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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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TORN CURTAIN (Alfred Hitchcock/USA 1966)



"They didn't know about Lindt!"

Torn Curtain (Der zerrissene Vorhang) ~ USA 1966
Directed By: Alfred Hitchcock


Der Raketenforscher Professor Armstrong (Paul Newman) reist angeblich nach Skandinavien, um mit Zwischenstopp in Kopenhagen ein wissenschaftliches Symposium in Stockholm zu besuchen. Jedenfalls glaubt das seine Verlobte und Mitarbeiterin Sarah (Julie Andrews). Armstrong entpuppt sich jedoch als Überläufer, der künftig in der DDR für den Ostblock arbeiten will. Doch ist auch dies wiederum nichts als Flunkerei: Tatsächlich lässt sich der Professor als Amateurspion, der eine geheime Formel von einem seiner führenden ostdeutschen Konkurrenten in Erfahrung bringen und in den Westen schmuggeln soll, einsetzen. Die Erleichterung bei Sarah über diese Eröffnug ist groß, die Fluchtschwierigkeiten zurück hinter den Eisernen Vorhang jedoch sind noch umso größer.

Die Luft ist raus, vorläufig zumindest. Unter Verzicht auf drei so bewährte wie treibende Kräfte seines bisherigen Mitarbeiterstabs, nämlich dp Robert Burke und Cutter George Tomasini, die beide kurz hintereinander verstaben, sowie den Komponisten Bernard Herrmann macht sich auch bei Hitch eine akute kreative Nachlässigkeit breit. Nach dem bewusst unter vokabulären Auslassungen stehenden und ironischen "North By Northwest" knöpfte der Meister sich hier erneut das Thema "Kalter Krieg" vor und schubst uns zusammen mit einem tückischen, fast ausschließlich physisch vorhandenen Paul Newman und der nicht minder deplatzierten Trällerdohle Julie Andrews (mit der wir als Suspense-Agentin fast durchweg auf informativer Augenhöhe stehen) in eine halbseidene, und, am schlimmsten, völlig uninteressante Agentengeschichte. Genau wie "North By Northwest" wagt "Torn Curtain" einen Brückenschlag zurück zu Hitchcocks englischer Periode, die ja noch mit Spionage und mysteriösen Formeln angefüllt war, schafft es im Gegensatz zu ersterem jedoch nicht, daraus ein Kunstwerk zu machen, dass auch abseits jedweder Storykonvention schlichtweg hinreißend zu sein vermag. "Torn Curtain" hingegen mutet an wie eine graue Maus im von geschmeidigen Großkatzen regierten Werk des Meisters, in die lediglich die Nebencharaktere Farbe bringen: Wolfgang Kieling als permanent kaugummikauender Stasi-Spitzel mitsamt bitterböser Sterbeszene, dessen Herz insgeheim für Amerika schlägt und der eigentlich liebend gern wieder zurück in seine New Yorker Bude, "Ecke Eighty-Eighth und Eighth", zöge, Ludwig Donath als spinnerter, egomanischer Ost-Wissenschaftler (eine recht liebevolle Reminiszenz an Michael Chekhov in "Spellbound") und vor allem Lila Kedrova als polnische Gräfin, der Hitch (möglicherweise unbewusst) die schönsten und bewegendsten Augenblicke seines Films schenkt. Ohne diese Figuren wäre "Torn Curtain" allerhöchstens eine lahme Fußnote, so bleibt er immerhin lebendiger Zeuge eines späten Scheiterns, einer Demonstration traurigen, aber wahren Anachronismus'. Wenn man sich so lang und intensiv wie ich jetzt mit Hitchcock beschäftigt, tut man gut daran, sich vor Augen zu halten, dass mit Ausnahme des letzten Aufbäumens "Frenzy" nach Hunderten glamouröser und bezaubernder Momente am Ende die schweren Balken des Niedergangs harren. Immerhin habe ich zwei davon schonmal hinter mir.

6/10

Leipzig DDR Kalter Krieg Alfred Hitchcock Dänemark Spionage



Das ist, glaube ich, der Hitchcock-Film, der mir am wenigsten präsent ist. Die obige Inhaltsangabe frischt mein Gedächtnis auch nur sehr bedingt auf.

An die anderen der von mir gesehenen Werke des Meisters kann ich mich noch recht gut erinnern. Aber von "Torn Curtain" war ich nach der Filmbetrachtung so sehr enttäuscht dass nicht viel von diesem Film bei mir hängen geblieben ist.
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"Torn Curtain" ist das zweit schwächste Werk (ab 1934) von Hitchcock. Sein schwächster Film ist eindeutig "Topas", den du dir als nächstes ansiehst. Während man "Torn Curtain" als mißlungen und unfreiwillig komisch abtun kann, (die Note 6/10 kann ich nur mit der Ehrfurcht vor dem "Master of Suspense" erklären, für mich 4/10 Punkte), ist "Topas" einfach nur dumm und nervig (für mich 2,5/10 Punkte). (und "Marnie" ist kein Thriller, wie immer wieder in den Medien behauptet wird, sondern ein langweiliges Drama: 4,5/10 Punkte von mir)

"Frenzy" ist wieder ein kleines Meisterwerk und "Familiengrab" hat zumindest viele liebenswerte Momente.

Mich hätte es sehr gefreut, wenn du deine Entscheidung überdenken würdest und doch 2-3 vor "THE MAN WHO KNEW TOO MUCH" entstandene (Stumm-)Filme von Hitchkock in deiner Werkschau aufnehmen könntest.
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Nun, ich werden mittel- bis langfristig sicher noch ein paar ältere Filme nachholen - jetzt bin ich erstmal erleichtert, mit Hitch durchzusein.
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Deinen letzten Halbsatz verstehe ich nicht ganz. Hört sich fast so an, als ob die Filmsichtungen einem Zwang gleichkommen würden. Kann ich mir bei Dir eigentlich überhaupt nicht vorstellen. :unsure:
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Entschuldige, da habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt. Es war aber durchaus ein ehrgeiziges Projekt, die insgesamt 37 Filme innerhalb von gut zwei Wochen durchzuschauen. Parallel dazu habe ich vier Bücher (Truffaut, Spoto, Fründt & das von Bertz + Fischer) gelesen und habe mir geraume Mühe gemacht, mich nicht nur seinem filmischen Werk, sondern auch dem Mythos und Menschen Hitchcock biographisch und leicht interpretatorisch, v/o wissenschaftlich zu nähern. Etwas Vergleichbares habe ich bisher in solch einer zeitlichen und qualitativen Intensität und Konzentration noch nicht gemacht.
Polanski, Kubrick und selbst Scorsese, die ich mir seit dem Start meines (alten) FTB ebenfalls jeweils mal gesammelt gegeben habe, sind da um einiges einfacher zu greifen; sei es schlicht des geringeren Umfangs oder auch der umfassenderen thematischen und motivischen Ausdifferenzieung ihres jeweiligen Werks wegen. Filme wie "Rear Window" oder "North By Northwest" völlig losgelöst und aus Entspannungsgründen zu betrachten, ist, diese Erfahrung schätze ich im Nachhinein vielleicht am Meisten, etwas ganz Anderes als sie sich im kontextuellen Bett ihrer gesammelten "Nachbarn" anzuschauen; die Filme wirken dann plötzlich weit weniger leicht und freundlich als man sie in Erinnerung hat und vor allem sehr viel obsessiver. Und ja, zum Schluss wurde es wirklich etwas anstrengend und ein Abschluss mit weniger Schrecken, s. "The Birds" bzw. "Frenzy" (mit integrierter Zeitmaschine) hätte vielleicht einen etwas entspannteren Funxton zurückgelassen.
Jetzt freue ich mich schon sehr auf anderes, losgelösteres Zeug, zum Beispiel "Just Go With It" :D
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Ach so, danke für die Erklärung. Bewundere da Dein Durchhaltevermögen und Deinen Ehrgeiz. Ich nehme mir ja auch oft mal vor, Filmreihen am Stück anzuschauen oder Werkschauen einzelner Regisseure zu machen; im Endeffekt bleibt es dann aber immer nur beim guten Vorsatz. Schaue dann halt doch immer nur nach Lust und Laune und eher gemäß dem Chaosprinzip.

Und auf Deinen Text zu "Just Go With It" bin ich schon sehr gespannt. :D
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Ich sehe das genau andersrum, Keitel: "Topas" ist für mich der zweitschlechteste Hitchcock, nicht "Torn Curtain". Immerhin hat "Topas" einige wirklich prägnante Momente, die sich unwiderruflich in mein Gedächtnis eingebrannt haben (Juanitas Ableben zum Beispiel). Von "Torn Curtain" kann ich das nicht behaupten.

Gut, es ist vielleicht müßig darüber zu diskutieren, welcher der beiden Filmen schlechter sei. Toll sind sie ja beide nicht, also belasse ich es dabei.
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Sehe den auch eher schwächer...

Trotz toller Besetzung (z. B. Günther Strack, Paul Newman, Julie Andrews, Wolfang Kieling (Didi u. die Rache der Enterbten) ein eher leidlich spannender Spionagethriller, dem der ganz große Dreh irgendwie fehlt

6,5 von 10Punkten
hatte ich damals noch gegeben.

@Keitel:
Frenzy und Familiengrab haben mir auch recht gut gefallen.
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Funxton

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