"Ausziehen."
Das Experiment ~ D 2001
Directed By: Oliver Hirschbiegel
Der zwischenzeitlich als Taxifahrer jobbende, freie Journalist Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu) erfährt von einem universitär initiierten Experiment, in dessen Verlauf sich eine Gruppe männlicher Individuen freiwillig und für eine Dauer von zwei Wochen in einen hermetisch abgeschlossenen Komplex begeben und dort die Rollen von Gefangenen und Wärtern einnehmen sollen. Tarek riecht eine Sensationsstory, die er durch seine Teilnahme an der Studie gezielt zu lenken hofft. Zunächst läuft alles wie geplant, doch bereits nach kürzester Zeit verselbstständigt sich die Situation - die gezielt nach ihrer psychischen Ausgangslage eingesetzten Wärter beginnen, die Gefangenen zu dominieren, bald auch zu erniedrigen und schließlich zu quälen und zu foltern bis hin zum Totschlag. Die Überwachung des Experiments gleitet den Leitern (Edgar Selge, Andrea Sawatzki) durch Unachtsamkeit aus den Händen und statt ihrer übernehmen zwei der "Wächter", die sadistisch veranlagten Berus (Justus von Dohnányi) und Kamps (Nicki von Tempelhoff), zunächst heimlich das Regiment. Es kommt zur Katastrophe...
"Das Experiment" ist einer der beständigsten deutschen Filme der letzten zwei Jahrzehnte; beständig in seinem Bestreben, involvierendes Genrekino abseits der normierten Kino-Weichspülerei zu liefern, beständig auch in seiner höchst affizierenden Wirkmacht. Natürlich sollte man den kritischen Blickwinkel nicht vernachlässigen: Hirschbiegels Werk gibt sich einen betont authentischen, grenzdokumentarischen Anstrich, der wiederum auf das zugrunde liegende Buch Mario Giordanos rekurriert. Jenes befasste sich mit dem 1971 von dem Psychologen Philip Zimbardo durchgeführten "Stanford-Prison-Experiment", das von der Projektleitung abgebrochen werden musste, als einige Versuchsparameter sich ihrer Kontrolle entzogen. Freilich kam es hier nicht zu Todesfällen und auch die physische Folter nahm nicht die im Film dargestellten Formen an. Andere "Wärter"-Maßnahmen wie die Neumischung der Zelleninsassen zur Zerstreuung aufkeimender Solidarität oder der Entzug von Kleidung und Bettwäsche entsprechen indes den realen Vorkommnissen.
Die etablierte (und teils auch unetablierte) Kritik warf Hirschbiegel eine stark populistische, spekulative Inszenierung vor; eine Stereotypisierung der vorgestellten Charaktere und gewaltige Löcher im Handlungsablauf. Schließlich kann man eine unverhohlene, überaus einseitig formulierte Denunziation wissenschaftlicher Testreihen zu empirischer Erkenntnisgewinnung wittern.
All dies ist nicht von der Hand zu weisen, ebensowenig wie die Tatsache, dass vom Zuschauer eine Menge an good will eingefordert wird, um den Ereignissen im Experimentsverlauf Glauben zu schenken. Dann würde man jedoch all den Vorzügen des Films nicht gerecht - zu nennen wäre da die unglaubliche Sogwirkung, die "Das Experiment" aufbaut; die Identifikation mit den Gefangenen gelingt beinahe mühelos wie auch die empathische Brücke zu der gesamten, sie umschließenden Situation. Man leidet und wütet mit Tarek Fahd und den anderen und wünscht sich irgendwann selbst eine Metallstange an die Hand. Das ist zwar böses, gar aggressives und nicht eben differenziertes, aber dafür auch höchst vitales Filmemachen.
8/10
Oliver Hirschbiegel Mario Giordano Gefängnis undercover
Das Experiment ~ D 2001
Directed By: Oliver Hirschbiegel
Der zwischenzeitlich als Taxifahrer jobbende, freie Journalist Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu) erfährt von einem universitär initiierten Experiment, in dessen Verlauf sich eine Gruppe männlicher Individuen freiwillig und für eine Dauer von zwei Wochen in einen hermetisch abgeschlossenen Komplex begeben und dort die Rollen von Gefangenen und Wärtern einnehmen sollen. Tarek riecht eine Sensationsstory, die er durch seine Teilnahme an der Studie gezielt zu lenken hofft. Zunächst läuft alles wie geplant, doch bereits nach kürzester Zeit verselbstständigt sich die Situation - die gezielt nach ihrer psychischen Ausgangslage eingesetzten Wärter beginnen, die Gefangenen zu dominieren, bald auch zu erniedrigen und schließlich zu quälen und zu foltern bis hin zum Totschlag. Die Überwachung des Experiments gleitet den Leitern (Edgar Selge, Andrea Sawatzki) durch Unachtsamkeit aus den Händen und statt ihrer übernehmen zwei der "Wächter", die sadistisch veranlagten Berus (Justus von Dohnányi) und Kamps (Nicki von Tempelhoff), zunächst heimlich das Regiment. Es kommt zur Katastrophe...
"Das Experiment" ist einer der beständigsten deutschen Filme der letzten zwei Jahrzehnte; beständig in seinem Bestreben, involvierendes Genrekino abseits der normierten Kino-Weichspülerei zu liefern, beständig auch in seiner höchst affizierenden Wirkmacht. Natürlich sollte man den kritischen Blickwinkel nicht vernachlässigen: Hirschbiegels Werk gibt sich einen betont authentischen, grenzdokumentarischen Anstrich, der wiederum auf das zugrunde liegende Buch Mario Giordanos rekurriert. Jenes befasste sich mit dem 1971 von dem Psychologen Philip Zimbardo durchgeführten "Stanford-Prison-Experiment", das von der Projektleitung abgebrochen werden musste, als einige Versuchsparameter sich ihrer Kontrolle entzogen. Freilich kam es hier nicht zu Todesfällen und auch die physische Folter nahm nicht die im Film dargestellten Formen an. Andere "Wärter"-Maßnahmen wie die Neumischung der Zelleninsassen zur Zerstreuung aufkeimender Solidarität oder der Entzug von Kleidung und Bettwäsche entsprechen indes den realen Vorkommnissen.
Die etablierte (und teils auch unetablierte) Kritik warf Hirschbiegel eine stark populistische, spekulative Inszenierung vor; eine Stereotypisierung der vorgestellten Charaktere und gewaltige Löcher im Handlungsablauf. Schließlich kann man eine unverhohlene, überaus einseitig formulierte Denunziation wissenschaftlicher Testreihen zu empirischer Erkenntnisgewinnung wittern.
All dies ist nicht von der Hand zu weisen, ebensowenig wie die Tatsache, dass vom Zuschauer eine Menge an good will eingefordert wird, um den Ereignissen im Experimentsverlauf Glauben zu schenken. Dann würde man jedoch all den Vorzügen des Films nicht gerecht - zu nennen wäre da die unglaubliche Sogwirkung, die "Das Experiment" aufbaut; die Identifikation mit den Gefangenen gelingt beinahe mühelos wie auch die empathische Brücke zu der gesamten, sie umschließenden Situation. Man leidet und wütet mit Tarek Fahd und den anderen und wünscht sich irgendwann selbst eine Metallstange an die Hand. Das ist zwar böses, gar aggressives und nicht eben differenziertes, aber dafür auch höchst vitales Filmemachen.
8/10
Oliver Hirschbiegel Mario Giordano Gefängnis undercover