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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD (Martin Ritt/UK 1965)



"I reserve the right to be ignorant. That's the Western way of life."

The Spy Who Came In From The Cold (Der Spion, der aus der Kälte kam) ~ UK 1965
Directed By: Martin Ritt

Alec Leamas (Richard Burton) arbeitet als Koordinator für den britischen Geheimdienst in Berlin. Nachdem nach und nach sein gesamtes Agentennetz von einem gegnerischen Mann namens Mundt (Peter van Eyck) liquidiert worden ist, erhält er in London einen neuen Auftrag: Er soll nach außen hin aus dem aktiven Dienst ausscheiden und sich das Image eines heil- und mittellosen Trinkers auf der Rolltreppe abwärts zulegen, so den Feind auf sich aufmerksam machen, sich dann von diesem abwerben lassen und über Umwege ein Komplott gegen Mundt einfädeln, um ihn so ausschalten zu können. Erst als Leamas sich bereits hinter dem Eisernen Vorhang befindet, wird ihm bewusst, dass er nur über einen Bruchteil seiner tatsächlichen Mission informiert wurde und dass er und vor allem sein Seelenheil im internationalen Spiel der Gewalten eine vollkommen entbehrliche Größe darstellen.

Bedrückendes Drama, das wie ein empörter Gegenentwurf zu der schönen, bunten Oberflächenwelt eines James Bond und seiner Epigonen auftritt. Zum kargen Schwarzweiß des New British Cinema bewewht sich ein fetthaariger Richard Burton mit zerbeultem Parka und einer nahezu riechbaren Whiskey-Fahne durch eine graue Realität der Depression. Einsam und nicht besonders erfolgreich in seinem Job entpuppt sich Alec Leamas, nachdem er selbst sich im Inneren bereits über seine systemische Dysfunktionalität im Klaren ist, als Bausteinchen einer gewissenlosen Maschinerie, die nicht etwa leidenschaftlich, sondern mit kalter Präzision zu Werke geht und jeder Menschlichkeit abgeschworen hat, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Am Ende scheint Leamas' Weltbild infolge eines internen Verrats gegen ihn zumindest teilweise zurechtgerückt, denn es spielt keine Rolle mehr, ob Ost oder West, ob Kommunismus oder Kapitalismus. Es gewinnt nicht etwa der Systemtreueste, sondern derjenige, der am durchtriebensten und gewissenlosesten agiert. Nicht von ungefähr ist Mundt zugleich auch ein Altnazi.
Ritts Film war und ist ein Triumph und gilt, natürlich auch infolge seiner adaptiven Akkuratesse bezogen auf le Carrés kurz zuvor erschienenen Roman, bis heute als einer der wenigen aufrichtigen Spionagefilme. Vom eleganten product placement und den ausschweifenden Männerträumen eines 007 geradezu angewidert, spuckt "The Spy Who Came In From The Cold" dem Kalten Krieg verächtlich ins Gesicht. Nicht etwa aufgrund der Angst vor Dritten Weltkriegen und atomaren Erstschlägen, sondern weil er seine Schachfiguren einfach um ihr Glück betrügt und gewissenlos auffrisst.

9/10

Martin Ritt Spionage Kalter Krieg London Berlin DDR Niederlande John le Carré



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Funxton

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