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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CHEAPER BY THE DOZEN (Walter Lang/USA 1950)


"Believe me, it's no picnic!"

Cheaper By The Dozen (Im Dutzend billiger) ~ USA 1950
Directed By: Walter Lang

In den zwanziger Jahren zieht die Großfamilie Gilbreth nach New Jersey, weil Vater Frank (Clifton Webb) dort eine neue Stellung antritt. Ganze elf Sprösslinge haben er und seine Gattin Lillian (Myrna Loy) großzuziehen und Nummer 12 ist bereits unterwegs. Das Leben ist nicht immer einfach für die Gilbreths und es geht recht turbulent zu - die Spleenigkeit Franks und Lillians unbestechliche Ausgeglichenheit glätten jedoch sämtliche Alltagswogen.

Die zwei echten Gilbreth-Kinder Frank Jr. und Ernestine haben den autobiographischen Familienklassiker zu Wege gebracht, der Walter Langs Film zu Grunde liegt; einstmals ein Prestigewerk der Fox, das in wunderschön anzuschauenden Sepiafarben sehr viel Zeitkolorit transportiert. Weniger eine laute Lachnummer denn sich zusammensetzend aus kleinen Schmunzelanekdötchen präserviert "Cheaper By The Dozen" eine offen episodische Erzählstruktur, die mal mehr, mal weniger komische Geschichten darbringt. Erzählt wird das Ganze (im Film) rückblickend von der Ältesten, Ann (Jeanne Crain), die ihre Eltern und Geschwister mit warmherzigem Ton verklärt und jeden Zuschauer zumindest befristet dazu bringt, einmal selbst Teil einer Großfamilie sein zu wollen.
Das recht urplötzlich erfolgende, traurige Ende zieht dann einen ziemlich dicken Realitätsstrich durch die vormals idyllische Rechnung, aber auch so etwas gehört eben zum Leben.

7/10

Walter Lang Familie period piece New Jersey Ehe


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SLAP SHOT (George Roy Hill/USA 1977)


"I tried to capture the spirit of the thing."

Slap Shot (Schlappschuss) ~ USA 1977
Directed By: George Roy Hill

Die "Charlestown Chiefs", ein Eishockey-Team, repräsentieren wie kaum eine andere Mannschaft das zunehmende Schmuddel-Image ihrer Sportart. Auf dem Feld wird vornehmlich geprügelt und weniger gespielt - exakt das, was die Zuschauer sehen wollen. Als der alternde Trainer und Mitspieler Reggie Dunlop (Paul Newman), dem das Team alles ist, erfährt, dass sie am Saisonende aufgelöst werden soll, unternimmt er alles, um die Chiefs wieder ins Gespräch zu bringen und damit verkaufsattraktiv zu machen.

Der brillante "Slap Shot" gehört in jenes Pantheon großer, bärbeißiger US-Sportfilme der Siebziger, in dem sich auch "The Longest Yard", "Rocky", "The Bad News Bears", "North Dallas Forty" oder der dystopische "Rollerball" tummeln, allesamt ja lakonische Milieustudien, die, mal mehr, mal weniger ernst amerikanische Gewinnerträume wahr werden lassen oder wahlweise karikieren. Auch Hills Film gestattet sich bei aller bitteren Satire ein gutes Ende für die bekloppte Truppe um Reggie Dunlop, allesamt weichgeklopfte, misogyne Proleten, die so ziemlich alles repräsentieren, was dem Semi-Profisport seine schlechte Reputation einfährt: Zwar werden die Chiefs von der fürchterlich hochnäsigen Besitzerin (Kathryn Walker) doch noch verkauft; sämtliche Spieler erhalten jedoch hochdotierte Anschlussverträge. Somit findet auch dieses grandiose Underdog-Drama seinen verdienten Ausgang.

9/10

Kleinstadt George Roy Hill Eishockey Freundschaft Satire


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ALLIGATOR II: THE MUTATION (Jon Hess/USA 1991)


"Do it! I deserve it! We both do!"

Alligator II: The Mutation ~ USA 1991
Directed By: Jon Hess

In einem Kleinstädtchen verschwinden mehrere Menschen, die sich allesamt in der Nähe des zentral gelegenen Sees oder der benachbarten Kanalisation aufgehalten haben. Detective David Hodges (Joseph Bologna), von der Chicano-Bevölkerung liebevoll 'El Solo Lobo' genannt, kann der Sache bald auf den Grund gehen: Ein durch Giftmüll mutierter Alligator frisst sich durch den unvorsichtigen Teil der Einwohner. Gleichzeitig treibt noch ein viel schlimmeres Monster sein Unwesen: der für seine krummen Grundstücksgeschäfte über Leichen gehende Unternehmer Vincent Brown (Steve Railsback).

Eigentlich ein B-Movie nach Maß, angemessen stupid, schnippisch, billig, lustig. Dafür steht die erstklassige Besetzung um Bologna, Railsback, Richard Lynch (ausnahmsweise mal als Sympathieträger) Brock Peters und Dee Wallace Stone, die sich in Cameos durch einige liebe Bekannte ergänzt findet wie Kane Hodder, Professor Toru Tanaka und vor allem - superwitzig - Voyo Goric, der bereits mit uns Winnetou und Old Shatterhand (im Tal der Toten) über die Leinwand geritten war. Insofern alles golden.
Leider, leider gibt es jedoch auch zwei extreme Störfaktoren: Zum einen sind die Alligator-Tricks im Vergleich zu Lewis Teagues zehn Jahre älterem, viel ambitionierterem Original zum Heulen. Zumeist hat man einfach echte Exemplare abgefilmt und für einige wenige Szenen Animatronik benutzt, die sich jedoch in Kopf und Schwanz erschöpft. Dies hat zur Folge, dass die Größe des Untiers permanent variiert, wobei es nie wirklich riesig und somit für ein monster movie allzu unspektakulär ist. Zum anderen ist Hess' Film schlicht zu lang. Wenngleich der Showdown nochmal Manches gut macht, hätte ein geschickterer Regisseur gute zehn Minuten unterm Schneidetisch zurückgelassen. Besonders im letzten Drittel verliert "Alligator II" sukzessive an Fahrt, dass man nicht eben selten verschämt nach dem Zählwerk schielt.

4/10

Jon Hess Sequel Alligator Monster Trash Kleinstadt Tierhorror


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SUMMER SCHOOL (Carl Reiner/USA 1987)


"Reality is so unreal."

Summer School ~ USA 1987
Directed By: Carl Reiner

Seinen geplanten Hawaii-Urlaub kann Nachwuchslehrer und Surffan Freddy Shoop (Mark Harmon) gepflegt vergessen: Konrektor Gills (Robin Thomas Grossman) verdonnert den Verdutzten zum Unterrichten des Ferienförderkurses Englisch. Darin erwartet Freddy eine ganze Horde durchgeknallter Kids, die sich wahlweise die Zeit mit Blödsinn vertreiben oder mit wesentlich existenzielleren Problemen als mit der Bewältigung einer Englischprüfung fertig werden müssen. Mit der Zeit wächst man sich jedoch gegenseitig ans Herz und auch die nette Kollegin Bishop (Kirstie Alley) beginnt, den anfangs noch naserümpfend wahrgenommenen Freddy zu mögen...

Frische Komödie, die beweist, dass Carl Reiner in den Achtzigern nicht zwingend auf Steve Martin angewiesen war, um Erstklassiges in die Welt zu entlassen. Zuallererst ist "Summer School" einmal richtig schön slackend-bescheuert und lebt von seiner ungezwungen Lässigkeit. Dem Film liegt eine herrliche LMAA-Attitüde zugrunde, die er liebevoll pflegt und sich dementsprechend garantiert nie vom Brot nehmen lässt. Er spart sich grobe Klischees und Unwahrheiten und hinterlässt die wunderbar reelle Erkenntnis, dass Lebensbildung und Weltwissen dröge Lehrpläne am Ende oftmals in den Schatten stellen. Dazu gibt es aber vor allem massig zu lachen, was "Summer School" vor allem dem furztrockenen Humor des Dialogscripts und nicht zuletzt Dean Camerons genialisch augeführten Splatter-Exzessen (ja, solche gibt es hier - man sehe, staune und frohlocke) zu verdanken hat.
So rechtes Ferien-Abhängkino nach meinem Gusto.

8/10

Carl Reiner Lehrer Schule Ferien Freundschaft Kalifornien Sommer


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THE PAPER (Ron Howard/USA 1994)


"You do have a problem, Henry. But it's your problem."

The Paper (Schlagzeilen) ~ USA 1994
Directed By: Ron Howard

Ein halsbrecherischer Tag für Redakteur Henry Hackett (Michael Keaton) von der Postille "The New York Sun": Er hat ein Vorstellungsgespräch für eine deutlich besser bezahlte Stelle bei der Konkurrenz vom "Sentinel", seine hochschwangere Frau Martha (Marisa Tomei) bekommt eine pränatale Sinnkrise und zwei Kids (Vincent D'Arbouze, Michael Michael) aus der Bronx sollen als offizielle Sündenböcke für einen Mafiamord herhalten - eine Schweinerei, der Henry unbedingt auf den Grund gehen will. Parallel zu ihm muss Henrys Chef Bernie (Robert Duvall) akzeptieren, dass er Prostatakrebs hat und die emsige Alicia (Glenn Close) sich ihrer Berufsdepression stellen.

24 Stunden im Leben dreier New Yorker Zeitungsredakteure gaben Ron Howard den Basisstoff für einen seiner schönsten Filme. Mit "Parenthood" hatte der Regisseur bereits hinreichend Erfahrungen im Ensemblefach gesammelt und konnte diese neuerlich für den atmosphärisch sehr ähnlich gelagerten "The Paper" einsetzen: Eine wiederum exzellente Besetzung stand ihm zur Verfügung für seine achterbahnartige Melange aus komischen und dramatischen Wendungen, die jedoch garantiert nie zu trübselig wird, um das Publikum mit grauem Realismus zu konfrontieren.
Am Ende markiert einmal mehr ein neugeborenes Baby das ebenso simple wie umwälzende Sinnbild für den Wert des Weitermachens und jedes der drei vormaligen Krisenopfer hat einen gehörigen nach vorn Schritt getan. Howard inszeniert dies mit der ihm eigenen, gepflegten Hektik, einer nur höchst selten pausierenden Kamera und all seinen sonstigen, liebenswerten Spleens.

8/10

Ron Howard New York Zeitung Journalismus Ensemblefilm Ehe Freundschaft Krebs Sommer


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BORN AMERICAN (Renny Harlin/USA, FIN 1986)


"Sleep, my little friend. You deserve a better world."

Born American ~ USA/FIN 1986
Directed By: Renny Harlin

Die drei jungen amerikanischen Freunde Savoy (Mike Norris), Mitch (Steve Durham) und K.C. (David Coburn) bereisen Europa. In der finnischen Provinz, in die sie zum Jagen gekommen sind, sitzen sie aus einer bierseligen Laune heraus auf der verhängnisvolle Idee auf, aus reinem Jux die sowjetische Grenze zu überschreiten, hinter der sie sich dann prompt verirren. In einem nahe gelegenen Dorf hält man sie für die Mörder eines erst kurz zuvor getöteten Mädchens und es kommt zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei der sich das Trio gegen flugs anrückende Militärs zur Wehr setzen muss. Man wird gefasst und landet in einem desolaten Gefängnis. Mitch verfrachtet man in den Trakt mit den Verrückten, der schwer verletzte K.C. wird von einem Mitgefangenen "erlöst". Savoy trifft auf den geheimnisvollen 'Admiral' (Thalmus Rasulala), einen politischen US-Gefangenen im Besitz vieler brisanter Geheimnisse um CIA und KGB. Mit seiner Hilfe soll Savoy aus jenen gräulichen Mauern und zurück über die Grenze fliehen.

Sein Langfilmdebüt, ein wütendes, offen populistisches Pamphlet gegen das damalige "Reich des Bösen", brachte Renny Harlin erwartungsgemäß zunächst nur wenige Freunde auf liberaler Seite ein. In einer mehr oder weniger eindeutigen Replik auf und zu Alan Parkers "Midnight Express" ließ Harlin die Söhne von Chuck Norris und James Coburn in russische Gefangenschaft geraten, deren Methodik die Menschenrechte dem Vernehmen nach ebenso mit Füßen trat wie die türkische weiter südlich. Wer hier keine Beziehungen oder einen übermächtig starken Willen besitzt, der ist unausweichlich zum Tode verdammt; sei es durch Kälte, Hunger, äußere Gewalt oder, am Wahrscheinlichsten, das schiere Abdriften in den Wahn.
Mike Norris als Savoy Brown (toller Rollenname) wird gleich von Beginn an als besonnenster und stärkster des Freundetrios charakterisiert, der Grund, warum er auch als einziger am Leben bleibt. Die kick moves hat er sich beim berühmten Papi abgeschaut und auch der zielsichere Umgang mit der Uzi und anderem Feuerwerk deutet auf dessen stramme häusliche Erziehung hin.
Ansonsten scheinen mir die durchaus ambitionierte, zu einiger Dramatik neigende Inszenierung und das vergleichsweise tendenziöse Script nicht immer in homogener Weise zu arbeiten; man glaubt häufig zu spüren, dass Harlin doch mehr wollte, als er es letztlich zu formulieren im Stande war. Nichtsdestotrotz ein beachtliches Zeitporträt auf Augenhöhe mit Milius' gesinnungsgenössischem "Red Dawn".

5/10

Renny Harlin Finnland Helsinki Russland Kalter Krieg Gefängnis Flucht UDSSR


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MESSIAH OF EVIL (Willard Huyck/USA 1973)


"You're not supposed to eat that fuzz!"

Messiah Of Evil (Messias des Bösen) ~ USA 1973
Directed By: Williard Huyck

Die junge Arletty (Marianna Hill) kommt in das vornehmlich von Künstlern frequentierte Küstenstädtchen Point Dune, von wo aus ihr Vater, der Maler Joseph Long (Royal Dano), ihr zunehmend merkwürdige Briefe schickte, bis die Korrespondenz schließlich komplett abbrach. Bereits Arlettys Ankunft in Point Dune ist von merkwürdigen Zeichen geprägt. Bald lernt sie den Libertin Thom (Michael Greer) kennen, der ihr zur Seite steht und mit ihr das grauenhafte Geheimnis von Point Dune offenlegt: Ein hundert Jahre alter Fluch bewahrheitet sich nun; ausgesprochen damals von einem kannibalischen Priester, eines der Überlebenden der berüchtigten Donner Party. Auf dessen Rückkehr warten die Einwohner der Stadt, derweil sie sich in blutrünstige Berserker verwandeln.

Ein wunderbar entrückter, kleiner Film, von dem gemeinhin stets zusammenarbeitenden, mit George Lucas verbendelten Schreiberpärchen Huyck und Katz als deren Regiedebüt inszeniert. Bei der Schaffung des Werks waren mutmaßlich einige Rauschmittel im Spiel, denn der überaus ästhetische, trotz seines Sujets niemals ins Vulgäre abdriftende Film wirkt en gros selbst wie ein Hypnotikum. Die avantgardistischen Wandgemälde und die Architektur des Hauses von Arlettys Vater nehmen ebenso schöne wie beunruhigende heimliche Hauptrollen ein. Der Rollenname der Hauptfigur verweist auf die berühmte französische Darstellerin gleichen Namens; mit den Besetzungen von Elisha Cook Jr. und Royal Dano zollt man dem Silver Age Hollywoods pronociert Tribut. Und das erste Mordopfer, dessen Kehle blutig durchschnitten wird, ist der junge Walter Hill. New Hollywood pur, wenn auch garantiert in keinem entsprechenden Kanon erwähnt.
Bei diesen für sich sprechenden Attributen möchte ich es fürderhin belassen, denn ein analytisches Zerreden würde "Messiah Of Evil" doch bloß seines betörenden Zaubers und damit sein Hauptelixiers berauben.

9/10

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THE BROTHER FROM ANOTHER PLANET (John Sayles/USA 1984)


"White folks get stranger all the time..."

The Brother From Another Planet (Der Typ vom anderen Stern) ~ USA 1984
Directed By: John Sayles

Ein äußerlich wie ein Afroamerikaner aussehendes Alien (Joe Morton) crasht auf der Flucht vor zwei intergalaktischen Polizisten (David Strathairn, John Sayles) vor Ellis Island ins Wasser. Der stumme, mit Heilungs- und Reperaturkräften ausgestattete Außerirdische kann sich bis nach Harlem retten und findet dort unter anderem in der Kneipe von Odell (Steve James) sowie in Person des Sozialarbeiters Sam (Tom Wright) neue Freunde. Er lernt die New Yorker Polizeimethoden kennen, eine abblätternde Souldiva (Dee Dee Bridgewater), einen jamaikanischen Dope-Priester (Sidney Sheriff jr.), Obdachlosigkeit und den Fluch der Heroinsucht. Am Ende solidarisieren sich all seine Freunde und Bekannten gegen die Astrocops.

Mustergültiges Filmemachen aus der stets willkommenen Unangepasstheits-Schublade; von John Sayles autark sowie für ein Taschengeld inszeniert und doch einer der wichtigsten mir bekannten New-York-Filme. Mindestens so schwarz wie bei einem frühen Spike-Lee-Joint (auch wenn jener auf eine solche - weiße - Einschätzung vermutlich spucken würde) nutzt Sayles die Perspektive des Extraterrestriers, um den alltäglichen (und -nächtlichen) Irrsinn der Manhattaner Urbanität zu illustrieren. Berühmte New Yorker Akteure wie Giancarlo Esposito, Fisher Stevens oder Josh Mostel sind in Kleinstrollen als Verhaftungsopfer, Kartentrickser und Straßenverkäufer zu bewundern und runden Sayles' nahezu durchweg brillante, kaleidoskopartig gefasste Szenenanordnung ab. Einzig in den wenigen Aktionsszenen, deren Inszenierung ihm offenbar so fern liegt wie jede sonstige Form von Hektik auch, schwächelt der Meister. Hier wird's dann ungebührlich ungelenk bis albern. Aber: damit kann man, angesichts des formidablen Rests, überaus gut leben.

9/10

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THE KING AND I (Walter Lang/USA 1956)


"Death is not worse pain than an empty life."

The King And I (Der König und ich) ~ USA 1956
Directed By: Walter Lang

Im Jahre 1861 kommt die britische Lehrerin Anna Leonowens (Deborah Kerr) an den Hof des Königs von Siam (Yul Brynner), um dessen Kinderschar die abendländische Kultur näher zu bringen. Doch auch der König selbst benimmt sich in vielerlei Hinsicht wie ein unreifes Kind, lebt seine Egomanie und Mysoginie, obschon sich hinter seinem oberflächlichen Getue ein eigentlich liebenswerter Mensch verbirgt, den es Anna im Laufe der Zeit sogar herauszuschälen gelingt.

Diese Kino-Adaption von Walter Lang ist die berühmteste der Biographie Anna Leonowens durch Margaret Langdon und des sich später anhängenden Broadway-Musicals von Rodgers und Hammerstein. Bereits zehn Jahre zuvor hatte es eine (unmusikalische) Variation von John Cromwell gegeben, die bislang letzte kam 1999 von Andy Tennant - wiederum ohne Songs und Tanz. Die Rolle des Königs Mongkut bildete Yul Brynners Karrierestamm und verfolgte ihn von 1951, als er den Part erstmalig auf der Bühne gab, über die vorliegende Verfilmung, für die Brynner den Oscar erhielt, eine kurzlebige TV-Sitcom von 1972 bis hin zu zahlreichen weiteren Bühneninszenierungen, von der er die letzte 1985, vier Monate vor seinem Krebstod, durch seine unnachahmliche Performance bereicherte. Über 34 Jahre hinweg prägte Brynner somit jenen fiktionalisierten König Mongkut, doppelt so lang, wie der reale Monarch dereinst auf dem Thron saß.
Wie verwachsen Brynner mit seiner Leibrolle war, lässt sich an diesem bunten, sämtliche schönen und campigen Attribute von Hollywood-Musicals in sich vereinenden Leinwandstück ablesen. Der sonst häufig so ernste, mimisch wie gestisch eher karg auftretende Darsteller bringt hierin einen Mut zu Humor und offener Theatralik auf, die sich nur als Kompensation für seine sonstige Arbeit interpretieren lässt. Er lacht und singt, schwitzt und springt. Deborah Kerr, wenngleich liebenswert wie je und natürlich das eigentliche figurale Zentrum des Films, muss dagegen beinahe zwangsläufig verblassen. Was von "The King And I" in dieser Fassung bleibt, ist vor allem ihr verlockend zuckriger, bunter Kitsch in Scope und ihre untadelige, progressive Botschaft an all die echten und falschen Monarchen der Welt. Et cetera, et cetera, et cetera.

8/10

Walter Lang Rodgers & Hammerstein Thailand Bangkok period piece Freundschaft Musik Erwachsenenmärchen Historie


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THE GLASS MENAGERIE (Irving Rapper/USA 1950)


"How beautiful it is and how easily it can be broken."

The Glass Menagerie (Die Glasmenagerie) ~ USA 1950
Directed By: Irving Rapper

Tom Wingfield (Arthur Kennedy) lebt zusammen mit seiner Schwester Laura (Jane Wyman) und ihrer Mutter Amanda (Gertrude Lawrence) in einem kleinen Appartment in St. Louis. Tom arbeitet in einer Schuhfabrik und kann seine schriftstellerischen Ambitionen nur schwerlich ausleben. Zudem leidet er unter den Zeteranfällen und dem ewigen Bessergewisse Amandas, vor dem der Vater, ein Matrose, bereits vor vielen Jahren ausgerückt ist. Auch Tom plant, zur See zu fahren. Laura ist hingegen ein stilles, sensibles Mädchen. Sie hat einen Klumpfuß, weswegen sie völlig in sich gekehrt ist und ihr Aufmerksamkeitshauptmerk ihrer Sammlung von Glastierchen widmet. Eines Abends kommt dann Toms fröhlicher Arbeitskollege Jim (Kirk Douglas) zum Essen, in dem Amanda bereits den potenziellen Bräutigam für Laura wittert...

Williams-Klassiker, der, zumal von stark autobiographischen Zügen getragen, recht repräsentativ für das Werk des großen Dramatikers daherkommt: Eine dysfunktionale Familie mit matriarchalischer, ausgebrannter, aber doch zäher Südstaatenkokotte an der Spitze, die ihre fragilen Kinder in den Wahnsinn zu treiben droht. Amanda ist eine rechte southern belle vom alten Schlage, extrem desensibilisiert, ewig spitz daherredend, unbequeme Wahrheiten ignorierend und stets mit einem unpassend guten Ratschlag zur Stelle. Darunter leiden ihre erwachsenen Kinder, die lediglich zu gleichen Teilen aus Pflichtgefühl füreinander und einer gewissen Bequemlichkeit bei ihr bleiben und die Amanda stets versucht, in bestimmte Rollen zu pressen. Tom ist der Ersatzvater, der für Mütterlein und Schwesterchen rundum zu sorgen hat (und der seine ihm tatsächlich gar nicht zukommenden Part nur allzu gern in massig Bourbon ertränkt); Laura eine höchst fragile, freigeistige Seele, die Amanda gern als robotende Stenotypistin sähe und sie nebenbei unbedingt unter der Haube wissen will. Am Ende schaffen es - in Rappers Filmversion - beide, sich von der sanften Tyrannei der Mutter loszustrampeln.
Williams' Vorlage endet freilich nicht ganz so optimistisch Tom und Laura trennen sich im Streit und Williams impliziert, dass keineswegs Lauras Emanzipation, sondern eher ihr endgültiges Zerbrechen die Folge jenes schicksalsschweren Abends ist. Entsprechend unglücklich war er mit Rappers Adaption, die, zumindest nach Williams' Dafürhalten, keinen guten Leumund verdiente.
Ich mag den Film sehr und denke, dass gerade sein Mut zum Verzicht auf Nihilismus und schwere Tragödie ihm - und das meine ich denkbar positiv - einigen pädagogischen Wert verleiht, der ihn nicht zuletzt zu guter Schullektüre macht. Dass die Intention des Urhebers verwässert wird, ist freilich höchst streitbar.

9/10

Irving Rapper Tennessee Williams Südstaaten St. Louis Missouri based on play Familie Geschwister Mutter & Tochter Mutter & Sohn





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Funxton

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