"May I take a ride?"
Last Exit To Brooklyn (Letzte Ausfahrt Brooklyn) ~ BRD/USA/UK 1989
Directed By: Uli Edel
Brooklyn, 1952: Während eines langwierigen Fabrikarbeiterstreiks erleben die Menschen eines kleinen Viertels Höhen und Tiefen: Der Familienvater und Gewerkschaftsfunktionär Harry Black (Stephen Lang) beginnt, seine Homosexualität auszuleben und wird dabei mit der emotionalen Kälte und dem Hedonismus der 'Szene' konfrontiert. Als er betrunken und ausgehöhlt bei einem minderjährigen Jungen zudringlich wird, kostet ihn das beinahe das Leben.
Transvestit Georgette (Alexis Arquette) wird von niemandem in der Gegend, einschließlich der eigenen Familie, ernstfenommen, geschweige denn geschätzt und ist unsterblich in den Schläger Vinnie (Peter Dobson) verliebt. Eine alkohol- und drogengeschwängerte Party, bei der auch Harry zu Gast ist, wird ihm zum Verhängnis.
Die Hure Tralala (Jennifer Jason Leigh) lebt davon, zusammen mit der örtlichen Schlägerclique betrunkene Matrosen auszunehmen. Als sie in Manhattan einen kurz vor seiner Abberufung nach Korea stehenden Offizier kennenlernt, erfährt sie eine ihr bislang völlig unbekannte Form von Zuneigung und Schutz.
Für den Arbeiter Joe (Burt Young) bricht eine Welt zusammen, als er erfährt, dass seine Tochter hochschwanger ist - immerhin ist sie unverheiratet. Dem entsprechenden Stecher, Joes Kollegen Tommy (John Costelloe), bleibt nichts anderes übrig als eine überhastete Heirat.
Hubert Selby Jr.s gleichnamiger Roman ist eines der stärksten amerikanischen Prosastücke des verangen Jahrhunderts und in Stil und Wirkmacht bestenfalls mit Burroughs, Thompson oder Kerouac zu vergleichen. Das "Skandalbuch" erschien erstmals 1964 und fokussierte eine zwölf Jahre zuvor stattgefundene, Brooklyner Episode, in der aus einer existenziellen Streik-Unsicherheit heraus ein kleiner Straßenzug überzubrodeln droht vor Gewalt und Angst. Protagonisten sind der ungeoutete Schwule Harry Black, von Stephen Lang brillant interpretiert, dessen Leben eine einzige, große Lüge ist, sowie die ungeliebte Nutte Tralala, die Zärtlichkeit und Aufopferungsbereitschaft bestenfalls vom Hörensagen kennt. Beide erleben sie ihren jeweiligen Super-GAU innerhalb dieser misanthropischen Gemeinde, in der nur überlebt, wer die größte Klappe und das schnellste Messer hat.
Eine Adaption stand 1989 schon länger ins Haus; unter anderem plante Ralph Bakshi bereits eine in den Siebzigern, die dann jedoch gecancelt wurde. Später erwarb Bernd Eichinger die Rechte, dessen Neue Constantin ja bereits damals dafür bekannt war, große, respektive Aufsehen erregende Weltliteratur kinotauglich aufzubereiten; schlag nach unter dem ebenfalls von Edel inszenierten "Christiane F.", "Die unendliche Geschichte" und "Der Name der Rose" sowie natürlich seinem später noch folgenden Ausstoß. So kommt es, dass dieser uramerikanische Film zu großen Teilen in den Münchener Bavaria Studios gedrehtwurde - was ihm glücklicherweise zu keiner Sekunde schadet. Im Gegenteil, die teils eindeutig als Atelierkulisse zu identifizierenden Schauplätze bereichern den Film durch ihre Artifizialität. Wie in "Christiane F." vermag Uli Edel es, eine ebenso berückende wie bedrückende Atmosphäre zu kreieren und Selbys allenthalben erklärtem, grenzenlosen Hass gegen jede Form von körperlicher und psychischer Gewaltanwendung passendes Bildgut zu verleihen. Menschen und Körper werden zerbrochen und am Ende läuft der Kreislauf des Lebens und alles andere dann doch vergleichsweise unbeeindruckt weiter. Der Streik ist vorbei, man hat ausgekatert, ein neuer Montagmorgen in der Fabrik steht an.
9/10
Uli Edel Homosexualität period piece New York Ensemblefilm Hubert Selby Jr. Gewerkschaft Streik Bernd Eichinger
Last Exit To Brooklyn (Letzte Ausfahrt Brooklyn) ~ BRD/USA/UK 1989
Directed By: Uli Edel
Brooklyn, 1952: Während eines langwierigen Fabrikarbeiterstreiks erleben die Menschen eines kleinen Viertels Höhen und Tiefen: Der Familienvater und Gewerkschaftsfunktionär Harry Black (Stephen Lang) beginnt, seine Homosexualität auszuleben und wird dabei mit der emotionalen Kälte und dem Hedonismus der 'Szene' konfrontiert. Als er betrunken und ausgehöhlt bei einem minderjährigen Jungen zudringlich wird, kostet ihn das beinahe das Leben.
Transvestit Georgette (Alexis Arquette) wird von niemandem in der Gegend, einschließlich der eigenen Familie, ernstfenommen, geschweige denn geschätzt und ist unsterblich in den Schläger Vinnie (Peter Dobson) verliebt. Eine alkohol- und drogengeschwängerte Party, bei der auch Harry zu Gast ist, wird ihm zum Verhängnis.
Die Hure Tralala (Jennifer Jason Leigh) lebt davon, zusammen mit der örtlichen Schlägerclique betrunkene Matrosen auszunehmen. Als sie in Manhattan einen kurz vor seiner Abberufung nach Korea stehenden Offizier kennenlernt, erfährt sie eine ihr bislang völlig unbekannte Form von Zuneigung und Schutz.
Für den Arbeiter Joe (Burt Young) bricht eine Welt zusammen, als er erfährt, dass seine Tochter hochschwanger ist - immerhin ist sie unverheiratet. Dem entsprechenden Stecher, Joes Kollegen Tommy (John Costelloe), bleibt nichts anderes übrig als eine überhastete Heirat.
Hubert Selby Jr.s gleichnamiger Roman ist eines der stärksten amerikanischen Prosastücke des verangen Jahrhunderts und in Stil und Wirkmacht bestenfalls mit Burroughs, Thompson oder Kerouac zu vergleichen. Das "Skandalbuch" erschien erstmals 1964 und fokussierte eine zwölf Jahre zuvor stattgefundene, Brooklyner Episode, in der aus einer existenziellen Streik-Unsicherheit heraus ein kleiner Straßenzug überzubrodeln droht vor Gewalt und Angst. Protagonisten sind der ungeoutete Schwule Harry Black, von Stephen Lang brillant interpretiert, dessen Leben eine einzige, große Lüge ist, sowie die ungeliebte Nutte Tralala, die Zärtlichkeit und Aufopferungsbereitschaft bestenfalls vom Hörensagen kennt. Beide erleben sie ihren jeweiligen Super-GAU innerhalb dieser misanthropischen Gemeinde, in der nur überlebt, wer die größte Klappe und das schnellste Messer hat.
Eine Adaption stand 1989 schon länger ins Haus; unter anderem plante Ralph Bakshi bereits eine in den Siebzigern, die dann jedoch gecancelt wurde. Später erwarb Bernd Eichinger die Rechte, dessen Neue Constantin ja bereits damals dafür bekannt war, große, respektive Aufsehen erregende Weltliteratur kinotauglich aufzubereiten; schlag nach unter dem ebenfalls von Edel inszenierten "Christiane F.", "Die unendliche Geschichte" und "Der Name der Rose" sowie natürlich seinem später noch folgenden Ausstoß. So kommt es, dass dieser uramerikanische Film zu großen Teilen in den Münchener Bavaria Studios gedrehtwurde - was ihm glücklicherweise zu keiner Sekunde schadet. Im Gegenteil, die teils eindeutig als Atelierkulisse zu identifizierenden Schauplätze bereichern den Film durch ihre Artifizialität. Wie in "Christiane F." vermag Uli Edel es, eine ebenso berückende wie bedrückende Atmosphäre zu kreieren und Selbys allenthalben erklärtem, grenzenlosen Hass gegen jede Form von körperlicher und psychischer Gewaltanwendung passendes Bildgut zu verleihen. Menschen und Körper werden zerbrochen und am Ende läuft der Kreislauf des Lebens und alles andere dann doch vergleichsweise unbeeindruckt weiter. Der Streik ist vorbei, man hat ausgekatert, ein neuer Montagmorgen in der Fabrik steht an.
9/10
Uli Edel Homosexualität period piece New York Ensemblefilm Hubert Selby Jr. Gewerkschaft Streik Bernd Eichinger