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THE BIG EDEN (Peter Dörfler/D 2011)
von Funxton ·
08 August 2012
Kategorie:
Dokumentation
Aufrufe: 1.461
"Was'n an 'Ständer' obszön? Is doch was ganz Natürliches."
The Big Eden ~ D 2011
Directed By: Peter Dörfler
Leider sind mir die ersten beiden Teile von Peter Dörflers Doku-Trilogie über "selbstdarstellerische Männerfiguren" nicht bekannt und überhaupt bin ich nur wegen seines schillernden "Untersuchungsobjekts" auf diesen Film gestoßen. Der ist aber ganz famos, so dass ich "Der Panzerknacker" und "Achterbahn" jetzt auch saugern sehen würde. Dörfler pflegt nicht den ganz üblichen Ansatz für einen Personendoku. Seine Interviewpartner lässt er, jeweils bildausfüllend und frontal direkt ins Objektiv und somit im Prinzip mit dem Zuschauer parlieren, was schonmal recht ungewöhnlich anmutet. Dazu gibt es als wundervoll arrangierte Unterstützung private und öffentlich zugängliche Fotografien Edens, die als eine Art tableaux vivants miteinander verwoben werden und wie eine ineinander fließende Diaschau gestaltet sind. Shimon "Rolf" Eden selbst wird zumeist vor schneeweißem Hintergrund von Freunden oder Familienmitgliedern befragt. Der Mann selbst bleibt aber auch nach diesem Filmgenuss genau das humane Enigma, das er schon seit vielen Jahrzehnten repräsentiert. 1930 geboren, mit drei Jahren und Familie nach Palästina emigriert, später früh (und erstmals) verheiratet, aktiv im israelischen Befreiungskrieg, danach Rückkehr nach Europa und über Paris nach Berlin, wo er diverse legendäre Clubs und Discos besaß, die besonders in den Siebzigern und Achtzigern zu Brennpunkten des Berliner Nachtlebens avancierten. Wer in und in Berlin war, musste in einem von Edens Schuppen verkehren. Heute ist der Mann ein nach wie vor eitler, misogyner Geck von 82 Jahren, der freien Liebe zugetan, lässt sich unregelmäßig liften, hat eine Ehefrau namens Brigitte um die 30 und sieben Kinder im Alter zwischen 14 und 63 Jahren von sieben verschiedenen Frauen. Er gilt als 'peinlichster Einwohner Berlins', ist gern als politisch unkorrekter Gast in Talkshows oder Boulevardzeitungen zugegen, wo er über Themen wie "Sex im Alter" schwadroniert, die Prostitution als einen erstrebenswerten weiblichen Berufsstand bezeichnet oder auch ganz einfach Wahrheiten absondert wie die, dass Geld geil mache. Den Beweis dafür hat er seit Dekaden angetreten. Eden ist kein besonders schöner Mann, er ist schmalschultrig mit dünnen Gliedmaßen, hat Glubschaugen und einen altersbedingten Schmerbauch. Es ist sein Narzissmus, der die Damen anlockt, und sein Portemonnaie. Dörfler ist, anders als den Talkmastern, die Eden einzuladen pflegen, nicht an der Denunziation oder einer Nabelschau des Lustgreises gelegen. Stattdessen hinterfragt er den Menschen und flechtet immer wieder Momente ein, die Eden als das zeigen, was er tatsächlich und eigentlich ist: Als einen alten Herrn von beneidenswerter Lebenserfahrung, der im Laufe seiner stolzen Linie irrsinnige biographische Purzelbäume vollzogen hat. Wenn er in Haifa mit Menahem Golan und zwei weiteren Männern seines Alters im Café sitzt und alte Anekdoten hervorkramt, dann wird sein Blick wehmütig. Er passt sich dann ganz den Gesprächspartnern an, verzichtet auf schmierigen Glamour, Arroganz und ordinäre Gesten und wirkt authentisch. Seine junge Frau ist nicht bei ihm und die dokumentarische Kamera scheint vergessen. In diesen Augenblicken gelingt es Dörfler, zum Kern vorzudringen und ungestelzte Ehrlichkeit hervorzukitzeln. Egal, in der nächsten Einstellung ist der "alte" Eden wieder da. Beim Frisör, beim Treffen mit seiner geliebten Uschi Buchfellner, der er mehr zugetan scheint als allen anderen Frauen seines Lebens, in deren Gegenwart er aber immer noch nicht auf seine schmierige Eden-Art verzichten kann. Vielleicht ist dieser vorgeblich so sehr vom Glück verfolgte, gern seine gelben Zähne bleckende Mensch in Wahrheit ein gefangener, tragisch verbrämter. Seine alten, gelifteten Augen lassen da durchaus den einen oder anderen Rückschluss zu.
9/10
Peter Dörfler Rolf Eden Berlin Paris Israel
The Big Eden ~ D 2011
Directed By: Peter Dörfler
Leider sind mir die ersten beiden Teile von Peter Dörflers Doku-Trilogie über "selbstdarstellerische Männerfiguren" nicht bekannt und überhaupt bin ich nur wegen seines schillernden "Untersuchungsobjekts" auf diesen Film gestoßen. Der ist aber ganz famos, so dass ich "Der Panzerknacker" und "Achterbahn" jetzt auch saugern sehen würde. Dörfler pflegt nicht den ganz üblichen Ansatz für einen Personendoku. Seine Interviewpartner lässt er, jeweils bildausfüllend und frontal direkt ins Objektiv und somit im Prinzip mit dem Zuschauer parlieren, was schonmal recht ungewöhnlich anmutet. Dazu gibt es als wundervoll arrangierte Unterstützung private und öffentlich zugängliche Fotografien Edens, die als eine Art tableaux vivants miteinander verwoben werden und wie eine ineinander fließende Diaschau gestaltet sind. Shimon "Rolf" Eden selbst wird zumeist vor schneeweißem Hintergrund von Freunden oder Familienmitgliedern befragt. Der Mann selbst bleibt aber auch nach diesem Filmgenuss genau das humane Enigma, das er schon seit vielen Jahrzehnten repräsentiert. 1930 geboren, mit drei Jahren und Familie nach Palästina emigriert, später früh (und erstmals) verheiratet, aktiv im israelischen Befreiungskrieg, danach Rückkehr nach Europa und über Paris nach Berlin, wo er diverse legendäre Clubs und Discos besaß, die besonders in den Siebzigern und Achtzigern zu Brennpunkten des Berliner Nachtlebens avancierten. Wer in und in Berlin war, musste in einem von Edens Schuppen verkehren. Heute ist der Mann ein nach wie vor eitler, misogyner Geck von 82 Jahren, der freien Liebe zugetan, lässt sich unregelmäßig liften, hat eine Ehefrau namens Brigitte um die 30 und sieben Kinder im Alter zwischen 14 und 63 Jahren von sieben verschiedenen Frauen. Er gilt als 'peinlichster Einwohner Berlins', ist gern als politisch unkorrekter Gast in Talkshows oder Boulevardzeitungen zugegen, wo er über Themen wie "Sex im Alter" schwadroniert, die Prostitution als einen erstrebenswerten weiblichen Berufsstand bezeichnet oder auch ganz einfach Wahrheiten absondert wie die, dass Geld geil mache. Den Beweis dafür hat er seit Dekaden angetreten. Eden ist kein besonders schöner Mann, er ist schmalschultrig mit dünnen Gliedmaßen, hat Glubschaugen und einen altersbedingten Schmerbauch. Es ist sein Narzissmus, der die Damen anlockt, und sein Portemonnaie. Dörfler ist, anders als den Talkmastern, die Eden einzuladen pflegen, nicht an der Denunziation oder einer Nabelschau des Lustgreises gelegen. Stattdessen hinterfragt er den Menschen und flechtet immer wieder Momente ein, die Eden als das zeigen, was er tatsächlich und eigentlich ist: Als einen alten Herrn von beneidenswerter Lebenserfahrung, der im Laufe seiner stolzen Linie irrsinnige biographische Purzelbäume vollzogen hat. Wenn er in Haifa mit Menahem Golan und zwei weiteren Männern seines Alters im Café sitzt und alte Anekdoten hervorkramt, dann wird sein Blick wehmütig. Er passt sich dann ganz den Gesprächspartnern an, verzichtet auf schmierigen Glamour, Arroganz und ordinäre Gesten und wirkt authentisch. Seine junge Frau ist nicht bei ihm und die dokumentarische Kamera scheint vergessen. In diesen Augenblicken gelingt es Dörfler, zum Kern vorzudringen und ungestelzte Ehrlichkeit hervorzukitzeln. Egal, in der nächsten Einstellung ist der "alte" Eden wieder da. Beim Frisör, beim Treffen mit seiner geliebten Uschi Buchfellner, der er mehr zugetan scheint als allen anderen Frauen seines Lebens, in deren Gegenwart er aber immer noch nicht auf seine schmierige Eden-Art verzichten kann. Vielleicht ist dieser vorgeblich so sehr vom Glück verfolgte, gern seine gelben Zähne bleckende Mensch in Wahrheit ein gefangener, tragisch verbrämter. Seine alten, gelifteten Augen lassen da durchaus den einen oder anderen Rückschluss zu.
9/10
Peter Dörfler Rolf Eden Berlin Paris Israel
ich glaube dieser Mann wird bis zum Lebensende den Playboy "spielen", und das hat irgendwie seine Charme: das Leben als ein Spiel.