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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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THE MASTER (Paul Thomas Anderson/USA 2012)



"This is pointless. He isn't interested in getting better."

The Master ~ USA 2012
Directed By: Paul Thomas Anderson

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und seinem Austritt aus der Navy findet sich der ohnehin extrem neurotische Veteran Freddie Quell (Joaquin Phoenix) noch zusätzlich schwer traumatisiert im Privatleben wieder. Selbst einfachste Berufe kann er nicht ausüben, weil es früher oder später immer wieder zu durch ihn provozierten Zwischenfällen kommt. Im Zuge einer seiner Fluchtaktionen landet Freddie auf der Hochzeit der Tochter (Amy Adams) des Sektenstifters Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman). Dessen Vereingung 'The Cause' speist sich aus willfährigen, häufig wohlbetuchten Anhängern, die Dodds Konzept von Reinkarnation und Rückführungen, welche existenzielle Barrieren niederreißen sollen, mittragen. Der ebenso charismatische wie intellektuelle Dodd findet Gefallen an dem ungebildeten Soziopathen Freddie Quell und dessen Kunst, aus jeder methanolhaltigen Flüssigkeit binnen Minuten ein schmackhaftes Gesöff herstellen zu können und macht ihn zu seiner rechten Hand. Doch trotz aller Indoktrinierungsversuche lässt Freddie sich nie gänzlich zu einem von Dodds Schäfchen 'umprogrammieren'. Nach Jahren trennen sich die Wege der beiden Männer wieder.

Von einem, der auszog, sich nicht bekehren zu lassen: Anderson verfolgt die Linie seines sperrigen, mysteriösen Kinos weiter und bleibt damit anhaltend erfolgreich. Nachdem er sich vom Ensemble-Konzept abgewandt hat, steht jeweils ein gleichermaßen monolithischer wie vielschichtiger Charakter im Mittelpunkt seiner Filme: In "Punch Drunk Love" war es der hochneurotische Barry Egan, in "There Will Be Blood" der egomanische Öltycoon Daniel Plainview, nun, in "The Master", ist es Freddie Quell, ein unterbelichteter, multipel gestörter Kriegsveteran: Alkoholiker, misogyn, triebhaft, gewaltbereit, selbstverleugnend, ödipal geprägt, grenzdebil. Und ausgerechnet ihn erklärt Anderson zum Helden seines Films; man wächst mit Freddie, gewöhnt sich an seine Marotten und seine stoische Verweigerungshaltung gegenüber jedwedem Versuch, ihn zu glätten und zu subordinieren. "The Master" stellt nämlich weder das Porträt eines Sektenführers dar, noch überhaupt die Strukturanalyse des Sektenwesens. Jenes spielt eine bestenfalls marginale Rolle. Stattdessen berichtet er von der immens komplexen Beziehung zweier Männer zueinander, die sich freundschaftlich zugetan sind und von denen der eine den Triumph über den anderen für zwangsläufig und selbstverständlich hält, lediglich, weil er ihm geistig meilenweit überlegen ist. Dass auch Lancaster Dodd seine Schattenseiten besitzt, und recht ominöse dazu, davon erzählt der Film im weiteren Verlauf und exponiert den scheinbar so selbstsicheren, siegesgewissen Mann als hinterrücks mindestens ebenso patholgischen Charakter wie den mental simpler gestrickten Freddie Quell.
Paul Thomas Anderson dürfte einer der wenigen aktiven Hollywood-Regisseure, der befähigt ist, derart autark zu arbeiten und vordergründig unkomfortable Filme wie diesen in einer noch dazu solch eigenwilligen Form abzuliefern. Dafür sollte man dankbar sein.

9/10

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Funxton

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