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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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WIR WAREN DAS MILJÖ - KÖLSCHE GESCHICHTEN (Peter F. Müller/D 2011)



"Et jab Zuckabrot un' Peitsche - dat wussten se all'."

Wir waren das Miljö - Kölsche Geschichten ~ D 2011
Directed By: Peter F. Müller

Wenn ehemalige Kiez-Größen von ihrem früheren Leisten berichten, geraten sie gern ins haltlose Fabulieren und neigen bereitwillig zu romantisch gefärbter Nostalgie, ebenso wie ihre Kunden und sogar die pensionierten Beamten, die damals die leidige Aufgabe hatten, alles im Zaum zu halten. Von Ost-Öffnung war ferner auch noch gar nicht zu reden, als Dummse Tünn, Schäfers Nas, Abels Män, Karate Jacky und Betonkopp noch die Größen der Kölner Unterwelt waren. Liebevoll Lodden, Loddel, Luden oder auch einfach bloß Zuhälter waren sie selbsterklärte Nachtmenschen, die zwischen Kneipe, Spieltisch und Bodybuilding-Studio umherzirkulierten und hier das sauer verdiente Moos ihrer zwei bis sieben laufenden Schäfchen durchbrachten. Prügeleien gehörten zur Tagesordnung, umgebracht wurde aber keiner - darauf ist man stolz. Wenngleich auch Frischse Pitter gern mal seine stets griffbereite Axt schwang, um damit Kneipeninterieurs zu zerlegen: Hunde, die bellten, bissen nicht. Das symptomatische Gerngroßgetue des archetypischen "pimp" hatte man sich bei US-Vorbildern abgeschaut, weswegen die augenzwinkernd gemeinte Titulierung der Domstadt als "Chicago am Rhein" selbst heute, gute zwanzig Jahre nach dem Golden Age der gepflegten Heimkriminalität, die ehemals dauergewellten, muskulösen Herrschaften noch immer mit heimlichem Stolz erfüllt. Zockerei, Steuerhinterziehung, Drogenhandel und natürlich die Prostitution - das waren einst die vier im kleinen Stil aufgezogenen Eckpfeiler, die jenen Patronen gestattete, echte Rolexe und maßgeschneiderte Lederanzüge zu tragen und ihr sauer Verdientes im Kofferraum des goldenen Porsche spazierenzufahren. Cash, versteht sich. Müllers Einblick in dieses "Miljö" fällt gebührlich augenzwinkernd aus, kann eine starke Faszination für den Anekdotenreichtum der interviewten Herrschaften allerdings nicht verleugnen. Und das zu Recht; wenn selbst schon Ex-Knackis und verarmte Altgauner in reaktionäre Gegenwartsängste und regressive Schwärmerei verfallen, dann fragt man sich, wo und vor allem wann man doch bitteschön eigentlich lebt.

9/10

Peter F. Müller Köln Kiez TV-Film Prostitution



Filmtagebuch von...

Funxton

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