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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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SÜPERSEKS (Torsten Wacker/D 2004)



"Sisse, Wichsleitungen gehen wieder."

Süperseks ~ D 2004
Directed By: Torsten Wacker

Weil er beim Altonaer Paten, seinem Onkel Cengiz (Meray Ülgen) mit einer Menge Patte in der Kreide steht und ihm als Garantie das Haus seiner in der Türkei lebenden Mutter (Sevgi Özdamar) verpfändet hat, braucht der Taugenichts Elviz (Denis Moschitto) dringend eine zündende Idee. Die kommt ihm, durch eine ehefrustrierte Aktion seines älteren, ihn aushaltenden Bruders Tarik (Hilmi Sözer): Zusammen mit seinem in Comuterfragen beflissenen Kumpel Olaf (Martin Glade) zieht er eine ausschließlich für türkische Anrufer konzipierte Telefonsex-Hotline auf. Das entsprechende Kapital stammt von dem etwas eigenen Porno-Schneyder (Peter Lohmeyer). Die Sache lässt sich auch tatsächlich super an, bis Elviz' Schwarm Anna (Marie Zielcke) in dem Laden anfängt und den eifersüchtigen Schwerenöter völlig durcheinanderbringt. Am Ende erfährt die türkische Gemeinde von dem ganzen versauten Geschäft und reagiert höchst ungehalten. Alles scheint verloren, doch ausgerechnet Olaf hat noch ein letztes Ass im Ärmel...

Ich geb's zu: Ein guilty pleasure. Ich käme ja nie auf die Idee, mir eine dieser mich schon von Weitem abstoßenden RomComs von und mit Till Schweiger oder Matthias Schweighöfer anzusehen und mache mich im Gegenteil nur allzu vorliebig über den Pöbel lustig, der sich mit derlei abgibt. Weil ich aber Marie Zielcke so schön finde und sie, ganz nebenbei, noch immer vom Fleck weg heiraten täte, und diese hier als Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe antritt, habe ich mir damals "Süperseks" angeschaut. Und fand ihn wider Erwarten superwitzig, denn sowohl die Darstellung der als auch die Seitenhiebe auf die in Deutschland lebende, türkische Gemeinde sind von einiger hellsichtiger Brillanz und Wahrheit.
"Süperseks" ist darüberhinaus heute vielleicht sehr viel politischer als noch vor zehn Jahren, denn er zeigt auf ebenso ironische wie liebenswerte Weise falsche Wege auf: Forcierte Selbstghettoisierung, Selbstverleugnung, Bigotterie, religiöse Verlogenheit und die Wahrung eines längst obsolet gewordener Traditionen. Natürlich sind die Türken, die Süperseks zeigt, fast durchweg Klischeetypen: Der junge Deutschtürke zwischen den Welten, der fleißige, etwas bldungsferne Arbeiter, der insgeheim unter dem Omatriarchat steht (die Büyükanne, die Großmutter ist tatsächlich das heimliche Oberhaupt und graue Eminenz vieler türkischer Familien) und auf kitschige, anatolische "Heimatfilme" aus den Siebzigern steht, die insgeheim längst emanzipierte, türkische Ehefrau, der studierte Emporkömmling, der mit allen Mitteln westeuropäisch wirken möchte; dazu der altbekannte, uns Deutsche so befremdende Tand um Plüsch und Glitzerzeug. Klischees werden jedoch benötigt, um Satire machen zu können und sind damit probat.
Das Schöne an dem Film ist aber vor allem, dass er bei aller analytischen Freude keine didaktische, tendenziöse Allgemeinlösung propagiert, sondern für freie Entscheidung, Toleranz und ein friedfertiges Miteinander wirbt. Damit ist er ein kleines Original und mit einer Nasenlänge vorn, heute vielleicht mehr denn je.

8/10

Torsten Wacker Hamburg Telefonsex Brüder Satire



Filmtagebuch von...

Funxton

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