

OPENING NIGHT (John Cassavetes/USA 1977)
von Funxton ·
17 August 2010
Kategorie:
Drama
Aufrufe: 639
"Just before I met you, I thought that small talk was too small, I thought big talk was too pretentious, I thought music was noise, and I thought art was bullshit."
Opening Night (Die erste Vorstellung) ~ USA 1977
Directed By: John Cassavetes
Die gefeierte Film- und Bühnenaktrice Myrtle Gordon (Gena Rowlands) gerät angesichts ihrer neuesten Hauptrolle als alternde Bildungsbürgerin im Stück "The Second Woman" in eine tiefe Sinn- und Schaffenskrise. Diese wird nochmals immens verstärkt, als Myrtle einen jugendlichen Fan (Laura Johnson) infolge eines Unfalls vorm Theater von New Haven sterben sieht. Als die Gruppe mit dem Stück am Broadway debütieren soll, erleidet Myrtle einen totalen Zusammenbruch. Trotzdem betritt sie am Premierenabend die Bühne...
Für sein wohl engagiertestes Projekt "Opening Night" trommelte Cassavetes alles an Geldern und Unterstützung zusammen, was er bekommen konnte und zerbrach dann beinahe an der ungeheuren Geduldsprobe, den Film nur nach sehr langer Zeit und unter permanenter Ungewissheit fertigstellen zu können. Später sagte er einmal, er könne mit "Opening Night" keine positiven Assoziationen mehr herstellen, der Film und seine Realisierung hätten ihn allzuviel Kraft gekostet. Dabei ist er - natürlich - ein bravouröses Stück geworden, in dem jedes Tröpfchen Herzblut sichtbar wird und das trotz seiner - von Cassavetes gewohnten - inszenatorischen Statik zutiefst bewegt und in entscheidenden Momenten eine fast unerträgliche Spannung provoziert. Wie so häufig bei diesem großen Filmemacher liegt die eigentliche Stärke der Erzählung in der Wertungsfreiheit des Ganzen; Cassavetes macht es seinen Zuschauern längst nicht so einfach, sein Figureninventar in sympathisch und unsympathisch aufzudividieren. Diese Myrtle Gordon, deren Charakter sich nach und nach mit ihrer Bühnpersona vermischt, ist zwar eine starke Frau, aber eben auch eine, die häufig kurz davor steht, vor inneren Schwächen zu kapitulieren und ihr Umfeld damit vor die bildlichen Tore der Nervenheilanstalt zu treiben. Das letzte Viertel des Films, in dem Myrtle, die ewige Stramplerin, vollkommen besoffen zu ihrer New Yorker Premiere erscheint, hat für mich beinahe Herzinfarkt-Niveau. Cassavetes hat diese Szenen einst umgeschnitten, weil er bei einer Testvorführung das Gefühl hatte, das Publikum habe sich dabei allzugut amüsiert. Er liebte es eben, zu vergrätzen und nicht nur auf Zugeständnisse zu verzichten, sondern sie gar ganz bewusst zu entziehen. So war er, großer Säufer, großer Zweifler.
9/10
John Cassavetes Independent Theater Alkohol
Opening Night (Die erste Vorstellung) ~ USA 1977
Directed By: John Cassavetes
Die gefeierte Film- und Bühnenaktrice Myrtle Gordon (Gena Rowlands) gerät angesichts ihrer neuesten Hauptrolle als alternde Bildungsbürgerin im Stück "The Second Woman" in eine tiefe Sinn- und Schaffenskrise. Diese wird nochmals immens verstärkt, als Myrtle einen jugendlichen Fan (Laura Johnson) infolge eines Unfalls vorm Theater von New Haven sterben sieht. Als die Gruppe mit dem Stück am Broadway debütieren soll, erleidet Myrtle einen totalen Zusammenbruch. Trotzdem betritt sie am Premierenabend die Bühne...
Für sein wohl engagiertestes Projekt "Opening Night" trommelte Cassavetes alles an Geldern und Unterstützung zusammen, was er bekommen konnte und zerbrach dann beinahe an der ungeheuren Geduldsprobe, den Film nur nach sehr langer Zeit und unter permanenter Ungewissheit fertigstellen zu können. Später sagte er einmal, er könne mit "Opening Night" keine positiven Assoziationen mehr herstellen, der Film und seine Realisierung hätten ihn allzuviel Kraft gekostet. Dabei ist er - natürlich - ein bravouröses Stück geworden, in dem jedes Tröpfchen Herzblut sichtbar wird und das trotz seiner - von Cassavetes gewohnten - inszenatorischen Statik zutiefst bewegt und in entscheidenden Momenten eine fast unerträgliche Spannung provoziert. Wie so häufig bei diesem großen Filmemacher liegt die eigentliche Stärke der Erzählung in der Wertungsfreiheit des Ganzen; Cassavetes macht es seinen Zuschauern längst nicht so einfach, sein Figureninventar in sympathisch und unsympathisch aufzudividieren. Diese Myrtle Gordon, deren Charakter sich nach und nach mit ihrer Bühnpersona vermischt, ist zwar eine starke Frau, aber eben auch eine, die häufig kurz davor steht, vor inneren Schwächen zu kapitulieren und ihr Umfeld damit vor die bildlichen Tore der Nervenheilanstalt zu treiben. Das letzte Viertel des Films, in dem Myrtle, die ewige Stramplerin, vollkommen besoffen zu ihrer New Yorker Premiere erscheint, hat für mich beinahe Herzinfarkt-Niveau. Cassavetes hat diese Szenen einst umgeschnitten, weil er bei einer Testvorführung das Gefühl hatte, das Publikum habe sich dabei allzugut amüsiert. Er liebte es eben, zu vergrätzen und nicht nur auf Zugeständnisse zu verzichten, sondern sie gar ganz bewusst zu entziehen. So war er, großer Säufer, großer Zweifler.
9/10
John Cassavetes Independent Theater Alkohol