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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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BERBERIAN SOUND STUDIO (Peter Strickland/UK 2012)



"You'll get used to it, Gilderoy."

Berberian Sound Studio ~ UK 2012
Directed By: Peter Strickland

1976 kommt der englische Toningenieur Gilderoy (Toby Jones) nach Italien, um dort die tonale Nachbearbeitung für einen Horrorfilm um eine gefolterte Hexe und deren sich in der Gegenwart Fluch im Studio zu besorgen. Für Gilderoy, einen schüchternen Mann mittlerer Jahre, dessen Hauptbezugsperson noch immer seine Mutter darstellt, nimmt sich die Arbeit an solch einem Werk höchst befremdlich aus, nachdem er zuvor in erster Linie für TV-Kindershows tätig war. Die zahlreichen akustischen Spezialeffekte bestehen in erster Linie aus Gemüse und Obst, das auf alle möglichen Arten massakriert wird und aus gellenden Schreien der im Studio nachsynchronisierenden Darstellerinnen. Gilderoy lernt den Produzenten (Cosimo Fusco) und den Regisseur (Antonio Mancino) des Films kennen und auch die eigenartigen Beziehungsstrukturen der übrigen Mitarbeiter zueinander. Daneben wirkt sich auch die befremdliche Enge innerhalb des Studios nachteilig auf Tobys psychische Verfassung aus...

Ein Musterbeispiel für "psychoaktives" Filmemachen ist "Berberian Sound Studio". Nachdem uns mit dem Protagonisten Gilderoy (vorzüglich gespielt von Toby Jones) das klassische, verschüchterte Film-Muttersöhnchen mit einigem Nährboden für psychische Deffekte in der Tradition von Norman Bates oder Mark Lewis vorgestellt wird, zwingt uns Strickland förmlich, permanent ganz nah bei und mit diesem zu verweilen. Gilderoy wiederum wird in das karg beleuchtete Gefängnis des Tonstudios gesteckt - ohne Fenster oder sonstige Möglichkeiten der Kommunikation mit draußen verweilt der Ärmste hier für die gesamte Dauer seines - zudem nach Zahlungsschiebung riechenden - Auftrags. Zwischen der Isolation seines Zimmers und der Arbeit im Studio liegen lediglich die ganz offenkundig barbarischen Bilder des zu bearbeitenden Films, die dem Rezipienten von "Berberian Sound Studio" mit Ausnahme der vielsagenden Titelsequenz wiederum bewusst vorenthalten bzw. der Kraft dessen Phantasie vorbehalten bleiben. Offenkundig furchtbare Folter- und Mordsequenzen spielen sich da zu den Geräuschen platzender Wassermelonen oder fettbrutzelnder Bratpfannen ab, kommentiert lediglich durch Gilderoys zunächst verständnislose bis schockierte Vis-à-vis-Mimik. Was insbesondere der genreefahrene Zuschauer sich dazu an privaten Imaginarien ausmalt, kann, und das weiß Strickland natürlich ganz genau, bezieht sein Film doch gerade aus diesem Faktum seine verstörende Wirkung, keinerlei Visualisierung einlösen: Der von Gilderoy vertonte Film "The Equestrian Vortex", fraglos eine Hommage an das Kino aus Dario Argentos früh-mittlerer Schaffungsphase, muss das schrecklichste Genrestück sein, das die Realität nie erblickt hat.

9/10

Peter Strickland Film im Film Madness Surrealismus Giallo Hommage Hans W. Geißendörfer



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Funxton

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