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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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TIGER BAY (J. Lee Thompson/UK 1959)



"I wouldn't have you for a friend, Gillie."

Tiger Bay ~ UK 1959
Directed By: J. Lee Thompson

Der polnischstämmige Matrose Korchinsky (Horst Buchholz) mustert in Cardiff ab, um seine Geliebte Anya (Yvonne Mitchell) zu besuchen. Diese hat sich jedoch in seiner Abwesenheit mit einem Sportkommentator (Anthony Dawson) vergnügt und lässt auf ihren verdutzten Verflossenen nun ein gerüttelt Maß an verachtendem Vokabular herniederprasseln. Wutentbrannt erschießt Korchinsky das üble Frauenzimmer - und wird dabei beobachtet von der elfjährigen Gillie (Hayley Mills), die im selben Haus wohnt. Korchinsky hat Angst vor der Denunziation durch die unfreiwillige, kleine Zeugin, bringt es jedoch ebensowenig fertig, auch sie zu töten. Eine merkwürdige, aber umso tiefere Freundschaft bahnt sich stattdessen an zwischen dem Outlaw und dem rotzigen kleinen Mädchen. Superintendent Graham (John Mills) merkt indes sofort, dass die mehrfach von ihm befragte Gillie ihm tüchtig was vorlügt.

J. Lee Thompson ist ja einer dieser Regisseure, die sich mit zunehmendem Alter und parallel zunehmender Arriviertheit als kaum mehr interessiert an ihrer Arbeit zeigten und zumindest augenscheinlich nur noch Filme drehten um die Butter aufs Brot zu bekommen. Nach seinen Anfängen in Großbritannien, die unter anderem dieses prächtige kleine Werk über eine ungewöhnliche Freundschaft hervorbrachten, begann Thompson, großes, campiges Studiokino zu fertigen, das, anfänglich noch von einer gewissen Selbstironie getragen, immer beliebiger wurde, bis er dann noch kurz vor der Rente bei der Cannon strandete und zu einem von deren Hausregisseuren und Aushängeschildern avancierte. "Tiger Bay" markiert jedoch noch eine ganz andere Hausnummer: Existenzialistisch gefärbtes, britisches New-Wave-Kino findet man bei diesem vor, das einen geschulten Blick in die multikulturellen Hafenviertel und Slums von Cardiff riskiert und, ganz unschuldig und absolut seriös, zwei Verlorene zusammenführt, die einander in ihrem Weltschmerz verdienen. Den Polen Korchinsky, nicht weit vom Analphabeten entfernt, hält es nirgendwo jenseits der See, weil er dort sofort in Stillstand und Depression verfällt, die kleine Gillie, wahrscheinlich ein Waisenkind, schlägt sich mit allerlei Streichen und Dummheiten durchs Leben und hat dabei die ätherische Unschuld eines Engels. Herz und Sympathie können die beiden sich im Überfluss schenken und sind doch nicht gefeit vor irdischer (und überirdischer) Rechtssprechung. Immerhin hat ihre Freundschaft nach dem als echten Nägelkauer in Szene gesetzten Showdown trotz allem noch eine Chance.

9/10

J. Lee Thompson Wales Cardiff Freundschaft Schuld & Sühne



Filmtagebuch von...

Funxton

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