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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE LONG VOYAGE HOME (John Ford/USA 1940)



"What'd Yank do?"

The Long Voyage Home (Der lange Weg nach Cardiff) ~ USA 1940
Directed By: John Ford

Das Handelsschiff 'Glencairn' ist auf dem Weg zurück von der Karibik nach Europa. Geladen hat es Explosivmaterial, um die Alliierten im Kampf gegen die Nazis zu unterstützen. Eine brisante Fracht - denn die Wehrmacht hat längst herausgefunden, dass unscheinbare Zivilschiffe häufig in geheimer Mission unterwegs sind. Die Besatzung hat derweil ganz eigene Probleme: Jeder von ihnen träumt insgeheim davon, den Weltmeeren ein für allemal Lebewohl zu sagen und dennoch schafft keiner jemals den Absprung; sie sind an die Seefahrt gekettet wie Süchtige an die Nadel. Die ganze Hoffnung der alternden Matrosen personifiziert sich daher in dem jungen Schweden Olsen (John Wayne), der nach dieser Passage endlich heimkehren will zu seiner Familie. Doch zuvor gilt es noch manche Unwägbarkeit zu meistern...

Dramatisch gewichtete Liebeserklärung an die raue Einsamkeit der Seeleute, basierend auf vier frühen Stücken von Eugene O'Neill und konzentriert zu einer Geschichte. Für Duke Wayne war es nach "Stagecoach" die zweite Zusammenarbeit mit John Ford, jedoch täuscht man sich, wenn man seine Nennung an der Besetzungsspitze mit seiner Bedeutung für den Film gleichsetzt. Im Gegenteil, Wayne hat nur wenige Dialogzeilen und spielt, von seiner beinahe metaphysischen Bedeutung für seine Kameraden abgesehen, im inhaltlichen Gefüge von "The Long Voyage Home" eine eher untergeordnete Rolle. Das Schwergewicht liegt eher auf Seiten Thomas Mitchells, als Driscoll so etwas wie der Anührer und die gute Seele der kleinen Matrosenschar sowie bei dem mysteriösen Smitty, dem gegenüber der Verdacht, möglicherweise ein deutscher Spion zu sein, gehegt wird, der sich dann jedoch als nicht mehr denn ein kläglicher Trinker herausstellt auf der Flucht vor Entzug, Verantwortung und Familie. Noch deutlich melancholischer als in späteren Jahren geht Ford hier zu Werke; eine komische Ikone, wie sie dereinst häufig von Victor McLaglen oder Andy Devine gespielt werden wird, fehlt - obgleich sich aus der internationalen Konstellation der Glencairn-Besatzung mancherlei situativ bedingte Bizarrerien herstellen lassen. Ein bleiern trauriges Poem und eine der unbekannteren Schönheiten in Fords Werk.

9/10

John Ford Eugene ONeill Atlantik Seefahrt WWII Alkohol Freundschaft



DER LANGE WEG NACH CARDIFF ist, wenn ich mich grad nicht irre, auch das letzte existenzialistische Männerdrama Fords, noch geprägt von der Vor-WKII-Stimmung, weitgehend ohne Humor. Mit MEN WITHOUT WOMAN hatte Ford 1930 ein neues Genre geschaffen. Männer in einer Kriegs- oder Gefahrensituation auf engstem Raum, psychische Konflikte, Machtspielchen, persönliche Schicksale, permanent den Tod vor Augen, Fragen nach dem Sinn des Lebens, die spaßig hintertrieben werden, doch Fords Bildsprache permanent deutlich macht wie komplex seine Figuren sind. Das permanente Psychologisieren ohne zu psychologisieren (Ford hätte wohl jeden umgebracht der behauptet, er psychologisiere). Männer ohne Frauen, Männer unter sich. Aber bei Ford ist das nie Männerkungelei. Ford war kein Männerfilm-Regisseur. Ford hat Männer mit all ihren Schwächen gezeigt. Ohne Frauen sind sie Jungs, grölen rum, wollen sich beweisen, sind Aufschneider, saufen, bilden sich etwas auf sich ein. Und sind doch Menschen. In UNTER DER SEE (1931) wird sich stärker auf den Actionaspekt kapriziert und das Magnum Opus wurde dann DIE LETZTE PATROUILLE (1934). Dieser Film wird zu den einflussreichsten Filmen der 30er und 40er Jahre gezählt und ist heute fast vergessen. Ford nimmt die Bildsprache des Surealismus vorweg, arbeitet mit Lichtkompositionen wie sie erst für den italienischen Neorealismus typisch wurden und zieht vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges eine als Endpsiel inszenierte Geschichte auf die mitten in der Endlosigkeit der Wüste spielt und die Figruen drängen sich in das kleine Häuschen, das dort völlig unwirklich steht. Da der führende Offzier gleich am Anfang erschossen wurde (das zitiert Leone übrigens im Vorspann von FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR) stolpern die restlichen Soldaten umher und wissen nicht, was sie machen sollen. Die Szene, in der Boris Karlof dem religiösen Irsinn verfällt, sprengte alles, was es bis dahin auf der Leinwand zu sehen gab. Mit DIE LETZTE PATROUILLE hat Ford (ähnlich wie bei STAGECOACH, da dann noch radikaler) etwas so vorher in der Kunst noch nicht Dagewesenes gedreht. Der Film hat weder in der Filmgeschichte, noch in einer anderen Kunstform eine Entsprechung. Leider war sein Einfluss auf das Kino so groß, dass man heute vergessen hat, was Ford mit diesem Film schuf. SUBMARINE PATROL (1938) habe ich noch nicht gesehen. In DER LANGE WEG NACH CARDIFF findet dies alles zu einem fantastischen Abschluss. Ford bringt in diesen die Erfahrung der anderen Filme ein und schafft, wie selten, die systemische Verbindung einzelner Figuren mit ihrem persönlichen Schicksal und dem großen Ganzen aufzuzeigen. Ich vermute, der Schock war nach dem zweiten WK bei Ford so groß, dass er deshalb mehr Humor in seine Filme einbrachte und sich konsequent seinen eigenen Kosmos schuf. Im Kino konnte man die Welt noch so formen, wie sie sein sollte. Nur für SCHNELLBOOTE VOR BATAAN sollte er nochmal dahinzurückkehren, eine Auftragsarbeit und deshalb noch mal so völlig anders, als seine anderen Post-WKII-Filme.
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Danke ! Fast alles bestellt :D
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Funxton

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