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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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GOOD MORNING, VIETNAM (Barry Levinson/USA 1987)


"Hey, this is not a test. This is rock and roll!"

Good Morning, Vietnam ~ USA 1987
Directed By: Barry Levinson

Im Sommer 1965 kommt der AFRS-Radio-DJ Adrian Cronauer (Robin Williams) geradewegs aus Griechenland in Saigon an. Er soll den eher bieder geführten, lokalen Militär-Radiosender für die G.I.s durch seine sowohl von brachialer Wortkomik als auch von erlesenem Musikgeschmack geprägten Shows aufwerten. Während das vornehmlich im Feld befindliche Publikum seine Moderationen liebt und seine Shows zum wahren "Soundtrack des Krieges" avancieren, ist Cronauer seinen Vorgesetzten Dickerson (J.T. Walsh) und Hauk (Bruno Kirby) mit seinen oftmals bissigen Parodien ein Dorn im Auge: Cronauer setzt sich über Nachrichtenzensur hinweg, verballhornt gnadenlos die US-Außenpolitik nebst deren Vertreter und gilt Teilen der Kommandatur daher bald als subversives Element in den eigenen Reihen. Als sich Cronauers einheimischer Freund Tuan (Tung Thanh Tran) als antiamerikanischer Terrorist entpuppt, hat Dickerson endlich sein finales Alibi dafür gefunden, Cronauer abzusetzen.

Unter den vielen Vietnamkriegsfilmen der dritten Welle, die in der zweiten Hälfte der Achtziger durch die Kinos schwappte, nimmt "Good Morning, Vietnam" eine Sonderstellung ein. Er verzichtet fast gänzlich darauf, US-Militärs bei Kampfhandlungen zu zeigen sondern schildert vielmehr den perversen Normalzustand einer Großstadt, in der eine überseeische Invasionsmacht sich anschickt, Weltpolizei zu spielen und sich in die internen Belange einer Nation am anderen Ende der Welt einzumischen. Erst durch Robin Williams in seiner authentischen Rolle des tatsächlichen Airman Adrian Cronauer, der mit seinem improvisierten Schallgeschwindigkeitsgeschnatter das personelle und moralische Zentrum des Films bekleidet, erreichte Levinsons fünfte Kino-Regie allerdings ihren so spezifischen Auftritt. Jene Mischung aus manischem Humor auf der einen und verzweifelter Betrübnis auf der anderen Seite kennzeichnet Williams' künftiges Œuvre wie keine andere seiner darstellerischen Facetten und war zugleich wohl auch tragisches Abbild seiner realen Identität. Davon profitiert "Good Morning, Vietnam" einerseits beträchtlich, bezieht aus dieser Windrichtung jedoch gleichfalls manche Pathosschwelle.
Wie aus "Diner" gewohnt, stellt sich der Einsatz zeitgenössischer Songs sowohl in qualitativer wie quantitativer Hinsicht als eines der Herzelemente des Gesamtwerks da - James Bowns "I Got You (I Feel Good)" und ganz besonders Louis Armstrongs "What A Wonderful World" etwa erlebten durch "Good Morning, Vietnam" jeweils eine Renaissance, die ihre ursprünglichen Erfolgsgeschichten sogar noch überstrahlte. Im Falle des Satchmo-Titels ist diese Anekdote besonders komisch: Der Song wurde 1967 aufgenommen, zwei Jahre also, nachdem die Ereignisse des Films sich ansiedeln.

8/10

Barry Levinson Musik Biopic Vietnam Saigon Vietnamkrieg period piece Freundschaft Terrorismus Militär


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DINER (Barry Levinson/USA 1982)


"The only hand on your pecker is going to be your own!"

Diner (American Diner) ~ USA 1962
Directed By: Barry Levinson

Baltimore, 1959: Sechs Freunde stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden oder haben diese bereits überschritten. Eddie (Steve Guttenberg) steht kurz vor seiner Hochzeit, kann sich aber noch nicht recht entschließen, jenen finalen Schritt zu wagen; Shrevie (Daniel Stern) ist bereits mit Beth (Ellen Barkin) verheiratet, doch in ihrer Ehe kriselt es bereits; Boogie (Mickey Rourke) schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben und verwettet jeden verdienten Dollar; Fenwick (Kevin Bacon) leidet unter den für ihn uneinlösbaren Erwartungen seiner Familie und hat ein Alkoholproblem, Billy (Tim Daly) studiert bereits und ist gerade dabei, Vater eines unehelichen Kindes zu werden und Modell (Paul Reiser) lässt sich gern einladen, um nicht als bettelnder Schnorrer dazustehen.

Eine straighte Geschichte gibt es in Barry Levinsons schönem Regiedebüt nicht; vielmehr verflicht er die autobiographisch gefärbten Segmente mit gehörigem Zeitkolorit etwa in Form eines sorfältig kompilierten Soundtracks zu einem wiederum dicht verwobenen Ganzen, das Bestand hat als Porträt seiner Jugend und Stadt. "Diner" wird sich später zudem als erster Film seines bis dato vierteiligen "Baltimore-Zyklus" im cineastischen Bewusstsein verankern. Da in der neuenglischen Metropole noch vieles aussieht wie ano dunnemals benötigt Levinson lediglich ein paar alte Autos als Requisiten; das titelspendende Restaurant, Dreh- und Angelpunkt des Sextetts, war zum Drehzeitpunkt des Films noch existent und konnte praktisch unmodifiziert genutzt werden. So atmet "Diner" trotz eines verbrieft geringen Budgets und seiner besonders im entstehungszeitlichen Kontext intimen Art der Darbietung den Hauch großen Kinos. Rückblickend sorgt dafür natürlich auch die aus damals noch unbekannten Nachwüchslern bestehende Gardebesetzung, worunter insbesondere Mickey Rourke, dessen Boogie ohnehin als heimliche Hauptfigur des Geschehens durchgeht, bereits Zeugnis seiner unbestrittenen Klasse ablegt. Ein Liebhaberstück.

8/10

Barry Levinson Freundschaft Ehe period piece Baltimore ethnics Coming of Age Winter


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DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Dominik Graf/D, AU, CH 2014)


"Sie haben die falsche Schöne begrüßt."

Die geliebten Schwestern ~ D/AU/CH 2014
Directed By: Dominik Graf

1788 begegnet der junge Friedrich Schiller (Florian Stetter) in Weimar erstmals seine zukünftige Gattin Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius), die gerade in Erziehungsfragen bei der Familienfreundin Charlotte von Stein (Maja Maranov) weilt. Bei einem späteren Besuch in ihrer Heimat Rudolstadt lernt Schiller dann auch Charlotte ältere, bereits in einer "Vernunftehe" situierte Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) kennen und verliebt sich gleichermaßen in sie. Die Dreiecksbeziehung hält sich zunächst und bleibt selbst über Schillers Eheschließung mit Charlotte hinaus beständig. Als das Paar jedoch das erste Kind zur Welt bringt, kommt es zwischen den Schwestern zum Zerwürfnis, zumal offenbar bald auch Caroline ein Kind von Schiller erwartet. Erst wenige Monate vor dem Tod des großen Dichters findet die Familie wieder zusammen.

Mutter von Lengefeld (Claudia Messner) und ihre beiden Töchter waren, so suggeriert der Film mit der Stimme des Freundes Wilhelm von Wolzogen (Ronald Zehrfeld), ein familiär verwurzeltes Frauen-Triumvirat, das lebte, um seine Männer zu überleben. Am Ende, nach rund sechzehn Jahren erzählter Zeit, ist die Ausgangslage wieder erreicht: Die drei Frauen sind mitsamt ihren mittlerweile geborenen Kindern wieder zurück in die feimistische Dreieinigkeit zurückgekehrt. Ohne sich allzu sklavisch an historische Fakten zu klammern - auktoriale Kommentare zum zeitlich komprimierten Werdegang der Protagonisten streut Graf selbst in regelmäßigen Abständen ein - interessiert sich der Regisseur vor allem für das aufklärerisch gefärbte Leben der beiden Schwestern von Lengefeld: Beide verweigern sich den recht streng gefassten, gesellschaftlichen Konventionen und Normen von Stand und Zeit; besonders Caroline schwelgt in selbstgewählter Promiskuität und persönlichen Lebensentscheidungen. Sie schreibt erfolgreich einen Fortsetzungsroman unter Pseudonym, bringt ihr uneheliches Kind zur Welt und ringt die Scheidung von ihrem ersten, ungeliebten Ehemann von Beulwitz (Andreas Pietschmann), den sie dereinst lediglich heiratete, um den Tod des Vaters wirtschaftlich abzufedern.
Graf gelingt somit ein ansehnliches Zeit- und Sittengemälde mit einigen charmanten Regieeinfällen, das in seiner präferierten Schnittfassung eine stattliche Laufzeit erreicht. Dennoch muss ich den "geliebten Schwestern" bescheinigen, die immanente Spannung vieler in den letzten Jahren vornehmlich fürs Fernsehen und dazumal auch fürs Kino entstandenen Werke nicht zu erreichen. Dafür ist der Film dann hier und da vielleicht doch zu gesetzt, etwas zu zufrieden mit sich selbst.

7/10

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SHORT CUTS (Robert Altman/USA 1993)


"That was a 35 dollar belt!"

Short Cuts ~ USA 1993
Directed By: Robert Altman

L.A. Stories: Fliegengift, Dysfunktionale Beziehungen,Gleichgültigkeit, Spießertum, Lügen, Betrug, Eigennutz, Unfähigkeit zu Empathie und/oder Lebensrevision, Überreaktionen, Liebe, Hass und Tod.

Wie im vorhergehden Eintrag zu "Grand Canyon" erwähnt, nicht nur ein companion piece zu selbigem, sondern zugleich dessen contradiction piece. Wo uns Kasdan noch hoffnungsvolle Wege aus dem allumfassenden, südkalifornischen Existenzelend aufzeigt, bringt Altman alles in einer von mehreren großartigen, von Annie Ross gesungenen Jazzballaden auf den Punkt: "I'm a prisoner of life".
"Short Cuts" ist ein manchmal absurd komisches, manchmal todtrauriges Präludium zum zivilisatorischen Armageddon: Die Geschichten sind nicht meta-existenziell, symbolisch oder gar exemplarisch angelegt wie bei Kasdan, sie sind Momentaufnahmen stinknormaler Alltagsereignisse. Zwar befinden mehrere der auftretenden Protagonisten sich wahlweise an der Schwelle zur Psychose, haben diese bereits überschritten oder können sich gerade noch davor retten, doch auch das kommentiert der bereits reife Altman mit dem ihm eigenen, sarkastischen Achselzucken. Es ist, wie es ist und daran ändert sowieso keiner etwas. Möglicherweise schlägt auch bloß die widerwillig planierte, planquadrierte Natur zurück: Das nächtens über der Stadt verteilte Anti-Fruchtfliegengift scheint wenig förderlich für Kontaktpersonen zu sein; die Sommerhitze tut ihr Übriges, ein Erdbeben kündigt sich durch humane Aggressionsentladungen an. So wirklich identifikationstauglich - der vielleicht größte Kniff des Films auf emotionaler Ebene - ist keiner der sich immer wieder wechselseitig begegnenden Handlungsträger. Alle machen gleich mehrere elementare Fehler, vergessen Moral und Ratio und zerbrechen womöglich daran. Am exemplarischsten für die allseitige, mitunter in pures Grauen umkippende Narretei ist vielleicht Tim Robbins' Figur des Motorradpolizisten Gene Shepard: Der Mann ist ein komplettverschnürtes Ekelpaket, er lügt, betrügt, nutzt seine berufliche Position auf das Unangenehmste aus, ist inkonsequent wie ein Kleinkind und macht alles falsch, was er nur falsch machen kann. "Short Cuts" hat mich bei der gestrigen Betrachtung so sehr mitgerissen, dass ich nach dem Film selbst vorübergehend das schwindlerische Gefühl hatte, nurmehr durch eine schwenkende "Altman-Linse" zu blicken.
Ein irrsinniger, monströser Film von bleibendem Wert, ein großes Meisterwerk seines Regisseurs und überhaupt.

10*/10

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GRAND CANYON (Lawrence Kasdan/USA 1991)


"I think, it's not all bad."

Grand Canyon ~ USA 1991
Directed By: Lawrence Kasdan

Ein Beziehungsgeflecht in L.A.: Mack (Kevin Kline) und seine Frau Claire (Mary McDonnell) erleben ihre wohlsituierte Ehe als Tagesgeschäft, als Claire beim Joggen in den Büschen ein verlassenes Baby findet. Macks bester Freund Davis (Steve Martin) produziert gewalttätiges Actionkino in Hollywood. Als er überfallen und angeschossen wird, ändert er sein Berufsethos - allerdings nur kurz. Als Macks Wagen eines Nachts mitten in Southcentral stehen bleibt, rettet ihn der gerade noch rechtzeitig eintreffende Abschleppwagenfahrer Simon (Danny Glover) vor ein paar Nachwuchsgangstern. Dafür kann sich Mack gar nicht genug revanchieren und verschafft nicht nur Macks Schwester Deborah (Tina Lifford) und ihren Kindern eine neue Wohnung, sondern auch Mack eine neue Freundin (Alfre Woodward). Macks Sekretärin und Einmal-Geliebte Dee (Mary-Louise Parker) rutscht derweil in die Depression ab, weil ihr Chef sie im Regen stehen lässt.

Zeiten ändern dich: Damals, 1991, mit 15, habe ich "Grand Canyon" als einen wahren Erdrutsch von Film wahrgenommen, ein opus magnum, das dazu taugt, einem die Welt zu erklären und Amerika sowieso. Entsprechend häufig habe ich Kasdans Werk damals geschaut und meinen Freunden in schöner Regelmäßigkeit vorgeführt. Irgendwann hatte ich den Film dann über und ihn in die hinteren Gedächtnisgefilde verdammt. Gestern habe ich ihn erstmals vorsätzlich und im unmittelbaren Kontext zu "Short Cuts" angesehen, um den es mir eigentlich ging. Der Direktvergleich hat Hand und Fuß: Beides sind Ensemblestücke, beide zeigen fragmentarisch Momentaufnahmen des kalifornischen Molochs Los Angeles; beide Filme ergehen sich in einer auffälligen Hassliebe zu der flächigen Großstadt; in beiden Filmen kreisen Hubschrauber als Unheilsboten über ihr, in beiden kommt ein Erdbeben mit bösen Folgen vor. Jedoch: Kasdan ist nicht Altman und sein Film der wesentlich hoffnungsvollere, unkomplexere und konsumierbarere. Eine versöhnliche Bestandsaufnahme vornehmlich liebenswerter Menschen mit bourgeoisem, ehrbarem Hintergrund, die alles tun, um das sie umgebende Unfassbare, den Zynismus und die Babarei der Neuzeit von sich fernzuhalten. Hier ist noch Rettung möglich, man wirft sich gegenseitig Ringe zu und hält sich damit über Wasser. Wenngleich nicht jeder davon profitieren mag (Steve Martins "Quasi-Joel-Silver" verschwindet mit über Bord geworfenen Vorsätzen hinter einer riesigen Studiotür, aus dem Film und damit möglicherweise auch aus Macks Freundschaftsradius). Das ist nett, liebenswert und spricht für Kasdans Missionarismus, enthebt "Grand Canyon" aber auch seiner Bodenständigkeit. Ob man diese will, oder braucht, sei dahingestellt; an Kasdans aufrichtigem Arbeitseifer kann jedenfalls kein Zweifel bestehen.

8/10

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HIGH SPIRITS (Neil Jordan/UK, USA 1988)


"This is not easy, this is very, very difficult!"

High Spirits ~ UK/USA 1988
Directed By: Neil Jordan

Der versoffene Burgerbe Peter Plunkett (Peter O'Toole) hat alle Hände voll damit zu tun, sein modriges, irisches Erbgut vor einem Verkauf nach Malibu zu retten. Um sich neue Touristenschichten zu erschließen, staffiert er mit seinen Angestellten Plunkett Castle zu einem Spukschloss um, wobei jeder einen bestimmten Geisterpart zu erfüllen hat. Was weder Plunkett noch die bereits herannahenden US-Urlauber ahnen: Auf Schloss Plunkett spukt es wirklich und die beiden über 200 Jahre alten Gespenster Mary (Daryl Hannah) und Martin (Liam Neeson) langweilen sich ob ihres sich allnächtlich wiederholenden Beziehungsdramas buchstäblich zu Tode. Trefflich ergo, dass mit Jack (Steve Guttenberg) und Sharon (Beverly D'Angelo) ein lebendes Pärchen anreist, dem es keinen Deut besser geht...

Wie Neil Jordan seine Gespensterkomödie stets lustvoll an der Beinahekatastrophe vorbeiinszeniert und aus einer potenziellen Gurke dann doch noch eine schönes Grusical mit viel Herz fertigt, das schaut man sich gern an. "High Spirits" hätte nämlich, mit einem unambitionierten, sprich: "falschen" Regisseur an der Hand, auch völlig in die Hose gehen können. Das überaus eigenwillige Script steckt nämlich voller entsprechender Stolpersteine, die Jordan jedoch durchweg bravourös umschifft. Dabei bleibt alles recht moderat und unübertrieben: Der Chaoshumor des Stücks, die Phantastik, die Romantik. Peter O'Toole war bei diversen Auftritten wohl wirklich ziemlich blau, schlingert aber ebenso cool wie souverän durch den Film. Die übrigen Darsteller, eine sehr feine Besetzung nebenbei, geben durch die Bank Vollgas und sind gut wie selten. Besonders Liam Neeson als furzender, dauergeiler Geist ist urkomisch.
Ich war ja als Dreizehnjähriger mal schwerstens in Daryl Hannah verliebt und habe mir "High Spirits" (ebenso wie ihre anderen bis dato verfügbaren Sachen) entsprechend häufig angeschaut. Heuer kann ich konstatieren: In diesem Falle war die Zeit nicht verschwendet.

8/10

Neil Jordan Irland Schloss Spuk Geister Tourismus Parapsychologie


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THE MONEY PIT (Richard Benjamin/USA 1986)


"This is turning out to be a pretty good day."

The Money Pit (Geschenkt ist noch zu teuer) ~ USA 1986
Directed By: Richard Benjamin

Walter (Tom Hanks) und seine Freundin Anna (Shelley Long) sind auf Wohnungssuche, seit Annas Ex Max (Alexander Godunov), ein hochnäsiger Dirigent, aus Europa zurück ist und sein New Yorker Appartment zurück beansprucht. Ein Angebot der schrulligen Estelle (Maureen Stapleton) kommt ihnen da gerade recht: Die Gute verkauft ihre luxuriös anmutende Provinzvilla für einen Spottpreis. Wie Anna richtig vermutet, hat die Sache, da sie einmal unter Dach und Fach ist, einen bösen Haken: Das schicke Haus ist nämlich völlig marode und an allen Ecken und Enden mehr als renovierungsbedürftig. Die entsprechenden Erlebnisse und Folgekosten zehren im Quadrat an Walters und Annas Beziehungssubstanz.

Großartige Komödie, die über die Jahre kein bisschen an Kraft eingebüßt hat und noch immer taufrisch daherkommt. Tom Hanks, zu dieser gerade an seinem Aufstieg vom comedian zum Hollywood-Star arbeitend, beweist, dass er in dieser Art Film eigentlich seine größten Karrieremeriten vorzuweisen hat: Als Endzwanziger, dem sein Geschick dermaßen übel mitspielt, dass er lange am Rande des Nervenzusammenbruchs entlangbalanciert, nur, um dann irgendwann gänzlich abzurutschen, war er für ein paar Jahre der Größte seiner Zunft. Die Chaosszene etwa, in der Walter aus Ungeschick den kompletten Gerüstbau an der Vorderfront seines Hauses demoliert und dann schlussendlich im Pissmänneken-Brunnen seines Gartens landet, ist noch immer allergrößtes Slapstick-Tennis. Doch auch viele andere Details in "The Money Pit" bereiten Höchstfreuden, so vor allem das illustre Spektrum an Nebenfiguren, wobei ganz besonders die Bauarbeiter (u.a. Frankie Faison, Mike Starr, Jake Steinfeld, Michael Jeter), die Walters und Annas sich zuspitzende Beziehungskrise als eine Art Live-Soap genießen, höchste Komik feilbieten. Rundum toll.

8/10

Richard Benjamin New York Beziehung Haus


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DE BEHANDELING (Hans Herbots/B 2014)


Zitat entfällt.

De Behandelig (Die Behandlung) ~ B 2014
Directed By: Hans Herbots

Mit der Jagd auf einen geisteskranken und gewaltbereiten Kinderschänder, der nicht nur seine jungen Opfer, sondern auch deren Eltern nachdrücklich leiden lässt und der in Kontakt mit einem organisierten Untergrundnetzwerk pädophiler Verbrecher steht, erlebt der belgische Polizist Nick Cafmeyer (Geert Van Rampelberg) zugleich eine Reise in die eigene, traumatische Vergangenheit: Im Kindesalter ist sein Bruder Björn von einem Päderasten, wahrscheinlich Nicks Nachbar Ivan Plettinckx (Johan van Assche), gekidnappt worden und seither nie mehr aufgetaucht. Weder konnte Plettinckx jemals die Entführung nachgewiesen noch Björns Leiche gefunden werden. Möglicherweise lebt er noch; zudem ergeht sich Plettinckx in höhnischen Versteckspielen mit Cafmeyer. Dennoch gilt es, zunächst, den "Troll" zu fangen, jenen geisterhaften Kinderschreck, der über Wände gehen kann und der stets "von oben kommt"...

Atmosphärisch und ansatzweise auch mental in der Tradition von all den abseitigen Genrestücken der letzten Jahre und Jahrzehnte, von "Se7en" über Stieg Larssons "Millenium"-Trilogie respektive deren Verfilmungen, "Srpski Film", "Prisoners" und der ersten Staffel "True Detective", steht dieser junge belgische Thriller, der vielleicht auch ein Stück weit zur nationalen Trauma-Bekämpfung dient, nachdem das kleine Land sich von den schrecklichen Ereignissen um Marc Dutroux und seinen wohl doch recht umfassenden "Interessenzirkel" nie wirklich erholen konnte. "De Behandeling" erfordert demgemäß einiges an Ertragenspotenzial. Was die Autorenphantasie hier um den völlig durchgedrehten Serientäter, der neben seinen abartigen Neigungen gleich noch ein paar weitere entsprechende Charakteristika aufweist - er ist impotent, (berechtigterweise, wie suggeriert wird) sozial isoliert, fettleibig, sabbert, stottert und experimentiert mit Pisse, um seine Privattheorie der seine Manneskraft verdrängenden, weiblichen Toxine zu verifizieren -, aus dem sprichwörtlichen Hut zaubert, ist schon abscheulich. Ein wahrer Untermensch also, den "De Behandeling" sich da neben einigen anderen "Szene"-Individuen da als Feindbild ausgesucht hat und von dem im Nachhinein alles Mögliche behauptet werden kann - nur nicht, als Objekt einer halbwegs differenzierten Figurenausarbeitung gedient zu haben.
Immerhin taugt Herbots Film zu dem, was er im Mindesten auch sein soll, nämlich als ordentlicher Nägelkauer, dessen Erzählzeit wie im Fluge vergeht und der besonders zum Finale hin, das dann auch nur semi-happy ausklingt, ein hohes Spannungsmaß aufrecht erhält. Auch, wenn's zunächst widersprüchlich anmuten mag: ebenso kompetent wie dumm.

6/10

Hans Herbots Pädophilie Belgien Home Invasion


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THE VAULT OF HORROR (Roy Ward Baker/UK, USA 1973)


"So that's what our destinies are meant to be..."

The Vault Of Horror (In der Schlinge des Teufels) ~ UK/USA 1973
Directed By: Roy Ward Baker

Im Fahrstuhl eines Geschäftsgebäudes steigen nach und nach fünf sich unbekannte Männer zu, die anstatt im Erdgeschoss auf einer "Sonderetage" landen, wo ein runder Tisch mit Getränken auf sie wartet. Das Quintett beginnt sich gegenseitig seine bösesten Albträume zu beichten: Rogers (Daniel Massey) will seine Schwester Donna (Anna Massey) hinsichtlich einer Familienerbschaft übervorteilen und tötet sie. Was er nicht weiß: Donna und etliche andere Bewohner ihrer Kleinstadt sind Vampire, die Rogers buchstäblich anzapfen. / Critchit (Terry-Thomas) treibt mit seiner neurotischen Pedanterie seine Ehefrau (Glynis Johns) in den Wahnsinn, die ihn daraufhin in sorgsame Einzelteile sortiert. / Das Magierpaar Sebastian (Curd Jürgens) und seine Gattin Inez (Dawn Addams) ist in Indien auf der Suche nach neuen Tricks für seine Zauberrevue. Dabei entlarvt Sebastian einen alten Fakir (Ishaq Bux) als Scharlatan, was dessen Tochter (Jasmina Hilton) zu einer arglistigen Racheaktion mit ihrem verhexten Seil bewegt. / Maitland (Michael Craig) will seine Lebensversicherung verfrüht kassieren, täuscht seinen Tod vor und lässt sich lebendig begraben. Sein narrensicherer Plan scheitert jedoch an zwei Medizinstudenten (Robin Nedwell, Geoffrey Davies), die ihm zufällig in die Parade fahren. / Der Maler Moore (Tom Baker) erfährt in der Karibik, dass seine drei Londoner Kompagnons (Denholm Elliott, Terence Alexander, John Witty) ihn übervorteilt und seine Bilder für teures Geld verkauft haben. Für seine Rache eignet er sich Voodoo-Kräfte an, deren Einsatz jedoch auf ihn selbst zurückfallen...

Der sechste und vorletzte große Omnibus-Horrorfilm der Amicus basiert wie bereits der mittelbare Vorgänger "Tales From The Crypt" auf der gleichnamigen E.C.-Comics-Serie, in der es einen dem Crypt Keeper nachempfunden Vault Keeper gab, einen sardonischen, alten Greis mit Fletschauge und Warzen, der standesgemäß immer einen gemeinen Spruch auf Lager hatte, um die bösen Fettnäpfchen, in die "seine" Protagonisten zu treten pflegten, zu kommentieren. Leider kommt er in Roy Ward Bakers Film nicht vor; die Ideenvielfalt, die sorgsame Inszenierung und der stets leichtfüßige Camp-Grusel, der wesentlich zur Materie gehört, bleiben aber trotzdem erhalten. Wie eh und je sind auch hier die Erzähler und Ersinner ihrer grauenhaften Werdegänge die eigentlichen Bösewichte und das, was ihnen schlussendlich widerfährt, lediglich das angemessene Waldesecho: Amoralische Gierhälse, Haustyrannen und Todsünder sind sie allesamt, was sie (in vieren der beschriebenen Fälle) schließlich zu Mördern werden und ihre Strafe auf dem Fuße folgen lässt: Vampire, die einen Blutdrink zum Diner bevorzugen, Komplettzerteilung, Autounfälle und ein mörderisches Zauberseil sind ihre übernatürlichen Richtschwerter! Adäquat besetzt mit einigen wohlbekannten, gesetzten Darstellern in Haupt- und Nebenrollen und wie gewohnt in ausgesuchtem Ambiente spielend, steht "The Vault Of Horror" in allerbester Tradition und seinen liebenswerten Vorgängern somit in nichts nach.

8/10

Roy Ward Baker Amicus Episodenfilm E.C.


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ELECTRIC BOOGALOO: THE WILD, UNTOLD STORY OF CANNON FILMS (Mark Hartley/AU, USA, IL, UK 2014)


"These two guys were the greatest salesman of their era!"

Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story Of Cannon Films ~ AU/USA/IL/UK 2014
Directed By: Mark Hartley

Nach den bunten Kinoauswüchsen, die Australien und die Philippinen in den siebziger und achtziger Jahren getrieben haben, widmet sich Mark Hartley in seinem jüngsten Projekt der von den beiden israelische Vettern Menahem Golan und Yoram Globus gegründeten Independent Verleih- und Produktionsfirma "Cannon Films", deren Entwicklung sich in synoptischer Form freilich selbst ausnimmt, wie ein Filmmärchen. Ungeachtet der wahrhaft illustren Vielzahl von Interviewpartnern, die Hartley für seine Dokumentation auftreiben konnte, muss ich "Electric Boogaloo" leider attestieren, die Sujetliebe, die beim Autoren noch in seinen beiden "Pazifik-Film-Choniken" zu spüren war, diesmal zu vernachlässigen. Sicherlich hat eine Dokumentation nicht die zwingende Aufgabe, reine fanbase widerzuspiegeln oder sich tendenziös auszunehmen; sie sollte jedoch ebensowenig sardonisches Naserümpfen und Häme transportieren. Für mich und viele andere Menschen meiner Generation als buchstäbliche Kinder der Achtziger hat die Cannon eine Vielzahl der schönsten, mit denkbar warmherzigen Erinnerungen verbundenen Kino- und Video (kurz: Film-)erlebnisse hervorgebracht und wenn der wirtschaftliche Niedergang des Betriebes mit seinen drei spektakulär verkalkulierten Megaflops "Over The Top", "Masters Of The Universe" und "Superman IV: The Quest For Peace" belegt wird, da hämmerte es empört in mir: "Gottverdammt, ich habe damals meine Schuldigkeit und mir alle drei im Kino angeschaut - "Over The Top" sogar gleich zweimal!"
Hartley gefällt sich vor allem darin, Golan und Globus immer wieder altklug der Lächerlichkeit preiszugeben und Zeitgenossen zu interviewen, die mit den beiden rückblickend gnadenlos abrechnen (oder zumindest die Montage entsprechend wirken zu lassen). Vor allem die befragten Damen - Bo Derek, Laurene Landon, Martine Beswick und einige mehr, allesamt sichtlich verwelkt - ereifern sich durchweg, auf das teils Unangenehmste ausgebeutet worden zu sein, doch auch Autoren und Regisseure beklagen die oftmals unprofessionelle Schnellschuss-Atmosphäre hinter den Kulissen. Wahnsinnszeug wie "The Apple", "America 3000" oder "The Forbidden Dance" wird zur Unterstreichung der immer wieder suggerierten These, die Cannon habe ausschließlich shlock fabriziert, herangezogen; die "künstlerische Erweckungsphase", welche immerhin veritable Meisterwerke wie "Love Streams" oder "Barfly" hervorgebracht hat, wird (mit Ausnahme von "Runaway Train") als eine Art unfälliger Wurmfortsatz des zusehends anwachsenden Kontrollverlusts der beiden Herren abgestempelt. Ganz so einfach war's dann wohl doch nicht. Zugegeben: die Anekdote, in der Golan dem knapp gebuchten Film-Orang-Utan Clyde das Exposé von "Going Bananas" erklärt, ist schon sehr witzig. Immerhin lobt der rührend gebrechliche Franco Zeffirelli, der von Golan und Globus seinen "Otello" beschirmen ließ und diesen für sein absolutes Meisterwerk hält, die Vettern über den grünen Klee. Das brauchte "Electric Boogaloo" dann auch dringend!
Am Schluss setzt Hartley dann noch etwas höhnisch und implizit nach, dass Golan und Globus sich selbst nur deshalb nicht selbst geäußert hätten, weil sie seine Idee gestohlen haben und nun selbst dabei seien, mit "The Go-Go Boys" eine Dokumentation über Cannon in die Wege zu leiten. Das erklärt Manches.
Abgesehen allerdings von meiner zugegebenermaßen recht persönlich gefärbten Pikiertheit fand ich das Teil aber nicht übel.

7/10

Mark Hartley Brett Ratner Cannon Menahem Golan Tobe Hooper Albert Pyun Gary Goddard Franco Zeffirelli Pete Walker Just Jaeckin Film Kino Michael Armstrong





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Funxton

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