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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0





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BULLETS OVER BROADWAY (Woody Allen/USA 1994)



"Where I come from, nobody squeals!"

Bullets Over Broadway ~ USA 1994
Directed By: Woody Allen

New York in den bleihaltigen Zwanzigern: Der junge, intellektuelle Dramatiker David Shayne (John Cusack), sieht keine Möglichkeit, sein neuestes Stück "God Of Our Fathers" auf die Bühne zu bringen, da ihm die nötige Finanzierung fehlt. Da handelt sein Agent Julian Marx (Jack Warden) einenSponsorenvertrag mit dem Gangsterkönig Nick Valenti (Joe Viterelli) aus. Bedingung: Valentis Liebchen, die stupide Revuetänzerin Olive (Jennifer Tilly), erhält eine Rolle in Davids Stück. Nicht nur Olive, auch der Rest der Besetzung erweist sich als - gelinde gesagt - exzentrisch, so dass die Inszenierung allenthalben im Chaos zu versinken droht. Ausgerechnet Olives Beschützer, der Mafia-Killer Cheech, (Chazz Palminteri) rettet "Gods Of Our Fathers", indem er heimlich und lediglich unter Davids verblüffter Kenntnis, einige elementare Dialogpassagen umschreibt.

In bester Screwball-Tradition stehend ersann Woody Allen mit "Bullets Over Broadway" einen Film, der auch jedem klassischen Dialog-Komödienregisseur von Sturges bis Wilder alle Ehre gemacht hätte. Der Einfall, hehre Kunst und brutale Unterwelt im Zeitalter der Prohibition aufeinanderprallen zu lassen, ist ebenso famos wie einleuchtend und erhält eine kongeniale Umsetzung. Nach "The Purple Rose Of Cairo" und dem wunderschönen "Radio Days" beweist Allen erneut, wie brillant er period movies im Griff hat und dass sein monumentales Talent für die Kreierung komischer bis abstruser Szenarien gerade auf diesem Sektor stets zu voller Entfaltung gerät. Ein Clou außerdem seine Darstellerriege - handverlesen und bis in die letzte Rolle von Personal getragen, das auch partiell durch niemand anderen hätte ersetzt werden mögen.

9/10

Woody Allen New York Broadway Theater period piece Boston



Ich mag diesen Allen auch sehr, der ja auch eine sehr geistreiche Auseinandersetzung mit der Frage ist, wie weit man für die Kunst eigentlich gehen darf - wenn ich mich noch richtig erinnere, wurde doch gleich am Anfang die Frage diskutiert, ob man eher Shakespeares Werke oder einen Menschen aus einem brennenden Haus retten sollte.
(Achtung, Spoiler!) Zumindest Cheech gibt ja auf die Frage, wie weit man für die Kunst gehen darf, eine recht radikale Antwort, wenn er Olive erschießt, weil sie eine grauenhafte Schauspielerin ist. Natürlich auch eine für das Gangstermilieu typische Form der "Problemlösung" - und trotzdem fragt man sich dann schon: wie viele Filmregisseure, die mit ihren Darstellern unzufrieden sind, träumen heimlich davon, es genauso zu machen?
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Nun, wie zumeist bei Allen findet sich auch die hier entfachte "Kontroverse" über den Wert von Kunst und Künstler - David Shayne gerät ja am Ende in eine vorübergehende Sinnkrise, weil sich ihm sukzessive erschließt, dass er als Autor nichts taugt und man gerade dabei ist, ihn in eine Form zu drängen, die er gar nicht ausfüllen will, geschweige denn, auszufüllen imstand ist - als eindeutig satirisch aufgelöster Bestandteil. Die Verlierer der Geschichte sind die vermeintlichen Genies und Talente, von den durchweg verschrobenen, affektierten Bühnendarstellern, die ewig Sklaven ihrer Neurosen bleiben werden bis hin zu Davids Mit-Bohémien Sheldon Flender (Rob Reiner), der stolz darauf ist, Stücke zu schreiben, die am Ende keiner sehen will, weil sie ja doch niemand verstünde, der darauf plädiert, dass jeder Künstler zur Unterstützung der eigenen, gedanklichen Fruchtbarkeit sein eigenes moralisches Universum schaffen müsse (was in seinem Falle darauf hinausläuft, dass er vor sich und allen sonst den Betrug an seinem Freund mit dessen Freundin legitimitieren kann) und der auch die von dir zitierte "Rettungsfrage" anstößt. Die einzigen Gewinner sind David, der seine Verlobte zurückgewinnt und mit ihr nach Pittsburgh abdampft, um der Intellektuellenszene nachhaltig adé zu sagen und der Gangster Valenti, der den ihn umgebenden Verrat losgeworden ist.
Allen sympathisiert hier also nicht mit dem Geist, sondern mit dem Herzen, wobei ihm Olives "Entsorgungsszene" sicher einigen Spaß bereitet haben dürfte... :D
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@Funxton, Settembrini
Ich habe eure interessanten Ausfuehrungen mit Vergnuegen gelesen. Sie haben mir den Film naehergebracht und
meinen Wunsch, ihn kennenzulernen gesteigert.

Settembrini sagte am 27. Dezember 2013, 13:43:

Zumindest Cheech gibt ja auf die Frage, wie weit man für die Kunst gehen darf, eine recht radikale Antwort, wenn er Olive erschießt, weil sie eine grauenhafte Schauspielerin ist. Natürlich auch eine für das Gangstermilieu typische Form der "Problemlösung" - und trotzdem fragt man sich dann schon: wie viele Filmregisseure, die mit ihren Darstellern unzufrieden sind, träumen heimlich davon, es genauso zu machen?

Soll ich ihn wuergen? Dies fragte sich Truffaut in seinem Dreh=
tagebuch zu Fahrenheit 451, nachdem Oskar Werner die Dreharbeiten systematisch sabotierte, weil er die Rolle nicht so
spielen durfte wie er wollte.

Was sich Polanski wuenschte, nachdem Faye Dunaway bei
den Dreharbeiten zu Chinatown
ihren Urin ueber seinen Kopf ausgeschuettet hat, ist leider nicht
bekannt.
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Von den Unstimmigkeiten zwischen Truffaut und Werner bei "Fahrenheit 451" wußte ich, die Geschichte mit Faye Dunaway ist mir dagegen neu.

Ich meine mal gelesen zu haben, daß es bei den Dreharbeiten zu "Rotbart" auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Kurosawa und Mifune gegeben habe, wie die Hauptfigur zu spielen sei. Es könnte stimmen, denn danach haben die beiden nicht mehr zusammengearbeitet...
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Funxton

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