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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE BELLS OF ST. MARY'S (Leo McCarey/USA 1945)


"Just dial "O" for "O'Malley"."

The Bells Of St. Mary's (Die Glocken von St. Marien) ~ USA 1945
Directed By: Leo McCarey

Vater O'Malley (Bing Crosby) wird diesmal an die Klosterschule "St. Mary's" berufen, da die hier lehrenden, schnatternden Nonnen von seinem Vorgänger offenbar nicht gebändigt werden konnten. In der Tat entpuppt sich die Leiterin Schwester Benedict (Ingrid Bergman) trotz guter Anlagen als in vielerlei Hinsicht zu 'mütterlich' für die Erziehung der ungeschliffenen Jungs des Viertels. Doch O'Malleys Anwesenheit zeigt bald erste Erfolge: Anstatt weiterhin zu predigen, in einer Schlägerei auch noch die andere Wange hinzuhalten, gibt Schwester Benedikt nun heimlich Boxunterricht. Doch es sieht, bei aller positiven Entwicklung, nicht gut aus für St. Mary's: Das marode Schulgebäude steht im Schatten eines neu errichteten, riesigen Bürohauses des reichen Bauherrn Horace P. Bogardus (Henry Travers), der anstelle der Schule lieber einen Parkplatz sähe. Doch mit List und Tücke macht O'Malley selbst aus dieser harten Nuss einen weichen Frömmler...

Als Sequel zu dem ein Jahr zuvor entstandenen Oscar-Abstauber "Going My Way" kultiviert "The Bells Of St. Mary's" die bereits im Vorgänger installierte, episodische Erzählstruktur und lässt die kleinen Anekdoten um Pfarrer O'Malley und seine Wirkungserfolge abermals wie eine Blaupause für eine TV-Sitcom erscheinen (eine kleine Serie mit dreißig Folgen und Gene Kelly in der Rolle Bing Crosbys sowie Leo G. Carroll in der von Father Fitzgibbons aus dem Original ging sechzehn Jahre später tatsächlich on air). McCarey bringt dabei das Kunststück fertig, die Fortsetzung summa summarum noch etwas schöner als den Erstling zu gestalten, was, neben der rührigeren Ausgangssituation sowie der Zurücknahme von Crosbys Sangeseinlagen insbesondere der dem Protagonisten mindestens gleichberechtigt geschalteten Ingrid Bergman und auch dem begnadeten Henry Travers zu verdanken ist. Eine Familienzusammenführung sowie Bogardus' urplötzliche Läuterung, die, Kant wusste es, natürlich vornehmlich der eigenen Gesundheitsverbesserung zugute kommt und damit schön schnippisch in die ansonsten wiederum rührselige Geschichte eingebunden wurde.
Wohl einer der erste Fälle in der Filmhistorie, in welchem eine Fortsetzung ihr Original übertrifft.

7/10

Leo McCarey Kirche New York Freundschaft Sequel


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GOING MY WAY (Leo McCarey/USA 1944)


"I'm going to sleep well tonight."

Going My Way (Der Weg zum Glück) ~ USA 1944
Directed By: Leo McCarey

Der etwas unkonventionell arbeitende Pfarrer Chuck O'Malley (Bing Crosby) kommt in die New Yorker Pfarrei 'St. Dominic', um dort seinen alternden Kollegen Fitzgibbon (Barry Fitzgerald) als 'Kurator' zu unterstützen. Fitzgibbon lässt sich merklich ungern in die althergebrachten Karten pfuschen und reagiert anfangs etwas beleidigt auf O'Malleys Methoden, die unter anderem die Verkupplung einer jungen Ausreißerin (Jean Heather) mit dem Banker-Sohn Haines Jr. (James Brown) sowie die Installation eines Chors für die zumeist auf der Straße herumhängenden Jungen des Viertels beinhalten. Schließlich werden aus den beiden Männern jedoch gute Freunde, bis O'Malley, der sich als eine Art "Feuerwehr"-Geistlicher entpuppt, vom Bischoff zu seinem nächsten Auftrag abberufen wird.

McCareys unter der Last der Jahre doch recht betulich wirkender Film, der für Bing Crosby eine veritable Heldenrolle stiftete, ist so brav und schmerzlos, dass es schon fast wehtut. "Going My way" zeichnet auf die denkbar bravste Weise den Weg eines verständigen Kirchenmannes nach, der mit Strohhut auf dem Kopf zu Werke geht und Musik als das Allheilmittel für jedwedes Böse in der Welt kultiviert. Ob er dabei Kinderlieder oder das "Ave Maria" trällert, ist nebensächlich; Jedwedes wird mit derselben anmutigen Inbrunst vorgetragen. Der Charakterisierungs-Kniff liegt darin, O'Malley als vormaligen Lebemann zu präsentieren, der die Priesterweihen erst recht spät angenommen hat und der daher deutlich mehr Praktiker ist als viele seiner eher angestaubten, prmanent mit dem Katechismus wedelnden Amtsgenossen. Sein größtes Verdienst liegt schließlich darin, den dickköpfigen Fitzgibbon "weichzuklopfen" und ihm neue Energie zuzuschustern.
Als weicher Film, der ganz nebenbei auch ein bisschen für das (als selbstverständlich formulierte) militärische Engagement junger Männer in Übersee wirbt, war "Going My Way" nebenbei der große Oscar-Gewinner seines Jahres.

6/10

Leo McCarey New York Kirche Freundschaft Best Picture Musik


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DEFIANCE (John Flynn/USA 1980)


"You ever show your ugly face 'round here again, I'm gonna kick your ass."

Defiance (Die Schläger von Brooklyn) ~ USA 1980
Directed By: John Flynn

Der Matrose Tommy (Jan-Michael Vincent) ist unfreiwillig zu einem längeren Aufenthalt in New York gezwungen, bevor er seine nächste Heuer erhält. Höchst enerviert kommt Tommy in der East Side unter, wo er neben einigen netten Nachbarn wie der über ihm lebenden Marsha (Theresa Saldana) oder dem etwas großmäuligen, aber herzlichen Carmine (Danny Aiello) auch rasch die üble Schlägertruppe 'Souls' kennenlernt, der der Chicano Angel Cruz (Rudy Ramos) vorsteht. Die Leute in Tommys Straße kuschen vor Cruz und seinen Jungs; jeder Versuch der Gegenwehr wird mit noch heftigerem Terror beantwortet. Als Tommy endlich ein Platz auf einem Dampfer in Aussicht gestellt wird, muss er Farbe bekennen: Raus aus der Stadt oder doch zu seinen neuen Freunden halten und ein für allemal mit den Souls abrechnen...?

Der etwas familienkompatiblere Selbstjustiz-Film. Wie so häufig in den Siebzigern spielt Vincent hier den eher bodenständigen Arbeitertypen, der höchst wenig Gefallen daran findet, sich mit den ihm umgebenden, asozialen Elementen in Konflikt zu setzen und letzten Endes auf die immer noch denkbar diplomatischste Weise für sein Recht und das seiner Mit-Involvierten kämpft. Anders als etwa ein Paul Kersey, der einige Jahre später in "Death Wish 3" auf die denkbar brachialste Weise gegen den New Yorker Bandenterror vorgeht, indem er die unbelehrbaren, delinquenten Kids sogar bewusst zu Straftaten motiviert, um sie dann abknallen zu können, ist Tommy der sukzessive hochgeschaukelte Wutbürger, der seine neuen Nachbarn und Freunde gegen Ende zu einer Art "Zweckmiliz" mobilisieren und damit den Frechdachsen Einhalt gebieten kann. Immerhin überlässt er die Rüpel nach einer gehörigen Tracht jedoch der staatlichen Exekutive. So ist "Defiance" auf ebenbütiger Ebene auch die Geschichte einer Sesshaftwerdung nach jahrelanger Ruhelosigkeit und damit im Grunde traditioneller Westernstoff. Das einzige humane Opfer bleibt dem rührenden Lenny Montana vorbehalten, der als retirierter polnischer Boxer mit etwas breitgeschlagener Birne einen letzten großen Märtyrer-Akt vollziehen und damit den Stein des Anstoßes zur Rettung seines Viertels geben darf.
"Defiance" lässt sich somit trotz des kontroversen Topos als überraschend stilles, humanes und sogar warmherziges Werk verorten, das seinem Regisseur zu größter Ehre gereicht. Ferner eine Blaupause nicht nur für den erwähnten, dritten "Death-Wish"-Beitrag, sondern auch für thematisch analog Gelagertes wie Robbins' "Batteries Not Included" oder Hensleighs "The Punisher"-Variation (respektive die ihr zugrunde liegenden Comicstrecke von Garth Ennis).

8/10

John Flynn New York Selbstjustiz Rache Freundschaft


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DRUM (Steve Carver/USA 1976)


"If my niggers stop fornicatin', we stop eatin'!"

Drum (Die Sklavenhölle der Mandingos) ~ USA 1976
Directed By: Steve Carver

Der mittlerweile gealterte Plantagenbesitzer Maxwell Hammond (Warren Oates) kommt nach New Orleans, um sich neben ein paar neuen Sklaven auch eine weiße Hausfrau auf seinen Besitz zu holen. In dem Mandingo Drum (Ken Norton), Sohn eines afrikanischen Stammeshäuptlings und der weißen Bordellbesitzerin Marianna (Isela Vega) wird er ebenso fündig wie in der entehrten High-Class-Lady Augusta Chavet (Fiona Lewis). Zurück auf Falconhurst entwickelt sich Drum schnell zum vorbildlichen Vorarbeiter und Aufseher, in dem der weit weniger angepasste Blaise (Yaphet Kotto) einen guten Freund findet. Als Blaise beschuldigt wird, Hammonds verdorbene Tochter Sophie (Rainbeaux Smith) zu belästigen, spitzt sich die Situation dramatisch zu: Am Verlobungsabend von Hammond und Augusta startet der in Ketten gelegte Blaise einen Sklavenaufstand. Drum muss sich für eine Seite entscheiden...

Das Sequel zu Richard Fleischers denkwürdigem Camper "Mandingo" wandelt auf deutlich anderen Pfaden denn das Original. Von dessen beiden vorgezeichneten Pfaden verzichtet "Drum" nahezu völlig auf den transgressiven; verbannt das bei Fleischer noch bestimmende, skandalöse, schockierende Element ebenso aus seinem Rahmen wie dessen künstlerische Ambitionen. Es bleibt ein eindeutiges Bekenntnis zur Exploitation, das nicht allein durch die Besetzung von Yaphet Kotto und Pam Grier, sondern zudem in Form eines Übermaß' weiblicher Nacktheit entsprechende Ambitionen belegt. Die Gewaltsszenen bleiben, mit Ausnahme der manuell vorgenommenen Kastration des eklig-bösen John Colicos durch Ken Norton (die sich allerdings auch noch verhalten präsentiert), in domestizierte Bahnen. Die einzige Darstellerin, die in derselben Rolle von "Mandingo" nach "Drum" überlebt, ist die füllige Lillian Hayman als stets verlässliche Haus-Mammy Lucretia Borgia. Perry King, der seinerzeit den noch deutlich unbeherrschteren Maxwell Hammond verkörperte, wird, einen größeren Handlungs-Zeitsprung zwischen den beiden Filmen implizierend, durch Warren Oates ersetzt. Mit Oates, der sich ein neuerliches Stelldichein mit Isela Vega, seiner Partnerin aus "Bring Me The Head Of Alfredo Garcia" gibt, ändert sich auch das Persönlichkeitsbild des Charakters völlig: Aus dem zur Barbarei neigenden Soziopathen wird ein lustiger Lebemann, dessen tiefsitzender Rassismus eher einer persönlichen Bildungsschwäche denn Generationen intrafamiliären Zerfalls zugeschrieben werden darf. So entsteht gar ein gewisses Freundschaftsband zwischen Drum und seinem Master, das am Ende die (sogar eher unfreiwillige) Flucht der Titelfigur ermöglicht. Susan Georges vormalige Rolle pflanzt sich hier in der von Rainbeaux Smith fort; denn in einen waschechten Sklavenfilm gehört von jeher auch ein kleines, pervertiertes weißes Luder. Inszenatorisch hält sich "Drum" eher auf TV-Niveau - weder der ursprüngliche regisseur Burt Kennedy, noch sein spätes Substitut, der vormalige Corman-Schützling Carver (welcher unfairerweise als alleiniger Regisseur kreditiert wird) leisten sich - offenbar ganz bewusst - keinerlei Extravaganzen.

6/10

Steve Carver Burt Kennedy Sklaverei Südstaaten New Orleans Louisiana ethnics Rache Sequel Blaxploitation


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L'ULTIMA PARTITA (Fabrizio De Angelis/I, USA 1991)


Zitat entfällt.

L'Ultima Partita (The Last Match - Der letzte Fight) ~ I/USA 1991
Directed By: Fabrizio De Angelis

Susan (Melissa Palmisano), die achtzehnjährige Tochter des Football-Cracks Cliff Gaylor (Oliver Tobias), wird auf einer militärisch regierten Karibikinsel irrtümlich wegen Drogenschmuggels verhaftet und landet in einem hiesigen Gefängnis mitsamt sadistischem Direktor (Henry Silva). Sämtliche Bemühungen des sofort anreisenden Vaters, sein Herzblut aus dem Knast zu holen, scheitern, einerseits angesichts der Engstirnigkeit der lokalen Behörden, viel mehr jedoch infolge der Arroganz gegen US-Staatsbürger. Cliffs gesamte Mannschaft und vor allem der betagte Trainer Keith (Ernest Borgnine) fackeln jedoch nicht lang und rücken an, um ihrem Runningback zu Hilfe zu kommen - mit gewaltiger Firepower im Gepäck!

Soweit ich das übersehen kann, der letzte Film, für den Fabrizio De Angelis alias Larry Ludman noch einmal eine kleine Garde gestandener Gast-Schauspieler zusammentrommeln konnte, um sie für eines seiner mehr oder weniger liebevoll hergestellten Billigwerke vor die Kamera zu holen. Neben Borgnine und Silva, die in sehr ähnlich gelagerten Rollen gemeinsam bereits in "Cane Arrabiato" agierten, geben sich diesmal noch Charles Napier und Martin Balsam die Blöße Ehre.
Die Grundidee von "L'Ultima Partita" plagiiert zu etwa gleichen Teilen "Midnight Express" und "Missing", wobei bei De Angelis grantiert jedwede politische Implikation außen vor bleibt, denn bei dem handlungszentrierten, junta-regierten Eiland handelt es sich um eine betont fiktive, westfeindliche Nation, in der wohl so manch politisches Schindluder getrieben wird. Costa-Gavras für den Kleinen Mann, sozusagen. Wirklich bizarr wird der Film in der zweiten Hälfte, wenn Borgnine und die Jungs anrücken und man in kompletter Football-Tracht eine schießwütige, nichtsdestotrotz gepflegt unspektakulär inszenierte Befreiungsaktion vom Stapel lässt. Den Gipfel erreicht "L'Ultima Partita" schließlich mit der obligatorischen Befreiung eines einheimischen, neunjährigen Steppkes: Zwar wird sein Vater vor seinen Augen von den soldados abgeknallt, aber dafür kann er künftig nordamerikanische Footballspiele sehen und Hot Dogs mampfen. Kein schlechter Tausch, zumindest nach Fabrizio De Angelis' Logik! Unmotivierte Zeitlupen, ein, gelinde gesagt, zutiefst enervierender Synthesizer-Score (Guglielmo Arcieri) runden diese bizarre Trash-Oper ab. Ludman vor, noch ein Tor!

4/10

Fabrizio De Angelis Football W.I.P. Mission Freundschaft Europloitation Trash Gefängnis


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THE RAINS OF RANCHIPUR (Jean Negulesco/USA 1955)


"I won't forget you."

The Rains Of Ranchipur (Der große Regen) ~ USA 1955
Directed By: Jean Negulesco

Die Ehe zwischen dem englischen Lord Esketh (Michael Rennie) und seiner amerikanischen Gattin Edwina (Lana Turner) ist längst am Ende, was einzig und allein der gefühlskalten Frau zuzuschreiben ist. Während eines Aufenthalts in Indien entflammt ihre Liebe für den einheimischen Arzt Dr. Safti (Richard Burton), ganz zum Unwillen von dessen mütterlicher Mentorin, der Maharani (Eugenie Leontovich) von Ranchipur. Derweil entdeckt der permanent alkoholisierte Architekt Tom Ransome (Fred MacMurray), ein alter Freund sowohl Edwinas als auch Dr. Saftis, dass seine Seele noch nicht so erkaltet ist, wie er bislang glaubte. Ein gewaltiger Monsun zeigt ihnen allen schließlich ihre wahren Bestimmungen auf.

Ausgesprochen ansehnlicher Trivialkitsch, der seine Qualitäten weniger aus der tatsächlich etwas verkrusteten Herz-Schmerz-Kolportage gewinnt, denn aus seinen prachtvollen Bildern im noch jungen CinemaScope-Format, das mit Unterstützung von knalligem DeLuxe wunderhübsche Lokaleindrücke präsentiert, die allerdings, so es sich nicht um Atelier-Aufnahmen handelt, aus dem Nachbarland Pakistan stammen. Eine Kobra und ein Tiger, beide echt, kommen vor; die Liebäugelung mit dem Katastrophenfilm in Form spektakulärer, noch immer überaus beeindruckend wirkender Überschwemmungssequenzen verleiht Negulescos Film zusätzliche Schauwerte. Angesichts dessen verzeiht man sogar großmütig, dass Burton trotz Turban kein bisschen indisch ausschaut und dass MacMurray und besonders Rennie jeweils eine der unbeteiligsten, leidenschaftslosesten Leistungen ihrer Karriere vorweisen.

6/10

Jean Negulesco Indien amour fou Ehe Überschwemmung Erdbeben Louis Bromfield


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INDAGINE SU UN CITTADINO AL DI SOPRA DI OGNI SOSPETTO (Elio Petri/I 1970)


Zitat entfällt.

Indagine Su Un Cittadino Al Di Sopra Di Ogni Sospetto (Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger) ~ I 1970
Directed By: Elio Petri

Just zum obersten römischen Beamten für Untersuchungen gegen sozial zersetzende Elemente befördert, tötet der 'Dottore' (Gian Maria Volonté) zunächst einmal seine Geliebte (Florinda Bolkan), deren höhnische Arroganz ihm bereits seit längerem zu schaffen macht. Ganz gezielt legt der Dottore Spuren und Indizien, die über kurz oder lang zu seiner Person und damit Verhaftung führen sollten, verhält sich auf der anderen Seite den Kollegen gegenüber jedoch zunächst bedeckt. Alle Versuche jedoch, Parallelen zwischen dem Verbrechen und seiner Person zu evozieren, scheitern - lediglich ein Mitarbeiter (Orazio Orlando) scheint das längst Offensichtliche erkennen zu wollen. Doch die gesamte übrige Präfektur leugnet das nunmehr erfolgende Geständnis des Dottore ab - der Mörder bleibt in Dienst und Würden.

Italien am Scheideweg: Die Demokratie gebiert urplötzlich unbequeme Neuerscheinungen wie radikalpolitische Studenten, homosexuelle Aktivisten und Rote Brigaden. Die Straßen verwandeln sich in Schauplätze für Demonstrationen, Aufmärsche und Sit-Ins, konspirative Wohnungen mit Che-Guevara-Postern liegen im Marihuana-Dunst. Für die altehrwürdigen Anzugträger christlicher Prägung ein undenkbarer Zustand, weshalb rasch ein effektiver Vorzeigepolizist hermuss, der mittels resoluten Konservativismus' die althergebrachten Werte auf populistische Art und Weise wieder geradezurücken hat. Eine zunehmend computerisierte Bürokratie soll ihn dabei unterstützen. Dass jener Beamte ausgerechnet ein narzisstischer, ebenso sexuell inkompetenter wie paraphiler Hassmensch ist, dessen angekratztes Selbstbild sich in einem Mord aus Eitelkeit entlädt, entpuppt sich als eine etwas unangenehme, letzten Endes jedoch zu vernachlässigende Nebenerscheinung seiner ansonsten systemförderlichen Präsenz. Ob dieser Zustand hinnehmbar ist oder nicht, diese Entscheidung überlässt Petri am Ende seiner bissigen Anklage gegen rechten Filz und überkommene biedermännische Ideale weithin seinem Publikum, das zwischen Traum und Realität wählen darf.

8/10

Elio Petri Italien Madness Rom Parabel Satire


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LICENSE TO DRIVE (Greg Beeman/USA 1988)


"I'm a free man!"

License To Drive (Daddy's Cadillac) ~ USA 1988
Directed By: Greg Beeman

Der sechzehnjährige Les (Corey Haim) rasselt trotz eines hervorragenden Praxisteils durch die Führerscheinprüfung; es fehlt schlichterdings an den nötigen Theoriekenntnissen. Anstatt die Blamage preiszugeben, schwindelt er seinen Eltern (Richard Masur, Carol Kane) etwas vor, fliegt jedoch prompt auf. Das hält Les jedoch nicht davon ab, seine große Flamme Mercedes (Heather Graham) am selben Abend auszuführen - heimlich und mit dem in der Garage geparkten Cadillac des Großpapas (Parley Baer). Es komm, wie es kommen muss, alles, was schief gehen kann, geht schief und am nächsten Morgen hat sich der schnieke Oldtimer in einen fahrenden Missstand verwandelt. Doch Les erhält eine letzte Bewährungschance...

Urkomisch, diese zweite filmische Zusammenkunft der beiden Coreys Haim und Feldman, die einen ganz ähnlichen Humor wie Schumachers "The Lost Boys" aufweist, auf dessen Genre-Kapriolen zugunsten reiner Comedy jedoch verzichtet. Dafür musste neuerlich die Gemeinde der typischen Spät-Achtziger-California-Kids herhalten, die ähnlich wie "Bill & Ted" garantiert nichts in der Birne haben und sich stattdessen mittels Dreistigkeit und Impulsivität durchs Leben mogeln. Dabei liegen die besten Scherze natürlich nicht bei den in toto betrachtet eher marginalen Sunnyboys vom BRAVO-Poster, sondern bei den diversen, allenthalben eingeführten Nebenfiguren, seien es Les' soziopathischer Fahrprüfer (James Avery), der mit dem (Grant Godeve) von Les' zeitgleich die Prüfung ablegender Zwillingsschwester Natalie (Nina Siemaszko) parallelisiert wird, Natalies erzkommunistischer Freund Karl (Grant Heslov: "Wir gehen heute Abend auf eine Demo gegen alles") oder der den schönen Cadillac zu Schrott fahrende Besoffski (Henry Alan Miller). Erst diese ganze Latte superwitziger extras macht "License To Drive" aller sonstigen Stromlinienförmigkeit zum Trotze zu einer vollblütigen Lachparade.

7/10

Greg Beeman Los Angeles Familie Freundschaft Satire


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REAL GENIUS (Martha Coolidge/USA 1985)


"You know, something strange happened to me this morning.."

Real Genius (Was für ein Genie) ~ USA 1985
Directed By: Martha Coolidge

Der College-Professor Jerry Hathaway (William Atherton) wird vom US-Militär mit der Aufgabe betraut, einen neuartigen Präzisions-Laser zu wirkungsoptimieren. Da er selbst weder brillant noch fleißig genug für die effektive Arbeit an diesem Projekt ist, lässt er seine Studenten, teils wirre, dafür aber umso gescheitere Köpfe, die Arbeit für sich tun. Von diesen ahnt allerdings niemand, dass ihre Anstrengungen im Zeichen einer tödlichen Waffe geschehen. Neu in Hathaways Team ist das naive, von ihm selbst angeworbene Nachwuchsgenie Mitch Taylor(Gabe Jarret), das von seinem älteren Kommilitonen und Zimmergenossen, dem ausgeflippten Chris Knight (Val Kilmer), allerdings rasch eingenordet wird. Als die Jungs von Hathaways wahren Absichten erfahren, spielen sie ihm einen gehörigen Streich.

"Make Popcorn, not War" könnte der Slogan dieser klugen Anarcho-Komödie lauten, der für die Regisseurin Martha Coolidge von den in Sachen Ausgelassenheit überaus bewanderten Neil Israel und Pat Proft ersonnen wurde. Die Gags erreichen ein Niveau, das, so mag man etwas hochnäsig konstatieren, jenes üblicher zeitgenössischer College- und Highschool-Klamäuke locker in den Schatten stellt. Tatsächlich ist "Real Genius" so anti-militaristisch und anti-Reagan wie es seine Entstehungsperiode zuließ, er predigt Spaß, Ausgelassenheit, Schrankenlosigkeit und freies Denken, versöhnt sich auf nette Weise mit einem geheimnisvollen, im Kleiderschrank hausenden Alt-68er (Jon Gries), der einst durch einen ähnlichen Fähigkeitsmissbrauch wie seinen jungen Freunde traumatisiert wurde. Der arme William Atherton muss einmal mehr als unsympathischer Oberarsch herhalten, der allerdings - auch das as usual - glücklicherweise am Ende sein Fett abbekommt. Eine coole Zusammenstellung aus garantiert zeitverschiebungs-inkompatiblen Popsongs rundet die ganze Kiste ab. Flott!

8/10

Martha Coolidge Kalter Krieg College Satire Militär Coming of Age


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THE PHYSICIAN (Phillip Stölzl/D 2013)


"I don't want to treat warts all my life."

The Physician (Der Medicus) ~ D 2013
Directed By: Phillip Stölzl

England im frühen elften Jahrhundert: Nachdem seine Mutter an der 'Seitenkrankheit', einer Blinddarmentzündung, gestorben ist, schließt sich der junge Rob Cole (Adam Wright) einem Bader (Stellan Skarsgård) an, einem fahrenden Gaukler, Barbier und Wunderheiler, der allerlei Wehwehchen heilt. Schon früh entdeckt Rob seine Gabe, per Handauflegen bei Patienten den unmittelbar nahenden Tod voraussehen zu können. Viele Jahre bleibt er bei dem Bader und erlernt dessen Geschäft, bis er als Erwachsener (Tom Payne) Zeuge wird, wie ein jüdischer Medicus (Martin Hancock) dem Bader seinen Grauen Star sticht und ihn somit vor dem Erblinden rettet. Rob wird gewahr, dass wahre Heilkunst sehr viel komplexer ist als er es bislang vermutete und entschließt sich, nach Isfahan zu reisen, wo der große Arzt Ibn Sina (Ben Kingsley) eine Schule für angehende Mediziner leitet. Zunächst tarnt sich Rob als Jude, da Christen im Orient nicht gern gesehen sind. Nach einer langen, beschwerlichen Reise gelangt er an sein Ziel und wird tatsächlich Student bei Ibn Sina. Nicht nur die Heilkunde, auch die tief religiös konnotierten Konflikte zwischen den Seldschuken und Mullahs, den Juden und den Anhängern des monarchistisch geprägten Shah (Olivier Martinez) sowie die unglückliche Liebe zu der schönen Rebecca (Emma Rigby) bestimmen fortan das abenteuerliche Leben Robs, der es in der Folge schafft, die Beulenpest aus Isfahan zu verbannen und nach der heimlich durchgeführten Obduktion eines infolge der Appendizitis verstorbenen Patienten zum Tode verurteilt, jedoch in letzter Sekunde gerettet wird und dem Shah mittels einer Blinddarm-Operation das Leben rettet. Zurück in London eröffnet Rob gemeinsam mit Rebecca ein eigenes Krankenhaus.

Ich empfand die damalige Lektüre von Noah Gordons Romanschlager "Der Medicus" - sie mag nunmehr gute 25 Jahre zurückliegen - als sehr inspirierend und spannend und hätte mir schon dereinst eine Verfilmung gewünscht, zumal die vor Details und Opulenz strotzenden Beschreibungen des Autors geradezu nach einer luxuriösen Leinwand-Adaption schreien. Selbiges gilt übrigens auch für den Nachfolger "Der Schamane", in dem Rob Coles Nachfahren in die Neue Welt übersiedeln.
Erwartungsgemäß passt die epische Struktur des Romans nicht in einen Zweieinhalbstünder; etliche (mir wichtige) Stränge, wie seine Lehrjahre beim Bader oder die ausufernde Reiseerzählung um Robs einjährige Fahrt nach Isfahan sowie seine Konfrontationen mit Glaubensnuancen und seine anhaltenden Kollisionen mit der ewigen Divergenz zwischen Religion und Vernunft mussten weichen. Stölzls Film legt das narrative Hauptgewicht auf Robs Zeit in Isfahan und seine Beziehung zu Ibn Sina, der von Ben Kingsley erwartungsgemäß fürstlich interpretiert wird. Tiefergehende oder gar subtile Betrachtungen zu jedwedem der verhandelten Themen darf man, im Gegensatz zu inhaltlichen Simplifizierungen, von "The Physician" nicht erwarten; die Feindbilder sind mit den allen Fortschritt negierenden, glaubensverkrusteten Islamisten erwartungsgemäß höchst aktuell, was irgendwie auch erklärt, warum der Film gerade jetzt entstanden sein wird. Bei aller unterhaltenden Qualität, Bildgewalt und visuellen Wertigkeit bleibt er somit stets oberflächlich und betont unkompliziert konsumierbar. Ich meine, Gordons Buch hätte einen komplexere Umsetzung verdient gehabt.

6/10

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Funxton

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