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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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CLEARCUT (Ryszard Bugajski/CAN 1991)


"That is oral tradition!"

Clearcut (Die Rache des Wolfes) ~ CAN 1991
Directed By: Ryszard Bugajski

Der Papierfabrikant Bud Rickets (Michael Hogan) holzt rücksichtslos ein riesiges Forstgebiet an der US-kanadischen Grenze ab, das eigentlich im Besitz der hiesigen Indianer steht. Seine Verletzung des Stammesterritoriums vergilt Rickets den Ureinwohnern öffentlichkeitswirksam mit angeblichen zivilisatorischen Segnungen wie einem Stromnetz, Wasserversorgung und anderen Kinkerlitzchen, die sich bei genauerem Hinsehen als billig und kaum funktionstüchtig entpuppen. Der weiße Anwalt Peter Maguire (Ron Lea) vertritt die Interessen der Indianer vor Gericht, scheitert jedoch fortwährend an jeder neuen Instanz. Eines Tages entführt ein wie aus dem Nichts auftauchendes Stammesmitglied namens Arthur (Graham Greene) sowohl Peter als auch Rickets, lässt den reichen Unternehmer hautnah spüren, was seine Versündigungen an der Natur bedeuten und den liberalen Anwalt bei Rickets Qualen zusehen.

"Dances With Wolves" löste eine kleine, ökologieträchtige Rückbesinnung auf native Wertkonstrukte im Kino aus und ermöglichte neben einigen anderen, mehr oder minder gelungenen Beiträgen wie "Black Robe", "Thunderheart", "The Last Of The Mohicans" oder "Geronimo" auch den großartigen "Clearcut" des polnischen Filmemachers Ryszard Bugajski. Darin radikalisiert Graham Greene, der, ebenso wie der gesichtsgegerbte Floyd Westerman, in Costners Epos noch als gewissermaßen idealtypischer, weil ebenso spirituell wie besonnen veranlagter Indianer zu sehen war, ebendiese Rolle. In Arthur brodelt der aggressive Archaismus seiner Vorväter, Arthur ist einer der sagt "Genug", einer, der es leid ist, die romantischen Vorstellung der weißen Okkupanten von seinem Menschenschlag auszufüllen und der vom passiven Widerstand zurück ans Austeilen geht. Das Urteil darüber, ob Arthur ein durchgedrehter Amokläufer ist oder mit seiner Aktion tatsächlich ein zielgerichtetes Konzept verfolgt, überlässt "Clearcut" dem Zuschauer. Vielleicht ist Arthur aber auch bloß eine mystische Persönlichkeitsabspaltung Peters, der beim traditionellen Tipi-Schwitzen zuvor traszendente Erfahrungen gemacht hat und seiner eigenen, angepassten Hilflosigkeit trotzen möchte. Auch dafür spricht einiges, wenn man etwas genauer hinschaut. Letzten Endes ist eine rationale Erklärung der Ereignisse müßig; "Clearcut" versäumt bei all seiner Liebäugelei mit den Gerundzügen des Terrorfilms klugerweise, je exploitative Züge anzunehmen, er bleibt stets gleichermaßen hartes Drama wie respektables Kunstwerk.

9/10

Ryszard Bugajski Kanada Indianer Kidnapping


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DANCES WITH WOLVES (Kevin Costner/USA 1990)


"Turned injun, didn't ya?"

Dances With Wolves (Der mit dem Wolf tanzt) ~ USA 1990
Directed By: Kevin Costner

Im Glauben, sein Leben sei infolge der dräuenden Amputation seines Beines ohnehin nichts mehr wert, löst der schwer verletzte Unions-Lieutenant John Dunbar (Kevin Costner) in selbstmörderischem Einsatz ein Stellungsgefecht zugunsten seiner Leute und überlebt wie durch ein Wunder nebst allen Gliedmaßen. Zur Belohnung darf der kriegsmüde Offizier zum entlegensten Armeeposten im Westen aufbrechen und dort Stellung beziehen. Dunbar findet 'Fort Sedgwick' jedoch völlig verlassen vor, es gibt Hinweise auf Kämpfe mit Indianern. Es dauert nicht lange, bis er den ersten Sioux begegnet. Aus den zaghaften Annäherungen erwachsen zunächst gutnachbarschaftliche Verhältnisse und schließlich echte Freundschaft. Besonders mit dem Medizinmann Strampelnder Vogel (Graham Greene) verbindet Dunbar bald eine fast schon spirituelle Beziehung. Als der Soldat die verwitwete, als Kind von den Sioux adoptierte Weiße Steht-mit-einer-Faust (Mary McDonnell) lieben lernt und schließlich heiratet, wird er, ohnehin längst ein geachteter Jäger und Krieger, endgültig vollwertiges Mitglied des Stammes. Ein letztes, ungeplantes Treffen mit seinen vormaligen Mitsoldaten endet in einer Katastrophe, die Dunbar fast das Leben kostet. Seine neuen Brüder können ihn jedoch befreien. Dunbar ist jedoch klar, dass er als nunmehr berüchtigter Deserteur mittelfristig eine große Gefahr für die Sioux darstellt und verlässt mit seiner Frau die Indianer, um sich der weißen Justiz zu stellen und seine Geschichte zu erzählen.

Jede® hat wohl seine Handvoll Filme, die ihn oder sie schon mit den ersten, altvertrauten Klängen und Bildern zu Tränen rühren. "Dances With Wolves", ein Werk von höchster Signifikanz und Bewahrer des Westerngenres, zählt in meinem Falle dazu. Bereits mit dem Einsatz von John Barrys Musik und Dean Semlers goldgrünen Bildern, in die sich hier und da leuchtendes Rot stiehlt, bin ich verloren an Costners Epos, dass ich paradoxerweise nur selten anschauen kann, weil es am Ende so weh tut. Dabei ist die zur Wirkung dieses Effekts befleißigte Psychologie mindestens als naiv zu bezeichnen. Warum aber sollte es auf der anderen Seite komplexer Darstellungen benötigen, wo die Fronten doch so eindeutig sind? Kevin Costner als ultimativer 'agent médiatique' führt uns unbedarfte Weißbrote ein in die Weiten des alten amerikanischen Mittelwestens, in dem sich die Schönheit der Natur und die seit Jahrtausenden unveränderte Lebensart der Ureinwohner gegenüberstehen. Wie im im Osten geführten Bürgerkrieg gibt es auch hier Konfliktparteien, die aggressiven, kriegslustigen Pawnee auf der einen und die nur selten in "unzivilisiertes" Verhalten fallenden Sioux, die sich aufs Blut bekämpfen. Aber das ist seit eh und je die Natur der Dinge vor Ort. Wirkliche Störungen der Balance bringen erst die Weißen ins Gefüge, mit Gewehren, Schnaps, rüpelhafter Dummheit und Lautstärke. John Dunbar als feingeistiger Intellektueller legt nach und nach seine alte Lebensweisen ab und assimiliert sich zunächst mental, dann auch äußerlich und schließlich psychisch an sein neues Volk, das ihn in ebensolcher Weise und nach Überwindung gesunder Vorurteile gegen den Hellhäutigen aufnimmt. Bis dahin ist "Dances With Wolves" geprägt von einer tiefen Ausgeglichenheit, die den Lebensalltag der natives illustriert; Lebenslust, Freundschaft, Liebe, Aufrichtigkeit, existenzieller Kreislauf. Dass die Sioux nicht mit sich spaßen lassen, zeigt zumindest eine in der Langfassung enthaltene Szene: Dunbar entdeckt, noch zu Beginn seiner Beziehung zu ihnen, dass die sonst eher friedlichen Indianer eine Gruppe weißer Büffelfelljäger aufgemischt, getötet und verstümmelt haben. Doch handelte es sich dabei um eine nachvollziehbare Strafexpedition. Die schließlich einfallenden Blauröcke treten dann mit allen schlechten Eigenschaften der weißen Rasse an: Als dumme, brutale Analphabeten und gefühlsentledigte Mordbrenner töten sie Dunbars geliebtes Pferd und, noch frevelhafter, den ihm auf Schritt und Tritt folgenden Wolf, das Symbol für seine Renaturierung. Mit Dunbars künstlerisch gestalteten Tagebuchseiten wischt man sich buchstäblich den Arsch und haut dem Wehrlosen gleich mehrfach einen Gewehrkolben an die Schläfe.
Eine gewaltige Konterkarierung der 'klassischen Verhältnisse' also, die freilich ihren Anfang in "Little Big Man" und "Soldier Blue" genommen hat und hier nochmals verschärft, dafür jedoch zumindest teilweise wieder gerade gerückt wird. Allerdings nicht für lange, wie uns Dunbars trauriger Abschied von seiner neuen Familie und die finale Tafel erinnern.

10/10

Kevin Costner Sezessionskrieg Indianer Freundschaft South Dakota Best Picture Kavallerie


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FLAME OF BARBARY COAST (Joseph Kane/USA 1945)


"Playing cards is like handling women: You just have to do it right..."

Flame Of Barbary Coast (San Francisco Lilly) ~ USA 1945
Directed By: Joseph Kane

Im Frühjahr 1906 kommt der eher rustikale Rancher Duke Fergus (John Wayne) von Montana nach San Francisco, um 500 Dollar von dem Spielhöllen-Besitzer Tito Morell (Joseph Schildkraut) einzutreiben. In Frisco angekommen zecht Duke, begeistert von der in Morells Casino "El Dorado" auftretenden Tingeltangel-Sängerin Ann Tarry (Ann Dvorak), die ganze Nacht hindurch. Dabei nimmt Morell ihm eine zuvor beim Würfeln gewonnene, stattliche Summe beim Pokern wieder ab, darunter auch die eingangs geschuldete Summe. Zurück in Montana bemerkt Duke, dass er diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen mag, übt sich im Pokern und kehrt nach Frisco zurück, um nicht nur Boss Morell zu entthronen, sondern auch um Anns Liebe zu gewinnen. Mit dem großen Erdbeben im April kann allerdings auch Duke nicht rechnen.

Ein reizender kleiner Film, den Duke Wayne noch für die Republic gemacht hat, mit mächtig Staub und Patina, die seinen ureigenen, über die Dekaden gefestigten Charme jedoch zu keinen Zeitpunkt unterminieren.
Obgleich "Flame Of The Barbary Coast" westlicher ja gar nicht angesiedelt sein könnte, trägt er nur unwesentliche Züge eines Western: Die einzige Figur mit Cowboy-Manieren ist tatsächlich Duke Fergus, wobei dieser ein Ass ist in punkto Adaption und es denn zigarrerauchenden, schmunzelnden Frisco-Fatzken ohne Benimm, die hinter Dukes ruraler Fassade keinen ernstzunehmenden Gegner vermuten, alsbald mit barer Münze heimzahlt. Dazwischen gibt es ein paar schöne, ohrwurmlastige Bühnennummern von Ann Dvorak (ganz offensichtlich angelegt als Marlene-Substitut) und der eigentlich noch hübscheren Virginia Grey. Das etwas albern getrickste, "gigantische" Erdbeben schließlich wirkt wie ein reinigendes Gewitter; es zeigt sämtlichen Hauptcharakteren deren wahre Natur und Zugehörigkeit auf, schweißt unvermuteterweise das erhoffte Paar zusammen und lässt den bass erstaunten Antagonisten immerhin als guten Verlierer (und lebendig) zurück, derweil Duke das purifizierte Großstadtmtadtmädchen mit aufs Land nimmt. Bloß: Ob es da glücklich wird?

7/10

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SPONTANEOUS COMBUSTION (Tobe Hooper/ USA 1990)


"Burn, motherfuckers!"

Spontaneous Combustion (Fire Syndrome) ~ USA 1990
Directed By: Tobe Hooper

Erst als gesetzter Erwachsener findet Sam (Brad Dourif) heraus, dass sein ganzes Leben eine wohlfeil konstruierte Lüge ist. Tatsächlich waren seine Eltern (Stacy Edwards, Brian Bremer) vor 35 Jahren als Versuchskaninchen bei einer Atombombenzündung anwesend, die Mutter bereits hochschwanger. Kurz nach Sams Geburt kamen dann beide durch spontane Selbstentzündung ums Leben. Nun, als etablierter Hochschullehrer tätig und in einer scheinbar gesunden Beziehung lebend, muss Sam feststellen, dass er ein Mutant ist, der nicht nur selbst aus seinem Körper heraus Flammen schießen lassen kann, sondern der darüber hinaus auch pyrokinetische Kräfte besitzt, also weit entfernte Objekte durch reine Gedankenkraft in Brand zu setzen vermag. Für die Wissenschaftler-Clique, die Sam seit seiner Geburt beobachtet und lenkt, ein bedauerliches Faktum, denn Sam ist über diese Erkenntnisse alles andere als glücklich...

Was einem typischen Cronenberg-Stoff auf den ersten Blick sicherlich nicht unähnlich ist, entpuppt sich zumindest teilweise als idiosynkratisch inkompatibel mit den Filmen des Kanadiers. Immerhin ist Sam bzw. David, wie sein richtiger Name lautet, kein Resultat fehlgeleiteter chirurgischer oder pharmakologischer Experimente, sondern eine Art verfemte Superhelden-Antwort auf das Atomzeitalter, ein "X-Man" ohne die für die persönliche Stabilität notwendige peer group, sozusagen. Auch ein gutes inhaltliches Maß von Stephen Kings "Firestarter", respektive dessen Adaption durch Mark L. Lester hat Tobe Hooper für sein Script verwursten können, zumal ja auch die kleine Charlie gewissermaßen als Spielball für skrupellose Autoritäten herhalten muss und sich dafür grausam rächt. Im Gegensatz zu jenen popkulturellen Vorläufern verkraftet Sam selbst den Einsatz seiner Fähigkeiten jedoch weniger gut und verbrutzelt sich mit jedem weiteren Pyro-Akt stets ein bisschen mehr, bis hin zum Unausweichlichen. John Landis hat eine guest appearance erster Klasse bekommen, wenn er als genervter Radiotechniker als Erster die furchtbare Macht Sams zu spüren bekommt. Somit ist auch "Spontaneous Combustion" vielleicht am ehesten als spaßiger Schnack zu verstehen und weniger als bierenst zu nehmender Genrevertreter. Insofern kommt man sicherlich zumindest besser klar mit ihm.

5/10

Tobe Hooper Pyrokinese Atombombe Verschwörung


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INVADERS FROM MARS (Tobe Hooper/USA 1986)


"Don't worry, Son! We Marines have no qualms about killing Martians!"

Invaders From Mars (Invasion vom Mars) ~ USA 1986
Directed By: Tobe Hooper

Der kleine David Gardner (Hunter Carson) wird Zeuge einer nächtlichen Raumschifflandung hinter dem heimischen Grundstück. Nachdem sein bei der NASA tätiger Vater (Timothy Bottoms) am nächsten Morgen nach dem Rechten sieht, kommt er später seltsam verändert zurück und hat außerdem eine merkwürdige Wunde im Nacken. Als wäre dies nicht genug, nehmen immer mehr Personen in Davids Umfeld seltsame Verhaltensweisen an und weisen jene Nackenwunde auf; selbst seine ohnehin schreckliche Lehrerin Mrs. McKeltch (Louise Fletcher) gibt sich plötzlich noch viel schrecklicher als gewohnt. Nur die etwas einfältige Schulkrankenschwester Linda (Karen Black) steht David bald noch zur Seite. Der Junge findet bald heraus, was hinter dem häuslichen Sandhügel vor sich geht: Potthässliche Aliens vom Mars sind dort gelandet und treiben allerlei sinistres Zeug.

Dass Tobe Hooper ein glänzender Satiriker ist, der vielleicht nicht ganz das Kaliber eines Joe Dante oder John Landis erreicht, zumindest aber einen vortrefflich-speziellen Sinn für Humor besitzt, wird mir immer bewusster. Sein Remake des hübsch naiven Kalter-Kriegs-Klassikers "Invaders From Mars", das er zu deren Hochphase für die Cannon inszenierte, geht jedenfalls als ziemlich wilde Humoreske durch, die neben der a priori betont kindlichen Perspektive betreffs der geschilderten Ereignisse - (prä-)pubertäre Kids waren damals ohnehin die Abenteurer der Stunde, wie man sich erinnern wird - ein bisschen was von grimm'schen Märchenwelten mit sich führt und diese lustvoll mit modischem Horrortrash verbindet. So steckt "Invaders From Mars" voller Reminiszenzen nicht nur an die eigene Urquelle. Zudem standen Hooper einige hervorragende Spezialisten zur Seite, die ergänzend die audiovisuellen Aspekte überaus ansehnlich zu gestalten wussten: John Dykstra, Stan Winston und, wenn schon nicht Jerry Goldsmith, so zumindest mit Christopher Young dessen perfekter Kopist. Purstes Gold natürlich die Szene, in der Hunter Carson Louise Fletcher beim heimlichen Vertilgen eines Frosches erwischt und fast noch mehr deren entsprechende Reprise, wenn Louise Fletcher auf dieselbe Weise von einem Marsmenschen verschlungen wird (derweil dessen Gegenüber sich totlacht). Doch doch, den kann man schon liebhaben.

7/10

Tobe Hooper Cannon Remake Aliens Invasion Kind Militär


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DAS INDISCHE GRABMAL (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ich bin durstig. Bring mir Wasser."

Das indische Grabmal ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Nachdem eine Karawane die beiden Entfohenen Harald Berger (Paul Hubschmid) und Seetha (Debra Paget) halbverdurstet in der Wüste gefunden hat, machen sie sich von einem Provinzdorf aus weiter ins Gebirge auf. Doch dort finden sie die Häscher des Maharadschas Chandra (Walter Reyer). Derweil verweilen Bergers Schwester Irene Rohde (Sabine Bethmann) und deren Mann Walter (Claus Holm), die während der Flucht des Paares nichtsahnend im Palast angekommen sind und von Chandra eine Lügengeschichte bezüglich Bergers Verbleib aufgetischt bekommen in den Gemächern des Maharadscha. Rohde soll für diesen, der vor Eifersucht rast, ein Grabmal bauen, das für die illoyale Seetha bestimmt ist. Zuvor soll sie allerdings noch Chandras Gemahlin werden. Über dem Usurpator braut sich derweil bereits ein aufständisches Unwetter zusammen...

Der Nachfolgefilm zum "Tiger von Eschnapur" ist im Vergleich etwas weniger schwelgerisch und stattdessen um einiges zügiger und flotter geraten als der Erstling. Er genießt somit die Vorteile vieler konzeptueller Sequels - Handlungsträger und Ausgangssituation sind etabliert und der Film kann dramaturgisch sogleich aus den Vollen schöpfen. So gibt er sich denn auch um Einiges spektakulärer: Debra Paget wiederholt ihren Tempeltanz aus dem ersten Teil in weitaus gewagterer Garderobe, hinzu kommen schön ranzige Elemente wie eine künstliche Kobra, Krokodile und besonders die zombieesk gezeichneten Leprösen, die als eine Art ungeliebter Horror-Schandfleck ihr Dasein im hinterletzten Katakombenverlies fristen und schließlich unter einigem Gestöhne ausbrechen. Harald Berger entwickelt sich mehr und mehr zu einer gutdeutschen, may'schen Heldenfigur vort exotischer Kulisse mit Bärenkräften und unablässigem Mut.
Für den langsam erblindenden Lang und dessen Kunst, die danach nur noch "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" für Atze Brauners CCC hervorbrachte, im Prinzip kein Ruhmesblatt, muss man die Dublette in etwa analog zu "Land Of The Pharaos" im Œuvre Howard Hawks' betrachten: Hier machen große Regisseure ganz bewusst Schund für die Massen. Und eben weil sie groß waren, ist auch ihr Schund groß - im allerbesten Wortsinne.

7/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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DER TIGER VON ESCHNAPUR (Fritz Lang/BRD, F, I 1959)


"Ist das Indien?"

Der Tiger von Eschnapur ~ BRD/F/I 1959
Directed By: Fritz Lang

Der deutsche Architekt Harald Berger (Paul Hubschmid) soll für Chandra (Walter Reyer), den Maharadscha der indischen Provinz Eschnapur, ein neues Krankenhaus entwerfen und bauen. Bereits auf der Reise zum Palast Chandras lernt Berger die Tempeltänzerin Seetha (Debra Paget) kennen und beschützt sie vor einem menschenfressenden Tiger. Seetha ist ebenfalls auf dem Wege zum Maharadscha, der als Witwer ein Auge auf sie geworfen hat und sie insgeheim zu heiraten plant. Als seine Untergebenen davon erfahren, beginnt es zu brodeln - eine ordinäre Tänzerin darf niemals den Platz der verstorbenen Maharani einnehmen. Zudem verliebt sich Seetha in Berger. Als Chandra davon erfährt, sieht er rot. Berger und Seetha bleibt nurmehr die Flucht in den Dschungel...

Für die mittlerweile dritte Verfilmung des einst von Fritz Langs damaliger Frau Thea von Harbou erdachten Stoffes um eine wildromantische Liebesgeschichte in schwülem indischen Klima gelang Arthur Brauner einer seiner größten Coups: Er holte Lang, der zuvor insbesondere seine Arbeit an dem Kostümfilm "Moonfleet" als im Nachhinein frustrierend empfand und auf Besuch in Deutschland weilte, mittels eines Vertrags mit der CCC langfristig zurück aus Hollywood in die alte Heimat. Zunächst sollte Lang ein "Nibelungen"-Remake drehen, was sich jedoch fürs Erste zerschlug. Brauner produzierte dieses sieben Jahre später trotzdem - mit Harald Reinl als Regisseur. Lang übernahm stattdessen eine alte Herzensangelegenheit: Mit dem Zweiteiler "Der Tiger von Eschnapur" und "Das indische Grabmal" verband ihn eine fast 35 Jahre alte Beziehung. Nachdem von Harbou das Originalscript verfasst hatte, wurde es nämlich ehedem von Joe May, der das Prestige-Projekt nicht dem Jungspund überlassen wollte, inszeniert. Lang hatte nun die Möglichkeit, sich mittels prachtvoller Farbgestaltung und einer deftig-campigen Aufbereitung des Stoffs für die einstige Schmach zu revanchieren. Trotz des für Brauner-Verhältnisse großzügigen Budgets wurden die beiden mit gut zweimonatigem Abstand gestarteten Filme ein nationaler Erfolg, avancierten zur beständigsten der drei Versionen und haben sich bis heute ihren Status als Fernseh-Evergreens vom Schlage der "Sissi"- oder Karl-May-Filme bewahren können.

6/10

Fritz Lang Indien Camp Remake


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SEIN LETZTES RENNEN (Kilian Riedhof/D 2013)


"Geht doch gut."

Sein letztes Rennen ~ D 2013
Directed By: Kilian Riedhof

Nachdem seine Frau Margot (Tatja Seibt) mehrfach binnen kürzester Zeit zusammengeklappt ist, legt man Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) und ihr nahe, doch ins Seniorenheim zu gehen. Dort nimmt sich vornehmlich die junge, einsame Therapeutin Müller (Katharina Lorenz) der alten Menschen an und strukturiert ihr Programm gerade so einfallslos, wie die Konvention es gestattet. Paul, ehemals ein weltberühmter Läufer, weigert sich, seinen Alltag in solch trister Weise zu begehen und nimmt sich stattdessen vor, sich selbst und den anderen ein letztes Mal zu zeigen, was er kann und den Berlin-Marathon zu laufen. Was zunächst mit ungläubgem Staunen und Kopfschütteln quittiert wird, entwickelt sich bald zum festen Lebensziel, wenngleich es unter schweren Verlusten angegangen werden muss.

"Man ist so alt, wie man sich fühlt". Oder sich gibt, sich präsentiert. Dem Interview mit Dieter Hallervorden auf der Blu-Ray nach zu urteilen ist der Mann, der da zum Gespräch gebeten wurde, jener Weisheit zufolge vielleicht halb so alt, wie es in seinem Ausweis steht. Unglaublich, dass ein Mann dieser - nummerischen - Jahre und Lebenserfahrung noch so unverbraucht und unverkrampft aus dem Nähkästchen plaudert. Wenn alt werden so aussieht, dann möchte ich das auch. Paul Averhoff, der Mann, dem Hallervorden in "Sein letztes Rennen" mit stiller Hingabe und wenig Worten eine ganze Biographie einhaucht, ist deutlich älter als der ihn darstellende Schauspieler, so viel ist sicher. Hier und da ein wenig kauzig, allerlei Tütteligkeiten und Sperenzchen pflegend, weiß er, dass er sich im (von Riedhof auch filmisch wunderhübsch illustrierten) Herbst seines Lebens befindet, leugnet ein wenig, dass es seiner Margot täglich schlechter geht und vielleicht auch, dass er tatsächlich selbst zum "Alten Eisen" zählt. Was ihm letztlich den entscheidenden Auftrieb gibt, ist die Tatsache, dass er sich aller Erwartungen und Rollenkonventionen zum Trotz schlichterdings nicht damit abfindet. Averhoff geht bzw. läuft unverdrossen seinen Weg und wird dafür belohnt, mit Freundschaft, Ehrerbietung und neuem Familienglück - ganz unsentimental, ganz realistisch. Und Regisseur KIlian Riedhof ist ein großer Film über das Altwerden in Würde gelungen, mit einem Hallervorden, der im Kino vielleicht noch nie so gut war.

8/10

Kilian Riedhof Berlin Marathon Ehe Alter Familie Herbst


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BUTCHER BOYS (Duane Graves, Justin Meeks/USA 2012)


"Excuse me, Ma'am."

Butcher Boys ~ USA 2012
Directed By: Duane Graves/Justin Meeks

Auf einer Tour durch das nächtliche San Antonio gerät die verwöhnte Sissy (Ali Faulkner) nach ihrer Geburtstagsparty und infolge eines Rennens gegen ein paar andere Kids in die Fänge einer Straßengang, der 'Boneboys', der sämtliche Freunde Sissys und übrige Beteiligte unversehens und ratzeputz zum Opfer fallen. Obschon die Boneboys sich äußerlich nicht von der "Konkurrenz" unterscheiden, haben sie doch eine signifikante Eigenart: Sie essen ihre Opfer auf. Damit nicht genug, verbirgt sich, wie Sissy als einzige Überlebende bald feststellen muss, hinter der äußerlichen Unscheinbarkeit des Gang-Hauptquartiers im Industrieviertel der Stadt ein wahres Höllenkabinett, denn hier wird ganz besonderes Fleisch für ganz besondere 'gourmands' produziert...

Die einmal herbeigerufenen, kannibalischen Texaner lassen den armen Kim Henkel offenbar nicht los - mit "Butcher Boys" oder "Bone Boys", wie der alternative Titel dieses fiesen, kleinen Films lautet, legt der Autor von "The Texas Chain Saw Massacre" ein weiteres, inoffizielles Remake des von ihm mitkreierten Originals vor, unter etwas anderer Determination zwar, mit milder Sozialkritik versehen und unter stetiger Berufung auf ein satirisches Essay Jonathan Swifts, atmosphärisch und im Hinblick auf seinen ganz natürlichen Wahnsinn jedoch eine echte "TCM"-Vollblut-Variation und sicherlich wesentlich verwandter mit dem mentalen Grundstock des ursprünglichen Franchise denn all seine übrigen Sequels und Neuverfilmungen. Tatsächlich haben Henkel und seine beiden Regisseure Graves und Meeks das eigentlich Unerwartbare bewältigt: Ein zeitgemäßes, gekonntes Reboot zu schaffen, das den bösen Humor der Geschichte präserviert und sich im Gegensatz zu den letzten nominellen "TCM"-Filmen, keiner Publikumsschicht anbiedert - mit Ausnahme von Liebhabern des 74er-Originals vielleicht, die neben dem Genuss eines ruppigen Genrestücks die Möglichkeit erhalten, viele Reminiszenzen in personeller und formaler Gestalt auszumachen. Irgendwie geil auch, dass der Film auf der imdb so mies abschneidet, weist dies doch ganz wunderbar nach, wie speziell und ungemütlich er ist.

7/10

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SLAUGHTERHOUSE-FIVE (George Roy Hill/USA 1972)


"Hello. Farewell."

Slaughterhouse-Five (Schlachthof 5) ~ USA 1972
Directed By: George Roy Hill

Der Weltkriegsveteran und wohlhabende Firmenvorsitzende Billy Pilgrim (Michael Sacks) besitzt die Fähigkeit, inmitten seines eigenen Bewusstseins ohne Zeit- und Raumbarrieren umherzureisen. So kann es sein, dass er in der einen Sekunde in seinem Körper als alter Mann in der heimischen Villa steckt, nur um sich in der nächsten als junger G.I. hinter feindlichen Linien in den Ardennen wiederzufinden. Das bedeutet auch, dass Billy den genauen Zeitpunkt und die Umstände seines Todes kennt. Ferner sind Aliens vom Planeten Tralfamadore auf ihn aufmerksam geworden, die wie er, vierdimensionale Lebewesen sind und ihn daher mitsamt seinem Lebensbegleiter und Hund Spot und seiner heimlichen Lebensliebe, dem Pin-Up-Girl Montana Wildhack (Valerie Perrine) auf ihren Planeten holen, um dort in abgeschirmtem Areal eine Familie zu gründen.

Drei Jahre nach Erscheinen von Vonneguts monolithischem Roman "Slaughterhouse-5 or The Children's Crusade: A Duty-Dance With Death" machte sich George Roy Hill an dessen Verfilmung und schuf mit ihr ein vordringliches Meisterwerk der Literaturadaption. Hinter einer komplex-tragikomischen Biographie, die, angesiedelt in New Hampshire statt in Minnesota und vielleicht noch ergänzend angereichert mit einem Bären, in ganz ähnlicher Form später auch von einem John Irving hätte stammen mögen, verbirgt sich ein zutiefst involvierendes Antikriegs-Pamphlet (Vonnegut hatte die Bombardierung Dresdens tatsächlich als Kriegsgefangener in jenem städtischen Schlachthof miterlebt und beidem durch den Roman eine weitaus größere Öffentlichkeit eingetragen), und, ganz beiläufig und profan, der weise Ratschlag, sich auf die schönen, wertvollen, unwiederbringlichen Momente im Leben zu konzentrieren und die bösen, traurigen, verzichtbaren beiseite zu schieben. Dabei sind die Science-Fiction-Elemente durchaus diskutabel bzw. lassen sich als eine Art literarischer Katabolismus begreifen: Ob Billy Pilgrim nur wirklich das "Zweite Gesicht" und die Fähigkeit zur vierdimensionaler Flexibilität besitzt oder sich wie jeder alternde Mensch lediglich bildhaft an Vergangenes erinnert, ob Tralfamadore nun wirklich ein ferner Planet oder vielleicht doch bloß ein bewusstseinsverändernder Schmerzlöser ist, das alles spielt letzten Endes eine untergeordnete Rolle. Was "Slaughterhouse-5" bestimmt und so wertvoll macht, ist seine leise, aber umso unmissverständlicher vorgetragene Botschaft.

10/10

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