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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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INCUBUS (John Hough/CA 1982)


"There's too much of that stuff for one man."

Incubus ~ CA 1982
Directed By: John Hough

In der Kleinstadt Galen geschehen mehrere Vergewaltigungen, die zumeist den Tod des jeweiligen Opfers nach sich ziehen: Der Uterus ist stets völlig zerfetzt und Unmengen blutroten Spermas finden sich in den Leichnamen. Für den Internisten Dr. Cordell (John Cassavetes), der erst seit einem Jahr mit seiner Tochter Jenny (Erin Noble) in Galen lebt, sind diese Fälle ein Rätsel. Allerdings scheint Jennys Freund Tim (Duncan McIntosh) etwas mit den Verbrechen zu tun zu haben: Ihn plagen schreckliche Träume von Hexenfolterungen und somnambule Zustände. Doch kann Tim unmöglich der Täter sein; allzu grauenhaft verstümmelt sind die Opfer. Wer oder was verbirgt sich tatsächlich hinter den Bluttaten?

Ein reichlich bizarrer Film, in den sich Cassavetes auf der Suche nach schnellen Dollars sowie der mit 68 ziemlich durchwindete John Ireland als kundiger Dorfpolizist, beide wohl ziemlich 'boozed', da geschleppt haben: Teils abenteuerlich montiert, überhastet zusammengeschrieben und angewiesen auf ein Publikum mit gehöriger Portion good will nimmt sich "Incubus" aus; eine an sich gar nicht mal unschmucke Idee von einer monströsen Dämonenkreatur in (geschickter) menschlicher Tarnung und angetrieben von stetem Reproduktionstrieb. In die stets etwas abseitig erscheinende Filmographie von John Hough passt der Film dennoch ganz gut, so wirklich linear scheint mir nämlich auch sonst keiner seiner bisher von mir geschauten Filme auszufallen. Ihnen allen scheint eine immanente Widerborstigkeit gemein, hinter der sich dann doch ein gar nicht mal unansehnliches Stück B-Kino verbirgt. Diesen Kern muss man allerdings erstmal freischaufeln und das kostet Mühe und Beschäftigung, die Hough ganz bestimmt nicht aufs Geratewohl von jedem Allerweltszuschauer verlangen kann.

5/10

John Hough Hexen Monster Dämon Traum Vergewaltigung


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RETRIBUTION (Guy Magar/USA 1987)


"Once more..."

Retribution (Die Rückkehr des Unbegreiflichen) ~ USA 1987
Directed By: Guy Magar

Als der schwer depressive Maler George Miller (Dennis Lipscomb) sich umzubringen versucht, verbindet sich der rachsüchtige Geist des exakt zeitgleich ermordeten Spielers Vito Minelli (Mike Muscat) mit dem seinen. Fortan plagen George schreckliche Albträume, die bald noch weitere Auswirkungen zeigen: Nächtens verirrt sich George in ihm bislang unbekannte Gegenden der Stadt, gesteuert wie von fremder Hand, und beginnt, fremde Menschen zu töten. George ist zur Marionette von Minellis übernatürlicher Rache geworden und es gibt nur einen Weg, sich wieder aus dessen eisigen Klauen zu lösen...

Ein fast vergessenes Kleinod des Achtziger-Horrorfilms, der sich neben all den Teenie-Slashern, Serials und trashigen Troma-Produktionen als angenehme Ausnahme präsentiert: Für einen Genrefilm überdurchnschnittlich deftig, ansonsten jedoch ungewohnt differenziert. Bereits mit dem psychisch kranken Selbstmörder George Miller stellt "Retribution" einen Helden in den Mittelpunkt, der verhältnismäßig unkonventionell daherkommt - von betont schlichtem Äußeren, sensibel, schüchtern, verletzlich und liebenswert neigt er dazu, den Gegenströmungen des Lebens wie die meisten Menschen mit Flucht- und Vermeidungsstrategien zu begegnen. Dabei gibt es viele Menschen, die ihn schätzen: Seine ihm freundschaftlich zugetane Therapeutin (Leslie Wing) etwa oder die verschrobenen Mitbewohner seines Langzeit-Hotels, darunter insbesondere die flippige Prostituierte Angel (Suzanne Snyder), die, in jeder Hinsicht Georges Gegenteil, sogar in den einsamen Mann verliebt ist. Dass ausgerechnet ein solch grauer Mäuserich mit den Widernissen dämonischer Besessenheit zu tun bekommt, ist mal ganz was anderes. Magars Porträt der Metropole und ihrer Menschen führt ferner weit über das hinaus, was der handelsübliche, harte Horrorfilm dieser Tage üblicherweise aufbietet. Er zeigt ein wesentlich höheres Interesse an seinen Charakteren und ihrer Entwicklung als gewohnt, was seine Wiederentdeckung eigentlich noch zusätzlich unabdingbar macht.

7/10

Guy Magar Dämon Madness Psychiatrie Splatter Los Angeles Parapsychologie


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AGAINST THE WALL (John Frankenheimer/USA 1994)


"Hot soup, ya white monkey!"

Against The Wall ~ USA 1994
Directed By: John Frankenheimer

September 1971: Zeitgleich kommen Michael Smith (Kyle MacLachlan) und Jamaal X (Samuel L. Jackson) im Hochsicherheitsgefängnis Attica, New York an - Smith als neuer Aufseher, X zum wiederholten Mal als Sträfling. Michaels Anstellung bedient eine familiäre Tradition: Auch sein Vater (Harry Dean Stanton), jetzt Kneipier im angrenzenden Ort, arbeitete einst hier; Michaels Onkel Ed (Tom Bower) ist jetzt noch in Attica beschäftigt. Nur wenige Tage nach Michaels Berufseinstand kommt es zu einer Gefängnisrebellion, bei dem die überwiegend hispanischen und schwarzen Insassen fast die komplette Anstalt über- und die meisten Aufseher, darunter auch Michael und Ed, als Geiseln nehmen. Bevor ihre Forderungen nach Generalamnestie und besseren Haftbedingungen angenommen werden können, bringt die Nationalgarde den Aufstand zu einem blutigen Abschluss.

Eine von Frankenheimers TV-Arbeiten, in ihrer Kompromisslosigkeit, Härte und tendenziösen Orientierung vielleicht zu unbequem fürs Kino. Der Privatsender HBO, der zu dieser Zeit häufiger mit kontroversen und auch Genre-Stoffen experimentierte, ließ Frankenheimer die nötigen Freiheiten, um seine Aufbereitung des authentischen Attica-Aufstands adäquat wiedergeben zu können. Mit einleitenden Bildern der unmittelbaren historischen Vorgeschichte, die die Ermordungen Bobby Kennedys und Martin Luther Kings beinhalten sowie Impressionen von Vietnam, Kent State, Watts, den Black Panthers und Malcolm X, verdeutlicht "Against The Wall" gleich zu Beginn, dass hierin eine Ära porträtiert wird, in der es brodelte, und zwar gewaltig, unübersehbar und allerorten. Und wie die meisten Anti-Establishment-Strömungen wurde auch Attica gewaltsam von den Autoritäten niedergerungen, ohne Rücksicht auf Verluste selbst unter den Geiseln. Die Beziehung zwischen den beiden Antagonisten Michael Smith und Jamaal X rückt vor diesem Hintergrund auf ein zunehmend verständiges Level; durch zumindest ansätzliches Begreifen de anderen verschiebt sich ihre jeweilige Perspektive schleichend in die Grauzone der Empathie. Eine großartige Besetzung, die ganz besonders durch Clarence Williams III und Frederic Forrest aufgewertet wird, trägt das ambitionierte Projekt noch zusätzlich. Leider entpuppt sich die deutsche Synchronisation rasch als ein Debakel. Daher sollte man, wenn möglich, um des unbeschwerten Genusses Willen den Originalton vorziehen.

8/10

John Frankenheimer period piece Gefängnis Historie New York Aufstand Rassismus HBO TV-Film


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THE ELEPHANT MAN (David Lynch/USA 1980)


"Nothing will die."

The Elephant Man (Der Elefantenmensch) ~ USA 1980
Directed By: David Lynch

In den 1880ern erfährt der Chirurg Frederick Treves (Anthony Hopkins) von einem schwer deformierten Mann, der in der Monstrositätenschau eines Zirkus ausgestellt wird: John Merrick (John Hurt), wegen seiner furchtbaren Verformungen an den meisten Stellen seines Körpers von seinem Aussteller Bytes (Freddie Jones), der ihn permanent quält, "Elefantenmensch" genannt. Treves gelingt es, Merrick zu untersuchen. Da dieser zunächst kein Wort spricht, hält Treves ihn auch für geistig behindert. Nach einer weiteren schweren Misshandlung überantwortet Bytes Merrick für unbefristete Zeit an Treves, der ihn im London Hospital unterbringt. Hier entdeckt Treves, wer sich wirklich hinter der Physis des "Elefantenmenschen" verbirgt: Eine höchst sensible, unabänderlich freundlich und intelligente Persönlichkeit, zugänglich für Kultur und Gastfreundlichkeit, ein ausgesprochener Gentleman gar. Doch Merrick bleibt ein ewiges Opfer: Ein übler Nachtwächter (Michael Elphick) verschachert Begegnungen mit ihm in den Kneipen vom East End, schließlich entführt ihn Bytes und verschleppt ihn auf den Kontinent. Doch Merrick kann fliehen und gelangt zurück nach London, wo er, durch die Fürsprache der Theaterdiva Kendal (Anne Bancroft) ganz kurz zu einem gefeierten Mitglied der oberen Gesellschaft aufsteigt. Dann legt er sich ein letztes Mal schlafen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diesen Superlativ wirklich langfristig untermauern kann, aber ich glaube, zumindest momentan, dass David Lynch einen so vollendeten Film wie "The Elephant Man" danach nie wieder zustande gebracht hat. Nicht nur die ästhetische Meisterschaft des Films, der unter der brillanten Verwendung von Freddie Francis' Kamera wie mühelos ein ganzes Zeitalter reanimiert, reißt zu Begeisterungsstürmen hin, auch und vor allem seine emotionale Ebene; nie auch nur im Entferntesten exploitativ oder reißerisch, sondern im Gegenteil äußerst feinfühlig und wahrhaftig, involviert den Zuschauer so nachhaltig, dass man den Film, komme, was da wolle, garantiert nie wieder aus dem Kopf oder dem Herzen bekommt. Die Geschichte der Freundschaft zwischen Treves und Merrick, der in Wahrheit Joseph hieß, nicht John und der tatsächlich dazu neigte, aus seinem entstellten Äußeren selbst Kapital zu schlagen, ist eine der schönsten ihrer Art im Kino, wie wohl auch die von John Hurt personifizierte Figur des John Merrick eine der strahlendsten, liebenswertesten Gestalten der Leinwand abgibt, einen Menschen, dessen Freundschaft man sich im Leben rühmen müsste, so sie einem zukäme.
Ganz faszinierend auch Lynchs gleichermaßen faszinierte wie angeekelte Perspektive der Viktorianischen Ära, einer Zeit, so verlogen wie brodelnd: Die Hochöfen qualmen vor grauem Firmament, die Arbeiter fallen um die Fliegen, der Adel spricht von sich im Plural und die Säufer und Huren in Whitechapel leben des Nachts zwischen Dreck, Bier und schmutzigen Limericks. Dies war nicht nur die Zeit von Victoria und Joseph Merrick, es war auch die von Jack The Ripper, und, so sie zum Leben erwacht wären, die von Dr. Henry Jekyll und die des Dorian Gray - morbid und von finsterer Schönheit, ganz so wie Lynchs Meisterwerk.

10/10

David Lynch Biopic Victorian Age period piece Historie Freundschaft London Theater Industrialisierung Freddie Francis


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THE WOLF OF WALL STREET (Martin Scorsese/USA 2013)


"I am not gonna die sober!"

The Wolf Of Wall Street ~ USA 2013
Directed By: Martin Scorsese

Nach dem Schwarzen Montag im Oktober 1987 wendet sich der Jungbroker Jordan Belfort (Leonardo Di Caprio) dem Segment der Penny-Stocks zu, minderwertiger Aktien, die an gutgläubige Kunden verhökert werden und die dem Makler bei entsprechendem Absatz eine stattliche Provision zusichern. Belfort kann es sich bald leisten, mit 'Stratton Oakmont' eine eigene Firma aufzuziehen, die rasch expandiert. Unter dem Mitarbeitern, allen voran Belfort selbst, gehört es zum alltäglichen Chic, Alkohol, Drogen, Sex und Exzess in rauen Mengen zu konsumieren - vor allem Quaaludes haben es dem immer reicher werdenden Kapitalistenalb angetan, der nach einigen Jahren ins Visier ddes FBI gerät und sein berufliches wie sein Familienleben vor die Wand fährt.

Im Stil seiner früheren Antihelden-Halbwelt-Geschichten, die ihm zumeist mit der Unterstützung des Insiders Nicholas Pileggi zugeschustert wurden, setzt Scorsese diesen endlich wieder einmal einen weiteren Beitrag hinzu. Diesmal begibt er sich in die Niederungen des Yuppie-Unwesens der späten Achtziger, in das Haifischbecken der Gordon Gekkos und Patrick Batemans, in den Pomade und Kokain ihre verhängnisvolle Boulevard-Verbindung eingingen. Jordan Belfort ist ein authentisches Relikt dieser Jahre, ein denkwürdiges Mahnmal für die Unvereinbarkeit von Menschlichkeit und Profitstreben. Mit der ihm üblichen Faszination für seine faulherzigen Protagonisten von Jake LaMotta über Henry Hill und Ace Rothstein bis hin eben zu diesem Jordan Belfort lässt Scorsese sich in gewohnter Überlänge seine Kamera entfesseln; sie ewige Fahrten vollführen, über endlose Kokainbahnen gleiten, urplötzlich in der Bewegung verharren. Dazu gibt es eine wie üblich ausufernde Song-Kompilation, ein herrlich spaßiges Figuren-Kaleidoskop (mit Rob Reiner in einer komödiantischen Meisterleistung als Belforts Vater) und Szenen-Arrangements, die in punkto Detailverliebtheit noch immer ihresgleichen suchen. Jonah Hill ist großartig, Margot Robbie dafür eine Katastrophe. Damit kann man zumindest jedoch leben, immerhin hat sie einen fabelhaften Körper.
Was mich besonders freut, ist, dass mit "The Wolf Of Wall Street" auch der Drogen- und Suff-Exzess-Film endlich mal wieder kapitalen und vor allem vitalen Zuwachs bekommen hat, der schien mir nach "Fear And Loathing In Las Vegas" und "Spun" nämlich bereits dramatisch vom Aussterben bedroht. Hier jedoch heißt es: Lass' sie fröhlich lallen, lass' sie torkeln, lass' sie fallen. Geil!

9/10

Martin Scorsese New York Börse Wall Street Biopic FBI period piece Alkohol Kokain Freundschaft Familie Drogen


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FAUST: LOVE OF THE DAMNED (Brian Yuzna/E 2000)


"I am the pornography that gets you hot!"

Faust: Love Of The Damned ~ E 2000
Directed By: Brian Yuzna

Der Künstler John Jaspers (Mark Frost) verliert seine Holde (Jennifer Rope) durch den überraschend auf ihn und sie verübten Gewaltakt einer übler Gang. Um seine Vergeltung zu bekommen, besiegelt er voller Verzweiflung einen Pakt mit dem mysteriösen M (Andrew Divoff), der einer geheimen Sekte namens "The Hand" vorsteht. Jaspers verwandelt sich fortan bei Bedarf in einen metzelnden Racheengel, der alles filetiert, was ihm vor die Klingen kommt. Geliebt von der schönen Psychologin Jade (Isabel Brook) und beschattet von dem eifrigen Lieutenant Margolies (Jeffrey Combs) bahnt sich Jaspers seinen blutigen Weg durch den kriminellen Untergrund. Auch der sinistre M, der eine dämonische Entität, den 'Homunculus' auf die Erde rufen will, muss sich Jaspers mittelfristig stellen.

Faustische Superhelden II: Ganze fünf Jahre älter als Spawn ist der noch um einiges weniger jugendfreie Faust, erdacht von den beiden Autoren Tim Vigil (Illustrationen) und David Quinn (Storys), veröffentlicht vom Underground-Verlag Rebel/Avatar. Die in schwarz-weiß publizierten Geschichten erschienen in keiner regelmäßigen Frequenz und wurden bei einer Gesamtzahl von lediglich fünfzehn Ausgaben über einen Zeitraum von 25 Jahren veröffentlicht. Wie der Name der Titelfigur berreits verrät, ist "Faust" ein direkter Nachkomme der goetheschen Gestalt, deren Antagonist Mephistopheles sich in Comic und Film zeitgenössisch als 'M' abkürzt. Yuzna wählte die Adaption als Eröffnungsstück seiner neu gegründeten, spanischen Produktionsgesellschaft Fantastic Factory, die als Subfirma des Filmax-Verleihs bis 2005 nur acht Filme herstellte und dann wieder einschlief. Gefilmt wurde in und um Barcelona - immerhin geschickt genug, um nie den Eindruck zu verwischen, es handele sich um eine amerikanische Großstadt. Der Soundtrack wurde, gemäß einer neunziger-typischen Tradition, von harten Bands geliefert, die allesamt beim Label Roadrunner unter Vertrag standen. Der Connaisseur weiß, was das bedeutet: Palaver, aber deluxe! So weit, so eigen. "Faust: Love Of The Damned" ist ein vielgehasster, vielgeschmähter Film, dessen höchst eigenwilliges Auftreten es einem tatsächlich nicht eben leicht macht. Dennoch glaube ich, hinter all dem verschrobenen, merkwürdig pastiche-artigen Gewimmel, das einer akut spürbaren Komik nicht entbehrt, eine spezifische Konzeption ausmachen zu können, den Willen dazu, etwas anderes, eigenes zu liefern ohne die direkte Tendenz der Publikumsanbiederung. Bei aller campigen Pappnasigkeit sitzt da irgendwo noch was im Verborgenen, das, wenn ich es in ferner Zukunft irgendwann benennen kann, ich hier veröffentlichen werde. Bis dahin bleibt mir bloß die Einordnung im Mittel.

5/10

Brian Yuzna Satan Comic Camp


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SOCIETY (Brian Yuzna/USA 1989)


"Just a little bit paranoid, Bill, within normal ranges."

Society (Dark Society) ~ USA 1989
Directed By: Brian Yuzna

Bill Whitney (Billy Warlock) ist ein typisches Beverly-Hills-'rich-kid', ein verwöhnter Siebzehnjähriger, für den es zum Alltag gehört, zum Analytiker zu gehen, Sportwagen-Coupés zu fahren und auch sonst jedweden materiellen Wohlstand als selbstverständlich hinzunehmen. Eines Tages wird er jedoch stutzig: Seine Familie beginnt sich zunehmend merkwürdig zu verhalten, Schulkameraden ebenso und David Blanchard (Tim Bartell), ein aufdringlicher Verehrer seiner Schwester Patrice Jennings), konfrontiert Billy mit höchst obszönen Tonband-Aufnahmen und segnet kurz darauf bei eine Verkehrsunfall das Zeitliche. Zudem hat Billy ein komisches Gefühl bezüglic seiner neuen Angebeteten Clarissa (Devin DeVasquez). Schließlich muss er die Wahrheit erkennen: Diverse gesellschaftliche Schlüsselpersonen in Beverly Hills gehören einer uralten Geheimloge perverser Mutanten an, die jeden, der ihr Geheimnis entdeckt, auf unappetitliche Art beseitigen...

"Scenes From The Class Struggle in Beverly Hills" war eine prominent besetzte Satire von Paul Auster, die sich mit der Dekadenz der Reichen und Schönen im Sonnenstaat befasste. Im gleichen Jahr erschien, freilich auf deutlich kleiner Bühne und einem Zirkel Eingeweihter vorbehalten, Brian Yuznas thematisch stark anverwandter "Society", eine hübsche Grand-Guignol-Komödie rund um paranoide teenage angst und ein paar lustvoll eklige Make-Up-Eskapaden, die wie immer Yuznas pan-japanischer Kollege Screaming Mad George besorgte und die im Rahmen ihrer budgetbedingten Durchsichtigkeit als durchaus innovativ bezeichnet werden können - immerhin hat man seit Carpenters "The Thing" solch schleimige Verformungen, wie sie das große Finale von "Society" bereithält, auf der Leinwand nicht mehr bewundern dürfen. Yuznas Orientierung an den Secret-Invasion-Movies der Fünfziger, in denen häufig einem (juvenilen) Individuum bewusst wurde, dass seine Nächsten gar nicht (mehr) seine Nächsten sind, wird ferner auch Kevin Williamson stark beeinflusst haben. Sein "The Faculty" spricht diesbezüglich Bände.

7/10

Brian Yuzna Kalifornien Beverly Hills Satire Mutanten Monster Familie


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SPAWN (Mark A.Z. Dippé/USA 1997)


"Just get me to a hospital."

Spawn ~ USA 1997
Directed By: Mark A.Z. Dippé

Der CIA-Profikiller Al Simmons (Michael Jai White) wird von seinem Boss Jason Wynn (Martin Sheen) gelinkt und während der Erfüllung eines Auftrages in Nordkorea ermordet. Simmons fährt geradewegs hinab ins Inferno, schließt mit dem Höllenfürsten Malebolgia jedoch einen Pakt: Um nur noch einmal seine geliebte Frau Wanda (Theresa Randle) sehen zu können, wird er zu einem 'Hellspawn', einem Satanssoldaten, der die höllischen Heerschaaren im Krieg gegen den Himmel anführen muss. Fünf Jahre später - für Simmons ist kein Tag vergangen - landet der untote Veteran schrecklich verbrannt wieder in New York - ausgestattet mit übermenschlichen Kräften und einem mit einem Eigenleben versehenen Symbionten als gepanzertem Kostüm. Während ein infernalischer Dämonenclown (John Leguizamo) Spawn die Hölle schwermacht, findet er in seinem ausrangierten Vorgänger Cogliostro (Nicol Williamson) einen väterlichen Freund, der ihm gegen den machtbesessenen Wynn und gegen Malebolgia beisteht.

Faustische Superhelden I: Die Geschichte der Comicfigur 'Spawn' ist zugleich die ihres Erfinders Todd McFarlane. Der exzentrische Zeichner und Autor hatte bereits häufig für die beiden Großen Marvel und DC gearbeitet, bevor er, sich kreativ beschnitten, eingeschränkt und gemaßregelt fühlend, seinen eigenen Verlag Image Comics gründete. Dessen Flaggschiff bildete in den frühen Neunzigern Spawn, jener untote Superheld, der sich infolge eines mephistophelischen Kontrakts seinem Schicksal fügen musste und gegen allerlei höllische, himmlische und irdische Gegner, vom ordinären Gangsterboss über Sektenstifter, Serienkiller und Super-Cyborgs bis hin zu Engeln und Dämonen anzutreten hatte. Al Simmons war darüberhinaus ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Superheld und unterschied sich deutlich von den Archetypen: Dunkelhäutig, furchtbar entstellt und vernarbt, unter Obdachlosen lebend, schnell mit der Waffe zur Hand und überaus gewalttätig, außerdem nicht allzu clever und stark instinktgesteuert. Die Serie läuft seit mittlerweile fast 22 Jahren und hat sich ihr populäres Renommee im Medium bewahrt.
Bereits vier Jahre nach erscheinen der Erstausgabe war es beschlossene Sache für McFarlane, sein mittlerweile auch im Actionfigurensektor angelangtes Franchise auch ins Kino zu bringen. Mit New Line ward eine Produktionsgesellschaft gefunden, die McFarlanes Einfälle wohl weithin zu dessen Zufriedenheit zum Leben erweckte. Weit weniger blutig als der Comic und in der Kinoversion mit einem PG-13-Rating versehen, ist "Spawn" vor allem eines: Bizarr. Mit teilweise schaurigen CGIs versehen, die zwischen grandios misslungen und ausnehmend beschissen changieren und deren Limitation insbesondere in der Animation Malebolgias sichtbar wird, einem viel zu weit ins Zentrum gerückten, unentwegt käsige Witzchen kloppenden Violator bzw. Clown, an dessen Interpretation John Leguizamo wohl seine Freude gehabt haben wird, die irgendwann aber nurmehr tödlich nervt, einem imbezilen Drehbuch und ansonsten mäßigen Darstellern, wirkt der Film dennoch merkwürdig ambitioniert, gerade so, als würde er sich seinem Scheitern bewusst stellen und dieses im Zuge einer Art anarchischer Abrissparty in Grund und Boden feiern. So kommt "Spawn" nie zur Ruhe, seine Aufzüge sind minimalst kurz, ständig passiert irgendwo etwas und audiovisuell ist Dauerbefeuerung angesagt. Daher und infolge seiner Herkunftsgeschichte mag ich das Ding auch irgendwie, wenngleich das zeitgleich produzierte, achtzehnteilige Animationsserial vielfach exponentiell besser ist und ein jeder, der diesen Film verwünscht und auf dem Scheiterhaufen zu exorzieren trachtet, richtiger liegt als ich. Manchmal muss es eben Käse sein.

5/10

Mark A.Z. Dippé New York Hölle Satan D.C. Camp Comic


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THE ICEMAN COMETH (John Frankenheimer/USA 1973)


"The lie of a pipe dream is what gives life to the whole misbegotten mad lot of us, drunk or sober."

The Iceman Cometh ~ USA 1973
Directed By: John Frankenheimer

New York, 1912: Der 'Last Chance'-Saloon im Village ist sowohl Hort als auch tagtäglicher Treffpunkt für eine Gruppe abgehalfterter, Herren und Huren, die, sofern sie ihr Verfallsdtaum nicht ohnehin bereits überschritten haben, doch kurz davorstehen. Der Eigentümer der Bar, Harry Hope (Fredric March), der seinen Laden infolge des Todes seiner Frau vor zwanzig Jahren nicht mehr verlassen hat, ist so etwas wie der Patron der überreifen Gesellschaft. Er und die übrigen Gäste freuen sich auf den zweimal im Jahr stattfindenden Besuch des Handlungsreisenden Hickey (Lee Marvin), der in den schummrigen Räumlichkeiten gute Laune verbreitet und die traurige Truppe mit Freidrinks bis zum Abwinken bei Laune hält. Anlässlich Harrys Sechzigstem hat sich Hickey wieder einmal angekündigt und es verspricht, eine fantastische Sause zu werden. Als der innig erwartete Spezialgast dann jedoch endlich auftaucht, schockiert er seine Freunde mit einer unbegreiflichen Neuigkeit. Er habe zu trinken aufgehört, sei endgültig "von dem Teufelszeug los" und würde jedem der anderen Gäste empfehlen, ihm auf seinem neuen Weg zu folgen. Zunächst kommt Hickeys Vorschlag alles andere als gut an, dann jedoch fängt nahezu jeder an, über Hickeys Worte und sich selbst nachzudenken...

Sich Frankenheimers O'Neill-Verfilmung auszusetzen ist eine Aufgabe, und keine, die etwa leicht zu bewältigen wäre. Runde vier Stunden Erzählzeit, angesiedelt ausnahmslos in ein und demselben, schummrig ausgeleuchteten Raum, falbe Farben, vier Akte, drei Zeitsprünge von jeweils mehreren Stunde, zwei Pausen, keine Musik. Reiner Dialog, die meiste Zeit körperlich aktionslos und aus sitzenden Positionen heraus vorgetragen; wobei stets bloß die fokussierten Figuren sprechen, derweil die übrigen jeweils in einer Art vorübergehender Stasis verharren. Man findet sich stolz und erleichtert, wenn man das durchgestanden hat, und bereichert um eine der ungewöhnlichsten Filmerfahrungen, die ich kenne.
Das produzierende 'American Film Theatre' war eine kurzlebige Firma, die unter ihrem Kopf Ely Landau zwischen 1973 und 1975 zwölf Theateradaptionen in die Kinos brachte, die mit Ausnahme der Regie- und Schnittarbeit so dicht an der Bühne lagen, wie kaum eine artgenössische Produktion zuvor und seitdem, sofern es sich nicht um schlicht abgefilmtes Theater handelt. "The Iceman Cometh" ist daher besonders ein Triumph der Schauspielkunst: Neben March und Marvin sind Robert Ryan, Jeff Bridges, Clifton James, Bradford Dillman, Moses Gunn und einige andere zu bewundern, March und Ryan jeweils in ihren letzten Rollen. Man hätte ihnen angesichts ihrer Leistungen noch sehr viel mehr gegönnt.
"The Iceman Cometh" ist kein moralisches Stück im herkömmlichen Sinne; er ist ein Film über 'pipe dreams', frei übersetzt 'Luftschlösser', denen die Säufer aus Harrys Bar nachhängen. Sie alle fabulieren tagtäglich über das, was sie in Kürze erreichen, sich zurückholen wollen. Den vormaligen Kriegskorrespondenten James Cameron (John McLiam) etwa nennen die anderen nurmehr 'Jimmy Tomorrow', weil er permanent darüber lallt, dass er sich morgen seinen alten Job zurückerobert. Ähnlich wie ihm geht es auch den meisten anderen hier, sie sind Helden im Schatten, die nurmehr unter ihresgleichen geduldet sind und hier auf den unausweichlichen Tag hinarbeiten können. Als sich dann Hickey, der 'Iceman' einfindet, und sie alle zu missionieren versucht (eine Aufgabe, die jedem, der schon einmal mit leibhaftigem Alkoholismus zu tun hatte, auf den ersten Blick bloß sinnentleert erscheinen muss), kommt es lediglich zu einer kurzen Zäsu, die jedoch tragische Spuren hinterlässt. Für die meisten Gäste jedoch ändert sich am Ende nichts, sie bleiben authentische Außenseiter.

9/10

John Frankenheimer based on play Eugene ONeill period piece New York Alkohol Freundschaft


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THE HORSEMEN (John Frankenheimer/USA 1971)


"What a ram with one horn makes, a man with on leg can make too!"

The Horsemen (Die Steppenreiter) ~ USA 1971
Directed By: John Frankenheimer

Tursen (Jack Palance), Patriarch dreier Hindukusch-Provinzen, entsendet seinen stolzen Sohn Uraz (Omar Sharif) zum vom König ausgerichteten Buzkashi nack Kabul, einem archaischen Wetkkampf, bei dem es gilt, per Pferd eine kopflose Ziege über eine bestimmte Distanz und wieder zurück zu tragen. Gewinnt Uraz den Wettstreit, geht der stolze Schimmel Jihal in seinen Besitz über. Uraz schlägt sich tapfer, stürzt jedoch kurz vor dem Ziel schwer, so dass ein anderer Reiter aus seiner Equipe das Turnier für Tursen gewinnen muss. Um seine Ehre zurückzugewinnen, reitet Uraz, dessen linkes Bein infolge des Sturzes gebrochen ist, mit seinem Stallknecht Mukhi (David de Keyser) über einen gefürchteten, gefahrvollen Bergweg zurück in die Heimat. Wenn Mukhi im beisteht, so verspricht es ihm Ulaz, soll Jiral im Falle seines Todes an den Gehilfen übergehen. Unterwegs schließt sich ihnen die schöne Zareh (Leigh Taylor-Young), ein ehrloses Dorfmädchen, an, das beide Männer begehren, das für Uraz wegen seines adligen Standes jedoch unerreichbar ist. Uraz' Bein entzündet sich und muss amputiert werden. Nach beschwerlichem Weg zurück in der Heimat gelingt es ihm jedoch, alle gemachten Fehler einzusehen und seinen Stolz als Königssohn wiederzuerlangen.

Vielleicht Frankenheimers schönster Film ist "The Horsemen", eine gleichnis- und märchenhafte Erzählung über verschiedene Wege, Identität und Integrität zu erfahren und zu bewahren. Wie "The Gypsy Moths" verharrt auch "The Horsemen" thematisch keinesfalls auf dieser solitären Ebene. Auch die Sektion einer für Westgeborene schwerlich bis kaum nachvollziehbaren Kultur steht im Kern des Films, der, obgleich er in der Gegenwart angesiedelt ist, Bilder entwirft, wie sie ein vergangenes Jahrhundert widerzuspiegeln vermögen. Die 'Chapandaz', ein stolzes afghanisches Reitervolk, pflegen eine ungezählte Generationen zurückreichende Kultur, die kaum zivilisatorische Zeugen kennt. Ein Spiegel in Tursens Behausung etwa, der als kitschig-buntes Relikt wahrscheinlich aus irgendeinem Souvenirs-Laden stammt, wirkt wie ein eklektischer Fremdkörper im sepiafarbenen Dorfleben. Immer wieder gibt es solche Merkwürdigkeiten: Einen weit entfernten Düsenjet hier, einen Jeep dort, die reichen, den westlichen Einflüssen verfallenen Geschäftsleute mit Designer-Anzügen und Papiergeld. Die Chapandaz negieren solche Erscheinungen: Ulaz besteht darauf, dass der ihm im Krankenhaus angepasste Gips verschwinden muss. Stattdessen soll die offene Operationsnarbe mit einer Koransseite beklebt werden, was langfristig zum Verlust des Beines führen wird. Seine Egomanie wird ihm auch sonst mehrfach fast zum Verhängnis: Er verleitet trotz der lehrreichen Parabel eines blinden, alten Schreibers, seinen Diener dazu, ihm Jihal zu rauben, der unheilvolle Einfluss Zarehs tut sein Übriges. Doch ist "The Horsemen" nicht an offensichtlichen Moralpredigten gelegen, sondern daran, zu zeigen, dass schiere Willenskraft auch fernab der Moderne Fruchtbarkeit bedeuten kann: Uraz meistert sämtliche, auch die von ihm selbst forcierten, Widerstände und gewinnt am Ende vielleicht ein höheres Maß an Respekt als es zuvor möglich gewesen wäre. Frankenheimer dabei zuzuschauen, wie er dieses wildromantische, abenteuerliche Szenario entwirft, zuspitzt und auflöst, ist ein unbedingter Hochgenuss.

10/10

John Frankenheimer Joseph Kessel Dalton Trumbo Afghanistan Kabul Reise Vater & Sohn





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