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TIERISCHE LIEBE (Ulrich Seidl/AT 1996)
von Funxton ·
22 Januar 2013
Kategorie:
Milieustudie,
Dokumentation
Aufrufe: 1.677
"Du bis mein Ein un Ojs, mei Bubele, und krigs von mir au imma schön dein Pappi."
Tierische Liebe ~ AT 1996
Directed By: Ulrich Seidl
Mit der österreichischen Hauptstadt Wien assoziiert man als noch nie Dagewesener allen möglichen Kitsch; Sachertorten, den berühmten Schmäh, Kaffeehäuser, Kalbsschnitzel, Barock, Mozart, Walzer und Strauss, den Kongress und den Prater mit dem Riesenrad, Klimt, Hundertwasser und Schnitzler, Freud und Jung. Vielleicht noch den Dritten Mann und Georg Danzer. Dass es jedoch eine Großstadt ist wie alle, mit absolut fiesen, schmucklosen Ecken und Menschen, das verdrängt man leicht. Und plötzlich begegnet einem dieser Ulrich Seidl, von dem man schon so viel gehört und gelesen hat, der sich durch seine harte Art der stilisierten Dokumentation einen Namen gemacht hat. "Tierische Liebe" als erster Seidl-Film lag für mich nahe, weil ich selbst ein großer Hundeliebhaber bin und meine Beziehung zu meinem Hund manch einem, der mich weniger gut kennt, auch leicht ein Kopfschütteln abringen mag. Die sich freimütig und ausgiebig exponierenden Zeitgenossen in "Tierische Liebe" sind nicht a posteriori zoophil, ja nichtmal pervers. Es sind einfach arme, einsame, oft bildungsferne Typen; psychisch gestört und suchtkrank, allein und der Kommunikationslosigkeit überlassen. Ihre Tiere, meist Hunde, missbrauchen sie unbewusst als Ersatz für fehlende Zwischenmemschlichkeit, für plötzlich fehlende Lebenspartner, Kinderlosigkeit, selbst für Liebe und Körperkontakt. Einen Hund zu herzen und zu beschmusen, bis dieser nur noch wegwill, und das zeigt "Tierische Liebe", dazu gehört schon beinahe ein spezielles Talent. Aber bei Seidl gibt es solche Menschen; sie hängen auf ihrer Couch vor verschimmelten Tapeten, hören Bernhard Brink, trinken Vodka, ficken oder betreiben Telefonsex, die ärmsten Schweine Wiens. Ob das filmemacherische Ethos es zulassen sollte, solche offenbar doch schwer pathologischen Individuen vor die Kamera zu lassen und sich selbst zu denunzieren, muss Seidl mit sich selbst ausmachen. Dass er mit "Tierische Liebe" einen ebenso erschütternden wie bewegenden, nur schwer zu ertragenden Film gemacht hat, steht aber genauso außer Frage.
8/10
Ulrich Seidl Wien Madness Hund
Tierische Liebe ~ AT 1996
Directed By: Ulrich Seidl
Mit der österreichischen Hauptstadt Wien assoziiert man als noch nie Dagewesener allen möglichen Kitsch; Sachertorten, den berühmten Schmäh, Kaffeehäuser, Kalbsschnitzel, Barock, Mozart, Walzer und Strauss, den Kongress und den Prater mit dem Riesenrad, Klimt, Hundertwasser und Schnitzler, Freud und Jung. Vielleicht noch den Dritten Mann und Georg Danzer. Dass es jedoch eine Großstadt ist wie alle, mit absolut fiesen, schmucklosen Ecken und Menschen, das verdrängt man leicht. Und plötzlich begegnet einem dieser Ulrich Seidl, von dem man schon so viel gehört und gelesen hat, der sich durch seine harte Art der stilisierten Dokumentation einen Namen gemacht hat. "Tierische Liebe" als erster Seidl-Film lag für mich nahe, weil ich selbst ein großer Hundeliebhaber bin und meine Beziehung zu meinem Hund manch einem, der mich weniger gut kennt, auch leicht ein Kopfschütteln abringen mag. Die sich freimütig und ausgiebig exponierenden Zeitgenossen in "Tierische Liebe" sind nicht a posteriori zoophil, ja nichtmal pervers. Es sind einfach arme, einsame, oft bildungsferne Typen; psychisch gestört und suchtkrank, allein und der Kommunikationslosigkeit überlassen. Ihre Tiere, meist Hunde, missbrauchen sie unbewusst als Ersatz für fehlende Zwischenmemschlichkeit, für plötzlich fehlende Lebenspartner, Kinderlosigkeit, selbst für Liebe und Körperkontakt. Einen Hund zu herzen und zu beschmusen, bis dieser nur noch wegwill, und das zeigt "Tierische Liebe", dazu gehört schon beinahe ein spezielles Talent. Aber bei Seidl gibt es solche Menschen; sie hängen auf ihrer Couch vor verschimmelten Tapeten, hören Bernhard Brink, trinken Vodka, ficken oder betreiben Telefonsex, die ärmsten Schweine Wiens. Ob das filmemacherische Ethos es zulassen sollte, solche offenbar doch schwer pathologischen Individuen vor die Kamera zu lassen und sich selbst zu denunzieren, muss Seidl mit sich selbst ausmachen. Dass er mit "Tierische Liebe" einen ebenso erschütternden wie bewegenden, nur schwer zu ertragenden Film gemacht hat, steht aber genauso außer Frage.
8/10
Ulrich Seidl Wien Madness Hund
Aber ernsthaft: Ich habe mit "Tierische Liebe" irgendwie das Problem, dass er dem Vorwurf, Seidl zeige nur eine Freakshow, imho recht nahe kommt. Wie du schreibts, die ärmsten Schweine werden gezeigt, aber mir fehlte dabei ein bisschen der Zugang zu den Menschen davon ab. Um die armen Schweine geht es bei Seidl immer, aber meistens auch darum, wie sie versuche, in noch schlimmeren Situationen nicht ganz zu ersaufen. Mir fehlte in "Tierische Liebe" diese humanistische Komponente. Vielleicht habe ichs damals aber auch einfach nicht gesehen. Kann auch gut sein.
Ich möchte dir übrigens "Import/Export" ans Herz legen. Mein Lieblingsfilm des Regisseurs.