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DEUTSCHLAND IM HERBST (Volker Schlöndorff u.a./BRD 1978)



Deutschland im Herbst ~ BRD 1978
Directed By: Volker Schlöndorff/Rainer Werner Fassbinder/Alexander Kluge/Edgar Reitz/Alf Brustellin/Peter Schubert/Bernhard Sinkel/Hans-Peter Cloos/Katja Rupé/Beate Mainka-Jellinghaus/Maximiliane Mainka


Stuttgart, Oktober 1977: Während der von der RAF entführte und ermordete Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer ein Staatsbegräbnis mit allen Ehren erhält, an dem sämtliche namhaften Persönlichkeiten der Republik aus Politik und Wirtschaft teilnehmen, werden die in der JVA Stammheim nach einem Gruppensuizid verstorbenen RAF-Mitglieder Baader, Ensslin und Raspe in einem kargen Gemeinschaftsgrab beigesetzt, begleitet von rund zehntausend sogenannten "Sympathisanten" der linken Szene, die scharf von einem Großaufgebot der Polizei beäugt werden. Zwischendurch immer wieder bezeichnende Szenen der nationalen Befindlichkeit: Der Regisseur Fassbinder verfällt angesichts der Lage in tiefe Depression und Verzweiflung; eine "Antigone"-Verfilmung fürs Fernsehen darf wegen der Analogien zur Dreifach-Beerdigung der Stammheimer nicht ausgestrahlt werden; eine junge Frau (Katja Rupé) wird beim Grenzübergang von einem Polizeibeamten (Leon Rainer) des Terroristentums verdächtigt. Paranoia, Depression, Katerstimmung allerorten. Deutschland im Herbst.

Im Herbst 1977 fertigten elf deutsche Regisseurinnen und Regisseure unter Mithilfe prominenter Autoren wie Heinrich Böll diese Filmcollage an, um, der eigenen Revision zufolge, eine "Gegenöffentlichkeit" zu evozieren sowie in Verbindung damit einen sozialkulturellen Standpunkt gegen das sich durch die gesamte nationale Presse ziehende, gleichgeschaltete Einheitsdenken zu setzen. Als dramaturgische Klammer des Films fungieren die zwei großen Begräbnisse der Antagonisten jener Tage, das von Schleyer auf der einen Seite und das von Baader, Ensslin und Raspe auf der anderen. Schlöndorff war mit einigen Mitarbeitern nach Stuttgart gereist und hatte beide Trauerfeiern professionell auf 35mm gefilmt, was den Aufnahmen einen geradezu befremdlichen Spielfilm-Look spendiert. Dazwischen gibt es weitere dokumentarische Aufnahmen, einen Parteitag der SPD auf dem Max Frisch eine atemlose Rede hält und ein Interview, das Helmut Griem mit dem inhaftierten Anwalt und Ex-RAF-Mitglied Horst Mahler führt, das Ganze wiederum im steten Wechsel mit Spielszenen und fiktiven Einsprengseln, wobei nicht ganz geklärt ist, welches Authentizitätsmaß Fassbinders emotional quälende Episode aufbietet.
"Deutschland im Herbst" ist ein in dieser Form nach wie vor einzigartiges Kleinod filmischen Schaffens in der Bundesrepublik; ein formal einzigartiger und zudem immens wichtiger Film, der aufzeigt, wie demokratische Meinungsäußerung zum rechten Zeitpunkt zu nutzen ist ohne aufdringlich zu sein oder eine bevormundende Position einzunehmen. Er dokumentiert lediglich, zum Teil nahezu Unfassbares, und regt zum Nachdenken an. Viel mehr kann und muss Kunst nicht leisten.

9/10

Heisser Herbst Alexander Kluge Rainer Werner Fassbinder Collage Edgar Reitz RAF Volker Schloendorff Terrorismus Heinrich Böll



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Funxton

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