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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ROBOCOP (José Padilha/USA 2014)


"What have you done to me?"

RoboCop ~ USA 2014
Directed By: José Padilha

Die nahe Zukunft: Die Weltpolizisten USA setzen mittlerweile weltweit Roboterdrohnen als Ersatz für humane Militärkräfte ein. Der Rüstungskonzern OCP unter dem Management des Machtstrategen Raymond Sellars (Michael Keaton) plant, seine mechanischen Killer auch großflächig an die inländische Polizei zu verkaufen, doch es weht ein starker Gegenwind aus der liberalen Politik. Als der Detroiter Cop Alex Murphy (Joel Kinnaman) einer bis in höchste Abteilungskreise reichenden Verschwörung auf die Schliche kommt, jagt man ihn mit einer Autobombe in die Luft. Damit hat Sellars das perfekte populistische Sprungbrett: Einen Milliarden-Dollar-Cyborg zwischen menschlicher Vernunft und automatisiertem Verhaftungsprocedere. Doch selbst mit einem minimalen Rest von altem Fleisch lässt sich Murphy, der fortan als RoboCop in Detroit patroulliert, nicht instrumentalisieren...

Ein überraschend gelungenes, schön comiceskes Remake hat José Padilha da vorgelegt, wenngleich es en tout betrachtet der intellektuell-satirischen Kraft des Originals natürlich nicht die krause Stirn zu bieten vermag. Die Stärken des neuen Films liegen vor allem hinter der wohlweislichen Entscheidung, nicht zu kopieren, sondern zu variieren und die Perspektive auf andere Aspekte zu schwenken. Diesmal ist es weniger eine wohlfeil getarnte, faschistische Militärregierung denn vielmehr das Interesse an der persönlichen Entwicklung Murphys, die den Motor des Gesamtwerks antreibt: Michael Keaton ist kein größenwahnsinniger Kapitalverbrecher wie dereinst Ronny Cox, sondern "lediglich" ein Allerweltsmanager, der wie alle Konzernrepräsentanten vor allem daran interessiert ist, eine möglichst effektive Gewinnmaximierung zu erzielen. Als sein Sprachrohr dient der rechtslastige TV-Populist Pat Novak (Samuel L. Jackson), der leidenschaftlich Reklame für Sellars' Roboter-Exekutive betreibt. Hier ist Alex Murphy außerdem noch weiterhin Herr seiner Sinne und seiner Erinnerungen und muss seine Persönlichkeit nicht erst wiederentdecken. Frau (Abbie Cornish) und Sohnemann (John Paul Ruttan) bleiben ihm treu und gewogen, wenngleich die von Padilha in Betracht gezogene Vorstellung, Murphy als Familienvater zu reinstallieren, etwas ziemlich Lächerliches hat. So übertreibt es der Film hier und da mit seinen Zwangshommages und schlicht unzeitgemäßem Humor, worin sich die Kritik an ihm jedoch zugleich erschöpft. Padilhas "RoboCop" bietet die respektable, keinesfalls stupide Variation eines Klassikers, deren leider erst ganz am Schluss ausgepackte, ätzende Satirekeule etwas prägnanter gern auch schon vorher in Aktion getreten haben mochte.

8/10

José Padilha Zukunft Familie Freundschaft Frankenstein Cyborg Militär Detroit


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MUD (Jeff Nichols/USA 2012)


"He's not dangerous."

Mud ~ USA 2012
Directed By: Jeff Nichols

Die beiden aus dem Arbeitermilieu am Mississippi stammenden, vierzehnjährigen Freunde Ellis (Tye Sheridan) und Neckbone (Jacob Lofland) entdecken auf einer Flussinsel den sich dort versteckenden Mud (Matthew McConaughey). Die State Police und die Killer des Gangsterbosses King (Joe Don Baker) sind ihm auf den Fersen, weil er im Zuge einer Eifersuchtsrache Kings Sohn erschossen hat. Mud plant, mit einem alten Boot und seiner Freundin Juliper (Reese Witherspoon), die in der Stadt auftaucht, über den Golf nach Mexiko zu fliehen. Die Jungs, besonders Ellis, dessen Welt soeben im Zerbrechen begriffen ist, weil seine Eltern (Ray McKinnon, Sarah Paulson) die Scheidung planen, entschließen sich, Mud bei seiner Flucht zu unterstützen. Dabei gilt es jedoch, einige Hürden zu nehmen.

Eine sehr liebenswerte Außenseiter-Geschichte hat Jeff Nichols da zu Papier und Zelluloid gebracht, deren etymologische Titelparallele zu Martin Ritts "Hud" vielleicht nicht ganz zufällig ist. Der im Moment ja urplötzlich wieder allgegenwärtig scheinende McConaughey spielt nämlich eine Rolle, die vor 45 Jahren verpflihtend für Paul Newman gewesen wäre; einen Südstaaten-Outlaw, der durch die Gegend tingelt und seine Himmelschlösser aus Lebenslügen so lang erfolgreich praktiziert, bis er endgültig in der Patsche sitzt. Eine unglückliche, amouröse Besessenheit treibt ihn in die totale Enge, bis es an zwei selbst noch grünen Jungs ist, ihn Vernunft und Stärke zu lehren. Ganz unbemerkt rückt Nichols dabei den Titelhelden aus dem Fokus und stattdessen den liebenswerten, selbst nicht immer ganz vernünftigen Ellis ins Zentrum seines Films, der sich ganz der gemächlichen Explosivität eines forcierten Erwachsenwerdens verschreibt und seine Story mit ebenso unspektakulären wie schönen Bildern erzählt. Dass "Mud" am Ende zu einer willkürlichen Mixtur aus Realismus und Kintopp geronnen ist, die sich gegen das Verzagen und für die Hoffnung entscheidet, gehört zu der wesensimmanenten Konsequenz des Films.

9/10

Jeff Nichols Arkansas Coming of Age Freundschaft Flucht Südstaaten Mississippi


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TERMINUS (Pierre-William Glenn/F, BRD 1987)


Zitat entfällt.

Terminus ~ F/BRD 1987
Directed By: Pierre-William Glenn

Im Jahr 2037 spalten sich die Erdmächtigen in zwei Lager: Zum Einen gibt es die faschistisch organisierten "Grauen", zum anderen die nicht minder straff durchsetzten, rebellierenden "Klone" unter ihrem Anführer Sir (Jürgen Prochnow). Die Klone organisieren regelmäßig öffentlich als "das Spiel" deklarierte Truck-Reisen durch die militarisierten Zonen, eine Aktion, deren geistiger Herr der kindliche Klon Mati (Gabriel Damon) ist. Jener hat ein Betriebssystem namens 'Monster' entwickelt, das den gewaltigen Truck zusammen mit einem humanoiden Fehrer lenkt. Aktuell brettert die toughe Gus (Karen Allen) durchs Feindesland, wird jedoch von dem brutalen 'Major' (Dominique Valera) überwältigt und zu Tode gefoltert. An ihrer Statt übernimmt der Einzelkämpfer Stump (Johnny Halliday) die Weiterfahrt mit Monster, an Bord eine mysteriöse, bline Passagierin - das Mädchen 'Princess' (Julie Glenn).

Völlig irregeleiteter Unfug der schönen Rezeptionskategorie "Das Gehirn gibt auf". Als französisch-deutsche Koproduktion mit internationaler Besetzung, der der exaltierte Pariser Schlagerstar Johnny Halliday, Jürgen Prochnow und Karen Allen vorstanden (Kinderstar Gabriel Damon gab später noch das fiese Dealerbalg Hob in "RoboCop 2"), hängte sich der Genrefilm einst an die aktuelle, weithin erfolglose Welle dystopischer B-Action, zu der auch anderes Entfesseltes wie "Solarbabies" oder "Cherry 2000" zählte. "Terminus" unterbietet jedoch die meisten Artgenossen in annähernd jeglichem Aspekt - im Prinzip kann man kaum von einem stringenten Plot sprechen, geschweige denn einer dramaturgischen Struktur. Alles hangelt sich lose durch einen Lianenwald der Konfusion und dazu kloppt der auf K.I.T.T. getrimmte Monstertruck halbgare Sprüche unterster Kajüte. Ein paar wenige Actionszenen wirken wie Fremdkörper und kurze Gewaltausbrüche stehen in eigenartigem Kontrast zur sonstigen, eher kindlichen Gestalt des Films. Jener zerfasert dan auch bereits nach Minuten wie eine Rolle Klopapier bei Starkregen und hinterlässt ebensolche Nutzbarkeit.
All das spricht selbstverständlich für einen Pflichtfilm für Freunde des Abseitigen - "Terminus" gehört nämlich mit Sicherheit zu den versponnensten, miesesten Werken seiner Dekade und erobert sich somit einen echten Sehenswert. Vorausgesetzt, man besitzt ein Faible für groben Unfug.

3/10

Pierre-William Glenn Apokalypse Dystopie car chase Klone Zukunft Trash


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THE STUNT MAN (Richard Rush/USA 1980)


"He's not dead... yet!"

The Stunt Man (Der lange Tod des Stuntman Cameron) ~ USA 1980
Directed By: Richard Rush


Der Vietnamveteran Cameron (Steve Railsback) ist wegen eines Kavaliersdelikts auf der Flucht vor der Polizei. Als er dem Filmemacher Eli Cross (Peter O'Toole), der gerade dabei ist, ein Epos über den Ersten Weltkrieg zu drehen, in die Arme läuft, fackelt dieser nicht lange. Wegen des Unfalltodes seines Hauptdarstellerdoubles, dessen Zeuge Cameron nebenbei geworden ist, benötigt Cross nämlich dringenden Ersatz und nutzt die Notsituation Camerons schamlos aus. Dieser jedoch gewöhnt sich rasch an seine überraschende Tätigkeit beim Film, verliebt sich in die Schauspielerin Nina Franklin (Barbara Hershey) und gelangt bald zu der Überzeugung, dass Cross wahnsinnig sein muss...

Später New-Hollywood-Nachklapp und ein einsames Exempel für kompromissloses Autorenfilmen. Richard Rush verbrachte Ewigkeiten mit den Vorbereitungen für "The Stunt Man", sein erstes Projekt nach dem bereits sechs Jahre zurückliegenden "Freebie And The Bean". Rush hatte eine irrsinnige Logistik zu stemmen, da sein "Film-im-Film-Projekt" trotz dessen lediglich quasi-dokumentierter Erschaffungsphase noch immer immens aufwändig daherkam. Ähnlich wie die in derselben Phase entstandenen "Apocalypse Now", "1941" oder "Heaven's Gate" geriet "The Stunt Man" somit zu einem Zeugnis für die entfesselte Schaffenskraft eines Regisseurs, dessen schöpferische Meriten die infolge der kreativen Erosion New Hollywoods nachhaltig verwirrte Studiolandschaft dermaßen durcheinander brachten, dass das jeweilige Management im Nachhinein nurmehr als 'bizarr' zu bezeichnende, kommerzielle Wagnisse eingeging - zumeist mit ökonomisch betrachtet ernüchternden Resultaten. Diesem Irrlauf verdanken wir jedoch die genannten, meisterhaften Filme, und das ist gut so. Natürlich war "The Stunt Man" nie dazu angetan, ein großes Publikum zu begeistern; dafür ist er viel zu eigensinnig, verschroben, speziell. Sein Erbe hat sich, ebenso wie das seines Regisseurs, eigentlich bis heute nicht recht entfaltet - ein Zustand, dem hoffentlich einmal Abhilfe geleistet werden wird.

9/10

Richard Rush Hollywood Film im Film Stuntman Satire New Hollywood


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THE SUSPECT (Robert Siodmak/USA 1944)


"I simply put trust in his conscience."

The Suspect (Unter Verdacht) ~ USA 1944
Directed By: Robert Siodmak

London, kurz nach der Jahrhundertwende: Der gutmütige Verkäufer Philip Marshall (Charles Laughton) leidet unter dem häuslichen Terrorregime seiner Frau Cora (Rosalind Ivan), einer unentwegt zeternden Xanthippe, die nicht nur ihrem Gatten, sondern auch dem gemeinsamen Sohn John (Dean Harens), den sie aus dem Hause treibt, das Leben verdunkelt. Als Philip beginnt, sich mit der bezaubernden Stenotypistin Mary (Ella Raines) zu treffen und daraus bald aufrichtige Liebe erwächst, droht Cora ihm mit einem öffentlichen Skandal, der seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin bedeutete. In seiner Verzweiflung sieht sich der sonst so besonnene Mann veranlasst, seine Frau mittels eines unfälligen Treppensturzes "verschwinden zu lassen", was den misstrauischen Inspektor Huxley (Stanley Ridges), der Philip fortan wie eine Klette anhängt, auf den Plan ruft. Immerhin ist der Weg zu Mary frei, doch ihr Glück ist nicht von Dauer: Sein versoffener, gewalttätiger Nachbar Simmons (Henry Daniell) versucht, Philip zu erpressen, indem er ihm droht, vor Gericht als falscher Zeuge einer möglichen Anklage aufzutreten. Erneut ist Philip gezwungen, zum Gewaltverbrecher zu werden. Als er, kurz vor seiner Ausreise nach Kanada mit Mary und John, von Huxley erfährt, dass Simmons sympathische Ehefrau (Molly Lamont) des Mordes an ihrem Gatten verdächtig ist, entscheidet er, sein Gewissen zu erleichtern und sich zu stellen.

Mit "The Suspect" ist ein weiterer formvollendeter film noir geglückt, der im Vergleich zu weiteren Genrebeiträgen wie "Phantom Lady", "The Killers" oder "The Spiral Staircase" jedoch sehr viel signifikanter mit dem humanistischen Drama liebäugelt. Charles Laughton, der, wie man weiß, ganz vortrefflich eherne Sadisten und korrupte Verbrecher darzustellen wusste, ist hier als in Not geratener Sympathieträger zu sehen, der der trügerischen Illusion erliegt, dazu gezwungen zu sein, tödliche Selbstjustiz anzuwenden, um sein Leben schadlos zu erhalten. Zunächst scheint sich auch wirklich alles zu seinen Gunsten zu fügen, doch Justitia fordert schlussendlich seine moralische Integrität heraus, die sich dann erwartungsgemäß als unbestechlich erweist. Siodmak beordert sein Publikum gleich zu Beginn geschickt auf Marshalls Seite: Als geduldiger, wenngleich höchst unglücklicher Ehemann hält er den psychischen Druck, den Cora verursacht, aus und ist stets bereit, einen Neuanfang zu wagen. Doch Coras Boshaftigkeit schwingt sich zu immer neuen Höhen auf, die andere Zeitgenossen bereits wesentlich früher hätten explodieren lassen. Hinzu kommt der zeitbedingte soziale Druck, der familiäre Skandale gleichbedeutend macht mit existenziellem Ruin. Eine Frau wie Mary, jung, schön und liebenswert, ist da das einzig hilfreiche Balsam, doch selbst sie schützt nicht vor der alten Gesetzmäßigkeit, derzufolge ein Verbrechen in höchster Not nur seltenst ein singuläres bleibt. Der Giftmord am Nachbarn Simmons, der, wie wir erfahren, als Coras maskulines Pendant seine Frau ins Unglück stürzt, säuft und auch vor Erpressung nicht zurückschreckt, wird Marshall mittelbar zum Verhängnis, nicht, weil er so dumm wäre, sich erwischen zu lassen, sondern weil er Simmons' Frau vor dem drohenden Strick bewahren muss.
Das Script beruft sich inoffiziell auf den authentischen Fall des Dr. Hawley Crippen, eines emigrierten Pharmazeutikers, der in London seine ihn betrügende Frau vergiftet hatte und mit seiner Geliebten nach Kanada übersetzte, als er an Bord der Passage erkannt und den Behörden zugeführt werden konnte. Crippen erwies sich während der folgenden Verhandlung als überaus sympathischer Mann, dem eigentlich kein Mord zuzutrauen wäre.

9/10

Robert Siodmak period piece London Ehe film noir Edwardian Age


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THE PRIDE OF THE YANKEES (Sam Wood/USA 1942)


"I'm putting my money on Gehrig."

The Pride Of The Yankees (Der große Wurf) ~ USA 1942
Directed By: Sam Wood

Entgegen der Vorstellungen seiner konservativen, heißgeliebten Mutter (Elsa Janssen) wird der deutschstämmige Manhattaner Lou Gehrig (Gary Cooper) mit 20 Profi-Baseballer bei den New York Yankees. Im Gegensatz zu Teamkollegen und Freunden wie dem lebenshungrigen Babe Ruth (Babe Ruth) hält Gehrig sich stets frei von Skandälchen und Zeitungsaufmachern, heiratet seine große Liebe Eleanor Twitchell (Teresa Wright) und erkrankt mit nur 35 Jahren an 'amyotropher Lateralsklerose', einem seltenen neuronalen Leiden, das seine Karriere im Profisport und schließlich auch sein Leben beendet.

Nach seinem Eintritt in den Zweiten weltkrieg benötigte Amerika vor allem echten Heldenstolz. Der als "Iron Horse" bekannte hitter Lou Gehrig, Profisportler und, infolge seiner tödlichen Krankheit tragisch konnotiertes Massenidol, bot sich geradezu perfekt für eine epische Verfilmung seines Lebens an, die dazu angetan war, selbst ein sportfernes Publikum (zu dem sich auch der anfänglich skeptische Produzent Samuel Goldwyn zählte) zum Lachen und zu Tränen zu rühren. Der damals bereits 40-jährige Gary Cooper hatte die mitunter fragwürdige Aufgabe, jenen berühmten New Yorker Heiland zwischen seinem achtzehnten und sechsundreißigsten Lebensjahr zu interpretieren, meisterte diese jedoch trotz allers Skepsis mit einer der schönsten Darstellungen seiner Karriere. Zwischen Augenzwinkern und -tränen personifizierte Cooper eine nahtlose Kultursymbiose aus Gehrig und seinem eigenen Image als großer Sohn Amerikas mit einer bezaubernden Teresa Wright an seiner Seite. "The Pride Of The Yankees" wurde unter Sam Woods Ägide zu einem durchweg liebenswerten, unterhaltenden Sympathie-Evozierer, der den Zuschauer mit zumindest kurzfristig währender, aufrichtiger Philanthropie in Herz und Kopf zurücklässt.

8/10

Sam Wood period piece New York Baseball Ehe Mutter & Sohn Familie Freundschaft Biopic


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CAVALCADE (Frank Lloyd/USA 1933)


"Thank you for being there."

Cavalcade (Kavalkade) ~ USA 1933
Directed By: Frank Lloyd

Die Londoner Familie Marryot feiert mit ihren Hausangestellten am Silvesterabend 1899 das Heranbrechen des neuen Jahrhunderts, derweil in Südafrika der Zweite Burenkrieg tobt. Sowohl Robert Marryot (Clive Brook) als auch Hausdiener Alfred Bridges (Herbert Mundin) ziehen als Soldaten gen Süden, kommen jedoch trotz berechtiger Ängste ihrer Ehefrauen Jane (Diana Wynyard) und Ellen (Una O'Connor) wohlbehalten zurück. Doch das Schicksal hält noch manchen Schlag in den folgenden Jahren und Jahrzehnten bereit.

Nach "Cimmaron" eine weitere, sich über mehrere Dekaden Erzählter Zeit erstreckende Familienchronik, die mit dem Oscar für den Besten Film belohnt wurde; in diesem Falle allerdings eine formal wie darstellerisch wesentlich geschlossenere und, wie ich finde, interessantere. Seine Theaterwurzeln merkt man dem edlen Stück sicherlich noch an, dieser Umstand erleichterte es jedoch weder um seine Kinoqualität, noch macht er es weniger sehenswert.
Es geht hierin weniger um das Erblühen folgender Generationen als um den zwangsweisen Zerfall zweier Familien. Die eine verliert gleich beide Söhne (Frank Lawton, John Warburton) an das Schicksal in Form der Titanic-Kastastrophe und des Ersten Weltkrieges, derweil die andere sich nach dem Unfalltod des Vaters durch emporkömmlingshaftes Verhalten unbeliebt macht. Das Resultat ist ein atmosphärisch und zeitlöich verdichtetes Porträt des gesellschaftlichen Empfindens jener Ära historischer Umwälzungen. Dass nicht lange nach Filmen wie diesem noch ein Zweiter Weltkrieg die Menschheit ins Unglück stürzen sollte, scheint nicht zuletzt angesichts seiner mahnenden Worte wie ein urwüchsiges Schrecknis.

8/10

London England Familie Burenkrieg Fin de Siècle WWI Ehe Best Picture Victorian Age Edwardian Age


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CIMARRON (Wesley Ruggles/USA 1931)


"Sugar, if we all took root and squatted, there would never be any new country."

Cimarron (Pioniere des Wilden Westens) ~ USA 1931
Directed By: Wesley Ruggles

Davon, dass er sein erstes Landnahme-Wettrennen gegen die unehrenhafte Dixie Lee (Estelle Taylor) verloren hat, lässt sich der rastlose Pionier Yancey Cravat (Richard Dix) keinesfalls entmutigen: Kurzerhand klemmt er sich daheim in Wichita Frau Sabra (Irene Dunne) und Söhnchen Cim (Junior Johnson) unter den Arm und reist mit ihnen dorthin, wo soeben die Stadt Oklahoma City im Entstehen begriffen ist. Von nun an betätigt sich Cravat als Lokalpolitiker und unbestechlicher Zeitungsverleger und wird so zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Stadt. Doch lange halten ihn auch diese Aufgaben nicht; Yancey zieht es noch weiter gen Westen, derweil Sabra die Verlagsleitung übernimmt und ihre Kinder zu ehrenhaften jungen Leuten heranwachsen.

"Go west, young man": Über einen Zeitraum von vierzig Jahren erstreckt sich die Familienchronik der Cravats, die ein Hohelied auf den überseeischen Pioniergeist anstimmt und Menschen wie den porträtierten Yancey Cravat trotz all ihrer notwendigen Unzuverlässigkeit in Familiendingen zu den heimlichen Landesvätern deklariert. Dabei bemüht sich der bei der damals noch starken RKO produzierte Film nach Leibeskräften, auch den liberalen Geist der Nation einzufangen, indem er die langsame Überwindung des allseitigen Rassismus thematisiert, damit jedoch in Ehren scheitert. Cravat kämpft unter anderem auch für die Belange ortsansässiger Indianerstämme und will ihnen sogar freies Wahlrecht ermöglichen - ganz zum Unverständnis Sabras, die umso entsetzter ist, als der mittlerweile erwachsene Cim (Don Dillaway) eine Häuptlingstochter (Dolores Brown) ehelichen will.
Weniger zimperlich gibt sich das Erzählte hinsichtlich afroamerikanischer Gleichstellungsfragen - der junge Hausdiener der Cravats, Isaiah (Eugene Jackson), wird als ebenso lustiger wie sich aufopfernder, aber auch hoffnungslos zurückgebliebener Schimpanse charakterisiert und ist somit ein trauriges, wenngleich authentisches Beispiel für den omnipräsenten Rassismus jener Jahre im die Gesellschaft widerspiegelnden Hollywood.
Regisseurssignaturen waren seinerzeit übrigens noch wenig öffentlichkeitswirksam. Wesley Ruggles' Name taucht nicht als der des Inszenierenden auf.

6/10

Wesley Ruggles Familie Oklahoma Pioniere Best Picture Edna Ferber


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THE VALACHI PAPERS (Terence Young/F, I 1972)


"You made my decision."

The Valachi Papers (Die Valachi-Papiere) ~ F/I 1972
Directed By: Terence Young

Der Gangster Joe Valachi (Charles Bronson), einst lange Jahre als Fahrer für diverse New Yorker Unterweltgrößen tätig, landet im Knast und damit prompt auf der Todesliste des ebenfalls einsitzenden Paten Vito Genovese (Lino Ventura), der hinter Valachi einen heimlichen Kronzeugen fürs FBI vermutet. Erst nach einer offenen Mordankündigung durch Genovese ntschließt sich Valachi, wirklich auszupacken und berichtet dem Beamten Ryan (Gerald O'Loughlin) in langwierigen Sitzungen alles, was er über die Cosa Nostra weiß und bei ihr gelernt hat.

Nach "The Godfather" boomte der Mafiafilm, wobei besonders authentizitätsverhaftete Geschichten, die den Mob auf jene spezifische Weise zugleich ent- und remystifizierten, von Interesse waren. Die De-Laurentiis-Produktion "The Valachi Papers" bediente sich der authentischen Geschichte um das Mafia-Mitglied Joseph Valachi, der in Todesangst zum ersten öffentlich aussagenden Informanten des FBI wurde und trotz hochdotierter Kopfgelder eines natürlichen Todes im Gefängnis starb. Das Original war vermutlich nicht ganz so kernig wie sein von Bronson gespieltes Pendant auf der Leinwand, zu Beginn befremdlich schäuzerlos und mit grau gepuderter Perrücke auftretend. Doch dies bildet keinen Störfaktor. So spannend und ergiebig das Thema, so Vieles löst der Film ein: der mit viel Zeitkolorit garnierte Einblick in die hierarchischen Strukturen und Rituale der 'famiglia' nebst Ehrenkox und Vergeltungsschlag, sein authentisches Personal sowie die erlesene Besetzung, aus der neben Bronson und Ventura vor allem Joseph Wiseman und Guido Leontini hervorstechen Die Inszenierung unter Terence Young bleibt allerdings stets arg routiniert und programmatisch. Ein prägnanterer Regisseur mit etwas mehr Mut zur Extravaganz hätte "The Valachi Papers", der aufgrund seiner inhaltlichen Komplexität doch so viel hergibt, vielleicht zu einem Werk von Weltformat gemacht, wie es 18 Jahre später auch der ganz ähnlich konnotierte "Goodfellas" wurde.

8/10

Terence Young New York Mafia period piece Historie Gefängnis Verhör Biopic


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DRACULA VS. FRANKENSTEIN (Al Adamson/USA 1971)


"And all those who would meddle in the destinies of Frankenstein and Dracula will see an infernal bloodbath the likes of which has not swept the Earth before!"

Dracula Vs. Frankenstein (Draculas Bluthochzeit mit Frankenstein) ~ USA 1971
Directed By: Al Adamson

Der letzte Nachkomme derer von Frankenstein sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl leitet unter dem Namen 'Dr. Duryea' (J. Carrol Naish) ein Kuriositätenkabinett am Strand von Venice Beach. Hier braut er ein besonderes Lebenselixier zusammen, für das er jedoch organische Komponenten benötigt, die ihm sein imbeziler Diener Groton (Lon Chaney Jr.) in Form am Strande zusammengeklaubter Opfer besorgt. Auch seine Kreatur (John Bloom) liegt bereits auf dem Operationstisch und wartet auf den neuen Lebenshauch. Dummerweise interessiert sich zugleich ein weiterer Altbekannter, nämlich Graf Dracula (Zandor Vorkov), für Frankensteins Serum, da er mit dessen Hilfe eine Vampirarmee erschaffen will. Die dralle Judith (Regina Carrol) sucht derweil mit Hilfe des Surfhippies Mike (Anthony Eisley) nach ihrer verschwunden Schwester (Maria Lease) und kommt dabei den Blutfürsten in die Quere...

Das war (und ist) natürlich ganz großes Kino, das Al Adamson hier dereinst auf die Menschheit losließ; Guerillafilmemachen, wie es nur zu Zeiten von LSD, swingin' und surfin' möglich war, als der heimische Pazifismus gegen den Krieg in Fernost noch wahre Monster gebierte. "Dracula Vs. Frankenstein" erscheint auf den ersten Blick wie eine typisch C- oder D-Gurke im Gedenken an Ed Wood Jr. und seine Gesinnungsgenossen, liefert mit all seinen wild zusammengeworfenen Ingedienzien jedoch eine unnachahmlichen Eintopf, der schmackhafter kaum sein könnte. Verbrauchte Gestalten vom Schlage eines Lon Chaney, die im wahren Leben mittlerweile gruseliger waren denn all ihre Monsterrollen zusammen, erhielten hier die Chance, sich abseits der schmalen Rente ein paar Flaschen Whiskey leisten zu können. Stichwort Chaney: Der braucht hier erst gar nicht mehr zu sprechen, sondern nurmehr zu grunzen; zudem sind fast alle seine Einstzellungen so gefilmt, dass niemand mit ihm zu interagieren hatte. Immer noch besser als wirklich seine Axt in den Schädel zu bekommen...
J. Carrol Naish und Zandore Vorkov sondern (in der deutschen Fassung mit den arrivierten Stimmen von Klaus Miedel und Joachim Kemmer) unglaublichste Verse ab und Russ Tamblyn gibt einen Rocker namens Rico "auf der Suche nach 'ner neuen Mutter". Auch das rettet ihn nicht vor Lon Chaneys Axt. Als weiteres Verbindungsglied zwischen cineastischer Klassik und Moderne bietet Adamson den wie immer grandiosen, zwergenwüchsigen Angelo Rossitto auf, dessen Filmographie von Brownings "Freaks" bis hin zu Burrs "The Offspring" reicht und damit voll ist von wundersamen Rohdiamanten (zu welchen selbstredend auch dieser aus Adamsons Schaffenskrone gehört).

6/10

Al Adamson Dracula Frankenstein Venice Beach Kalifornien Independent Crossover Mad Scientist Monster Vampire camp Trash





Filmtagebuch von...

Funxton

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