Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

PHANTOM LADY (Robert Siodmak/USA 1944)


"You hate him, don't you?" - "Yes. I hate him."

Phantom Lady (Zeuge gesucht) ~ USA 1944
Directed By: Robert Siodmak

Der Ingenieur Scott Henderson (Alan Curtis) flaniert nach einem Streit mit seiner Frau durch die New Yorker Nacht. In einer Bar lernt er eine nicht minder verzweifelt scheinende Frau (Fay Helm) kennen und geht kurzerhand mit ihr in eine Nachtclub-Revue. Danach trennt man sich freundschaftlich und - anonym. Wieder zu Haus wartet bereits die Polizei auf Scott - seine Frau wurde erdrosselt. Da alle Indizien gegen ihn sprechen, seine mysteriöse Bekanntschaft unauffindbar bleibt und ihn keiner der übrigen Zeugen wiedererkennen will, wird Scott nach einem Mordprozess zum Tode verurteilt. Seine ihn liebende Sekretärin Carol (Ella Raines) setzt jedoch alles daran, Scotts Alibi, die 'Phantom-Lady', wiederzufinden und setzt dabei auch auf die Hilfe von Scotts bestem Freund Jack Marlow (Franchot Tone) - nicht ahnend, dass dieser wahnsinnig ist...

Mein liebster Film von Robert Siodmak und ergo auch einer meiner liebsten films noirs. Die Gründe dafür sind eher persönlicher Natur: Ich kenne "Phantom Lady" bereits seit vielen Jahren und er hatte somit ausgiebig Zeit, sich mit Widerhaken in meinem Gedächtnis festzuklammern. Mit Ella Raines, deren überaus bewusste erotische Ausstrahlung mich jedesmal wieder voll in Beschlag nimmt, wenn ich den Film sehe, bietet Siodmak eine der bezauberndsten Darstellerinnen jener Tage auf, mit Franchot Tone einen der besten Kinopsychopathen; mit Alan Curtis einen gezielt farblos gehaltenen, schwächlichen Helden in der Todeszelle, wie geschaffen für eine faszinierende Geschlechterreduktion, der ohne den haltlosen Wagemut und den Einsatz einer ihn Liebenden termingerecht auf dem Stuhl zu brutzeln hätte; mit dem wie immer bedauenswert kleinen Elisha Cook Jr. als orgiastisch aufspielenden Drummer bei einer versoffenen Jam-Session, in der mit der Raines ohne Körperkontakt koitiert, eine weitere bombastische Performance. Dazu gibt es von Woody Bredell vorzügliche photographierte, hochkonzentrierte Impressionen des nächtlichen Molochs Manhattan, hier wäre zuvorderst die absolut monolithische Bahnhofsszene zu nennen. Ein Meisterwerk in allen Belangen, jetzt endlich auf DVD zu haben.

10/10

Robert Siodmak Cornell Woolrich New York Madness film noir


Foto

BIGFOOT: THE LOST COAST TAPES (Corey Grant/USA 2012)


"This is NOT Bigfoot!"

Bigfoot: The Lost Coast Tapes (Bigfoot - Blutrausch einer Legende) ~ USA 2012
Directed By: Corey Grant

Zusammen mit seiner Exfreundin Robyn (Ashley Wood) und den zwei Technikern Kevin (Noah Weisberg) und Darryl (Rich McDonald) macht sich der Investigativjournalist Sean Reynolds (Drew Rausch) auf den Weg an die nordkalifornische Pazifikküste. Hier will der Jäger Carl Drybeck (Frank Ashmore) die Leiche eines Bigfoot gefunden und gehortet haben. Am Ziel angekommen, wirkt Rybecks geheimnistuerische Art höchst verdächtig auf Sean und seine Kollegen - man verdächtigt den Alten der windigen Geschäftemacherei. Doch die folgenden Ereignisse strafen die unwissenden, jungen Leute Lügen - zumal nicht der Bigfoot auf Blutfang aus ist...

Der Bigfoot oder Sasquatch ist bekanntermaßen Ausgangspunkt für eine der letzten Mythenfabeln, die immer mal wieder für eine Episode bei Dan Aykroyds "Bullshit Or Not" oder für kleine, billige Genrebeiträge wie den vorliegenden herhalten muss. Zudem stellt er nach wie vor den ersten und einzigen Einbruch phantastischer Elemte in das "???"-Universum dar (in meiner ewigen Lieblingsfolge Nr. 14, "Die ??? und das Bergmonster"), was etwas heißen soll, denn die drei findigen Jungs aus Rocky Beach haben bisher noch jeden Spuk als groben Unfug entlarvt. Nur - jaha, nur den Bigfoot nicht!
Nun hatte ich meinerseits mal wieder Lust auf ein bisschen Found-Footage-Zeug und entschied mich - zumal als alter Campfire-Tale-Lover sowie nicht zuletzt in Ermangelung ratsamerer Alternativen - für den nicht sonderlich beleumundeten "Bigfoot: The Lost Coast Tapes". Das zunehmend wacklige Subgenre, das ja mittlerweile prinzipiell jedem dahergelaufenen Garagenregisseur die Möglichkeit bietet, sich kreativ auszutoben, konnte mir Grants Film nicht verderben. Tatsächlich fand ich zuvorderst, die Story klänge ganz vielversprechend; ein wenig folkloristischer Grausel in der Art von "Trolljegeren" oder so. Damit wäre ich denn auch hinreichend glücklich geworden. Zuviel an "Bigfoot: The Lost Coast Tapes" ist jedoch bloß hübsch an- aber leider nicht zu Ende gedacht worden. Dies bezieht sich auf formale wie inhaltliche Entscheidungen. Um verschiedene Schauplätze darstellen und so bestimmte Storyfaktoren kulminativ gegeneinander schneiden zu können, bedient sich Grant etwa des lauen Tricks, einfach jedem Darsteller seine eigene Kamera in die Hand zu geben, was gewissermaßen dem Sinn solcher Filmexperimente doch arg zuwiderläuft. Die hübsche Postmontage wirkt denn auch nochmal zusätzlich "unsachlich". Hinzu kommen weithin uninteressante Figuren gespielt von mauen Chargen, die einen mit ihrer schablonenhaften Präsentation irgendwann nurmehr einen Kehrricht scheren. Und: Der nahezu vollkommene Verzicht auf F/X, der sich allerdings, im Gegensatz zu ihrem probaten Unterlassen bei "The Blair Witch Project", als wiederum stark kontraproduktiv erweist. Zumal man es hier angeblich nicht nur mit Bigfoots (oder heißt es 'Bigfeet'...?) zu tun bekommt, sondern auch mit irgendwelchen mysteriösen Naturdämonen, die als die ewigen, bösen Gegenspieler der naturliebenden Waldprimaten gezeichnet werden. Entsprechend gern hätte man doch einen, zwei der jeweiligen Speziesvertreter gern mal gesichtet, herrje. Jedoch allein, man erblickt nur des Lichtes hellen Schein. Das reicht nicht ganz für wahrhaftig anmutende Found-Footage-Kost. Nächstes Mal bitte etwas mehr Sachverstand, Mr. Grant.

4/10

Corey Grant found footage embedded filming Kalifornien Bigfoot Wald Independent Dämon


Foto

FIGURES IN A LANDSCAPE (Joseph Losey/UK 1970)


"It's up to you this time."

Figures In A Landscape (Im Visier des Falken) ~ UK 1970
Directed By: Joseph Losey

Zwei Männer, ein älterer, 'Mac' MacConnachie (Robert Shaw), und ein jüngerer, Ansell (Malcolm McDowell), fliehen, jeweils die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, durch ein unwirtliches Grenzgebiet. Ein Hubschrauber, dessen Piloten das ungleiche Duo eher zu verhöhnen denn ernsthaft zu jagen scheinen, befindet sich permanent auf ihren Fersen. Nachdem sich Mac und Ansell ihrer Fesseln entledigt und sich Schusswaffen besorgt haben, setzen sie sich gegen die Helikopterpiloten zur Wehr und verteidigen sich erfolgreich gegen ein gegen sie ziehendes Bataillon. Als sie die Grenze zum Nachbarland in luftiger Höhe erreicht haben, scheint das Entkommen für Mac jedoch keine Rolle mehr zu spielen.

Eine typische Ausgangssituation für etliche Geschichten und Szenen im Genre: Zwei Individuen, die sich erst aneinander zu adaptieren haben, bevor sie erfolgsversprechend agieren können, fliehen vor einer Übermacht durch bewegungsfeindliches Gelände. Doch "Figures In A Landscape" will wesentlich mehr: Losey bricht jene Prämisse, basierend auf einem Script von Hauptdarsteller Robert Shaw basierend auf einem Roman von Barry England, so weit wie möglich auf ihr nur scheinbar karges Herz hinunter. Dass die beiden Protagonisten Namen tragen und etwas über ihre Persönlichkeiten preisgeben, ist schon das Schmückendste, was die Geschichte ihnen gönnt. Ansonsten bleibt das Publikum geradezu aufreizend uninformiert: Das Setting könnte überall angesiedelt sein; Griechenland, Spanien (wo der Film, in der Sierra Nevada, gedreht wurde), Lateinamerika vielleicht - irgendeine faschistische oder Junta-Regierung, zumindest liegt das nahe, denn die beiden sich als Briten zu erkennen gebenden Männer scheinen politische oder Kriegsgefangene zu sein und ihre Verfolger unerbittliche Militärs. Ob das rettende Gebirge die Anden oder die Pyrenäen darstellen soll, erfährt man erwartungsgemäß ebensowenig. Es bleibt lediglich jene mysteriöse, äußere Gemengelage, die zur Folge hat, dass der Zuschauer fast noch weniger Anteil am Geschehen hat als die Hauptfiguren, weil ihm schlicht jedwede Motivation für Gefangenschaft, Flucht und Widerstand verborgen bleibt. Es gilt, sich mit dieser ebenso diffusen wie höchst experimentellen Handlungsbasis nicht nur zu arrangieren, sondern sie darüberhinaus als Teil von Loseys Kunstwerk zu akzeptieren, ansonsten lohnt die weitere Beschäftigung mit selbigem nicht.

8/10

Joseph Losey Flucht Parabel Freundschaft


Foto

MINNIE AND MOSKOWITZ (John Cassavetes/USA 1971)


"We love each other. That's why we're going to marry."

Minnie And Moskowitz (Minnie und Moskowitz) ~ USA 1971
Directed By: John Cassavetes

Die Museumskuratorin Minnie Moore (Gena Rowlands) hat eine Vorliebe für exaltierte Sonnenbrillen und ein unglückliches Händchen für Beziehungen. Nachdem ihr jüngster Freund (John Cassavetes), der sie ohnehin mies behandelt hat, reumütig zu Frau und Kindern zurückgekehrt ist, versucht sie es mit einem wirren Bohémien (Val Avery), doch auch das geht schief. Mitten in die just zerbröckelnde Szenerie platzt der langhaarige Parkplatzwächter Seymour Moskowitz (Seymour Cassel), der als unangeforderter Schutzengel zwar Minnies Interesse erregt, seinem Sozialstatus als vorlauter Proletarier zufolge jedoch eigentlich nicht ernsthaft für sie in Frage kommt. Doch Seymour gibt nicht auf.

Inmitten seiner intimen Katastrophenfilme zwischenmenschlicher Unfallszenarien inszenierte Cassavetes diese liebenswerte kleine Romanze, ohne sich allerdings in Anbetracht des für ihn lebensbejahenden, positiven Themas auch nur eine Sekunde lang untreu zu werden. Die ihm eigenen, knallharten Observierungspraktiken individueller Verhaltensweisen und charakterlicher Spezifika betreibt der Meister für "Minnie And Moskovitz" gerade so unbestechlich (und für ungeübte Augen möglicherweise befremdlich) wie eh und je, Dialoge werden mittendrin ausgesetzt oder abgebrochen, um sich zur nächsten Szene umgeschnitten zu finden und ganz L.A. erscheint wie ein Sammelsurium verschrobener Gestalten. Der große Timothy Carey genehmigt sich einen schön virulenten Auftritt als verrückter Geschichtenrezitator und Averys gegenüber Gena Rowlands gehaltener, nervös-narzisstischer Monolog, in dem eine optionale Beziehung binnen zehn Minuten mitsamt allen Höhen und Tiefen abgehandelt wird, ist komödiantische Königsklasse, wie man sie heuer in solch brillanter Absurdität nurmehr bei Charlie Kaufman vorfindet. Und das Schönste: Selbst alle Schicksalswidernisse vermasseln dem Protagonistenpaar nicht das romantischste Ende, das es bei Cassavetes zu sehen gibt.

9/10

John Cassavetes amour fou Los Angeles


Foto

BAD MOON (Eric Red/USA 1996)


"You know you're always welcome here."

Bad Moon ~ USA 1996
Directed By: Eric Red

Nachdem der Naturforscher Ted (Michael Paré) bei einer Reise in den indischen Urwald von einem Werwolf angefallen wurde, hat er sich, zurück in den Staaten, in die tiefen Wälder Washingtons zurückgezogen, um möglichst wenige Menschen zu gefährden. Doch seine allnächtlichen Streifzüge als Monster fordern trotz aller Schutzmaßnahmen stets neue Opfer. Als Teds Schwester Janet (Mariel Hemingway), die allein mit Söhnchen Brett (Mason Gamble) und Schäferhund Thor in einer Kleinstadt nahe Seattle lebt, Ted einlädt, sich mit seinem Trailer in ihrem Garten einzurichten, ahnt sie nicht, dass sie sich damit den Tod ins Haus holt. Einzig Thor weiß um die böse Natur des neuen Hausgasts, doch der auch in Menschengestalt immer durchtriebener agierende Ted sorgt dafür, dass der brave Hund ins Tierasyl kommt...

Sowohl für Freunde von Werwolffilmen als auch für Hundeliebhaber ist "Bad Moon" gleichermaßen ein Geschenk; ich persönlich halte ihn sogar für einen der feinsten Vertreter des lykanthropen Subgenres, insbesondere im Kontext der allgemein vergleichsweise faden Neunziger. Zudem stellt er eine schöne Hommage dar an Hitchcocks "Shadow Of A Doubt", wenngleich unter etwas weniger subtilen Vorzeichen: Der vermeintlich liebe Onkel, dessen janusköpfige, finstere Natur im Verborgenen liegt, kommt ins Haus seiner Schwester. Anstelle der Nichte ist es hier allerdings der treue Schäferhund Thor (nach dem auch die Romanvorlage von Wayne Smith benannt ist), der um die heimliche Natur des Hausgasts weiß und sich gerade dafür unschuldig verbrämt findet. Am Ende wird glücklicherweise alles gut.
"Bad Moon" ist, wie alle Filme von Eric Red, sehr konzentriert und von eigener, zuweilen verschroben wirkender Note, mit einer ungewöhnlich kurzen Laufzeit versehen. Hier und da gibt er sich wie ein paraphrasierter Kinderfilm, insbesondere in der Schilderung der Beziehung zwischen Brett und Thor, macht hinsichtlich seines Effekteinsatzes jedoch keine Gefangenen. Die für die finale Verwandlungsszene bemühten CGI wirken hier und da noch recht unfertig, wie Reds Film auch sonst rasch zur Zielscheibe für übereifrige Kritiker herhalten mag. Ich für meinen Teil lasse mich davon jedoch nicht belullen.

8/10

Eric Red Werwolf Familie Bruder & Schwester Hund Monster


Foto

TOURIST TRAP (David Schmoeller/USA 1979)


"We're going to have a party!"

Tourist Trap ~ USA 1979
Directed By: David Schmoeller

Fünf junge Leute (Jocelyn Jones, Jon Van Ness, Tanya Roberts, Robin Sherwood, Keith McDermott) reisen durch die Provinz. Nach einer Reifenpanne bleiben sie in der Nähe des anseits gelegenen Hauses von Mr. Slausen (Chuck Connors) hängen, der mitten im Nirgendwo ein kleines Wachsfigurenkabinett betreibt. Nach und nach verschwindet einer nach dem anderen aus der Clique und Slausen, der vorbibt, sich um Hilfe zu bemühen und die Kids vor seinem "gefährlichen Bruder" warnt, benimmt sich zunehmend seltsam. Zudem scheinen seine Figuren und Puppen ein merkwürdiges Eigenleben zu führen...

Die Bezeichnung "Tourist Trap" steht ursprünglich für provinzielle Andenkennepper, die an den zahllosen Interstates mit Sehenswürdigkeiten wie dem "Größten Staubkorn der Welt" wetteifern, um entsprechend geneigten Ausflüglern ein paar Kröten aus den Taschen zu jubeln. In Schmoellers wunderbarem kleinen,von einem damals noch freistehenden Charles Band produziertem Horrorfilm gewinnt dieser Name jedoch an verhängnisvoller Zweideutigkeit. Das für die Kinoaufführung erteilte PG-Rating, das dem visuell sehr zurückhaltenden, eher hinterrücks verstörendem Werk seinerzeit auferlegt wurde, sorgte ironischerweise für einen anfänglichen Kasseneinbruch, denn die Kids wollten Blut und Messer. Seinen Klassikerstatus erlangte Schmoellers wohl schönste Arbeit erst im Laufe der Folgejahre, als man nach und nach seines wahren Potenzials gewahr wurde. Chuck Connors als gestörter Backwood-Psycho, der augenscheinlich über telekinetische und Bauchredner-Fähigkeiten verfügt, ist in der Rolle seines Lebens zu sehen. Lustvoll gestaltet er den Part des ebenso schizophrenen wie sadistischen Psychotikers, der seine Opfer ersteinmal heftigst in Panik zu versetzen versteht, bevor er sie dann seiner Sammlung einverleibt. Ganz famos auch die deutsche Synchronfassung, in der Arnold Marquis auf Connors eine meisterhafte Kostprobe seines stimmlichen Könnens zum Besten gibt.
Was in Slausens Gestaden wirklich vorgeht; ob die Puppen ein unseliges Eigenleben führen oder nur durch die Kräfte ihres Herrn und Meisters in Bewegung und Gelächter versetzt werden, bleibt bis zum Ende unklar. Gut so, denn gerade diese vagen, leisen Vermutungen machen "Tourist Trap" so schön bedrohlich und anders als den Rest.

8/10

David Schmoeller Backwood Terrorfilm Charles Band Madness Slasher Serienmord Puppen


Foto

ONLY GOD FORGIVES (Nicolas Winding Refn/DK, F, THAI, USA, S 2013)


"It's a little more complicated than that, mother."

Only God Forgives ~ DK/F/THAI/USA/S 2013
Directed By: Nicolas Winding Refn

Bangkok: Nachdem er eine sechzehnjährige Prostituierte ermordet hat, wird Unterweltboss Billy (Tom Burke) seinerseits von dem von Police Lieutenant Chang (Vithaya Pansringarm) zur Rache genötigten Vater (Kowit Wattanakul) hingeschlachtet. Für Crystal (Kirstin Scott Thomas), Billys Mutter, ist dies nicht akzeptabel. Sie macht ihren jüngeren Sohn Julian (Ryan Gosling) zum Racheinstrument. Der seiner Mutter anfänglich noch hörige Julian versagt jedoch auf ganzer Linie, zumal er gegen den schwertschwingenden Racheengel Chan nicht den Hauch einer Chance hat und dies auch zu spüren bekommt.

Viele der mit Refns vormaligem Werk nur unzulänglich vertrauten "Drive"-Fans und -Hyper dürften mit "Only God Forgives" ihre liebe Not gehabt haben. Wer indes mit "Fear X", "Bronson" und "Valhalla Rising" etwas anzufangen wusste, der sollte auch mit dem sich ähnlich sperrig wie die Genannten gebenden "Only God Forgives" sein Auskommen finden. Der hypnotische Sog der Genannten, ihre äußere Verschrobenheit und Stasis, gepaart mit den wundervoll beleuchteten Bildern des vollkommen artifiziell wirkenden, Bangkoker Halbwelt-Milieus, bestimmen das Bild dieses keineswegs im Vorbeigehen konsumierbaren Films, der eigentlich nur die beiden Alternativoptionen zulässt, sich gänzlich auf ihn und sein spinnenetzartiges Gewebe einzulassen, oder sich ihm trotzig zu verweigern. Ersteres lohnt sich in jedem Fall, wobei mir zugegebermaßen mein fortgeschrittener Promillepegel durchaus behilflich war dabei. Und Refn ist meines Erachtens der einzige Regisseur, der Gosling vernünftig inszeniert. Wobei ich besonders die Arena-Szene genossen habe, in der er pfundweise auf die schöne Fresse bekommt.

8/10

Nicolas Winding Refn Thailand Bangkok Familie Rache Mutter & Sohn Nacht


Foto

THE FACULTY (Robert Rodriguez/USA 1998)


"I don't think that a person should run unless he's being chased."

The Faculty ~ USA 1998
Directed By: Robert Rodriguez

Die Herrington High in Ohio wird zum Ausgangspunkt einer Alien-Invasion. Als erster bemerkt der als Klassenarsch verschriene Casey Connor (Elijah Wood), dass das Lehrerkollegium sich in auffallender Weise verändert: Das zuvor ratlose und eher resignierende Lehrpersonal gibt sich nämlich urplötzlich aufgeweckt und offensiv. Da kann was nicht stimmen! Zusammen mit fünf Mitschülern (Josh Hartnett, Clea DuVall, Sjawn Hatosy, Jordana Brewster, Laura Harris) entschließt sich Casey, gegen die sich rasant ausbreitende, außerirdische Körperübernahme vorzugehen: mit eigens gekochten Drogen als patentiertes Allheilmittel!

Nicht nur auf den zweiten Blick frönt Horror-Hughes Kevin Williamson in "The Faculty" wieder seinem ureigenen Teenager-Vivisektionsauftrag, der mit den üblichen popkulturellen Avancen hausiert. In diesem Fall sind Heinlein und Finney, die Ersinner der 'Puppet Masters' und der 'Body Snatchers', Pflichtlektüre für den im Anti-Invasionskampf bewanderten, jugendlichen Connaisseur-Guerilla. Die schleimigen Tentakelwesen mitsamt recht früh offensichtlich getarntem Oberboss sind allerdings sowieso die heimlichen Stars des Ganzen. Ansonsten gestaltet sich "The Faculty" als ziemlich offensichtlich und erwartbar: Das sich gegen die Aliens zusammenschließende Teenagerkonglomerat entspricht nahezu exakt der altbekannten "Breakfast Club"-Konstellation aus Highschool-Archetypen, die ihre jeweiligen Stärken und Schwächen zum Einsatz bringen können. Wobei der vormalige Oberloser natürlich zum Überhelden wird, der am Ende die schniekste Biene abbekommt. Da nahm sich Hughes noch vergleichsweise realitätsgebunden aus. "The Faculty" ist also nicht nur in puncto Monsterpräsentation überaus märchenhaft angelegt...

6/10

Robert Rodriguez Kevin Williamson Hommage Aliens Invasion Schule Satire Lehrer Drogen Monster


Foto

THE OUT OF TOWNERS (Arthur Hiller/USA 1970)


"I can verify that."

The Out Of Towners (Nie wieder New York) ~ USA 1970
Directed By: Arthur Hiller

George Kellerman (Jack Lemmon), aseptischer Familienvater und Spießbürger aus Twin Oaks, Ohio, hat ein Beförderungsgespräch in Manhattan. Zusammen mit seiner treusorgenden Frau Gwen (Sandy Dennis) geht es also Richtung Großstadt, doch bereits der Hinflug artet in eine Katastrophe aus, weil New York in dichtem Nebel liegt und die Maschine nach Boston ausweichen muss. Zwölf Stunden und diverse Missgeschicke später ist den Kellermans klar: Nie wieder New York.

Schön sadistische Culture-Clash-Satire über die Unfähigkeit provinzieller Spießer, sich mit dem finsteren Großstadtgewirr Manhattans arrangieren zu können. Dabei ist Neil Simon geschickt genug, den Schlagabtausch mit einem Remis enden zu lassen: New York ist, wie es ist und es lässt sich von einem hergelaufenen Zankapfel wie George Kellerman aus Ohio auch ganz gewiss nicht ändern. Jack Lemmon ist dabei ein ganz vorzüglicher Spießer: arbeitsam, fleißig, nicht allzu intelligent und stets mit dem Notizblock am Start, wenn es darum geht, sich die Namen potenzieller Verklakungsgegner zu notieren. Diese quittieren Kellermans Wutbürgerei im Gegenzug bestenfalls mit einem müden Kopfschütteln. Es ist ja auch stets offen einsehbar: Die sich dem Ehepaar stellenden Herausforderungen haben ihren Ursprung zumeist in George Kellermans ureigener Dickköpfigkeit und Weigerung zur Kompromissbereitschaft. Umso satter und zufriedener kann der Zuschauer Zeugen der sich den Kellermans im Akkord stellenden Miseren sein.

7/10

Arthur Hiller Neil Simon New York Ohio Ehe Satire


Foto

ROCCO E I SUOI FRATELLI (Luchino Visconti/I, F 1960)


Zitat entfällt.

Rocco E I Suoi Fratelli (Rocco und seine Brüder) ~ I/F 1960
Directed By: Luchino Visconti

Familie Parondi - Mutter Rosaria (Katina Paxinou) und ihre vier Söhne Simone (Renato Salvatori), Rocco (Alain Delon), Ciro (Max Cartier) und Luca (Rocco Vidolazzi) kömmen pünktlich zur Verlobung des Ältesten, Vincenzo (Spiros Focás) aus dem tiefen Süden Italiens nach Mailand. Für Rosaria ist es nach alter Tradition selbstverständlich, dass die Familie der Braut Ginetta (Claudia Cardinale) sie und ihre Jungen aufzunehmen hat, doch diese reagiert ungehalten und setzt die Parondis auf die Straße. Vincenzo ist jedoch zuversichtlich, dass das soziale Gefüge sie auffangen wird. Die Söhne schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, derweil Rosaria versucht, die Familie zusammenzuhalten - vergeblich. Nachdem Simone zunächst als Boxer erfolgreich ist, lernt er die Prostituierte Nadia (Annie Giradot) kennen und verfällt ihr vollends. Nadia jedoch ist vielmehr an dem sensiblen Rocco interessiert, dessen Maximen Güte und Mitgefühl sind. Ciro erhält als erster weine feste Anstellung, Vincenzo und Ginetta heiraten schließlich doch und bekommen ein Kind. Nach einer kurzen Militärkarriere fängt auch Rocco zu boxen an - wesentlich erfolgreicher als der mittlerweile hoch verschuldete und trunksüchtige Simone. Der Bruch zwischen ihm und Rocco verzehrt die Familie, bis es schließlich zur Katastrophe kommt.

In fünf Akten arrangiert Visconti sein neorealistisches Meisterwerk. Beginnend mit dem ältesten Sohn Vincenzo stellt er mit dem jeweiligen Altersnachfolger jeweils einen der Brüder in den charakterisierenden Mittelpunkt und entspinnt so die umfassene Chronik eines schleichenden, familiären Zerfalls. "Rocco E I Suoi Fratelli" ist dabei im besten Sinne so 'italienisch', wie es ein Film dieser Maßgabe nur sein kann; Moralkodexe und Ehrbegriffe, wie sie für den Mitteleuropäer vielleicht nicht immer nachvollziehbar sein mögen, geraten zu Existenzmaximen. Mit dem Bruch der Brüder Simone und Rocco zieht sich, einer Erdbebenspalte gleich, auch ein Riss durch die gesamte Familie. Für den bodenständigen Ciro ist klar, dass "ein fauler Apfel aussortiert werden muss, bevor er die anderen verdirbt". Seinem - im besten Vernuftsinne - rechtzeitig veranschlagten Ausstoß des sich immer weiter in den Abgrund manövrierenden Simone, der zudem jedes Hilfsangebot ausschlägt, könnte die Übrigen retten, doch Simones Schicksal ist mit dem der Übrigen fest verknüpft und wird schließlich zu ihrem eigenen, zumal Rosarias größter Traum darin bestehen bleibt, alle ihre fünf Kinder versammelt um einen Tisch herum bei sich zu haben. Der Gegenwind in Form von Simones ewiger Rebellion gegen den Rest der Welt jedoch ist zu stark. Dazu spielt Nino Rotas traumhafte Musik wie eine Symphonie des Lebens.

10/10

Luchino Visconti Familie Brüder Mailand Neorealismus Faustkampf





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare