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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THRESHOLD (Richard Pearce/USA 1981)


"Ready, Dr. Gehring?"

Threshold (Herzchirurg Dr. Vrain) ~ USA 1981
Directed By: Richard Pearce

Thoas Vrain (Donald Sutherland) gilt in Fachkreisen als einer der besten Herzchirurgen der Welt. Als ihm ein ihm sympathischer Patient (Michael Lerner) trotz erfolgreicher und kompetent durchgeführter Transplantation unter den Fingern wegstirbt, wird er bezüglich einer beinahe fiktionesken Entwicklung des Biologen Aldo Gehling (Jeff Goldblum) hellhörig: Gehling hat ein selbsttätiges, auf Nuklearbasis arbeitendes Kunstherz erfunden, das nach diversen Testreihen auf seinen ersten Einsatz im menschlichen Organismus wartet. Entgegen des Beschlusses einer Ethikkommission pflanzt Vrain die Prothese einer jungen Patientin (Mare Winningham) ein, deren Leben akut auf der Kippe steht.

Ein besinnliches, ruhiges Drama um Helden in Weiß, die Notwendigkeit medizinischer Fortschritte und die allgemein vorherrschende Angst davor, das vollkommen ohne den üblichen Spitalkitsch auskommt und nicht allein aufgrund Donald Sutherland in der Hauptrolle an Redfords kurz zuvor entstandenen "Ordinary People" erinnert. Sutherland, zu dieser Zeit um einen Imagewechsel bemührt, der ihn vom bisweilen wirrköpfigen, hippieesken Sonderling hin zum gepflegten Establishment-Repräsentanten mit Fönfrisur führte, zeigt großes Schauspiel vermittels kleiner Gesten und Jeff Goldblum als nerdiger Forscher gibt eine Vorstudie seines Seth Brundle. Richard Pearces Inszenierung würde ich am ehesten als das wähnen, was man so landläufig 'behutsam' nennt; etwas weichgezeichnet, höchst unspektakulär; stets präsent, aber gepflegt im Hintergrund verharrend. Eben ein Film zum Durchatmen, der vielleicht gerade wegen seiner auffälligen Unauffälligkeit zu Unrecht ins Hintertreffen geraten ist.

8/10

Richard Pierce Chirurgie Krankenhaus Kalifornien


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MACAO (Josef von Sternberg/USA 1952)


"What a way to be cheapened."

Macao ~ USA 1952
Directed By: Josef von Sternberg

Auf der Fähre von Hong Kong nach Macao lernt der Abenteurer Nick Cochran (Robert Mitchum) die abgefeimte Nachtclub-Sängerin Julie Benson (Jane Russell) kennen. Beide wollen in der portugiesischen Kolonie ihr Glück versuchen und stoßen sowohl auf den freundlichen Vertreter Trumble (William Bendix) als auch auf den Unterweltboss Vince Halloran (Brad Dexter). Dieser wähnt sich von der Polizei verfolgt und glaubt, in Cochran den ihn suchenden Ermittler gefunden zu haben. Zudem versucht er mit allen mitteln, Julie für sich zu gewinnen.

Eine dieser herrlich überkandidelten Howard-Hughes-Produktionen, die innen drin voluminöser sind als außen. Mitchum und Russell sind super, sie scheinen förmlich wie gespuckt für ihre Rollen, und auch die Co-Stars Bendix, Dexter und die wie immer grandiose Gloria Grahame als 2nd-interest-woman veredeln dieses mit aller Macht exotisch duften wollende Stück film noir. Dabei verlief der Dreh wohl recht chaotisch: von Sternberg, der ohnehin nicht gern ohne die Dietrich arbeitete, überwarf sich mit Hughes und wurde am Ende durch Nicholas Ray ersetzt; die Grahame, zu jener Zeit Rays Noch-Gattin, war aufgrund eines Knebelvertrages gezwungen, mitzuspielen und konstatierte später, sie habe absichtlich mies und lustlos agiert (was ihre Auftritte allerdings keinesfalls verdirbt, sondern sie im Gegenteil hübsch lasziv macht - ich finde sie, so rein als Frau, sowieso viel toller als die dralle Auslegerin Russell). Die Story um ein geklautes Diamanten-Collier ist so nebensächlich wie nur was; "Macao" besteht sozusagen rein aufgrund seines todschicken Naturells.

8/10

Macao Josef von Sternberg Nicholas Ray Howard Hughes undercover film noir


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THE CONCORDE... AIRPORT '79 (David Lowell Rich/USA 1979)


"They don't call it the cockpit for nothing, honey."

The Concorde... Airport '79 (Airport '80 - Die Concorde) ~ USA 1979
Directed By: David Lowell Rich

Joe Patroni (George Kennedy) ist zurück! Und, kaum zu glauben: diesmal fliegt er selbst, und zwar mit seinem Mitpiloten Paul Metrand (Alain Delon) eine Concorde von Washington D.C. über Paris nach Moskau zu den dort stattfindenden Olympischen Spielen. An bord befindet sich auch die Journalistin Maggie Whelan (Susan Blakely), die just festgestellt hat, dass ihr schwerreicher Lover Kevin Harrison (Robert Wagner) seine industriellen Finger in allerlei illegalen Waffenverkäufen an Amerikas schlimmste Feinde drinstecken hat. Um Maggie daran zu hindern, ihrer Recherche-Ergebnisse rechtzeitig zu veröffentlichen, verübt Harrison diverse Anschläge auf die Concorde - doch er hat nicht mit dem Können der beiden Superpiloten Patroni und Metrand gerechnet!

Der vierte und letzte "Airport", verzichtend auf leinwandtaugliches Scope und endlich auch Personal vom Schlage Sylvia Kristels, Sybil Dannings und Avery Schreibers vereinigend, dokumentiert den endgültigen formvollendeten Abstieg des Franchise in den lupenreinen Camp. Das Regieniveau befindet sich bestenfalls auf dem dem zeitgenössischer TV-Serien, die wenigen Spezialeffekte, sich zumeist in Luftaufahmen und Explosionen erschöpfend, sind schmerzvoll schlecht und der ganze Plot mitsamt seines dramaturgischen Fortlaufs ist von blühender Einfalt: natürlich muss, um eine einzelne Person zu meucheln, gleich ein ganzes Passagierflugzeug samt Insassen vom Himmel geholt werden (obschon es genügend andere Gelegenheiten zuhauf für den singulären Anschlag gäbe) und natürlich werden dafür spektakulärste Mittel wie Kampfdrohnen und Phantom-Jets benutzt (mit denen George Kennedy allerdings spielend fertig wird). Dazu kommen gar wunderhübsche Nuancen von Misogynie und Chauvinismus, die schon damals großflächiges Kopfschütteln ausgelöst haben sollten. Das Katastrophenepos und sein dramödischer Abgesang, in Farbe. Und als großer Filmfoto-Roman in BRAVO!

6/10

Paris Flugzeug David Lowell Rich Verschwörung Olympia Camp


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AIRPORT '77 (Jerry Jameson/USA 1977)


"Beauty is in the eyes of the beholder."

Airport '77 (Verschollen im Bermuda-Dreieck - Airport '77) ~ USA 1977
Directed By: Jerry Jameson

An Bord seines sündhaft teuren Privat-Luxusjets befinden sich nicht nur die zur Neueröffnung seines Museums geladenen Gäste des Multimillionärs Philip Stevens (James Stewart), sondern auch diverse Kunstobjekte, Delikatessen und anderer edler Tand. Darauf ist auch eine Gruppe von Ganoven, darunter Co-Pilot Chambers (Robert Foxworth) scharf, die sich als Crew-Mitglieder getarnt an Bord begibt und den Flieger Richtung Karibik umlenkt. Beim Versuch, das Radar zu unterfliegen, setzt Chambers jedoch auf dem Meer auf und der Jet versinkt oberhalb eines Tiefsee-Grabens. Für den heldenhaften Piloten Don Gallagher (Jack Lemmon) und die Fluggäste bleiben nur wenige Stunden zur Initiierung einer Rettungsaktion.

Das zweite "Airport"-Sequel ist wohl der einzige Beitrag der Reihe, der unter den wirklich maßgeblichen Katastrophenfilmen der Siebziger firmieren darf - nicht nur, dass er von allen vier Filmen die beeindruckendsten Hollywood-Grandseigneurs vereint, er findet sich zudem von Jerry Jameson, wenngleich sehr routiniert, überaus sauber und spannend inszeniert und spart sich die schlimmeren Flachnummern des direkten Vorgängers. Wie dort ist die Rettung der Verunglückten in erster Linie auch hier ein Wettlauf gegen die Zeit gegen gnadenlose Außenbedingungen: Der enorme Wasserdruck droht, die Hülle des Jets zum Zerbersten zu bringen, derweil durch diverse kleine Risse bereits Meerwasser eindringt. Zudem verknappt sich der Sauerstoff. Heldentode dürfen auch hier gestorben werden, darunter ein besonders pittoresker von Christopher Lee, der mit weit aufgerissenen Glubschern seine Todesszenen als "Dracula" revitalisiert. Und: Es ist kaum zu glauben, aber Jack Lemmon als physisch überaus präsenter Actionheld macht eine astreine Figur.

7/10

Jerry Jameson Sequel Atlantik Flugzeug Luftfahrt Heist Seenot


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AIRPORT 1975 (Jack Smight/USA 1974)


"My life's a surprise, one surprise after another."

Airport 1975 (Giganten am Himmel - Airport '75) ~ USA 1974
Directed By: Jack Smight

Auf dem Weg von Washington D.C. nach Los Angeles kollidiert ein Boeing-747-Passagierflugzeug mit 120 Fluggästen an Bord frontal mit einer Privatmaschine, deren Pilot (Dana Andrews) eine Herzattacke erlitten hat. Zwei der Piloten (Roy Thinnes, Erik Estrada) sterben bei dem Unfall, der dritte (Efrem Zimbalist jr.) wird schwer verletzt. Nun ist es an der tapferen Stewardess Nancy Ryor (Karen Black), die Boeing so lang in der Luft zu halten, bis der Bodencrew eine Lösung einfällt. Diese naht in der Person von Nancys Wochenend-Lover, des heldenhaften Alan Murdock (Charlton Heston)...

Die vielen Katastrophenfilme der siebziger Jahre sind ja vor allem eines: Ein markanter Hilferuf der angesichts von New Hollywood ratlosen Filmstudios, die versuchten, mit derlei Edeltrash den seltsam existenzialistischen Strömungen, die all die vollbärtigen Filmstudenten und Autoren urplötzlich als status quo hinstellten, Paroli zu bieten. Die Rezeptur war dabei stets dieselbe: Ein Altstar-Aufgebot, wie es zwanzig, dreißig Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre, wurde Seite an Seite mit TV-Serien-Darstellern von heute herbeizitiert; große Namen von güldenem Klang säumten die credits neben unbedeutenden Vertragsakteuren und ein zwar arrivierter, jedoch noch nicht ganz so alter Spund hatte die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Während die Fox den megalomanisch veranlagten Irwin Allen für sich tanzen ließ, setzte Universal auf ein bereits etabliertes trademark: Arthur Haileys Roman "Airport" hatte bereits 1970, als noch alle unwissenderdings glaubten, ein 'disaster movie' sei so etwas wie ein Megaflop Marke "Cleopatra", für volle Kassen gesorgt - vier Jahre später wurde jener Titel dann im Zweijahrestakt weiterverbraten. Losen inhaltlichen Zusammenhalt erfuhr die gesamte Serie durch den stets wiederkehrenden Charakter des von George Kennedy gespielten Ingenieurs Joe Patroni, der dafür bürgte, dass man es auch wirklich mit einem waschechten "Airport" zu tun hatte.
"Airport 1975" kann niemand, der irgendwann einmal "Airplane!" des ZAZ-Trios gesehen hat, mehr für voll nehmen. Speziell dieses erste Sequel um thermische Nöte wurde darin nämlich gnadenlos gespooft, das nierenkranke Teenager-Mädchen, die Klampfe spielende Nonne - sie alle finden sich in Smights unverfroren kitschiger Luttragödie. Dazwischen hat man das Vergnügen mit diversen Früh-ProtagonistInnen des Golden Studio Age, angesichts deren Auftritten man etwas verwundert ist, dass die anno 74 überhaupt noch lebten, geschweige denn so luftdicht geschminkt werden konnten. Nerben dem erwähnten Andrews ist Myrna Loy mit an Bord und sogar Gloria Swanson, die sich selbst spielt. Faszinierende Randerscheinungen der Filmhistorie.

6/10

Jack Smight Sequel Flugzeug Luftfahrt


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THE FIRST GREAT TRAIN ROBBERY (Michael Crichton/UK 1978)


"You look a sight."

The First Great Train Robbery (Der große Eisenbahnraub) ~ UK 1978
Directed By: Michael Crichton

London, 1855. Der gewiefte Halunke Edward Pierce (Sean Connery) plant etwas bisher nie Dagewesenes: Den Überfall auf einen fahrenden Zug. Als Beute soll die Soldkasse für die auf der Krim stationierten Soldaten, die wöchentlich von london abtransportiert wird und stets 25.000 Pfund enthält, herhalten. Zuvor gilt es jedoch, vier voneinander unabhängig aufbewahrte Schlüssel nachzubereiten, um damit den sprengsicheren Tresor öffnen zu können. Mithilfe diverser Komplizen, allen voran seiner Geliebten Miriam (Lesley-Anne Down) und dem Trickbetrüger Agar (Donald Sutherland) arbeitet sich Pierce trotz diverser Unwägbarkeiten immer weiter an das Ziel seiner Bemühungen vor...

Auf seinem eigenen Roman basierend inszenierte Michael Crichton dieses schelmisch grinsende Ganoven-Stück, das sich trotz diverser Spannungsmomente (sowie einer etwas eklektisch wirkenden Szene, in der ein Verräter grausam abgestraft wird) seine Lockerheit und seinen Witz stets bewahrt und die eher fröhlichen Seiten der Viktorianischen Ära hervorkehrt. Eine Art britisches Pendant zu George Roy Hills meisterhaftem "The Sting" ist das Resultat.
In allen erforderlichen, narrativen Nuancen berichtet Crichton von der minutiösen Vorbereitung und Durchführung des Coups, der sich sogar als handfeste Kritik an der Empire-Politik festmachen lässt: Der Aufmarsch gegen die Russen in Osteuropa wird durch den Diebstahl eines kompletten Wochensolds für die königliche Armee finanziell empfindlich geschwächt. Natürlich entspringt all dies Crichtons gewitzter Fabulierkunst; die Tatsache jedoch, dass der Film von der Pike auf ganz sein persönliches Baby ist, lässt sich anhand der runden, charmanten Erscheinung desselben stets deutlich wahrnehmen.

8/10

period piece Michael Crichton London Heist Zug Victorian Age


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KINDERARZT DR. FRÖHLICH (Kurt Nachmann/BRD 1972)


"Ich verlange Dr. Sssss!"

Kinderarzt Dr. Fröhlich ~ BRD 1972
Directed By: Kurt Nachmann

Sein erster Arbeitstag endet für den frisch examinierten Mediziner Dr. Fröhlich (Roy Black) frustrierend: In der Klinik seines künftigen Schwiegervaters (Heinrich Schweiger) haben nämlich weder die Patienten noch das Personal etwas zu lachen. Also erstmal raus aus der Stadt. Da kommt Fröhlichs Studienkollege Hansi Bichler (Hansi Kraus) mit seinen Nöten gerade recht: Er soll die Praxis seines Onkels (Kurt Nachmann) im bayrischen Kuhdorf Sonnberg übernehmen, hat jedoch nur studentische Flausen im Kopf und daher nichts an entsprechender Kompetenz vorzuweisen. So reist Dr. Fröhlich als kurzfristiger Stellvertreter Hansis gen Alpen und wird vor Ort mit allerlei Verwechslungsgarn und spinnerten Dorfbewohnern, aber immerhin auch mit der großen Liebe konfrontiert.

Wäre die typisch anarchische Form, die die Lisa-Produktionen dieser Jahre im Regelfalle aufweisen, nicht, man wäre glatt versucht, einen Schmalztopf unterm Fernseher zu platzieren, um die infolge von Roy Blacks öligen Auftritten freiwerdenden Rohstoffe zwecks kulinarischer Weiterverwendung aufzufangen. Wenn der König des Schmierschlagers in der Kirche zum Dorfe schmetternd das 'Ave Maria' intoniert und dazu die Ikonen katholischer Frömmigkeit ins Bild gerückt werden, dann droht sich das Maß jedenfalls akut selbst zu überfüllen. Glücklicherweise sind da aber noch Urgesteine wie Georg Thomalla, Ralf Wolter, Heinz Reincke und Rainer Basedow (kurz vorm endgültigen Durchdrehen), die sogar Blacks unsägliche Vorstellung als schleimiger Kinderliebhaber mit unergründlichen Gelüsten unterm weißen Kittel vergessen machen. Da gibt es dann doch noch manches zu belachen und zu bestaunen, ganz so, wie es sich für Münchner Komikkino jener Ära geziemt.

5/10

Kurt Nachmann Bayern Alpen Dorf Lisa-Film


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RASPUTIN (Uli Edel/USA, H 1996)


"I have performed many autopsies in my time, but I've never located a soul." - "How many memories or emotions have you found?"

Rasputin ~ USA/H 1996
Directed By: Uli Edel

Grigori Jefimowitsch Rasputin (Alan Rickman) behauptet von sich, dass ihm Gott selbst erschienen sei und ihn mit Wunderkräften und seherischen Gaben ausgestattet habe. Den Etablierten von St. Petersburg fällt es allerdings schwer, Rasputin als wahren Gottesmann anzuerkennen, treibt er sich doch allzu gern mit Zigeunerhuren herum oder liegt volltrunken in der Gosse. Dennoch vermag der eilends an den Zarenhof Berufene es, dem an der Bluterkrankheit leidenden Zarewitsch Alexej (Freddie Findlay) das Leben zu retten. Für dessen Mutter (Greta Scacchi) ist Rasputin fortan tatsächlich ein Heiliger, der zwischenzeitlich im Monarchenhaus ein- und ausgehen darf, wie es ihm beliebt, derweil der Hofstaat und auch Zar Nikolaus II (Ian McKellen) immer wieder an seiner Ehrbarkeit und seinen Motiven zweifeln. Vor seiner Ermordung durch den Zarinnen-Cousin Prinz Felix (James Frain) sagt Rasputin voraus, dass ihm binnen zweier Jahre die gesamte Zarenfamilie nachfolgen werde. Die Oktoberrevolution hält sein Versprechen.

An der schillernden Persönlichkeit Rasputins Interessierte werden in diesem für HBO produzierten Ausstattungsstück ihre Freude haben. Eine großartige Darstellerriege, allen voran natürlich der wunderbar exaltierte Alan Rickman, der als Wunderheiler in einer weiteren, wie für ihn geschaffen erscheinenden Exzentriker-Performance zu sehen ist. Besonders seine Sterbeszene, in der er (zunächst vergeblich) vergiftet und erschossen wird (womit der Film nochmals die alte Mär füttert, derzufolge Rasputin trotz aller möglicher nicht sterben mochte - in Wahrheit wurde er schlicht gefoltert und erschlagen), ist großes Theater. Auch David Warner als Rasputins rationalistischem Geistesrivalen Botkin zuzuschauen bereitet einiges Vergnügen. Zudem fügt Edels Film sich zu den hübschen Revolutionsdramen, die mit großer Geste die Prä- und Postwirren des gesellschaftlichen Umsturzes zeigen. "Rasputin" besitzt dabei sogar noch einmal (nach "Dr. Zhivago") die eigentlich unschickliche Chuzpe, sich streng an einer aristokratischen Perspektive zu orientieren und Zwangsenteignung, Erniedrigung und schließlich Hinrichtung der Zarenfamilie in all ihrer barbarischen Realistik nachzuspüren.

7/10

Russland Biopic Historie period piece Russische Revolution Uli Edel TV-Film HBO Alkohol


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MARY REILLY (Stephen Frears/USA 1996)


"I always knew you'd be the death of us."

Mary Reilly ~ USA 1996
Directed By: Stephen Frears

Im London der 1880er Jahre erhält die als Kind schwer misshandelte und somit stark traumatisierte Mary Reilly (Julia Roberts) eine Anstellung als Hausmädchen bei dem renommierten Arzt Dr. Jekyll (John Malkovich). Die ebenso liebenswerte wie linkische Art des seltsamen Medziners fasziniert Mary und alsbald entsteht ein wechselseitiges, zartes Vertrauensverhältnis, das der Rest des Gesindes, allen voran der misstrauische Poole (George Cole), eher kritisch beäugt und das auf eine zusätzlich harte Probe gestellt wird, als Jekylls neuer Assistent, ein gewisser Mr. Hyde (John Malkovich), im Hause zu verkehren beginnt...

Nachdem bereits "Dracula" und "Frankenstein" durch Coppola und Brannagh zu Beginn respektive gegen Mitte der Dekade zeitgemäß konstruierte Neuinterpretationen im Kino erfahren hatten, kam mit dem vordergründig unscheinbar betitelten "Mary Reilly" auch die klassische Mär von Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu aufgefrischten Ehren, allerdings in einer bereits literarisch umstrukturierten Variation, die ich allerdings stets sehr mochte. Hierin wechselt die Erzählperspektive zugunsten des von der Autorin Valerie Martin eigens neu eingeführten Hausmädchens Mary Reilly, eines ebenso verhuschten wie zartfühlenden Geschöpfes, das, ebenso wie der Hausherr, höchst abseitige libidinöse Untiefen beherbergt. Anders als im altbekannten Kontext, demzufolge Jekyll seine animalische Seite zu befreien trachtet und deshalb Mr. Hyde freisetzt, deutet Martin das Bedürfnis des Doktors nach innerer Befreiung als Resultat einer schweren Depression gekoppelt mit bleierner Todessehnsucht. Hyde ist hierin also eher die Entsprechung eines selbstzerstörerischen Geistes. Auch die Titelfigur ist ein Musterexempel für freudianische Analysierorgien; offenbar hat die einstmalige Misshandlung durch ihren versoffenen Vater (James Gambon) eine leichte Note masochistischer Unterwürfigkeit bei ihr hinterlassen, die sich in einer ihr selbst unerklärlichen Schwäche für Mr. Hyde manifestiert und sie in Verbindung mit ihren rational erklärbaren Gefühlen für Dr. Jekyll zu einer vollständigen Liebenden macht. Leider findet dieses im Grunde ideale Paar nicht zusammen, denn die Geschichte endet, wie sie eben endet - jedoch deutlich romantischer als gewohnt.

8/10

Stephen Frears Jekyll und Hyde London amour fou Victorian Age Serienmord period piece Madness mad scientist


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ZULU (Cy Endfield/UK 1964)


"Why is it us? Why us?" - "Because we're here, lad. Nobody else. Just us."

Zulu ~ UK 1964
Directed By: Cy Endfield

Nach der vernichtenden Schlacht von Isandhlwana im Januar 1879 rückt eine Abteilung Zulu-Krieger gegen eine kleine Missionsstation bei Rorke's Drift vor, die von knapp 140 Briten, darunter auch Verletzte und Arretierte, gehalten wird. Unter herben Verlusten bewältigen die Soldaten das Unglaubliche: Sie verteidigen das Areal erfolgreich gegen 4000 Zulu, die sich nach rund 36 Stunden Belagerungs- und Stellungskrieg schließlich unter lautstarker Ehrerbietung ihrer Feinde geschlagen geben und zurückziehen.

Der unabhängig produzierte "Zulu" markiert einen großen Meilensrein des britischen Kinos, das sich mit diesem Film in der Tadition der Kordas und der von Powell/Pressburger neuerlich erfolgreich mühte, an Hollywood-Standards zu kratzen und auch einmal abseits von einem David Lean großes und edles Historienkino auf Weltniveau zu kredenzen. In gebührender Breite und mit allem gebotenen Glanz und Gloria berichtet "Zulu" von der Zähigkeit einiger weniger Soldaten, die in einen unerklärten Krieg verwickelt werden, mit dem sie nur insofern zu tun haben, als dass ihre eigene Armee ihn sinnloserweise angezettelt hat und es nunmehr mit den unabwendbaren Konsequenzen zu tun bekommen. Dem strategischen Geschick und der Unerbittlichkeit der im Kampf eigentlich unerfahrenen Offiziere Bromfield (Michael Caine) und Chard (Stanley Baker) ist es letzten Endes zu verdanken, dass die Briten als Sieger aus jenem Scharmützel hervorgehen. Endfield inszeniert die klaustrophobische Spannung, die dieser eigentlich hoffnungslosen Situation auf britischer Seite innewohnen musste, mit allem gebührenden dramaturgischen Geschick, lässt hinreichend Platz für ausführliche Charakterzeichnung und malt seine Bilder in leuchtenden Farben, flankiert von John Barrys famoser Musik.
Gibt nichts, was an diesem Meisterstück zu optimieren wäre; es ist und bleibt in seiner beeindruckenden Form perfekt.

10/10

Cy Endfield Historie period piece Kolonialismus Afrika Südafrika





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Funxton

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