben Jahre nach "The Robe" noch ein koster'scher Bibelschinken für die diesbezüglich spezialisierte Fox, diesmal alttestamentarisch gewichtet, jedoch nicht weniger bunt, breit und pathetisch als das Vorbild. Populärere Stars bleiben in "The Story Of Ruth" Mangelware; den bekanntesten Namen stellt bezeichnenderweise Stuart Whitman und die Titelrolle spielt die zuvor gänzlich uneschriebene, israelische Bühnenaktrice Elana Eden, die dem Filmgeschäft danach ganz schnell wieder den Rücken kehrte.
Wie die meisten hollywood'schen Bibel-Adaptionen ist auch "The Story Of Ruth" unglaublich campy und geradezu perfid in seiner vordergründigen Anpreisung des Christentums: Die wesentlich buntere, interessantere weil verruchtere Gottheit wohnt nämlich jenseits des Jordan, in Moab, wo das Gold glänzt, der Prunk prunkt und alte, glatzköpfige Männer junge Mädchen für ihr Vergnügen züchten. Wie langweilig und spießig muten dagegen die Judäaer an, die sich mit kargen, staubigen Ähren begnügen müssen, ihre Nachbarn in Verruf bringen und im Grunde doch kaum minder abergläubisch und blutrünstig sind als ihr Nachbarvolk, nur, dass hier alles unter dem Deckmäntelchen bescheidener Sittsamkeit gärt.
Dabei sind auch die Judäer am Glücklichsten, wenn sie einen Sündenbock steinigen können oder Feste mit Wein, folkloristischem Tanz und willigen Mädchen feiern können. Ob Koster sich jener ambivalenten Dimension seines Films bewusst war, weiß ich nicht. Falls ja, gebührt ihm allerhöchstes Lob. falls nicht, bewies er zumindest unterschwellig ein bravouröses Gespür für die Ausstellung krankhafter Bigotterie.

7/10

Henry Koster Bibel Israel Camp period piece


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AUX YEUX DES VIVANTS (Alexandre Bustillo, Julien Maury/F 2014)


Zitat entfällt.

Aux Yeux Des Vivants (Among The Living) ~ F 2014
Directed By: Alexandre Bustillo/Julien Maury

Drei jugendliche Freunde inmitten ihrer Pubertät, Victor (Théo Fernandez), Tom (Zacharie Chasseriaud) und Dan (Damien Ferdel), die unter höchst unterschiedlichen familiären Problemen zu leiden haben und gern Streiche aller Art spielen, machen eines Tages eine grauenvolle Entdeckung: Auf einem verlassen Filmstudio-Gelände inmitten der Felder treiben ein geisteskranker Mann (Francis Renaud) und sein mutierter, noch verrückterer Sohn (Fabien Jegoudez) ihr Unwesen und verrichten dort offenbar allenthalben blutigen Irrsinn.
Die Jungen können zunächst nach Hause fliehen, zwei unterwegs angetroffene Polizisten glauben ihnen nicht. Doch das mit einer Clownsmaske bewährte Monster verfolgt sie und macht sie mitsamt ihren Begleitern gnadenlos nieder - bis auf Victor, der seine Mutter (Anne Marivin) und seine beiden kleinen Schwestern gegen den Unhold verteidigt.

Children in heat: Bustillo und Maury haben wieder zugeschlagen. Ihr jüngstes Werk hat mir wieder um Einiges mehr zugesagt als der mit mystischem Geisterspuk hantierende "Livide". Ähnlich wie im Falle von J.J. Abrams' "Super 8" haben wir hier eine Hommage an das amerikanische Jungs-Abenteuer- und Coming-Of-Age-Kino der Achtziger, in denen eine Gruppe Kids sich mit unvorhergesehenen, spektakulären Abenteuern und/oder Schrecken zu arrangieren hat. Freilich sind wir hier nicht bei Rob Reiner oder Steven Spielberg, sondern im Film zweier französischer Harcore-Horreuristen und daher darf man mit Gnade gar nicht erst rechnen. Nach einem bereits heftigen Prolog, der den Grundstein für die kommenden Ereignisse vorgibt, folgen vergleichsweise gemächliche Minuten, die zwar bereits aufzeigen, dass die drei Protagonistenfreunde jeweils kein leichtes Leben führen, ihr festes Freundschaftsband dann aber doch noch hinreichend zelebrieren können. Einzig Tom, der von seinem asozialen Vater (Emmanuel Lanzi) schwer misshandelt wird, wirkt wie eine erste Vorwegnahme des sich noch auftürmenden Grauens.
Man veranschauliche sich folgende Prämisse: Die Goonies treffen im tiefen Keller auf Sloth, bloß dass der jetzt mitnichten noch jener süße Mutant von anno 85 ist, sondern ein verrücktes Monster, das ihnen justament die Köpfe ab- und die Herzen herausreißt. Dann hat man in etwa eine Ahnung von dem, was "Aux Yeux Des Vivants" aufbietet; eine überaus geglückte Melange nämlich aus den zuvor unvereinbar scheinenden Strängen Kinderabenteuer und hartem Slasher. Gut gefallen hat mir zudem die eingangs gelieferte Erläuterung um die Derangiertheiten von Vater und Sohn: Sowohl die psychische Veränderung des Patriarchen als auch die furchtbare Mutation seines Erbguts werden zurückgeführt auf den Einsatz biologischer Kampfstoffe im Kriegseinsatz. Butillo und Maury haben also auch "Apocalisse Domani" und "Combat Shock" gesehen. Sympathisch, die Jungs. Und haben mit Fabien Jegoudez gleich noch einen zweiten Michael Berryman aufgetan.

8/10

Alexandre Bustillo Julien Maury Splatter Slasher Monster Mutant Vater & Sohn Hommage


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SLEEPERS (Barry Levinson/USA 1996)


"Hell's Kitchen. It is the lost and found of shit."

Sleepers ~ USA 1996
Directed By: Barry Levinson

Im Sommer 1967 verursachen vier jugendliche Freunde aus Hell's Kitchen, Lorenzo (Joe Perrino), Michael (Brad Renfro), John (Geoffrey Wigdor) und Tommy (Jonathan Tucker) aus kriminellem Leichtsinn heraus einen schweren Unfall: Ein von ihnen gestohlener Hot-Dog-Wagen zerquetscht beinahe einen unbeteiligten Passanten. Es folgt ein rund anderthalbjähriger Jugendarrest im Wilkinson-Gefängnis, der das Leben der Jungen nachhaltig verändert: Die Wächter um den sadistischen Nokes (Kevin Bacon) prügeln, foltern, missbrauchen, vergewaltigen die Freunde, die aus Scham über das Erlebte nie zu sprechen wagen. Rund 15 Jahre später begegnen John (Ron Eldard) und Tommy (Billy Crudup) Nokes zufällig in einer Kneipe und erschießen ihn. Michael (Brad Pitt), nunmehr Staatsanwalt, sieht in dem Mord die Möglichkeit, seine lange schwelende Rache an der Wachmannschaft von Wilkinson in die Wege zu leiten. Zusammen mit Lorenzo (Jason Patric) fasst er einen komplexen Plan, wie John und Tommy freikommen und die alte Rechnung beglichen werden kann.

Nach dem doch sehr sleaze-affinen "Disclosure" machte sich Levinson an ein wesentlich ernsteres und brisanteres Thema: Den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlen im Staatsgewahrsam. Basierend auf einem Buch von Lorenzo Carcaterra, der ebenjene im Film wiedergegebene Ereignisse, oder zumindest Teile davon, höchstselbst erlebt haben will.
Als ich "Sleepers" damals erstmalig im Kino sah, fand ich ihn ärgerlich bis mäßig, weil hier offensichtlich einer probierte, Scorsese seine Dömäne streitig zu machen, und das auch noch mit Unterstützung seines (damaligen) Hausstars Robert De Niro. Besonders das erste Viertel des Films, dass mit teils humorig-liebevoll-nostalgischem, teils sozialkritischem Blick die typische Jugend jener vier New Yorker Jungs in den Spätsechzigern abbildet, wirkt mit seiner weichen Unterlage zeitgenössischer Songs wie der zigste Abzug einer x-mal betrachteten Fotografie. Doch auch was dem folgt, kann nicht eben als innovativ bezeichnet werden: Psychische Sollbruchstellen, die nie aufgearbeitet wurden, ein komplexer Racheplan, ein Priester, der mit seinem Glauben und Gewissen hadert, weil er einen - moralisch gerechtfertigten - Meineid leisten soll. Die Figuren stammen durchweg aus der Kiste der Kintopp-Stereotypen, vom alternden Revier-Paten (Vittorio Gassman) über den prügelnden Familienvater (Bruno Kirby) und den fetten Kioskbetreiber (Frank Medrano), bis hin zum versoffenen Anwalt (Dustin Hoffman) und besagtem, väterlichen Pfarrer (De Niro). Und natürlich darf und muss einer der vier miesen Knastwärter (Terry Kinney) auch echte Reue zeigen. Vielfache Gelegenheit für eine mehr als beachtliche Starbesetzung, ihr gewohnt patentes Können zu demonstrieren, was auch für die tadellose Formseite von "Sleepers" gilt, die unter anderem einen tränentreibenden John-Williams-Score vorschützt.
Heuer gefällt mir "Sleepers" etwas besser, weil ich mich mittlerweile im Stande sehe, sein doch sehr kalkülbedachtes Wesen zugunsten seiner fraglos vorhandenen Qualitäten weitgehend abstrahieren zu können. Das macht sein allzu emsiges Bestreben, vor allem feuilleton- und zuschauergerechtes Kino herzustellen, jedoch nicht unbelassen. Dass damit sein tatsächlich schlimmes, ja, furchtbares Sujet zu einem schicken Hochglanzfilm "umgearbeitet" wird, hinterlässt bei mir nach wie vor einen schalen Beigeschmack.

6/10

Barry Levinson New York Freundschaft Sexueller Missbrauch Rache Courtroom Jugendarrest Gefängnis


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THE GREAT OUTDOORS (Howard Deutch/USA 1988)


"You wouldn't know a good time if it fell out of the sky and landed on your face and started to wiggle."

The Great Outdoors (Ferien zu Dritt) ~ USA 1988
Directed By: Howard Deutch

Der Chicagoer Familienvater Chet Ripley (John Candy) will mit seiner Frau (Stephanie Faracy) und seinen zwei Jungs (Chris Young, Ian Giatti) einen geruhsamen Urlaub in einem Cottage-Park jenseits der kanadischen Grenze verleben. Das idyllische Glück wird je gestört, als Chets großkotziger Schwager Roman Craig (Dan Aykroyd) nebst Gattin (Anette Benning) und Zwillingstöchtern (Hilary Gordon, Rebecca Gordon) seine "Überraschungsaufwartung" macht. Roman macht nur allzu gern auf dicke Hose und reißt alsbald das Gros der Urlaubsplanung an sich. Dabei muss er in Wahrheit ganz kleine Brötchen backen und plant zwecks finanzieller Sanierung sogar, Chet übers Ohr zu hauen...

Im Herzen grundgute Komödie, die fast schon als Geschenk an zwei große SNL-Komiker verstanden werden darf: Aykroyd und Candy können hier ganz gepflegte Routinearbeit verrichten und lassen sich dabei jeweils nicht die Butter vom Brot nehmen. Die Gags sind bieder (Chets unfreiwillige Wasserskifahrt, die Fledermausjagd) bis gut [der 109-jährige tote Opa (Raleigh Bond), der vom Blitz getroffene Reg (Britt Leach)], verpassen jedoch nur allzu häufig die doch eigentlich so herrlich offen dargebotene Chance veritabler Satire. Mich persönlich freut natürlich jede Wiederbegegnung mit Bart, dem Bären (Senior), mein liebstes Darstellertier überhaupt. Der Kerl war einfach immer super, und wenn er am Ende seinen Großauftritt erhält, mitsamt Stirn- und Arschglatze, dann erreicht "The Great Outdoors" erst sein wahres komödiantisches Elysium. Insgesamt verbreitet er sauberes, braves, aber auch sehr entspanntes Familien-Film-Feeling.
Fürderhin darf man "Ferien zu Dritt" hierzulande eigentlich kein Augenmerk widmen, ohne auf die katastrophale tonale Behandlung einzugehen, die einen bleibenden Repräsentanten für Synchron-Unfälle in den Achtzigern markiert. Sicherlich war diese zurückzuführen auf den hiesigen Zweite-Hand-Status des Films als Videopremiere. Es beginnt bereits mit der hilflosen Titel-"Übersetzung", die gemäß des Filmplakats wohl suggerieren soll, dass Bart mit zur Familie gehört. Völliger Quatsch selbstredend. Den Gipfel markiert jedoch die Synchroisation, die die CIC wie so häufig in den vergleichsweise kostengünstigen Hambuerger Alster-Studios statt in Berlin anfertigen ließ, was dazu führt, dass John Candy anstelle von Andreas Mannkopffs mit Holger Mahlichs Stimme spricht und Dan Aykroyd nicht von Thomas Danneberg, sondern von Henry König gesprochen wird. Ein völlige No-Go, für dass freilich Mahlich und König nichts können, die an sich gute Jobs machen, sondern der erklärte Verzicht der Auftraggeber, Wiedererkennungswerten die verdiente Bedeutung beizumessen, sowie das verbaselte Synchron-Script. Insofern darf man "The Great Outdoors" eigentlich zwangsweise nur im Original genießen.

7/10

Howard Deutch John Hughes Familie Ferien Kanada


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DISCLOSURE (Barry Levinson/USA 1994)


"Back then, they were keen on you - now they're keen on your job."

Disclosure (Enthüllung) ~ USA 1994
Directed By: Barry Levinson

Der bei einem Computerkonzern beschäftigte Familienvater Tom Sanders (Michael Douglas) wird zum Opfer einer firmeninternen Intrige, deren Ziel es ist, ihn wegen Inkompetenz vor die Tür setzen zu können. Der umständlich inszenierte Plan beginnt mit dem Versuch, Tom durch die neue Führungskraft Meredith Johnson (Demi Moore), zugleich eine frühere Geliebte Toms, diffamiere zu lassen. Die spitze Lady versucht Tom zu verführen, was dieser jedoch noch gerade abbremsen kann, bevor es zum Koitus kommt. Am nächsten Morgen hat er eine Beschwerde wegen sexueller Nötigung am Arbeitsplatz auf dem Tisch, kann sich jedoch mithilfe der Anwältin Catherine Alvarez (Roma Maffia) erfolgreich aus der Sache herauswinden. Doch der Tom daraufhin neu offerierte Arbeitsvertrag hat einen bösen Widerhaken...

Edeltrash, der nach zwanzig Jahren ein ebenso unterhaltsames wie belustigendes Zeitdokument abgibt. Weniger der große Aufhänger und -reger von Roman und Film, die Gender-Problematik um sexuelle Unflätigkeiten am Arbeitsplatz, welche ja stets ein Symbol des Machtgefälles darstellt und in der Regel von Mann an Frau verübt wird, zu diametralisieren, macht "Disclosure" retrospektiv bezeichnend, sondern seine höchst reaktionäre Angst vor einer omnipräsenten Technokratisierung. Damals noch neue, hippe Begriffe wie 'Cyberspace', 'Virtual Reality', 'Internet', 'E-Mail' und 'Mobiltelefon' spielen enorme Rollen bei der wechselseitigen Ausspionierung und bezogen auf anonyme Stichwortlieferanten. Die Welt von "Disclosure" ist an Konservativismus kaum mehr zu überbieten: Das wohlsituierte, obermittelständische Familienbild erweist sich als ebenso etabliert wie die klar definierten Rollenbilder von Mann und Frau im sozialen Gefüge und am Arbeitsplatz. Das häusliche Frauchen Mrs. Tom Sanders (Caroline Goodall, offenbar bewusst entfärbt) etwa ist zwar juristisch gebildete Akademikerin, aber brav und treu und selbst in schärfsten Krisensituationen tapfere Flankiererin ihres schlingernden Gatten; selbstbestimmte Frauen wie Meredith Johnson derweil sind neurotische, erfolgsgeile Schlampen, die es angesichts ihres halbseidenen Aufstigsgebahrens an ihren Platz zu verweisen gilt. Das eigentliche Spiel spielen sowieso weißhaarige Managertypen wie der von Donald Sutherland lustvoll karikierte Bob Garvin, der trotz aller Übervorteilungsspielchen am Ende dort bleibt, wo er ist: an der Spitze.
Dass "Disclosure" vor losen Enden und Logiklöchern nur so strotzt, verzeiht man ihm angesichts seiner naiven, beim besten Willen nicht ernstzunehmenden Establishment-Hofierung fast blind. Außerdem gibt es zwei wunderbar komische Szenen, die mit zum Witzigsten des Dekadenkinos zählen (Sanders' Albtraum von Bob Garvin und ihm im Fahrstuhl und wie er später im Zuge seiner Privatspionage im "Four Seasons" vor einer Putzfrau erschrickt. Super!)
Ein Film, ebenso doof wie amüsant.

5/10

Barry Levinson Cyberspace Mobbing Verschwörung femme fatale Seattle Michael Crichton


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FANG SHIH YU YU HU HUI CHIEN (Chang Cheh/HK 1976)


Zitat entfällt.

Fang Shih Yu Yu Hu Hui Chien (Shaolin - Die Rache mit der Todeshand) ~ HK 1976
Directed By: Chang Cheh

Die von Norden her eindringenden Mandschuren, unter ihnen der berüchtige Wu-Tang Clan, machen zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine ganze Provinz unsicher. Die beiden in Shaolin-Kung-Fu-Techniken bewanderten Brüder Shi Yu (Alexander Fu Sheng) und Xia Yu (Tang Yen Tsan) sowie der von Shi Yu ausgebildete Kämpfer Hui Quan Hu (Chi Kuan Chun) haben allesamt private Rechnungen mit den Wu-Tangs offen. Jeder aus dem Trio hat durch die Rücksichtslosigkeiten der Bösewichte mindestens einen Elternteil verloren. Nachdem die ersten Schergen, wie der böse Lao Lu Hei (Lung Fei), bereits in Einzelduellen abserviert werden konnten, kommt es zu einer gewaltigen Schlacht, im Zuge derer die drei Freunde gegen eine riesige Übermacht anzutreten haben.

Shaw Bros. go queer: Um die Entstehungszeit von "Fang Shih Yu Yu Hu Hui Chien" waren die Erzählmuster der Shaw-Eastern längst etabliert, dutzendfach erprobt und perfektioniert worden. Für Chang Cheh eine Gelegenheit, seine Rachegeschichte um wüste Unholde und gestählte Nachwuchskämpfer ein wenig zu variieren: Der Film setzt mit dem Showdown ein und zeigt die origins und Motivlagen der drei Helden in episodischer Rückblendenform nebst einiger schicker Rotblenden, die man aber bereits von Cheh kennt. Besonders die matriarchalische (!) Schmiedekunst um den bereits ins Mystische abgleitenden, superheldenartigen Shi Yu, dessen späteres Markenzeichen ein stets eilig wedelnder Fächer ist (wie Alexander Fu Sheng überhaupt ein recht offensives Spiel um die offen homoerotischen Tendenzen seiner Figur zum Besten gibt), präsentiert sich spektakulär - er muss sich von seinem Bruder über Wochen blutig peitschen lassen und danach in einem Fass mit sengender Brühe niederlassen, um schließlich unverwundbar zu werden wie weiland der in Drachenblut gebadete Siegfried. Freilich hat auch Shi Yu eine letzte verwundbare Stelle: den After. Als der abtrünnige Mönch Pai Mei (Lou Chen Hui) davon Wind bekommt, setzt er seine Lanze zum tödlichen Stoß an. Die blutige anale Entjungferung ist zugleich Shi Yus Ende, wie auch die beiden anderen Helden im Angesicht der einfach zu großen Übermacht fallen müssen.

8/10

Chang Cheh Shaw Bros. China Shaolin Martial Arts Brüder Rache


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DÉSIRÉE (Henry Koster/USA 1954)


"Don't worry, no one's going to pull up my skirts and look!"

Désirée ~ USA 1954
Directed By: Henry Koster

1794 erscheinen der junge Korse Napoleon Bonaparte (Marlon Brando) und sein Bruder Joseph (Cameron Mitchell), wo sie die Schneiderfamilie Clary kennenlernen. Deren jüngste Tochter Désirée (Jean Simmons) verliebt sich heftig in den ebenso exzentrischen wie zielstrebigen Napoleon, der sich anschikt, die Ideale der Revolution in ganz Europa zu verbreiten. Nachdem Napoleon nach Paris abgereist ist und lange nichts von sich hören lässt, reist Désirée im besorgt nach. Zu ihrem Entsetzen muss sie vor Ort feststellen, dass Napoleon mittlerweile seine Hand bereits der gesellschaftlich etablierten Josephine de Beauharnais (Merle Oberon) angetragen hat. Während Napoleons Aufstieg unaufhaltsam voranschreitet, finde Désirée Trost in den Armen des Hofmarschalls Bernadotte (Michael Rennie). Doch Napoleons Liebe zu der einst aus strategischen Gründen Verschmähten versiegt nie ganz. Désirée findet jedoch ihr Glück an der Seite ihres Mannes, der als gewählter König von Schweden schließlich zu einem der Todfeinde und Besieger Napoleons avanciert. Sein endgültiges Exil auf St. Helena tritt Napoleon erst an, nachdem Désirée ein letztes Mal mit ihm zusammentrifft.

Ein edler Schmachtfetzen, der nach "The Robe" neuerlich Henry Kosters Kunst im Umgang mit dem noch jungen CinemaScope-Format demonstriert. Neben den exquisiten Kostümen und Interieurs gestalten sich somit vor allem Bildgestaltung und Kadrage als veritabler Augenschmaus. Im betonten Verzicht darauf, eine Napoleon-Biographie oder gar ein Schlachtengemälde zu präsentieren, weichen sowohl der stets aus verdunkelten Augen linsende Brando als auch jedwede eventuelle Form gewaltigen Aktionismus' aus der Dramaturgie des Films, der seinem Titel gemäß tatsächlich um eine Charakterstudie seiner liebenswerten Titelfigur bemüht bleibt. Wenngleich die rund 21 erzählte Jahre umfassende Geschichte um Désirée Clary eng mit Aufstieg und Fall des sich selbst krönenden Imperators verwoben ist, tritt dieser trotz unentwegter Omnipräsenz ("Désirée" lässt keinen Zweifel daran, dass dieser kleine Mann und sein gigantisches Ego die gesamte Ära in außerodentlichem Maße prägen) gewissermaßen in den personellen Hintergrund. Gerade dieser bewusste Verzicht auf eine Exponierung seiner Person verleihen "Désirée" eine für den hollywoodschen Kostümfilm jener Jahre ungewohnte Zurückhaltung und Intimität. Umso höher ist er, mancher Klischeefalle zum Trotz, als eigenständiges Stück Kino ein- und wertzuschätzen.

8/10

Henry Koster period piece Historie Napoleon amour fou Ehe Frankreich Paris Schweden Stockholm Familie Adel Marseille Biopic


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BIRDMAN OR: (THE UNEXPECTED VIRTUE OF IGNORANCE) (Alejandro González Iñárritu/USA 2014)


"Popularity is the slutty little cousin of prestige."

Birdman: Or (The Unexpected Virtue Of Ignorance) [Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)]~ USA 2014
Directed By: Alejandro González Iñárritu

Während er in den Neunzigern mit der Rolle des Superhelden "Birdman" noch als einer der größten Hollywoodstars seiner Zeit reüssieren konnte, ist von Riggan Thomsons (Michael Keaton) damaligem Ruhm heuer nicht mehr allzu viel übrig. Eine zerbrochene Ehe liegt hinter ihm und eine verlotterte Tochter (Emma Stone), die bereits Fachfrau in Sachen Drogenmissbrauch ist. Um sich im Alter kreativ zu verwirklichen, inszeniert Thomson am Broadway das Carver-Stück "What We Talk About When We Talk About Love" mit sich selbst in einer der Hauptrollen. Sein früheres, fiktives alter ego des Birdman sitzt ihm jedoch permanent im Nacken und versucht unter dessen vehementem Widerstand, Thomson zu einem neuerlichen Film-Frühling anzustiften. Nachdem dieser den anderen Hauptdarsteller (Jeremy Shamos) wegen seines offenkundigen Unvermögen geschickt aus dessen Engagement gekickt hat, engagiert Thomson in letzter Sekunde den exzentrischen Mike Shiner (Edward Norton) für den Part. Bereits die ersten Vorpremieren geraten wegen der Unvereinbarkeiten zwischen Thomson und Shiner zu einem mittelmäßigen Disaster; die letzte wird ein triumphaler Erfolg - doch um einen hohen Preis.

Iñárritus vorletzten Film "Biutiful" habe ich mir bis dato verkniffen, seine "Todestrilogie" hat mir indes sehr bis recht gut gefallen, wenngleich die allermeisten der mir bedeutsamen Zeitgenossen sie als fürchterlich dröge und pathetisch aburteilen. Manchmal muss man auch seinen eigenen Kopf behalten dürfen.
"Birdman" (ich erlaube mir, die Kurzform zu benutzen), steht diesen quergeschriebenen Filmen nun teilweise entgegen. Es scheint mir, als haben Iñárritu und seine Autoren instensivst Bob Fosses "All That Jazz" studiert. Auch hierin geht es um einen alternden Broadway-Aktiven am Scheideweg, dessen seelischer Spannungszustand angesichts von Übernächtigung, Überarbeitung und ungesundem Lebenswandel Purzelbäume schlägt, bis realis und irrealis sich für ihn untrennbar vermengen. Zugleich sind die Einflüsse Fosses gerade die Stärkungsmittel des Films: Keaton müht sich erfolgreich, eine Roy Scheiders damaliger Darbietung zumindest annähernd ebenbürtige Show zu liefern; Iñárritus Inszenierung kann man nur als waghalsig bezeichnen. Es gibt bekanntermaßen keinen sichtbaren Schnitt und trotz der zeitlichen Ausdehnung der Geschichte auf mehrere Tage ausschließlich den Gebrauch von Kniffen wie dem Zeitraffer, die kurze Atempausen ermöglichen. Die Wahl dieser formalen Extravaganz erlebt man im Angesicht der zerfasernden Persönlichkeit Riggan Thomsons zumindest als nicht durchweg willkürlich; um die innere Spannung dieses Mannes nachzuvollziehen, ist jene szenische Verdichtung ein probates Mittel der Veranschaulichung.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass man "Birdman" mit einer solitären Betrachtung nicht Herr werden bzw. keine endgültige qualitative Kategorisierung gewährleisten kann. Zum jetzigen Zeitpunkt vermag ich lediglich zu konstatieren, dass Iñárritu einen interessanten, komplexen Film geschaffen hat. Ob ich ihn allerdings wirklich mag, wird mir erst die Zukunft weisen.

8/10

Alejandro González Iñárritu Best Picture Broadway New York Persönlichkeitsstörung Theater Hollywood Vater & Tochter Ensemblefim Raymond Carver Satire


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INTO THE BADLANDS (Sam Pillsbury/USA 1991)


"I smell the aroma of cash."

Into The Badlands (Land der Vergessenen) ~ USA 1991
Directed By: Sam Pillsbury

Drei düstere Wildwest-Geschichten verzahnen sich lose durch den jeweils involvierten Kopfgeldjäger T.L. Barston (Bruce Dern): Der gesuchte Outlaw McComas (Dylan McDermott) findet kurz vor der fluchtbedingten Überquerung des Rio Grande in der Hure Blossom (Helen Hunt) seine große Liebe, muss sich jedoch noch seinem Jäger Sheriff Starett (Andrew Robinson) stellen. // Die Farmersfrau Alma Heusser (Mariel Hemingway) will sich um ihre von ihrem Ehemann (Loren Haynes) zurückgelassene Nachbarin Sarah (Lisa Pelikan) kümmern, findet in dieser jedoch nurmehr ein fieberndes, psychisches Wrack vor. Derweil tobt draußen ein Schneesturm und ein aggressives Wolfsrudel sucht nach Beute. // Barston fängt und erschießt den gesuchten Schwerverbrecher Red Roundtree (Michael J. Metzger). Als er dessen Leiche in sein Heimatstädtchen zurückkarrt, muss er feststellen, dass dort nurmehr ein paar verwitterte Männer leben, die ihren alten Kumpel Red ordnungsgemäß beerdigen wollen. Barston will die "wervolle" Leiche jedoch nicht herausrücken. Dass er sich im Folgenden in der Wüste verirrt, erleichtert ihm seinen Beutefang nicht...

Ein durchaus beachtlicher TV-Western, der aus der kurzen Renaissance heraus entstand, die das Genre in den Frühneunzigern im Gefolge von "Dances With Wolves" erlebte. In "Into The Badlands" werden drei Kurzgeschichten unterschiedlicher AutorInnen zu einem mitunter bewusst sperrigen Mystery-Stück voll von einiger allegorischer Undurchsichtigkeit verwoben. Schemen, Trugbilder und Übernatürliches gewinnen im Laufe des Films immer mehr an Bedeutsamkeit und kulminieren schließlich in der starken "Hauptstory" um den von Bruce Dern herrlich gespielten bounty hunter Barston. Der Kopfgeldjäger erlebt in diesem Zuge eine erneuerte Ikonographie als eine der unsterblichen Gestalten wildwestlicher Mythologie: Er ist als sicherlich makelbehaftete Figur aus dem Gefüge der Sagen von einst ebenswenig wegzudenken wie Sheriffs und Marshalls, Kavalleristen und Indianer, Desperados und Outlaws. Insofern ist es nur recht und billig, dass T.L. Barston sich mit seinem unglamourösen Ende als verirrter und ausgehungerter Verlierer nicht zufrieden geben mag und kurzerhand wieder aus seinem erdigen Grab aufersteht, um als ikonologische Entität auf der Suche nach Kriminellen und Belohnungen weiter durch den Staub zu pilgern.

7/10

Sam Pillsbury TV-Film Episodenfilm Kopfgeldjagd





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Funxton

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