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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





Foto

SERGEANT RUTLEDGE (John Ford/USA 1960)



"Lady, you don't know how hard I'm trying to stay alive."

Sergeant Rutledge (Der schwarze Sergeant) ~ USA 1960
Directed By: John Ford

Der farbige Kavallerie-Sergeant Brax Rutledge (Woody Strode) vom berühmten 9. Kavallerie-Regiment, einer der "Buffalo-Soldier"-Abteilungen, steht vor Gericht. Er wird angeklagt, seinen Vorgesetzten ermordet und dessen Tochter (Toby Michaels) brutal vergewaltigt und ermordet zu haben. Durch einen Fluchtversuch hat Rutledge sich noch zusätzlich verdächtig gemacht. Doch Rutledges Freund und Lieutenant Cantrell (Jeffrey Hunter) glaubt, die Wahrheit zu kennen. Er steht zu ihm und verteidigt ihn vor Gericht gegen den rassistischen Ankläger (Carleton Young) und gegen den zu einem Schauprozess zu verkommen drohenden Verhandlungsablauf.

1960 war das antirassistische, liberale Gedankengut nicht nur in Hollywood, sondern gar im ureigenen amerikanischen Filmgenre des Western angekommen und dessen Großmeister bemächtigte sich des Themas, um ein weiteres formvollendetes Spätwerk zu schaffen. Woody Strode, der soeben im Begriff war, zum wahrscheinlich ersten dunkelhäutigen Genrestar Hollywoods aufzusteigen, setzte sich mit dem Porträt des Sergeant Rutledge selbst ein ewiges Denkmal. Strodes würdevolles, fast hochherrschaftliches Antlitz erweist sich als geradezu geschaffen dafür, die Bürde und den Stolz von Generationen von Geknechteten in sich widerzuspiegeln und einen faktisch aussichtslosen Kampf um "weiße" Gerechtigkeit zu führen. Ford macht Leid und Unterdrückung der ersten farbigen Soldaten regelrecht erfahrbar: Kaum der Sklaverei entkommen, galt es nach jedem Strohhalm es zu greifen und trotzdem einen zuverlässigen Job zu tun. Dass ein perfekter Kommisskopf wie Sergeant Rutledge dafür auch noch bestraft werden soll, ist selbst in der wohlfeil geordneten Welt eines alten Filmpiraten wie John Ford unverzeihlich. Insofern glaubt man ihm, der in "Sergeant Rutledge" dennoch mit Rassismen nicht spart (Zielobjekte andersfarbiger Aggression sind dafür die Indianer, denen Ford ja fast immer mit einigem Misstrauen zu begegnen pflegte). Diese durchaus kritikwürdige Ambivalenz ändert jedoch nichts daran, dass "Sergeant Rutledge" einer von Fords schönsten Filmen ist, dem bis heute leider nicht die Aufmerksamkeit zuteil wurde, die ihm eigentlich gebührte.

9/10

John Ford Courtroom Kavallerie Militär Rassismus



"Dass ein perfekter Kommisskopf wie Sergeant Rutledge dafür auch noch bestraft werden soll, ist selbst in der wohglfeil geordneten Welt eines alten Filmpiraten wie John Ford unverzeihlich."

Jede Form von Ungerechtigkeit wird doch bei Ford permanent ausgeglichen. Sein Symmetrieprinzip verbietet ja geradezu ein Ungleichgewicht.

"Insofern glaubt man ihm, der in "Sergeant Rutledge" dennoch mit Rassismen nicht spart (Zielobjekte andersfarbiger Aggression sind dafür die Indianer, denen Ford ja fast immer mit einigem Misstrauen zu begegnen pflegte)."

Diese oft in Kritiken behauptete Negativ-Darstellung der Indianer ist die schlimmste Chimäre, die man Ford nur antun konnte. Er nutzt die Indianer oft als Antagonist, aber nie, auch nicht einmal, um sie zu desavouieren. In DAS EISERNE PFERD nutzt Ford beim Angriff der Indianer auf die Eisenbahn einen Empathy-Shot im Griffith-Stil, jedoch nicht für unsere Helden, sondern für einen der angreifenden Indianer. Als dieser vom Pferd geschossen wurde, gibt es einen Close-Up und sein Hund läuft zu ihm und betrauert ihn. Auch macht Ford deutlich, ähnlich wie in TROMMELN AM MOHAWK, dass die indianische Aggression durch das Aufhetzen anderer Weißer verursacht wird, die ihre weißen Konkurrenten aus dem Wege schlagen wollen und dafür die Indianer "benutzen". Der in DAS EISERNE PFERD gesuchte Indianer, der Weiße killt, ist tatsächlich selbst Weißer. Als in DER TEUFELSHAUPTMANN die Indianer ihre weißen Zulieferer von Schnaps und Alkohol töten, zeigt Ford Reaction-Shots von Wayne, die ihn gänzlich desinteressiert zeigen und der auch keinerlei Rachebedürfnis hat. Eher äußert er sich negativ über die weißen Händler, die es gar nicht anders verdient hätten, wenn sie die eigentlich ruhigen Indianer aufgrund von Geschäftemacherei mit Alkohol und Gewehren aufhetzen. "Schlechten Gewehren" auch noch, wie Wayne sich in BIS ZUM LETZTEN MANN äußert, wo Indianer zum ersten Mal in der Filmgeschichte einen Sieg gegen die Weißen erringen, der als absolut berechtigt gezeigt wird.

Fords Bildsprache differenziert viel von dem, was ihm fälschlicherweise vorgeworfen wird. Ich gehörte früher auch zu den Leuten, die ihm Indianerhass vorgeworfen haben, aber Ford hat über Jahre hinweg mit den Indianer gelebt. Die Navajo haben ihm einen Indianernamen gegeben, Jahrzehnte bevor die kleinen weißen Vorstadtkids in den 60er Jahren in die Reservate gelaufen kamen. Er hat sich als einziger dafür eingesetzt, dass die vielen echten Indianer seiner Filme genauso bezahlt wurden wie weiße Darsteller (das war ein Kampf mit den Produzenten und gegen deren Rassismus) und er hat ganze Stämme durchgebracht und Reservate unterstützt (er brach mal die Dreharbeiten ab, weil eine indianische Frau schwanger war und schickte noch 1000-Dollar Geburtstagsgeld). Ford kannte sich mit der Lebensart von Indianern aus, bevor diese auch nur in einem amerikanischen Geschichtsbuch beschrieben wurde und nicht wenige Indianer, die Ford ehrfurchtsvolll den "Großen Weißen Krieger" nannten, glaubten, er wäre wohl selbst gerne einer gewesen.
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Erstmal vielen Dank für deine ergänzenden Ausführungen :cheers:

Der Außenseiter sagte am 14. Januar 2012, 13:33:

"Dass ein perfekter Kommisskopf wie Sergeant Rutledge dafür auch noch bestraft werden soll, ist selbst in der wohlfeil geordneten Welt eines alten Filmpiraten wie John Ford unverzeihlich."Jede Form von Ungerechtigkeit wird doch bei Ford permanent ausgeglichen. Sein Symmetrieprinzip verbietet ja geradezu ein Ungleichgewicht.
Absolut. Genau das meinte ich :)

Der Außenseiter sagte am 14. Januar 2012, 13:33:

"Insofern glaubt man ihm, der in "Sergeant Rutledge" dennoch mit Rassismen nicht spart (Zielobjekte andersfarbiger Aggression sind dafür die Indianer, denen Ford ja fast immer mit einigem Misstrauen zu begegnen pflegte)." Diese oft in Kritiken behauptete Negativ-Darstellung der Indianer ist die schlimmste Chimäre, die man Ford nur antun konnte. Er nutzt die Indianer oft als Antagonist, aber nie, auch nicht einmal, um sie zu desavouieren. In DAS EISERNE PFERD nutzt Ford beim Angriff der Indianer auf die Eisenbahn einen Empathy-Shot im Griffith-Stil, jedoch nicht für unsere Helden, sondern für einen der angreifenden Indianer. Als dieser vom Pferd geschossen wurde, gibt es einen Close-Up und sein Hund läuft zu ihm und betrauert ihn. Auch macht Ford deutlich, ähnlich wie in TROMMELN AM MOHAWK, dass die indianische Aggression durch das Aufhetzen anderer Weißer verursacht wird, die ihre weißen Konkurrenten aus dem Wege schlagen wollen und dafür die Indianer "benutzen". Der in DAS EISERNE PFERD gesuchte Indianer, der Weiße killt, ist tatsächlich selbst Weißer. Als in DER TEUFELSHAUPTMANN die Indianer ihre weißen Zulieferer von Schnaps und Alkohol töten, zeigt Ford Reaction-Shots von Wayne, die ihn gänzlich desinteressiert zeigen und der auch keinerlei Rachebedürfnis hat. Eher äußert er sich negativ über die weißen Händler, die es gar nicht anders verdient hätten, wenn sie die eigentlich ruhigen Indianer aufgrund von Geschäftemacherei mit Alkohol und Gewehren aufhetzen. "Schlechten Gewehren" auch noch, wie Wayne sich in BIS ZUM LETZTEN MANN äußert, wo Indianer zum ersten Mal in der Filmgeschichte einen Sieg gegen die Weißen erringen, der als absolut berechtigt gezeigt wird.Fords Bildsprache differenziert viel von dem, was ihm fälschlicherweise vorgeworfen wird. Ich gehörte früher auch zu den Leuten, die ihm Indianerhass vorgeworfen haben, aber Ford hat über Jahre hinweg mit den Indianer gelebt. Die Navajo haben ihm einen Indianernamen gegeben, Jahrzehnte bevor die kleinen weißen Vorstadtkids in den 60er Jahren in die Reservate gelaufen kamen. Er hat sich als einziger dafür eingesetzt, dass die vielen echten Indianer seiner Filme genauso bezahlt wurden wie weiße Darsteller (das war ein Kampf mit den Produzenten und gegen deren Rassismus) und er hat ganze Stämme durchgebracht und Reservate unterstützt (er brach mal die Dreharbeiten ab, weil eine indianische Frau schwanger war und schickte noch 1000-Dollar Geburtstagsgeld). Ford kannte sich mit der Lebensart von Indianern aus, bevor diese auch nur in einem amerikanischen Geschichtsbuch beschrieben wurde und nicht wenige Indianer, die Ford ehrfurchtsvolll den "Großen Weißen Krieger" nannten, glaubten, er wäre wohl selbst gerne einer gewesen.

Ich habe mich da in der Tat etwas polarisierend ausgedrückt. Dennoch mag ich nicht glauben, dass "die Sache mit Ford und den Indianern" einen dermaßen diametralen Hintergrund aufweist. Er selbst hat ja eingeräumt, sie im Gros seines Werkes einer eher unzureichenden Stellung zugeordnet zu haben. In den meisten früheren seiner Filme waren sie eine gesichtslose Naturgewalt, die für die frontiermen eine ebensolch leidenschaftliche Herausforderung darstellte, wie Wind, Wetter und Durst. Dass sie in "Fort Apache" gewinnen, ist, abgeleitet von der Form des Films, eindeutig nicht an Sympathien ihnen gegenüber festzumachen, sondern an der störrischen Arroganz des von Henry Fonda gespielten Custer-Verschnitts Thursday. Die Niederlage am Ende ist seiner Unfähigkeit zuzuschreiben. Das von dir o.a. Beispiel "She Wore A Yellow Ribbon" demonstriert Ähnliches, von "Stagecoach" und "Two Rode Together" gar nicht zu reden.
Fords Filme sind natürlich nicht die rassistischen, indianerfeindlichen Machwerke als die seine Kritiker sie gern hinzustellen pflegten; er hat seine 'injuns' mit Ausnahme von "Cheyenne Autumn", den er ja als große, späte Apologie verstanden wissen wollte (und die nebenbei - was mich überhaupt nicht stört - diverse historische Ungenauigkeiten aufweist), aber auch nie hofiert oder ihnen das filmisch revolutionäre Verständnis eines Delmer Daves oder Anthony Mann entgegengebracht. Hinzu kamen noch zahlreiche stammesspezifische Sympathien und Antipathien. Besonders interessant ist die Rolle der Indianer in "The Searchers", der zum einen Fords großen, in maskulinen Bildern wurzelnden Respekt vor den Comanchen belegt, sie aber einerseits als zivilisationsfeindliche Bestien sowie als eine Art Manifestation von Ethan Edwards' dunkler Seite darstellt, denen man lediglich in ihrer eigenen, aggressiven Art der "Kommunikation" begegnen kann. Möglich, dass dieses Verständnis der nativen Kultur durchaus empathischer und berechtigter war, als viele Liberale es Ford zugestanden hätten, das macht ihn, wenn schon zum "großen weißen Krieger", so doch noch lange nicht zum "großen weißen Indianerfreund".
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"jedoch noch lange nicht zum "großen weißen Indianerfreund"."

Ja, das ist absolut richtig. Meine Darstellung sollte auch eher differenzieren, als diametralisieren. In Ford zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit eines Landes, das mit seinen eigenen Idealen nicht klar kommt. Ford war ja irre belesen und ein Ultra-Intellektueller (hier tatsächlich völlig im Gegensatz zu dem Bild, das er in die Öffentlichkeit gestellt hat, eine seiner Darstellerinnen schwört ja Stein und Bein, dass er es, neben seinen vielen Weibergeschichten, auch mit Männern hatte) und er war verfolgt, Lee Marvin hat das mal so schön ausgedrückt, von all den Dämonen eines irischen Migrantenkindes. "Verfolgt von all den Dämonen eines Irish-Man." Ford hatte wie kaum ein zweiter einen Blick für das Andere, aber seine Symmetrie wäre nicht mehr so perfekt gewesen, wenn er in manchen Darstellungen nicht entsprechend naiv vorgegangen wäre, was ihm auch weitgehend klar war (Delmer Daves hat mit seiner psychologischen Figurenzeichnung sowieso einen gänzlich anderen Ansatz). Er hat es ja gehasst, wenn man ihn mit seinem Bruder Francis verglich (der schon lange vorher in Hollywood erfolgreich war und bis 1912 schon 200 Filme gedreht hatte), aber der hat die ganze Widersprüchlichkeit seines Bruders mal in einer tollen Anekdote zusammengefasst. Vielleicht kennst Du sie, über den alten Mann, der in der Great Depression Ford in einer Studiokantine um Geld bat, Ford ihn vor allen Leuten nierderschlug, beschimpfte und ihn anschließend im Geheimen bis an dessen Lebensende unterstützte. Er sühnte den Schlag, den er dem Alten (der mal einer seiner Darsteller war) verpasste, der ihn in der Öffentlichkeit als harten Hund zeigen sollte, aber er, wie Francis sagte, im Inneren weich wie Butter war. John hatte lebenslang Angst, man könne erfahren, wie weich tatsächlich.
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Ja, diese schöne Geschichte mit dem Schnorrer habe ich auch mal wo gelesen.
At last: Ford wäre kein Künstler und Beobachter solch hohen Ranges, schlummerten in ihm nicht zahlreiche Tiefen und Untiefen, die seine Arbeit derart empathisch und nuanciert wirken lassen.
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Deine Darstellung zu den Ereignissen in BIS ZUM LETZTEN MANN teile ich übrigens nicht, aber das möchte ich jetzt nicht ausdiskutieren. :)
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Okay :)
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