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MARNIE (Alfred Hitchcock/USA 1964)
von Funxton ·
08 August 2011
Kategorie:
Drama,
Kriminalfilm
Aufrufe: 1.093
"You Freud, me Jane? "
Marnie ~ USA 1964
Directed By: Alfred Hitchcock
Marnie Edgar (Tippi Hedren) ist eine krankhafte Kleptomanin, die sich immer wieder unter falschen Namen in mittelständische Firmen einschleicht, um dann deren Tresore leerzuräumen. Als sie sich bei der Firma Rutland vorstellt, erkennt sie der Juniorchef Mark (Sean Connery) von einer früheren Begegnung wieder und stellt sie ein - nur, um auf ihren nächsten Coup zu warten und sie dann damit erpressen zu können. Mark weiß nämlich längst um die pathologische Stehlsucht Marnies und ahnt, dass für ihr Zwangsverhalten ein tief verwurzeltes, schreckliches Erlebnis verantwortlich sein muss. Bestimmte Schlüsselreize - Gewitter und die Farbe Rot - lösen zudem bei Marnie heftige Panikattacken aus. Mark zwingt sie, ihn zu heiraten, um ihr auf diese Weise helfen zu können. Der Weg führt schließlich nach Baltimore, zu Marnies Mutter (Louise Latham).
Erneut beschäftigte sich Hitchcock mit der Psychoanalyse und brachte mit "Marnie" eine Art bastardisiertes Konglomerat aus "Spellbound" und "To Catch A Thief" auf die Leinwand. Die beiden Geschichten vermischen sich dergestalt, dass zum einen ein infolge eines Gewalterlebnisses seit der Kindheit tief verwurzelter Schuldkomplex auf seine Aufdeckung und Lösung wartet. Der Patient (hier: die Patientin) hat ebenjenes Schlüsselereignis bis ins Erwachsenenalter hinein erfolgreich verdrängt und gelernt, jede symbolische Erinnerung daran in eine zwanghafte Verhaltensweise abzuführen. Bei Marnie, die sozusagen bis zur Oberkante voller Komplexe steckt, ist die Anzahl an Schlüsselreizen dabei durchaus alles andere als gering - neben den äußeren Faktoren "Rot" und "Gewitter" kommt noch ein irrationaler Männerhass dazu, der umso größer wird, je mehr Marnie sich von einer Person des anderen Geschlechts erotisch angezogen fühlt: Sex bedeutet Schuld. Als weitere Sublimierungsstrategie macht sie dann regelmäßig Ausritte auf ihrem Hengst Forio - da hat Hitch vielleicht etwas dick aufgetragen. Doch ist Marnie nicht die einzige nachhaltig gestörte Person in diesem buchstäblichen Psychoreigen. Zum einen wäre da Mark Rutland, der, ausgestattet mit ultimativem Machismo und als starker maskuliner Gegenpart selbst eine delikate Perversion pflegt. Ihn reizen nämlich offenbar vornehmlich Damen, die psychisch stark angegriffen sind, da er 1.) wie im Falle Marnie eine immense Macht über sie ausüben, sie gewissermaßen 'brechen' kann und 2.) seine geheimen Hobbys Verhaltensforschung und Psychoanalyse sozusagen am lebenden, wenn auch unfreiwilligen Objekt erproben kann. Dass diesem Charakter Hitchcocks unverhohlene Sympathien zufliegen, verrät manches über die Geisteshaltung des alternden Filmemachers. Rutland erpresst, zwingt, nötigt, vergewaltigt. Mit Erfolg! Für die kesse, deutlich attraktivere Lil (Diane Baker) interessiert er sich nicht, der Tropf. Aber warum auch - ist sie doch selbstbewusst und erfrischend aneurotisch! Dann wäre da noch Marnies Mutter, die typische hitchcocksche Matriarchin. Oszillierend zwischen den wenig sympathischen Attributen dominant, kalt, herzlos, krank, verrückt, übermächtig ist sie letzten Endes ein universelles Monster, dessen Liebe sozusagen unerwerblich ist. Man erinnere sich an "Notorious", "Strangers On A Train", "To Catch A Thief", "North By Northwest", "Psycho" und "The Birds", die dieses negative Mutterbild allesamt, wenn auch teilweise ironisch verklärt (Jessie Royce Landis hat das in "To Catch A Thief" und "North By Northwest" jeweils sehr sympathisch besorgt), transportieren. Nun fällt Bernice Edgar kaum in die Kategorie "vorsätzlich böse"; dass sie für ihre verlorene Jugend jedoch ihre Tochter verantwortlich macht, die einst im besten Sinne 'kindgerecht' agierte, macht sie nicht eben liebenswert.
Als stünde ich im Museum vor einem monströsen Fresko und wäre völlig aufgeschmissen: Ich muss hier und jetzt das Geständnis machen, dass "Marnie" mir als einziger Hitchcock-Film nicht nur höchst unsympathisch ist, sondern dass ich ihn gewissermaßen sogar abstoßend finde. Die Gründe dafür liegen allerdings bei mir ganz persönlich und vermutlich irgendwo im verworrenen Höhlendunkel meiner eigenen seelischen Untiefen begraben. Ich verstehe jeden, der den Film als einen Höhepunkt des hitchcock'schen Œuvres erachtet, würde ich ihn eigentlich doch selbst gern mögen. Es mag daran liegen, dass das im Film gezeichnete Weltbild ein ganz furchtbar zynisches und hässliches ist, dem fürderhin fraglos ein gigantischer Lebensfrust zugrunde liegt. Es mag an der fahlen Kälte liegen, mit der sämtliche Figuren, mit Ausnahme der im Gesamtkontext als "bedeutungslos" denunzierten Diane Baker, sich durch die Szenerie schleppen, an der narrativ induzierten Starre. Ich weiß nicht recht. Dabei ist "Marnie" doch formal bestimmt nicht unschön; das total artifiziell wirkende matte painting von Marnies Mutterhaus im Baltimorer Hafenviertel hält sogar eines der ästhetisch ansprechendsten Bilder des gesamten Hitchcock-Werks bereit und der in sepia viragierte Rückblick am Schluss mitsamt Bruce Dern als perversem Matrosen und wieder verwendetem "Vertigo-Zoom" ist nicht minder toll gemacht. Dennoch muss ich mich jedesmal durch diesen Film quälen und zwängen wie durch ein Treibsandmeer und hinterher geht's mir dann regelmäßig richtiggehend mies. Dazu kam, dass ich gestern einen ziemlich üblen Kater hatte. Es wollte sich alles nicht recht fügen, wie meist in Bezug auf "Marnie". Eine Punktwertung werde ich mir infolge tiefer intrapsychischer Grabenkämpfe in diesem Falle ersparen.
Madness Psychiatrie Baltimore Philadelphia Alfred Hitchcock
Marnie ~ USA 1964
Directed By: Alfred Hitchcock
Marnie Edgar (Tippi Hedren) ist eine krankhafte Kleptomanin, die sich immer wieder unter falschen Namen in mittelständische Firmen einschleicht, um dann deren Tresore leerzuräumen. Als sie sich bei der Firma Rutland vorstellt, erkennt sie der Juniorchef Mark (Sean Connery) von einer früheren Begegnung wieder und stellt sie ein - nur, um auf ihren nächsten Coup zu warten und sie dann damit erpressen zu können. Mark weiß nämlich längst um die pathologische Stehlsucht Marnies und ahnt, dass für ihr Zwangsverhalten ein tief verwurzeltes, schreckliches Erlebnis verantwortlich sein muss. Bestimmte Schlüsselreize - Gewitter und die Farbe Rot - lösen zudem bei Marnie heftige Panikattacken aus. Mark zwingt sie, ihn zu heiraten, um ihr auf diese Weise helfen zu können. Der Weg führt schließlich nach Baltimore, zu Marnies Mutter (Louise Latham).
Erneut beschäftigte sich Hitchcock mit der Psychoanalyse und brachte mit "Marnie" eine Art bastardisiertes Konglomerat aus "Spellbound" und "To Catch A Thief" auf die Leinwand. Die beiden Geschichten vermischen sich dergestalt, dass zum einen ein infolge eines Gewalterlebnisses seit der Kindheit tief verwurzelter Schuldkomplex auf seine Aufdeckung und Lösung wartet. Der Patient (hier: die Patientin) hat ebenjenes Schlüsselereignis bis ins Erwachsenenalter hinein erfolgreich verdrängt und gelernt, jede symbolische Erinnerung daran in eine zwanghafte Verhaltensweise abzuführen. Bei Marnie, die sozusagen bis zur Oberkante voller Komplexe steckt, ist die Anzahl an Schlüsselreizen dabei durchaus alles andere als gering - neben den äußeren Faktoren "Rot" und "Gewitter" kommt noch ein irrationaler Männerhass dazu, der umso größer wird, je mehr Marnie sich von einer Person des anderen Geschlechts erotisch angezogen fühlt: Sex bedeutet Schuld. Als weitere Sublimierungsstrategie macht sie dann regelmäßig Ausritte auf ihrem Hengst Forio - da hat Hitch vielleicht etwas dick aufgetragen. Doch ist Marnie nicht die einzige nachhaltig gestörte Person in diesem buchstäblichen Psychoreigen. Zum einen wäre da Mark Rutland, der, ausgestattet mit ultimativem Machismo und als starker maskuliner Gegenpart selbst eine delikate Perversion pflegt. Ihn reizen nämlich offenbar vornehmlich Damen, die psychisch stark angegriffen sind, da er 1.) wie im Falle Marnie eine immense Macht über sie ausüben, sie gewissermaßen 'brechen' kann und 2.) seine geheimen Hobbys Verhaltensforschung und Psychoanalyse sozusagen am lebenden, wenn auch unfreiwilligen Objekt erproben kann. Dass diesem Charakter Hitchcocks unverhohlene Sympathien zufliegen, verrät manches über die Geisteshaltung des alternden Filmemachers. Rutland erpresst, zwingt, nötigt, vergewaltigt. Mit Erfolg! Für die kesse, deutlich attraktivere Lil (Diane Baker) interessiert er sich nicht, der Tropf. Aber warum auch - ist sie doch selbstbewusst und erfrischend aneurotisch! Dann wäre da noch Marnies Mutter, die typische hitchcocksche Matriarchin. Oszillierend zwischen den wenig sympathischen Attributen dominant, kalt, herzlos, krank, verrückt, übermächtig ist sie letzten Endes ein universelles Monster, dessen Liebe sozusagen unerwerblich ist. Man erinnere sich an "Notorious", "Strangers On A Train", "To Catch A Thief", "North By Northwest", "Psycho" und "The Birds", die dieses negative Mutterbild allesamt, wenn auch teilweise ironisch verklärt (Jessie Royce Landis hat das in "To Catch A Thief" und "North By Northwest" jeweils sehr sympathisch besorgt), transportieren. Nun fällt Bernice Edgar kaum in die Kategorie "vorsätzlich böse"; dass sie für ihre verlorene Jugend jedoch ihre Tochter verantwortlich macht, die einst im besten Sinne 'kindgerecht' agierte, macht sie nicht eben liebenswert.
Als stünde ich im Museum vor einem monströsen Fresko und wäre völlig aufgeschmissen: Ich muss hier und jetzt das Geständnis machen, dass "Marnie" mir als einziger Hitchcock-Film nicht nur höchst unsympathisch ist, sondern dass ich ihn gewissermaßen sogar abstoßend finde. Die Gründe dafür liegen allerdings bei mir ganz persönlich und vermutlich irgendwo im verworrenen Höhlendunkel meiner eigenen seelischen Untiefen begraben. Ich verstehe jeden, der den Film als einen Höhepunkt des hitchcock'schen Œuvres erachtet, würde ich ihn eigentlich doch selbst gern mögen. Es mag daran liegen, dass das im Film gezeichnete Weltbild ein ganz furchtbar zynisches und hässliches ist, dem fürderhin fraglos ein gigantischer Lebensfrust zugrunde liegt. Es mag an der fahlen Kälte liegen, mit der sämtliche Figuren, mit Ausnahme der im Gesamtkontext als "bedeutungslos" denunzierten Diane Baker, sich durch die Szenerie schleppen, an der narrativ induzierten Starre. Ich weiß nicht recht. Dabei ist "Marnie" doch formal bestimmt nicht unschön; das total artifiziell wirkende matte painting von Marnies Mutterhaus im Baltimorer Hafenviertel hält sogar eines der ästhetisch ansprechendsten Bilder des gesamten Hitchcock-Werks bereit und der in sepia viragierte Rückblick am Schluss mitsamt Bruce Dern als perversem Matrosen und wieder verwendetem "Vertigo-Zoom" ist nicht minder toll gemacht. Dennoch muss ich mich jedesmal durch diesen Film quälen und zwängen wie durch ein Treibsandmeer und hinterher geht's mir dann regelmäßig richtiggehend mies. Dazu kam, dass ich gestern einen ziemlich üblen Kater hatte. Es wollte sich alles nicht recht fügen, wie meist in Bezug auf "Marnie". Eine Punktwertung werde ich mir infolge tiefer intrapsychischer Grabenkämpfe in diesem Falle ersparen.
Madness Psychiatrie Baltimore Philadelphia Alfred Hitchcock