Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

BOBBY DEERFIELD (Sydney Pollack/USA 1977)


"I'm starting finding you irresistable."

Bobby Deerfield ~ USA 1977
Directed By: Sydney Pollack

Der Formel-1-Fahrer Bobby Deerfield (Al Pacino) lebt eine sinnentleerte Existenz. Einerseits setzt er sich mit jedem Rennen der Gefahr aus, tödlich zu verunglücken, andererseits veranlasst ihn die Karambolage zweier Kollegen, dei der einer stirbt und der andere, Karl Holtzmann (Stephan Meldegg) nach dem Bruch eines Halswirbels gelähmt ist, zum Grübeln und zu mehrfacher Sicherheitsüberprüfung an seinem Wagen. Als Bobby Holtzmann in einem Schweizer Sanatorium besucht, lernt er die ungestüme Krebspatientin Lilian (Marthe Keller) kennen. Die impulsive, am Leben hängende Frau, die jede einzelne Minute so gut es geht auskostet, bringt den stillen Bobby zum Nachdenken. Immer wieder sucht er die Gesellschaft Lilians, die ihn mit ihren manchmal halsbrecherischen Aktionen zunehmend fasziniert.

Zum Niederknien schöne Remarque-Verfilmung, eines von Pollacks führenden Werken und in den Darstellungen von Pacino und Keller herzensbrecherisch. Letzten Endes geht es darum, über den Tod eines geliebten Menschen die Erkenntnis zu gewinnen, dass das eigene Weiterleben ein Geschenk ist - eine so gemeingültige wie existenzielle Maxime. Somit ist weniger das Resultat von Bobby Deerfields mentaler Edukation das eigentliche Ziel des Films, sondern vielmehr der ebenso beschwerliche wie romantische Weg dorthin; der Weg vom eigenbrötlerischen, trotz einer millionenstarken Anhängerschar völlig vereinsamten, erstarrten Angstneurotiker hin zum selbstbestimmten Individuum. Dass dieser Pfad wie zufällig über wunderschöne Alpenpässe, die Toskana und Florenz führt, ist dem vollendeten filmischen Genuss nicht eben abträglich. Durchweg wunderbar.

10/10

Sydney Pollack Frankreich Italien Schweiz Florenz Paris Formel 1 Krebs Erich Maria Remarque Autorennen


Foto

THE COMPANY YOU KEEP (Robert Redford/USA 2012)


"We all died. Some of us just came back."

The Company You Keep ~ USA 2012
Directed By: Robert Redford

Mit der späten Verhaftung Sharon Solarz' (Susan Sarandon), eines ehemaligen Mitglieds des Weather Underground, beginnt zugleich auch die Hatz auf ihren damaligen Gesinnungsgenossen Nick Sloan (Robert Redford), wie die meisten der früheren Mitglieder untergetaucht und mittlerweile unter dem Namen Jim Grant als Anwalt und alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter (Jackie Evancho) ein beschaulich-ruhiges Leben führend. Man wirft Nick vor, seinerzeit den Wachmann einer Bank getötet zu haben. Tatsächlich ist jedoch nicht er, sondern seine ehemalige, ebenfalls flüchtige Geliebte Mimi Lurie (Julie Christie) für den Todesfall verantwortlich. Ohne Mimis Geständnis wäre Nick jedoch den Behörden ausgeliefert. Daher überlässt er seine Tochter übergangsweise seinem Bruder Daniel (Chris Cooper) und flüchtet quer durch die USA - das FBI und den wissbegierigen Journalisten Ben Shepard (Shia LaBoeuf) permanent dicht auf den fersen.

Der Weather Underground bildete eine Art US-Pendant zur RAF, zur Brigate Rosse und anderen zeitgenössischen Linksterror-Organisationen, die global gegen vorherrschende Establishment-Strukturen aufbegehrten. Die 'Weathermen' bestanden, wie auch ihre internationalen Gesinnungsgenossen, vornehmlich aus Studenten mit gutbürgerlichem Background, die angesichts des von den USA geführten Krieges in Vietnam auf die Barrikaden gingen; zuerst in friedlichem Protest, dann, nach Kent State, auch bewaffnet und mit Bomben. "The Company You Keep" greift dieses wichtige historische Kapitel auf und als Redford rief, kamen einige. Ein oftmals wehmütig anmutendes Treffen großartigen Altpersonals bildet das Resultat, bei dem man großen, altgedienten und -geliebten Profis nochmal bei der Arbeit zuschauen und sich beruhigt vergewissern darf, dass der Zahn der Zeit auch an ihnen nicht spurlos vorübergeht. Sam Elliott allerdings sieht im Vergleich zu seinen KollegInnen trotz schneeweißer Haarfarbe noch vergleichsweise frisch aus. Nick Nolte ist ganz der alte Brummbär und die wunderbare Julie Christie wird selbst durch Falten nicht hässlich.
Als Klassentreffen ist "The Company You Keep" ein voller Erfolg - weniger hingegen in inhaltlicher und ideologischer Hinsicht. Dass Redford - zum Drehzeitpunkt immerhin 76 Lenze zählend - als verwitweter Vater einer knapp zwölfjährigen Tochter auftritt - nun gut. Gehört eben zur Story. Weniger zufriedenstellend endet das kernlokalisierte Dialogduell zwischen Nick und Mimi. Darüber, ob die Verhältnisse heute nicht noch schlimmer sind als damals, darüber, ob militante Gegenwehr ihre Berechtigung verloren hat, darüber, ob fortgeschrittenes Alter mit politischer Passivität und automatisierter Milde einhergehen soll und muss. Hier hätte der Film deutlich mehr Biss vertragen, wie er auch insgesamt etwas zahnlos daherkommt. Dennoch eine insgesamt erfreuliche Angelegenheit und nach dem enttäuschenden "The Conspirator" wieder ein guter Schritt vorwärts für den Regisseur Redford.

8/10

Robert Redford FBI Flucht Journalismus


Foto

GOLOK SETAN (Ratno Timoer/INO 1984)


Zitat entfällt.

Golok Setan (Devil's Sword) ~ INO 1984
Directed By: Ratno Timoer

Um die unselige Macht der Krokodilskönigin (Gudi Sintara) zu brechen, deren unstillbare Lust auf junge Männer, die sie zu hypnotisieren und ihrem umfassenden Harem einzuverleiben pflegt und damit bereits ganze Dörfer entvölkert hat, benötigt der Krieger Mandala (Barry Prima) das legendäre Teufelsschwert, welches sich in einer Berghöhle verbirgt. Außer ihm sind auch einige Dämonen an der Waffe interessiert, so auch der von der Krokodilskönigin entsandte Erzfeind Mandalas, Banyunjaga (Advent Bangun)...

Alberne Südpazifik-Fantasy, deren Schwertkämpfe mit ihren angemalten Holzschwertern noch das Beste sind. Ich bin ja an und für sich stets gern für Trash zu haben, aber so viel Mühe ich mir auch immer wieder gebe: diese sich durch einen ganzen Erdteil ziehende, paraphil-bigotte Fernost-Mentalität, die die Darstellung von Blutfontänen und Enthauptungen bereitwillig gestattet, die Exponierung weiblicher Geschlechtsmerkmale aber im Gegenzug als Teufelswerk betrachtet, ist mir jedesmal, da ich sie vorfinde, nicht nur schleierhaft, sondern höchst zuwider.
Gut, ein bisschen lustig ist "Golok Setan" hier und da schon, wenn er seine Rückläufe als sensationelle Tricks veräußert oder die absolut beschissen maskierten Krokodilsmenschen auftauchen. Trotzdem habe ich mich zumeist köstlich gelangweilt und das baldige Ende der Mär herbeigesehnt. Erwähnenswert noch die Münchener Synchronisation, die mit Stimmlegenden wie Werner Abrolat und Thomas Reiner zu kokettieren weiß. Eine nachträgliche Glanzpolitur für diesen Schmarren.

3/10

Ratno Timoer Indonesien Trash martial arts


Foto

EL CANÍBAL (Jess Franco/E, F, BRD 1980)


Zitat entfällt.

El Caníbal (Jungfrau unter Kannibalen) ~ E/F/BRD 1980
Directed By: Jess Franco

Der kommende Hollywood-Star Laura Crawford (Ursula Buchfellner) weilt in Manila, um sich dort die neueste haute couture vorführen zu lassen. Flugs wird sie von einem Dunkelmann-Quartett (Antonio de Cabo, Werner, Pochath, Gisela Hahn, Melo Costa) kassiert und auf eine der entlegenen Inseln entführt. Sechs Millionen Dollar Lösegeld soll Lauras Sponsor hinblättern und betraut den welterfahrenen Abenteurer Peter Weston (Al Cliver) mit dieser Aufgabe. Dummerweise haust auf der Insel, auf der sich die Gangster einquartiert haben, ein Eingeborenenstamm, der dem Kannibalengott Bocco (Betrand Altmann) huldigt. Dieser fordert regelmäßig nackte Jungfrauen, die er begrabbeln und deren Herzen er in Windeseile verzehren kann. Der umtriebige Weston muss also mit den Ganoven und mit Bocco fertig werden.

Ein Festival der Anschlussfehler - dass Franco bei seinem quantitativ immer wieder unglaublich anmutenden Ausstoß hier und da g'schlampert hat, ist nichts Neues, im Falle "El Caníbal" jedoch bedarf es schon einer ganz besonderen Toleranz seitens des Publikums, seinem Machwerk zu folgen, geschweige denn, selbiges zu würdigen. Gründe dafür sind zahlreich vorhanden: Die Strandpromenade von Benidorm soll uns als Manila verkauft werden und der allabendliche Gästestamm der Disco um die Ecke als Kannibalenvolk. Zwei Einstellungen in ein und derselben Szene sind zu unterschiedlichen Tageszeiten und unter völlig anderen Lichtverhältnissen gegeneinandermontiert worden, gewisse Textilien sind in einem Moment noch an ihrem Platz, um im nächsten Moment wie von Zauberhand zu verschwinden und dann wahlweise wieder aufzutauchen. Chef-Gangster Thomas (de Cabo) fuchtelt bedrohlich mit seiner Lufdtruck-Pistole herum und Werner Pochaths "grauselige" Enthauptung wird durch ein Palmenblatt simuliert, das man auf seinem Hals drapiert hat. Unser Jess - eben doch der erste, inoffizielle 'Dogma'-Filmer! Immerhin - der fleischbewusste Kostgänger bekommt eine Menge hübscher Damen aus so ziemich jedem möglichen Blickwinkel kredenzt; allen voran natürlich die schöne (M)Uschi Bu(s)chfellner (nein, ich habe mit Kalauern nix am Hut) und die noch schönere Aline Mess. Da war aber dann doch ganz schön wat los an der steinigen Costa Blanca.

5/10

Jess Franco Europloitation Sleaze Philippinen Kannibalismus Splatter Trash Lisa-Film


Foto

UNA LUCERTOLA CON LA PELLE DI DONNA (Lucio Fulci/I, E, F 1971)


Zitat entfällt.

Una Lucertola Con La Pelle Di Donna ~ I/E/F 1971
Directed By: Lucio Fulci

Die biedere Londonerin Carol Hammond (Florinda Bolkan) ist in manischem, heimlichen Begehren zu ihrer libertinen Nachbarin Julia Durer (Anita Strindberg) entflammt, was sich allnächtlich in bizarren Träumen widerspiegelt, von denen Carol ihrem Analytiker (George Rigaud) berichtet. Als Julia ermordet aufgefunden wird, ist Carol zutiefst entsetzt - entspricht das gesamte Szenario doch exakt einem ihrer erst nachts zuvor geträumten Fantasmen. Zunächst hält man Carol für die Mörderin, doch ein mysteriöser Erpresseranruf bei Carols wohlhabendem Vater (Leo Genn) sowie zwei zwielichtige Hippies (Mike Kennedy, Penny Brown) lassen auf einen wesentlich komplexeren Tathergang schließen...

Frühes Meisterstück von Fulci, trotz einiger Zeigefreudigkeit noch weit von seinen späteren Exploitation-Träumen entfernt. "Una Lucertola Con La Pelle Di Donna" zehrt vom psychedelischen Kontext seiner Entstehungsjahre, besitzt wundervoll arrangierte Interieurs und Raumkonstruktionen und macht Gebäude und Architekturen zu heimlichen Hauptdarstellern. Das sich inhaltlich etwas verlierende Vexierspiel, das am Ende natürlich die logisch einzig mögliche Auflösung hervorzaubert, zuvor jedoch einige ziemlich umständliche Fallstricke legt, muss man eher beiseite schieben, um den vollen Genuss sich entfalten zu lassen. Dann aber! Über allem wabert ein von Ennio Morricone komponierter Score und eine Reihe toller Schauspieler, allen voran der bereits oben genannte Genn, veredelt einen der schönsten mir bekannten Gialli.

8/10

Lucio Fulci Giallo London LSD Bohéme


Foto

LET'S SCARE JESSICA TO DEATH (John D. Hancock/USA 1971)


"Damn hippies, creeps!"

Let's Scare Jessica To Death (Grauen um Jessica) ~ USA 1971
Directed By: John D. Hancock

Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in einer Nervenklinik zieht Jessica (Zohra Lampert) mit ihrem Ehemann Duncan (Barton Heyman) und dessen Kumpel Woody (Kevin O'Connor) in ein just erworbenes Provinzhaus in Connecticut. Hier will man sich ganz entspannt dem Müßiggang und dem Apfelanbau hingeben. Im Haus findet das Trio unerwartet das Hippie-Mädchen Emily (Mariclare Cotello) vor, welches sich dort eingenistet hat. Man ist sich auf Anhieb sympathisch und überredet Emily zum weiteren Verbleib. Doch die junge Dame umgibt offenbar ein Geheimnis. Besonders die hochsensible Jessica macht bald immer verdächtigere Entdeckungen, die nur einen finalen Schluss zulassen: Emily ist in Wahrheit der Geist der vor rund neunzig Jahren ertrunkenen Abigail Bishop, der allenthalben die rundherum lebende Bevölkerung zur Ader lässt und sich von deren Blut ernährt.

Ein eher vernachlässigenswerter, kleiner Spukfilm; träge, behäbig, mit zuweilen laienartig auftretender Besetzung und von dieser zudem teils barbarisch mies gespielt (ich schätze, das nicht nur auf der Leinwand hippieesk anmutende Protagonistenquartett wird sich mit diversen BTM bei Laune gehalten haben, man beobachte nur Lamperts glasigen Blick); immerhin jedoch von inszenatorischer Seite her hier und da ambitioniert wirkend.
Die interessante Nuance liegt in der zunächst noch geschickt ausgespielten Ungewissheitskarte: Sind Jessicas Eindrücke noch posttraumatische Nachwirkungen ihrer psychotischen Episode oder handelt es sich tatsächlich um übernatürliche Ereignisse?: "Madness or sanity; dream or nightmare - which is which?" Nun ja, die fiesen Wunden, die der überalterten Landbevölkerung mittels unkonventioneller, vampirischer Methodik (Schnittwerkzeuge statt Reißzähnen) beigebracht wurden, sprechen da schlussendlich schon eine recht deutliche Sprache. Am Ende erweisen sich alle um sie herum mit Ausnahme von Jessica selbst als infizierte Untote - glücklicherweise nicht sonderlich wehrhaft in ihrem Gebahren. Allein - wer wird der guten Frau glauben nach ihrer (optionalen) Rückkehr in die Zivilisaton?
Ein PG-13-Horrorfilm eben. 'Nuff said.

4/10

John D. Hancock Haus Vampire Spuk Connecticut Bohéme


Foto

JOHNNY COOL (William Asher/USA 1963)


"The man you're looking for is dead."

Johnny Cool (Die Rache des Johnny Cool) ~ USA 1963
Directed By: William Asher

Der 'sizilianische Robin Hood' Salvatore Giordano (Henry Silva) wird von dem Mafiaboss Johnny Colini (Marc Lawrence) unter die Fittiche genommen und für eine umfassende Mission in Amerika vorbereitet. Mit einem Schlag soll 'Johnny Cool', unter dessen Decknamen Salvatore in den USA auftritt, binnen 48 Stunden die großen Bosse an Ost- und Westküste liquidieren und deren Aktiva in Colinis Organisation eingemeinden. Mit viel Selbstvertrauen geht Johnny Cool seine Aufgabe an, doch am Ende bringt ihn die Liebe zu Fall.

Ein im Laufe der Jahrzehnte eher untergegangener, von Peter Lawford mitproduzierter Gangsterfilm aus dem Dunstkreis des 'Rat Pack', der - leider vergeblich - versuchte, Henry Silva zu einer Ikone zu stilisieren. Dessen späterer Werdegang ist bekannt, neben diversen TV-Auftritten lieh er seine markante Physiognomie bald vor allem dem europäischen Genrefilm, wo er dann in einigen kleinen Klassikern doch noch reüssieren konnte. In "Johnny Cool" bereitet er sich bereits auf Parts wie die in "Il Boss" oder "Quelli Che Contano" vor, ist allerdings (noch) gezwungen, sich von seiner charakterbedingten Naivität ausbremsen zu lassen. Die Amerikaner nahmen das alles einfach viel zu moralisch. Ashers Film ist zugleich ein Sammelbecken für viele primäre und sekundäre Kompagnons der Vegas-Entertainer-Clique: Telly Savalas, Sammy Davis Jr., Joey Bishop, Brad Dexter, Mort Sahl und andere bekannte Gesichter geben sich die Ehre, zum Teil in Kleinstauftritten. Für Sinatra oder Martin, die ja relativ ungenierte Verbindungen zu so gennanten 'Syndikaten' pflegten, wären Cameos in "Johnny Cool" vermutlich zu brisant, um nicht zu sagen: realitätsangebunden gewesen, so dass sie sie sich versagten. Ansonsten bekommt man einen schnittigen, kleinen Genrefitsch frei Haus, der spätere, vollendetere Epigonen wie Boormans "Point Blank" sichtlich inspirierte.

7/10

William Asher New York Los Angeles Las Vegas Rat Pack Mafia Sizilien amour fou


Foto

DEEP COVER (Bill Duke/USA 1992)


"You oughta kill a man sometime. It's liberating."

Deep Cover (Jenseits der weißen Linie) ~ USA 1992
Directed By: Bill Duke

Zeit seines Lebens hat der Polizist Russell Stevens (Laurence Fishburne) versucht, sich betont diametral zu seinem kriminellen Vater (Glynn Turman) zu entwickeln, der einst einen frühen, gewalttätigen Tod in Russells Beisein sterben musste. Stevens lässt sich heuer vom DEA als Undercover-Cop anheuern, um die führenden Chicano-Verteiler von L.A. dingfest zu machen. Unter dem Namen John Hull nimmt er Tuchfühlung mit dem zugleich als Anwalt tätigen Dealer David Jason (Jeff Goldblum) auf, der seinerseits Verbindungen zu dem Großhändler Barbosa (Gregory Sierra) steht. Nach und nach entwickelt sich Stevens - auch auf ausdrückliche Weisung seines Verbindungsmannes Carver (Charles Martin Smith), zu einer eigenständig funktionierenden Größe im Kokaingeschäft und verliert die Orientierung, zumal der overlord Guzman (René Assa), auf den es Stevens eigentlich abgesehen hat, offenbar von ganz oben beschützt wird.

Stilvoller, spannender Gangsterfilm, im Gefolge des damals noch recht frischen 'New Black Cinema', dem neben Spike Lee, John Singleton oder Mario Van Peebles auch Bill Duke als Regisseur vorsaß. In "Deep Cover" nutzt er die Gelegenheit, Systemkritik, wie sie später von Soderberghs "Traffic" in inhaltlich und formal komplexerer, vor allem aber ungleich aufmerksamer beäugtem Maße hergeleitet wurde, in das Gewand eines auf den ersten Blick unspektakulären Genrefilms zu kleiden. Man lernt sie alle kennen: Vom großen Boss, der unter diplomatische Immunität aus Lateinamerika herbeieilt als es im Geschäft kriselt, bis hin zur Endkonsumentin, die ihr Kind für ein paar Schüsse verkaufen will und sich schließlich den Goldenen Schuss setzt. Von solchen Schicksalen lässt sich Russell Stevens, der längst Gefallen gefunden hat an Geld und Macht, bald nicht mehr betrüben, zumal er längst erkannt hat, dass das Rechtsstaat, dem er als kleines Zahnrädchen zu dienen glaubte, vom Kopf her stinkt und innerlich verfault. Am Ende kann er immerhin seine Seele retten, wobei sich ein väterlicher Ratgeber (Clarence Williams III) erst opfern muss, um ihm Erkenntnis zu verleihen.
Ein im besten Sinne klassischer Undercover-Thriller mit philosophischem Überbau ist Duke mit "Deep Cover" geglückt. Und einen tollen Soundtrack (Michel Colombier) gibt's gratis obendrauf.

8/10

Bill Duke Los Angelese Drogen Kokain Crack undercover


Foto

THE CONJURING (James Wan/USA 2013)


"Want to play a game of hide and clap?"

The Conjuring ~ USA 2013
Directed By: James Wan

Die siebenköpfige Familie Perron zieht 1971 in ein abseits gelegenes Haus in Rhode Island. Doch der Traum vom ländlichen Idyll erweist sich bald als Albtraum: In dem Haus geistern gleich mehrere Gespenster umher, ängstigen die Kinder und poltern durchs Gebälk, dass es bald kein Ertragen mehr gibt. Carolyn Perron (Lili Taylor) kontaktiert die beiden in solchen Dingen erfahrenen Parapsychologen Lorraine (Vera Farmiga) und Ed Warren (Patrick Wilson), die bald die Ursache des Übels ausfindig machen: Der Geist der bereits vor über 100 Jahren hier hausenden Hexe und Satansanbeterin Bathsheba treibt hier sein Unwesen. Bathsheba wählt ausgerechnet Carolyn als irdisches Gefäß, um ihre Töchter zu opfern. Als die Situation äußerst akut wird, hilft nurmehr ein prompt durchgeführter Exorzismus.

James Wan ist, wie ich immer wieder zu lesen bekomme, nicht sonderlich wohl gelitten in der großen Gemeinde der Liebhaber phantastischer Filme. Was mich persönlich anbelangt, so fühle ich mich in seinen Arbeiten stets gut aufgehoben, soweit man dies in Bezug auf die horriblen Ereignisse, mit denen er sich befasst - Serienmörder, Geister und Dämonen - überhaupt dergestalt formulieren sollte. "The Conjuring" halte ich für Wans bisher spannendsten Film, mit sicherer Hand und spürbar gewachsener Kunstfertigkeit geklöppelt und angereichert durch wunderbar grauselige Kintopp- und Schockeffekte, die gleichermaßen dazu angetan sind, empfindsame Gemüter zu vernarben, wie auch dazu, erfahrenen Genrezuschauern exakt das zu kredenzen, was sie gern sehen möchten. Die fiese Hexendämonin Bathsheba ist, aber darauf legt Wan ja eigentlich immer Wert, ein wirklich ekliges Monster, das keine Gnade darin kennt, seine sinistren Ziele, nämlich das immer weiter führende Inkubieren anfälliger Seelen nebst dem anschließenden Opfern unschuldiger Kinder, zu verfolgen. Ich bin ja sowieso einer, der wesentlich mehr mit bösen Poltergeistern anzufangen weiß als mit dem unerlöst-fluchbelasteten, im Grunde jedoch freundlichen Casper-Gespenstern von nebenan. Die tun ja eh nix.

8/10

James Wan Haus Rhode Island Hexen Spuk Geister Parapsychologie Familie Exorzismus period piece


Foto

THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY (Norman Z. McLeod/USA 1947)


"Pockata! Pockata!"

The Secret Life Of Walter Mitty (Das Doppelleben des Herrn Mitty) ~ USA 1947
Directed By: Norman Z. McLeod

Von der Tatsache, dass Walter Mitty (Danny Kaye), Cheflektor beim Pulproman-Verlag 'Pierce', ein ausgesprochener Tagträumer mit blühender Phantasie und gloriosen Einfällen ist, zehrt insbesondere sein Chef (Thurston Hall), der Walters Ideen nur allzu gern als seine eigenen zu veräußern pflegt. Zudem leidet Walter unter dem Matriarchat seiner Mutter (Fay Bainter), die sein gesamtes Privatleben bis ins kleinste Detail für ihn plant. Wie sehr genießt er daher seine Phantasien, in der er als unerschrockener Seemann, Fliegeras, Modedesigner und Revolverheld vor der Dame seiner Träume (Virginia Mayo) reüssiert. Als diese ihm eines Tages im wahren Leben begegnet und ihn in eine hadfeste Kriminalgeschichte verwickelt, scheint es, als würden sich für Walter endgültig die Grenze zwischen Realis und Irrealis auflösen...

Wie die meisten seiner Filme vor allem eine One-Man-Show für Danny Kaye, in der er sich ausgelassen durch träumerisch gestaltete Technicolor-Kulissen albern kann und einem Derwisch gleich durch sein "geheimes Leben" bewegt. Dass sich sein Traum, einmal ein veritabler Held zu sein, am Ende als real erweist und er das schöne Mädchen abbekommt, macht ihn schließlich zugleich zum Herrn über sich selbst, erlaubt ihm Mündigkeit, Bodenständigkeit sowie existenzielle Autonomie und macht seine Flucht in Phantasie-Universen künftig überflüssig. Vielleicht hat sich Philip K. Dick für seine ja bereits zweimal verfilmte Story "We Can remember It For You Wholesale" von der Geschichte Walter Mittys beeinflussen lassen, denn wie der mausgraue Angestellte/Arbeiter Doug Quail (bzw. Quaid in den Filmen) benötigt auch Walter Mitty für den Übergang in sein tief ersehntes Stadium der Individualität eine erzwungene Heldenrolle: Psychotherapie durch Action.

8/10

Norman Z. McLeod New York Mutter & Sohn





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare