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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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MAN ON FIRE (Élie Chouraqui/ I, F 1987)


"Guys like us ain't got nobody in the world... but not us."

Man On Fire ~ I/F 1987
Directed By: Élie Chouraqui

Der frühere CIA-Mann Creasy (Scott Glenn) lebt nach unguten "Geschäftserfahrungen" nunmehr von der Hand in den Mund. Sein Kumpel David (Joe Pesci) organisiert ihm einen Posten im Personenschutz in der Nähe von Mailand. Er soll Samantha (Jade Malle), die zwölfjährige Tochter eines wohlhabenden Geschäftsehepaars (Paul Shenar, Brooke Adams) im Auge behalten. Aus dem zunächst unangenehmen Job wird eine Lebensaufgabe: als das Eis einmal geschmolzen ist, werden Sam und Creasy, beide einsame Seeleninsulaner, dicke Freunde. Als Sam dann von einer Gruppe übler Ganoven entführt wird, und Creasy schwer angeschossen wird, sieht dieser rot und schießt sich den Weg bis zu dem Mädchen frei.

Leider waren Scott Glenns spärliche Gehversuche im Genre nie von dem verdienten Erfolg gekrönt; während einige seiner eher muskulös physiognomierten Kollegen im reaktionären Actionfilm der Achtziger sich zumindest im B-Film-Sektor eine geregelte fanbase erwirtschafteten, blieben für den eher nachdenklichen Akteur bestenfalls Krümelreste übrig. "Man On Fire" bildete einen der wenigen Fälle, in denen Glenn für eine Hauptrolle vorgesehen war und diese mit seinem stillen Stoizismus dann ganz vortrefflich ausfüllte. Chouraquis Rachefilm ist vielleicht einer der finstersten seines Umkreises, er zeigt ein Kaleidoskop gebrochener Typen, deren Existenz wahlweise desolat oder bemitleidenswert verläuft. Wo sich zumindest für die beiden Protagonisten Creasy und Sam ein nicht ganz unproblematischer Ausweg in Form einer unerfüllbaren Vater-Sohn-Beziehung, möglicherweise auch einer unmöglichen Liebesgeschichte eröffnet, fährt bald die äußere Gewalt durch kriminelle Umtriebe dazwischen. Das Mädchen wird entführt, später andeutungsweise auch vergewaltigt und bleibt nach seinem offenbar nicht eben kurzem Martyrium psychisch verkrüppelt zurück; der bereits vorgeschädigte Profikiller kann zwar seine selbstauferlegte Mission, das Kind zu finden und zurückzuholen, erfüllen; jedoch nur um den Preis des rücksichtsloser Vigilanterie, die mit einigen Folterungen und Hinrichtungen einhergeht, ebenjenen Methoden also, denen er eigentlich längst abgeschworen hatte. Wie es mit den beiden weitergehen wird, bleibt offen; ein "geregeltes" happy end jedenfalls hält "Man On Fire" bewusst nicht bereit.
In seiner konsequent vorgetragenen Geschichte um sich schmerzlich erfüllende Zwangswege entpuppt sich der formal eher karge Film als ein kleiner, diskursiver Meilenstein des dunklen Actionthrillers, dem bis heute viel zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde und von dem ich mir endlich eine adäquate Heimedition wünsche.

8/10

Élie Chouraqui Freundschaft Mailand Italien Rache Kidnapping


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LUST FOR LIFE (Vincente Minnelli/USA 1956)


"To have to say 'I love you' would break my teeth."

Lust For Life (Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft) ~ USA 1956
Directed By: Vincente Minnelli

Das Leben des niederländischen Malers Vincent van Gogh (Kirk Douglas): Seine bescheidenen Anfänge als Hilfsprediger in der Borinage, später seine ersten Versuche als Künstler, sein Fortgang nach Paris, wo er die großen Künstler dieser Zeit kennenlernt, darunter Paul Gauguin (Anthony Quinn), der ihm ein guter, kritischer Freund wird. Als er sich von seinem Bruder Theo (James Donald) ausgehalten fühlt, geht van Gogh in die Provence, nach Arles, wo er unter der Last der ihn umgebenden Sinneseindrücke zu zerbrechen droht. Erst der ihm nachfolgende Gauguin bringt etwas Stabilität in van Goghs Leben, doch als auch er die Unmöglichkeit erkennt, mit van Gogh ein ruhiges Miteinander zu führen und seinen Wegzug ankündigt, erleidet der Instabile einen schweren Zusammenbruch, der in einen längeren Psychiatrie-Aufenthalt mündet. Selbst nach seiner Entlassung findet van Goghs gequälte Sehle jedoch keine Ruhe.

Mit Miklos Roszas gewaltiger Musik unterlegt, erinnert "Lust For Life" manchmal an die pompösen Monumental- und Bibelfilme jener Tage; ein Eindruck, der sich allerdings jeweils sehr schnell wieder verflüchtigt. Möglicherweise ist dies mein Lieblingsfilm von Minnelli, wie ich überhaupt Künstler- und speziell Maler-Biopics stets sehr gern mag. Selbst unter diesen ist "Lust For Life" allerdings noch ein Glücksfall. Der Film schafft es, die fragile Psyche eines Künstlers, der sich unter permanenter Unzufriedenheit mit sich selbst aufreibt, transparent zu machen. Wer selbst einmal eine schwere psychische Episode durchlebt hat oder gar an einer dauerhaften Erkrankung leidet, der wird Kirk Douglas' zwingendes, an völlige Identifikation grenzendes Porträt jenes besessenen, manchmal naiven und doch brillanten Genies beängstigend authentisch finden. "Lust For Life" nimmt sich als ebenso inspirierend wie mitreißend aus; er leistet das, was Film im besten Falle leisten kann - er wühlt auf und frisst sich in seinen Zuschauer hinein, und das mit unablässiger Kraft und Nachhaltigkeit. Wenn Theo die Briefe seines Bruders vorliest und dessen Arbeitseifer und Motivation verbal rezitiert, dann erahnt man welche Beweggründe diesen Mann durch sein kurzes, rastloses Leben getrieben haben, und auch, warum er ihm ein so frühes Ende gesetzt haben wird.
Ich hatte erst vor wenigen Tagen ein kurzes, aber (wie immer) sehr fruchtbares Pausengespräch mit dem an meiner Schule tätigen, spanischstämmigen Kunstpädagogen David, der auch Filme sehr liebt, besonders die von Buñuel und Pasolini. Wir unterhielten uns über Kinobiographien berühmter Künstler und dass diese es oft versäumen würden, historisch und chronologisch exakt vorzugehen, Details auszusparen oder hinzuzufügen und mit Zeit- und Ort-Einheiten mitunter sehr nachlässig umgingen. Ob ihn als Kunstbeflissenen das stören würde, fragte ich. Und mit seinem starken spanischen Akzent versicherte mir David, dass er Filme sehe, um im besten Falle großes Kino zu bekommen und nicht, um sich auf Allgemeinwissensbasis weiterzubilden. Dafür solle man dann lieber ein Buch zur Hand nehmen. Das fand ich sehr beeindruckend und vor allem: sehr wahr!

10/10

Vincente Minnelli Malerei Belgien Frankreich Paris Provence Psychiatrie Madness Freundschaft Brüder Bohème George Cukor Niederlande Biopic


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THE DROP (Michaël R. Roskam/USA 2014)


"They never see you coming, do they, Bob?"

The Drop ~ USA 2014
Directed By: Michaël R. Roskam

Als "Drop Bars" werden im Brooklyner Slang jene Bars bezeichnet, die für kurze Zeit als Umschlagsplatz der hiesigen Mafia benutzt werden - die örtlichen Kneipiers haben sich längst mit der Situation arrangiert. So auch "Cousin" Marv (James Gandolfini), der einst selbst einen Namen im Milieu hatte, angesichts der organisierten Übermacht jedoch klein beigegeben hat und nun in Geldnöten steckt. Marvs Cousin Bob (Tom Hardy), ein stiller, bescheidener Typ von nicht allzu hoher Intelligenz, der für Marv hinter dessen Tresen steht, findet eines Abends in der Vorgarten-Mülltonne von Nadia (Noomi Rapace) einen hilflosen Pitbull-Welpen. Gemeinsam mit seiner neuen Bekanntschaft kümmert er sich um das Tier, das bald zu seinem besten Freund avanciert. Doch das Glück bleibt nicht lang ungestört: Der soziopathisch veranlagte Eric Deeds (Matthias Schoenaerts), Nadias Ex-Freund, belagert Bob und droht, dem Hund, der eigentlich ihm gehöre, etwas anzutun. Zudem betreibt Marv unselige Geschäfte im Hintergrund, für die er auch Deeds einspannt.

"The Drop" erinnert ein wenig an die früheren Gangsterfilme von James Gray, die ja auch die Kleinganoven des New Yorker Milieus in Augenschein nahmen und über Verrat und Todfeindschaft innerhalb zuvor fest geknüpft scheinender Familien. und Freundschaftsbande berichten. Ebenso wie Gray folgt Roskam bei aller seiner Geschichte inhärenten Gewalt einem völlig ruhigen, fast phlegmatischem Erzählgestus, der vielleicht als Spiegelung der Innenwelt seines Protagonisten Bob betrachtet werden kann. Bob mäandert scheinbar wenig selbst- aber dafür umso zielbewusster durch seinen einsamen Alltag. Er geht jeden Sontag zur Messe, nimmt jedoch nicht an den Kommunionen teil und hält den Mund, wenn er nichts gefragt wird. Um den kleinen Hund, den er Rocco tauft, nach dem Schutzpatron der Haustiere, zirkuliert bald sein ganzes Leben - in Rocco hat er einen dankbaren Freund und Schutzbefohlenen, für den es sich lohnt. Zudem verdankt er Rocco auch die zart aufkeimende Beziehung mit Nadia, die jedoch eine dunkle Vergangenheit verbirgt.
Am Reizvollsten an "The Drop" fand ich, dass nahezu jeder der vorgestellten Charaktere sich spätestens zum Ende der Geschichte hin als sein eigener Konterpart entpuppt - hinter bulliger Freundlichkeit verbirgt sich eiskalte Gewaltbereitschaft, hinter schüchterner Fassade tödliche Entschlusskraft und hinter vorgeblichem Sadismus bloß kärgliche Schwäche. Ein feiner, kleiner Film ist das.

8/10

Michaël R. Roskam New York Freundschaft Kneipe Mafia Hund Dennis Lehane


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KILLER FISH (Antonio Margheriti/I, USA, BRA, UK 1979)


"I win my wars."

Killer Fish (Piranhas II - Die Rache der Killerfische) ~ I/USA/BRA/UK 1979
Directed By: Antonio Margheriti

Eine in Brasilien umtriebige Räubergang, die ein Vermögen an Edelsteinen aus einer hiesigen Fabrik geklaut hat, rechnet nicht mit der Raffinesse ihres Mastermind Diller (James Franciscus). Dieser hat nämlich, in zielsicherer Ahnung, dass die Anderen versuchen würden, ihn übers Ohr zu hauen, das Gewässer, in dem die Klunker versteckt sind, mit Piranhas verseucht. Die bissigen Fischchen knöpfen sich nunmehr jeden vor, der versucht, die Steine für sich zu kapern. Einzig Dillers Partner Lasky (Lee Majors) ist clever genug, sich von den Piranhas fernzuhalten - bis ein vorbeiziehender Hurricane sie alle nebst dem aparten Model Gabrielle (Margaux Hemingway) und einer kleinen Schar Modefotografen in höchste Bedrängnis bringt.

Als RTL plus damals in NRW in die freie Empfangbarkeit überführt wurde - das war glaube ich im Sommer 88 - zählte "Killer Fish" zu den oft und gern gezeigten Wiederholungen des Senders. Dabei erwies sich der deutsche Titel einmal mehr als Mogelpackung, wie sie die Italiener auch selbst und im Original gern zu verkaufen pflegten; mit Joe Dantes "Piranha" hat Margheritis Film nämlich außer den titelgebenden Beißkollegen nichts gemein. Fairerweise muss man hinzufügen, dass Selbiges auch für das spätere, offizielle Sequel gilt. Wie dem auch sei, "Killer Fish", eigentlich ein Musterbeispiel für internationales Koproduzieren, zählt zu den wenig gelittenen Streifen seiner Ära. Dabei ist er gar nicht so übel - die Besetzung ist durchweg gut aufgelegt und es macht Laune, ihr zuzuschauen; die (leider erst recht spät stattfindenden) Spannungssequenzen mit den Piranhas, die sich mit viel Elan durch die Eingeweide ihrer Opfer fressen (besonders am dicken Roy Brocksmith haben sie ihre Freude), sind Margheriti ordentlich gelungen. Gut, seiner späteren Vorliebe für Pyrotechnik, Miniaturbauten und Rückprojektionen gibt Margheriti vielleicht ein-, zweimal zu oft statt, aber das kennt man ja von ihm. Ich fand dieses Wiedersehen nach langer Zeit jedenfalls durchaus erfreulich.

6/10

Antonio Margheriti Brasilien Piranhas Heist Europloitation


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NELLA STRETTA MORSA DEL RAGNO (Antonio Margheriti/I, D, F 1970)


Zitat entfällt.

Nella Stretta Morsa Del Ragno (Dracula im Schloss des Schreckens) ~ I/D/F 1970
Directed By: Antonio Margheriti

Der Journalist Alan Foster (Anthony Franciosa) kommt in eine Taverne, um den Schriftsteller Edgar Allan Poe (Klaus Kinski) zu interviewen und platzt mitten in ein Gespräch zwischen Poe und seinem Bekannten Lord Blackwood (Enrico Osterman). Foster erklärt, dass er nicht an Übernatürliches glaube und wettet mit Blackwood, dass er unbeschadet eine Nacht in dessen Spukschloss verbringen könne. Tatsächlich muss sich Foster in den folgenden Stunden nicht nur eines Schlimmeren belehren lassen - diese Nacht in Blackwood Castle wird zugleich die letzte seines irdischen Lebens sein...

Mit "Nella Stretta Morsa Del Ragno", dem man in der deutschen Fassung unsinnigerweise eine Dracula-Konnexion angedichtet hat (wohl, weil es damals schick war und das trademark "Dracula" zu jener Zeit ein flugs einlösbares Versprechen für flotten Billighorror), ist ein Remake in eigener Sache. Margheriti verfilmte nämlich seinen erst sieben Jahre zuvor entstandenen "Danza Macabra" nochmal, wobei dieses "Auffrischung" schon ein wenig im Verdacht verhobener Sinnfälligkeit steht. Margheriti kann eigentlich unmöglich geglaubt haben, seinem Publikum mit "Nella Stretta" etwas besonders Exklusives darzubieten. Die Geschichte wurde faktisch 1:1 übernommen, die sehr anmutige Poesie des Originals jedoch nicht. Stattdessen gibt es diesmal Farbe und Scope und mit Franciosa und Kinski immerhin zwei hervorragende Schauspieler. Dafür muss man wiederum Barbara Steele missen, die ja ein gutes Stück zur Ikonographie von "Danza Macabra" beigetragen hatte. Zumindest sie erhält Michèle Mercier als undead dame in distress kein gleichwertiges Substitut. Den verrückten Professor präsentiert diesmal Peter Carsten, der vortreffliche Score stammt wiederum von Riz Ortolani.
Vergisst man zumindest streckenweise den ja eigentlich zwingenden Vergleich zwischen Alt und Neu findet man aufgrund der vielseitigen Kompetenz dann doch noch einen ganz schönen Film vor, der um diese Zeit sicherlich einen der besseren Margheritis darstellt. Das Schüren von Atmosphäre und Schauerromantik gelingt ihm nämlich doch noch ganz passabel und man schaut somit gern hin. Das ist mehr als die meisten aktuellen Genre-Produktionen von sich behaupten können.

7/10

Antonio Margheriti Remake period piece Edgar Allan Poe Bruno Corbucci Schloss Vampire


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SINBAD OF THE SEVEN SEAS (Enzo G. Castellari/I, USA 1989


"I'm warning you! You are forcing me to carry out my most devastating act of magical madness!"

Sinbad Of The Seven Seas (Sinbad - Herr der Sieben Meere) ~ I/USA 1989
Directed By: Enzo G. Castellari

Um seinem Freund Prinz Ali (Roland Wybenga) zu helfen, seine Geliebte, die Prinzessin Alina (Alessandra Martines), vor den Traualtar führen zu können, muss Sindbad (Lou Ferrigno) erst der vier magischen Steine von Bazra habhaft werden, die der böse Zauberer Jaffar (John Steiner) in alle Windrichtungen verstreut hat. Jaffar ist selbst scharf auf Alina, doch Sindbad und seine Männer scheuen keine Gefahr, um dem üblen Hundsfott das Handwerk zu legen.

"Sinbad Of The Seven Seas" unterscheidet sich nicht allzu wesentlich von den beiden "Hercules"-Humpen mit Lou Ferrigno, die Luigi Cozzi ein paar Jahre zuvor auf die Menschheit losgelassen hatte. Auch dieser Film, der nach dem neben Castellari federführenden Cozzi als Hommage an die Harryhausen-"Sinbads" gedacht war und angelegt werden, nur selbige um ein exponenzielles Maß an Einfallsreichtum übertreffen sollte (das denke ich mir nicht aus, das sagt der Mann im aktuellen BR-Interview wirklich), gebraucht vermummte Zombie-Statisten als Totenarmeen, einen Pappmachée-Mann als steinernes Monster, eine überstrichene Strandbarkasse als prunkvolle Segelyacht und so fort. Allerdings fliegt diesmal kein Bär in den Orbit. Dennoch lernen wir Wichtiges, so etwa, dass Sindbad nicht nur Seefahrer, sondern auch Bodybuilder war und dass niemand Geringeres als Edgar Allen Poe persönlich die Vorlage für dieses Abenteuer des Weltenbummlers verfasst hat. Italo-Connaisseure freuen sich über Wiedersehen nicht nur mit dem sich selbst übertreffenden John Steiner, sondern auch mit Hal Yamanouchi und Romano Puppo, ebenso wie mit Cannon-Standard Yehuda Efroni (denn auch die beiden Israeli-Vettern hatten hier wieder die unegalen Finger mit drin). Der Gipfel der Bödoidie ist allerdings die Rahmengeschichte, in der eine von Daria Nicolodi gespielte Mutter ihrer Horrortochter (Giada Cozzi) das ganze dicke Ding als Gutenachtgeschichte erzählt - mitsamt völlig imbezilem voiceover. Die Münchener Synchronisation sollte man in diesem Zusammenhang nicht missen. 1001 gute Nächte.

4/10

Enzo G. Castellari Luigi Cozzi Sindbad period piece Seefahrt Zombies Monster Reise Trash 1001 Nacht Cannon


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THE IMMIGRANT (James Gray/USA 2013)


"You are not nothing."

The Immigrant ~ USA 2013
Directed By: James Gray

New York, 1921: Durch die Intervention des hinterlistigen Zuhälters Bruno Weiss (Joaquin Phoenix) gerät die just auf Ellis Island angekommene Polin Ewa (Marion Cotillard) sogleich in höchst fadenscheinige Manhattaner Kreise, derweil ihre Schwester Magda (Angela Sarafyan) wegen ihrer Tuberkulose-Erkrankung auf der Insel unter Quarantäne gestellt wird und zurückbleiben muss. Ewa muss sich fortan zwangsprostituieren und wird als "Lady Liberty" in einem schmierigen, kleinem Vaudeville-Theater angepriesen. Als sie Brunos Cousin Emil (Jeremy Renner) kennenlernt, glaubt sie, einen Hoffnungsstreif am Horizont zu erkennen, doch Bruno hat sich mittlerweile selbst in Ewa verliebt und weigert sich, sie mit Emil zu teilen...

James Gray und Joaquin Phoenix - das ist mittlerweile ja schon eine der fruchtbarsten Regisseur-/Darsteller-Paarungen überhaupt. Mit "The Immigrant" weist das winning team nun schon seinen vierten gemeinsamen Film vor, der wiederum ein Volltreffer geworden ist; vielleicht sogar sein schönster bislang. "The Immigrant" ist nämlich wahrhaftig ein Liebhaberstück. Wer sich für die New Yorker Einwanderungsgeschichten von Coppola ("The Godfather Part II") oder Leone ("Once Upon A Time In America") begeistern kann und zudem ein Faible für im frühen zwanzigsten Jahrhundert spielende Filme mit entsprechendem Gestus (auch an Frankenheimers "The Iceman Cometh" und Beattys "Reds" fühlte ich mich in ästhetischer Hinsicht zeitweilig erinnert) mitbringt, für den wird "The Immigrant mit seinen goldenen Farben, seiner filigranen Detailversessenheit und seinem brillanten Chiaroscuro-Einsatz, die allesamt die bittersüße Liebesgeschichte im Zentrum vortrefflich illustrieren, ein Selbstläufer sein. Mir ging es da nicht anders, mit dem Vorwissen um Grays stoische Humorlosigkeit und seine Art, den ihm anvertrauten Dingen mit allerhöchster Dramatik zu begegnen, konnte ich mich ganz vortrefflich in seine nimmermüden, exzellenten Einstellungen fallen lassen und "The Immigrant", in dem ganz viel Liebe und Versessenheit schlummern, vollauf genießen.
Ein absolut großartiges künstlerisches Erlebnis war das, kredenzt von einer Art beflissenen, filmischen Verständnisses, wie sie heute leider weitflächig in Vergessenheit geraten scheint.

9/10

James Gray New York Prostitution period piece Vaudeville ethnics


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ELIZA GRAVES (Brad Anderson/USA 2014)


"Use your eyes, Dr. Newgate!"

Eliza Graves (Stonehearst Asylum) ~ USA 2014
Directed By: Brad Anderson

Im Winter des Jahres 1899 kommt der junge Psychiater Dr. Newgate (Jim Sturgess) zu der abgelegenen Irrenanstalt Stonehearst Asylum im Norden Englands. Dessen Leiter Dr. Lamb (Ben Kingsley) nimmt Newgate, der sich stante pede über die hier vorherrschenden, unkonventionellen Behandlungsmethoden wundert, sogleich unter seine Fittiche. Lamb lässt die meisten Insassen der Anstalt frei im Hause herumspazieren und erlegt seinen Patienten sogar ein hohes Maß an Selbstverwaltung auf, so auch der reizenden Eliza Graves (Kate Beckinsale), die auf Newgate einigen Eindruck macht. Bei einer Stippvisite in den Kellergewölben entdeckt Newgate dann die Wahrheit: Lamb ist tatsächlich selbst ein schwer kriegstraumatisierter Patinent in Stonehearst, der den eigentlichen Chefarzt Dr. Dalt (Michael Caine) un dessen Personal eingekerkert und für sinistre Pläne vorgesehen hat.

"Eliza Graves" punktet mit einem gerüttelten Maß an Atmosphäre und Besetzung, allen voran natürlich die über jeden Zweifel erhabenen Schauspieltitanen Kingsley und Caine (in Nebenrollen gibt es weitere Sympathiegesichter wie David Thewlis, Brendan Gleeson und Jason Flemyng), kann darüber hinaus aber kaum überraschen. Entgegen voreilig geschürter Annahmen ist Andersons Film ein recht vulgär geführter, philologischer Diskurs über die Kinderschuhe der Psychiatrie, in denen steckend man glaubte, Wechselbäder und andere Foltermethoden trügen zur Heilung des Patienten bei. Dass sich derweil auch die Elektroschock- und die Konfrontationstherapie als nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt erweisen, spricht nicht eben für einen allzu sicheren Umgang des Fims mit seinem Sujet. Dann schon lieber die gepflegten Horrorfilm-Anleihen; die düsteren, mager ausgeleuchteten und fast spürbar ausgekühlten Gewölbe des Gebäudes (ohnehin einer der Stars des Films), das winterliche Exterieur. "Eliza Graves" ist ein Film, den man wohl am Besten dick eingepackt, bei offenem Fenster und rieselndem Schnee in der Dunkelheit schaut. Dann dürfte er hinhauen.

7/10

Brad Anderson fin de siècle England Edgar Allen Poe period piece Psychiatrie


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STOKER (CHAN-WOOK PARK/UK, USA 2013)


"Effective for what?" - "To get your attention."

Stoker ~ UK/USA 2013
Directed By: Chan-wook Park

Nach dem Tod ihres geliebten Vaters (Dermot Mulroney) taucht plötzlich dessen langvermisster Bruder Charlie (Matthew Goode) bei der Beerdigung und danach in der rural gelegenen Villa von India (Mia Wasikowska) und ihrer nunmehr verwitweten Mutter Evelyn (Nicole Kidman) auf. Für die eigensinnige India kommt Onkel Charlie einer Mischung aus Uneinschätzbarkeit und heimlicher Bewunerung gleich. Ebenso scheint sich der aparte, junge Mann für sie zu interessieren. Bald jedoch muss India feststellen, dass Onkel Charlie mehr als nur eine dunkle Seite verbirgt - und nicht nur er...

Eine weitere Reverenz-Erweisung an Altmeister Hitchcock; im Speziellen diesmal an dessen persönlichen Lieblingsfilm in eigener Sache - "Shadow Of A Doubt". Allerdings kommt Park, dessen Regiefähigkeiten ich unbehelligt wissen möchte, über ein respektables Maß an Ehrerbietung nicht hinaus. Sein Film bläht sich nämlich mit pompöser Bildsprache so gewaltig auf wie ein Heißluftballon, nur um dann doch wieder bei seinem bodenständigen Kriminalplot zu landen, der, das Vorbild beweist es eindrucksvoll, mit einer intimeren, sehr viel privateren Inszenierung doch wesentlich mehr Geschlossenheit erreicht. Auch, dass die Bezugsebene zwischen Nichte und Onkel - in "Stoker" kennt man sich nicht, weil die psychotischen Auswüchse des Guten bereits seit Jahren aktenkundig sind und Charlie ebenjene in Verwahrung verbracht hat - wird von dort nach hier in mir unbegreiflicher Weise variiert und vermutlich auch verwässert. "Shadow Of A Doubt" bezog eines seiner inneren Hauptspannungsmomente ja gerade aus der Tatsache, dass die Nichte Charlie ihren namensvetterlichen Onkel stets so anhimmelte und eben all die Jahre bloß zu jung war, um den Wolf im Schafspelz auszumachen.
Geschmackssicher nimmt "Stoker" sich ganz sicher aus und er kommt entsprechend schick daher - allerdings bleibt er unter seiner Oberfläche über weite Strecken leer und fad - wie ein wertvoller Gobelin, der kalten Unterputz verbirgt.

5/10

Chan-Wook Park Mutter & Tochter Familie Coming of Age


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HONEYMOON (Leigh Janiak/USA 2014)


"But you're different. You're different."

Honeymoon ~ USA 2014
Directed By: Leigh Janiak

Frisch verheiratet begeben sich Bea (Rose Leslie) und Paul (Harry Treadaway) für ihre Flitterwochen in das Cottage von Beas Eltern, das an einem idyllischen Waldsee liegt. Eines Nachts läuft Bea in den Wald und Paul findet sie dort ohne ihr Nachthemd und wie hypnotisiert. In den nächsten Tagen meint er, immer schwerwiegendere Veränderungen an ihr vorzufinden: Bea kann sich nicht an bestimmte Begebenheiten oder Wörter in ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnern, probt ganze Sätze vor dem Spiegel, wenn sie sich allein wähnt und vermeidet Körperlichkeiten. Ihr Nachthemd findet Paul zerrissen und mit Schleimspuren daran im Wald. Irgend etwas muss mit Bea in der betreffenden Nacht geschehen sein - und zwar nicht bloß somnambules Umhergetappse.

Die Ehe, die große Unbekannte. Man kann sich ja noch so gut kennen, aber erst der Ringtausch scheint eine Lizenz zu beinhalten, sein Inneres vor dem Anderen nach außen zu kehren und diverse Dinge fallen einem nach und nach auf, die vielleicht zuvor in dieser Form undenkbar gewesen wären. "Honeymoon" lässt sich recht umweglos als metaphorisches Konstrukt bezüglich dieser Phänmenologie lesen - das geliebte Wesen verwandelt sich mittelbar nach der Hochzeit in etwas, das man gar nicht mehr so wie vorher lieben kann, geschweige denn möchte. An Zulawskis "Possession", der ja auch eheliche Entfremdung zum Thema hat, erinnert "Honeymoon" hier und da: Auch diesmal gibt es Schleim und Monströses anstelle von besiegelter Zweisamkeit, allerdings in verhaltenerer und etwas weniger mehrdeutiger Form. Einer wirklichen conclusio enthält sich Janiaks Film, wenngleich sich recht gezielte Vermutungen anstellen lassen. Vielmehr geht es ihm um das sachte Anwachsen des Unbehagens, den höchst privaten Schrecken, der einen befällt, wenn das vertraut Geglaubte sich plötzlich als Mysterium erweist.

8/10

Leigh Janiak Ehe Wald Flitterwochen





Filmtagebuch von...

Funxton

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