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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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CROOKLYN (Spike Lee/USA 1994)



"I ain't in this. Leave me out of this."

Crooklyn ~ USA 1994
Directed By: Spike Lee

Die neunjährige Troy Carmichael (Zelda Harris) erlebt in den siebziger Jahren einen turbulenten Sommer in ihrer Brooklyner Nachbarschaft: Gegen ihre vier Brüder (Carlton Williams, Sharif Rashed, Tse-Mach Washington, Christopher Knowings), drei davon älter als sie, behauptet sie sich, so gut es eben geht, die Mädels aus der Gegend stiften sie zu allerlei Blödsinn an und ihre Eltern (Delroy Lindo, Alfre Woodward) durchleben eine schwere Krise, die vor allem auf die kompromisslos-bohemische Lebenseinstellung ihres Dads zurückzuführen ist. Die letzten Wochen des Sommers muss Troy, obwohl sie überhaupt keine Lust dazu hat, bei ihrem Onkel Clem (Norman Matlock) und ihrer angeheirateten Tante Song (Frances Foster) in Georgia verbringen. Als sie zurückkommt, liegt ihre an Krebs erkrankte Mutter bereits im Sterben. Der Sommer endet für Troy, nunmehr zehn Jahre alt, mit ihr als einziger Frau in der Familie.

Einer der schönsten Coming-of-Age-Filme, die ich kenne, sozusagen das New-Yorker-Seventies-Äquivalent zu Harper Lees "To Kill A Mockingbird". Von Spike Lee und seinen zwei Geschwistern Cinqué und Joie gescriptet, ist "Crooklyn" die stark autobiographisch gefärbte Story einer Kindheit in Brooklyn, gleichermaßen lebensnah und warmherzig, so lustig wie traurig, gleichsam behütet und geprägt von den sich in Form mieser Gluesniffer und Kleinkriminalität ihren Weg in die kindliche Wahrnehmung erschleichen Abgründen des Lebens. Eine Liebeserklärung auch an die Turbulenzen innerhalb der Familie und das entsprechende Krisenmanagement, dazu erste Begegnungen mit und Behauptung gegenüber der Fremde und schließlich die Konfrontation mit dem Unausweichlichen. Dabei berichtet "Crooklyn" seine Geschichte aus der Sicht der kleinen Troy, die, von den Kids aus der Nachbarschaft scherzhaft 'Troy The Boy' genannt, schon früh das Weinen verlernt. Anders als ihre manches kindische Jammertal durchschreitenden Brüder neigt Troy dazu, ihren Ärger wahlweise herunterzuschlucken oder via ungefilterter Aggression nach außen zu transportieren. Das macht sie stark und hart, aber auch bedauernswert unfähig, ihre Trauer auszuleben. Ihren Aufenthalt bei den leicht durchschossenen Verwandten im Süden, bei der geradezu reizend beknackten Tante Song und ihrer zwar älteren, aber zugleich deutlich angepassteren Cousine Viola (Patriece Nelson) empfindet Troy als nachhaltig verquer. Lee pronociert diese Wahrnehmung formal durch die Nichtentzerrung eines anamorphotisch aufgenommenen Bildes, was zur Folge hat, dass das Bild zur Mitte hin extrem gestaucht wird und diverse Kinogänger, Vorführer und Videonutzer dachten, ihre Kopie wäre im Eimer. Die Kritik reagierte auf diesen unangekündigte stilistische Zäsur unverständig bis ablehnend - nicht ganz zu Unrecht vermutlich. Aber Experimentierfreude jedweder Kuleur soll man ja grundsätzlich gelten lassen. Am Ende findet Troy dann, zurück in Brooklyn und im regulierten Bildformat, ihre neue Rolle als Kraftkleber für die krisenanfällige Familie Carmichael. Offenbar war Lees Schwester Joie, die als Troys Tante auch einen kleinen Nebenpart ausfüllt, die treibende narrative Kraft hinter "Crooklyn". Sie erhält eine geradezu bezaubernde Entsprechung in der zum Drehzeitpunkt tatsächlich erst acht Jahre alten, eine geradezu vortreffliche Kinderdarstellung gebenden Zelda Harris. Dazu eine perfekt kompilierte Songauswahl und fertig ist ein - wenn auch künstlerisch nicht stets zur Gänze ausbalancierter - Prachtfilm.

10/10

Spike Lee New York Jazz Kinder Familie Ehe Ensemblefilm Sommer Krebs period piece Coming of Age



Filmtagebuch von...

Funxton

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