"We're not involved, Mr Horman."
Missing (Vermisst) ~ USA 1982
Directed By: Constantin Costa-Gavras
Santiago de Chile, September 1973: Der für ein linkes Blatt tätige, US-amerikanische Journalist Charlie Horman (John Shea) verschwindet während des Militärputschs durch Pinochet spurlos. Zusammen mit Charlies Vater Ed (Jack Lemmon), einem einflussreichen New Yorker Geschäftsmann, sucht seine Frau Beth (Sissy Spacek) vor Ort nach Spuren Charlies, während die Junta ihr blutiges Schreckensregime weiter installiert. Im naiven Glauben, die US-Administration vor Ort sei bezüglich seiner Investigation hilfsbereit, muss sich Ed Horman bald vom Gegenteil überzeugen lassen: Charlie ist während eines zufälligen Kurzaufenthalts im Badeort Viña del Mar auf einen redseligen US-Militärberater (Richard Bradford) gestoßen, der keinen Zweifel an der US-Intervention bei Pinochets Staatsstreich ließ. Wie tausende andere Verdächtige wurde Charlie daraufhin in das als riesiges Konzentrationslager dienende Nationalstadion verschleppt, wo sich seine Spur - ebenso wie die Tausender anderer Exekutierter - verliert. Am Ende seines sein Weltbild geraderückenden Aufenthalts in Santiago begreift Ed die weitreichenden Verstrickungen der USA nicht nur in diesen lateinamerikanische Machtwechsel.
Costa-Gavras' erste US-Produktion macht glücklicherweise nur wenige Zugeständnisse an massengeschmäcklerische Erwartungshaltungen. Zwar gestaltet sich seine Inszenierung glatter und zugänglicher als zuvor und bietet mit Lemmon und Spacek zwei "unkomplizierte" Stars als Identifikationsfiguren auf; der politischen Brisanz und leidenschaftlichen Aufbereitung des Themas jedoch tut dies kaum Abbruch. "Missing" ist ein Werk, das Türen aufstieß: Die Involvierung der CIA nebst der von Polizei- und Militärberatern in die Politik lateinamerikanischen Länder wurde in keinem vorherigen Studiofilm so gnadenlos und präzise umrissen wie hier. Zu Beginn des Films wird erklärt, dass einige Namen der in die neun Jahre zuvor geschehenen Ereignisse Beteiligten "zum Schutz der Personen und des Films geändert" werden mussten. Die Begriffe 'Chile', 'Pinochet' und 'Allende' fallen nicht, von Nixon ist lediglich einmal ein Wandporträt zu sehen, ganz am Ende erklingt aus dem Off der Name Kissingers. Der vehement verharmlosende, lügende und leugnende US-Botschafter vor Ort bleibt ungetauft; sein reales Pendant Nathaniel Davis, mittlerweile a.D., dessen Nennung immerhin in der dem Film zugrunde liegenden Buchvorlage von Thomas Hauser auftaucht, verklagte die Universal bei Erscheinen des Films auf eine Multi-Millionen-Dollar-Summe und sorgte für die vorübergehende Absetzung des Films. Beide Maßnahmen erwiesen sich jedoch als von mittelfristiger Erfolglosigkeit gekrönt. Immerhin: Charles Hormans Name - ohnedies der wichtigste des Films - bleibt unverfälscht und stolzes Zentrum der traurigen Schilderungen. Bei aller Ehrenhaftigkeit des Projekts: Dass ausgerechnet das Verschwinden des Sohnes eines reichen, einflussreichen New Yorker Businessman solche Wellen schlug, ist sicherlich wichtig und richtig. Dass jedoch auch ein Costa-Gavras nur die Spitzen der Pinochets Putsch säumenden Leichenberge der zehntausenden von Toten und Vermissten zeigen kann, deren Verlust weitaus stiller und ungehörter betrauert werden musste denn der Charles Hormans, sollte zu keiner Sekunde vergessen werden.
9/10
Constantin Costa-Gavras Chile period piece Historie Vater & Sohn Südamerika CIA
Missing (Vermisst) ~ USA 1982
Directed By: Constantin Costa-Gavras
Santiago de Chile, September 1973: Der für ein linkes Blatt tätige, US-amerikanische Journalist Charlie Horman (John Shea) verschwindet während des Militärputschs durch Pinochet spurlos. Zusammen mit Charlies Vater Ed (Jack Lemmon), einem einflussreichen New Yorker Geschäftsmann, sucht seine Frau Beth (Sissy Spacek) vor Ort nach Spuren Charlies, während die Junta ihr blutiges Schreckensregime weiter installiert. Im naiven Glauben, die US-Administration vor Ort sei bezüglich seiner Investigation hilfsbereit, muss sich Ed Horman bald vom Gegenteil überzeugen lassen: Charlie ist während eines zufälligen Kurzaufenthalts im Badeort Viña del Mar auf einen redseligen US-Militärberater (Richard Bradford) gestoßen, der keinen Zweifel an der US-Intervention bei Pinochets Staatsstreich ließ. Wie tausende andere Verdächtige wurde Charlie daraufhin in das als riesiges Konzentrationslager dienende Nationalstadion verschleppt, wo sich seine Spur - ebenso wie die Tausender anderer Exekutierter - verliert. Am Ende seines sein Weltbild geraderückenden Aufenthalts in Santiago begreift Ed die weitreichenden Verstrickungen der USA nicht nur in diesen lateinamerikanische Machtwechsel.
Costa-Gavras' erste US-Produktion macht glücklicherweise nur wenige Zugeständnisse an massengeschmäcklerische Erwartungshaltungen. Zwar gestaltet sich seine Inszenierung glatter und zugänglicher als zuvor und bietet mit Lemmon und Spacek zwei "unkomplizierte" Stars als Identifikationsfiguren auf; der politischen Brisanz und leidenschaftlichen Aufbereitung des Themas jedoch tut dies kaum Abbruch. "Missing" ist ein Werk, das Türen aufstieß: Die Involvierung der CIA nebst der von Polizei- und Militärberatern in die Politik lateinamerikanischen Länder wurde in keinem vorherigen Studiofilm so gnadenlos und präzise umrissen wie hier. Zu Beginn des Films wird erklärt, dass einige Namen der in die neun Jahre zuvor geschehenen Ereignisse Beteiligten "zum Schutz der Personen und des Films geändert" werden mussten. Die Begriffe 'Chile', 'Pinochet' und 'Allende' fallen nicht, von Nixon ist lediglich einmal ein Wandporträt zu sehen, ganz am Ende erklingt aus dem Off der Name Kissingers. Der vehement verharmlosende, lügende und leugnende US-Botschafter vor Ort bleibt ungetauft; sein reales Pendant Nathaniel Davis, mittlerweile a.D., dessen Nennung immerhin in der dem Film zugrunde liegenden Buchvorlage von Thomas Hauser auftaucht, verklagte die Universal bei Erscheinen des Films auf eine Multi-Millionen-Dollar-Summe und sorgte für die vorübergehende Absetzung des Films. Beide Maßnahmen erwiesen sich jedoch als von mittelfristiger Erfolglosigkeit gekrönt. Immerhin: Charles Hormans Name - ohnedies der wichtigste des Films - bleibt unverfälscht und stolzes Zentrum der traurigen Schilderungen. Bei aller Ehrenhaftigkeit des Projekts: Dass ausgerechnet das Verschwinden des Sohnes eines reichen, einflussreichen New Yorker Businessman solche Wellen schlug, ist sicherlich wichtig und richtig. Dass jedoch auch ein Costa-Gavras nur die Spitzen der Pinochets Putsch säumenden Leichenberge der zehntausenden von Toten und Vermissten zeigen kann, deren Verlust weitaus stiller und ungehörter betrauert werden musste denn der Charles Hormans, sollte zu keiner Sekunde vergessen werden.
9/10
Constantin Costa-Gavras Chile period piece Historie Vater & Sohn Südamerika CIA