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THE ICEMAN COMETH (John Frankenheimer/USA 1973)
von Funxton ·
21 Januar 2014
Kategorie:
Drama,
Milieustudie
Aufrufe: 940
"The lie of a pipe dream is what gives life to the whole misbegotten mad lot of us, drunk or sober."
The Iceman Cometh ~ USA 1973
Directed By: John Frankenheimer
New York, 1912: Der 'Last Chance'-Saloon im Village ist sowohl Hort als auch tagtäglicher Treffpunkt für eine Gruppe abgehalfterter, Herren und Huren, die, sofern sie ihr Verfallsdtaum nicht ohnehin bereits überschritten haben, doch kurz davorstehen. Der Eigentümer der Bar, Harry Hope (Fredric March), der seinen Laden infolge des Todes seiner Frau vor zwanzig Jahren nicht mehr verlassen hat, ist so etwas wie der Patron der überreifen Gesellschaft. Er und die übrigen Gäste freuen sich auf den zweimal im Jahr stattfindenden Besuch des Handlungsreisenden Hickey (Lee Marvin), der in den schummrigen Räumlichkeiten gute Laune verbreitet und die traurige Truppe mit Freidrinks bis zum Abwinken bei Laune hält. Anlässlich Harrys Sechzigstem hat sich Hickey wieder einmal angekündigt und es verspricht, eine fantastische Sause zu werden. Als der innig erwartete Spezialgast dann jedoch endlich auftaucht, schockiert er seine Freunde mit einer unbegreiflichen Neuigkeit. Er habe zu trinken aufgehört, sei endgültig "von dem Teufelszeug los" und würde jedem der anderen Gäste empfehlen, ihm auf seinem neuen Weg zu folgen. Zunächst kommt Hickeys Vorschlag alles andere als gut an, dann jedoch fängt nahezu jeder an, über Hickeys Worte und sich selbst nachzudenken...
Sich Frankenheimers O'Neill-Verfilmung auszusetzen ist eine Aufgabe, und keine, die etwa leicht zu bewältigen wäre. Runde vier Stunden Erzählzeit, angesiedelt ausnahmslos in ein und demselben, schummrig ausgeleuchteten Raum, falbe Farben, vier Akte, drei Zeitsprünge von jeweils mehreren Stunde, zwei Pausen, keine Musik. Reiner Dialog, die meiste Zeit körperlich aktionslos und aus sitzenden Positionen heraus vorgetragen; wobei stets bloß die fokussierten Figuren sprechen, derweil die übrigen jeweils in einer Art vorübergehender Stasis verharren. Man findet sich stolz und erleichtert, wenn man das durchgestanden hat, und bereichert um eine der ungewöhnlichsten Filmerfahrungen, die ich kenne.
Das produzierende 'American Film Theatre' war eine kurzlebige Firma, die unter ihrem Kopf Ely Landau zwischen 1973 und 1975 zwölf Theateradaptionen in die Kinos brachte, die mit Ausnahme der Regie- und Schnittarbeit so dicht an der Bühne lagen, wie kaum eine artgenössische Produktion zuvor und seitdem, sofern es sich nicht um schlicht abgefilmtes Theater handelt. "The Iceman Cometh" ist daher besonders ein Triumph der Schauspielkunst: Neben March und Marvin sind Robert Ryan, Jeff Bridges, Clifton James, Bradford Dillman, Moses Gunn und einige andere zu bewundern, March und Ryan jeweils in ihren letzten Rollen. Man hätte ihnen angesichts ihrer Leistungen noch sehr viel mehr gegönnt.
"The Iceman Cometh" ist kein moralisches Stück im herkömmlichen Sinne; er ist ein Film über 'pipe dreams', frei übersetzt 'Luftschlösser', denen die Säufer aus Harrys Bar nachhängen. Sie alle fabulieren tagtäglich über das, was sie in Kürze erreichen, sich zurückholen wollen. Den vormaligen Kriegskorrespondenten James Cameron (John McLiam) etwa nennen die anderen nurmehr 'Jimmy Tomorrow', weil er permanent darüber lallt, dass er sich morgen seinen alten Job zurückerobert. Ähnlich wie ihm geht es auch den meisten anderen hier, sie sind Helden im Schatten, die nurmehr unter ihresgleichen geduldet sind und hier auf den unausweichlichen Tag hinarbeiten können. Als sich dann Hickey, der 'Iceman' einfindet, und sie alle zu missionieren versucht (eine Aufgabe, die jedem, der schon einmal mit leibhaftigem Alkoholismus zu tun hatte, auf den ersten Blick bloß sinnentleert erscheinen muss), kommt es lediglich zu einer kurzen Zäsu, die jedoch tragische Spuren hinterlässt. Für die meisten Gäste jedoch ändert sich am Ende nichts, sie bleiben authentische Außenseiter.
9/10
John Frankenheimer based on play Eugene ONeill period piece New York Alkohol Freundschaft
The Iceman Cometh ~ USA 1973
Directed By: John Frankenheimer
New York, 1912: Der 'Last Chance'-Saloon im Village ist sowohl Hort als auch tagtäglicher Treffpunkt für eine Gruppe abgehalfterter, Herren und Huren, die, sofern sie ihr Verfallsdtaum nicht ohnehin bereits überschritten haben, doch kurz davorstehen. Der Eigentümer der Bar, Harry Hope (Fredric March), der seinen Laden infolge des Todes seiner Frau vor zwanzig Jahren nicht mehr verlassen hat, ist so etwas wie der Patron der überreifen Gesellschaft. Er und die übrigen Gäste freuen sich auf den zweimal im Jahr stattfindenden Besuch des Handlungsreisenden Hickey (Lee Marvin), der in den schummrigen Räumlichkeiten gute Laune verbreitet und die traurige Truppe mit Freidrinks bis zum Abwinken bei Laune hält. Anlässlich Harrys Sechzigstem hat sich Hickey wieder einmal angekündigt und es verspricht, eine fantastische Sause zu werden. Als der innig erwartete Spezialgast dann jedoch endlich auftaucht, schockiert er seine Freunde mit einer unbegreiflichen Neuigkeit. Er habe zu trinken aufgehört, sei endgültig "von dem Teufelszeug los" und würde jedem der anderen Gäste empfehlen, ihm auf seinem neuen Weg zu folgen. Zunächst kommt Hickeys Vorschlag alles andere als gut an, dann jedoch fängt nahezu jeder an, über Hickeys Worte und sich selbst nachzudenken...
Sich Frankenheimers O'Neill-Verfilmung auszusetzen ist eine Aufgabe, und keine, die etwa leicht zu bewältigen wäre. Runde vier Stunden Erzählzeit, angesiedelt ausnahmslos in ein und demselben, schummrig ausgeleuchteten Raum, falbe Farben, vier Akte, drei Zeitsprünge von jeweils mehreren Stunde, zwei Pausen, keine Musik. Reiner Dialog, die meiste Zeit körperlich aktionslos und aus sitzenden Positionen heraus vorgetragen; wobei stets bloß die fokussierten Figuren sprechen, derweil die übrigen jeweils in einer Art vorübergehender Stasis verharren. Man findet sich stolz und erleichtert, wenn man das durchgestanden hat, und bereichert um eine der ungewöhnlichsten Filmerfahrungen, die ich kenne.
Das produzierende 'American Film Theatre' war eine kurzlebige Firma, die unter ihrem Kopf Ely Landau zwischen 1973 und 1975 zwölf Theateradaptionen in die Kinos brachte, die mit Ausnahme der Regie- und Schnittarbeit so dicht an der Bühne lagen, wie kaum eine artgenössische Produktion zuvor und seitdem, sofern es sich nicht um schlicht abgefilmtes Theater handelt. "The Iceman Cometh" ist daher besonders ein Triumph der Schauspielkunst: Neben March und Marvin sind Robert Ryan, Jeff Bridges, Clifton James, Bradford Dillman, Moses Gunn und einige andere zu bewundern, March und Ryan jeweils in ihren letzten Rollen. Man hätte ihnen angesichts ihrer Leistungen noch sehr viel mehr gegönnt.
"The Iceman Cometh" ist kein moralisches Stück im herkömmlichen Sinne; er ist ein Film über 'pipe dreams', frei übersetzt 'Luftschlösser', denen die Säufer aus Harrys Bar nachhängen. Sie alle fabulieren tagtäglich über das, was sie in Kürze erreichen, sich zurückholen wollen. Den vormaligen Kriegskorrespondenten James Cameron (John McLiam) etwa nennen die anderen nurmehr 'Jimmy Tomorrow', weil er permanent darüber lallt, dass er sich morgen seinen alten Job zurückerobert. Ähnlich wie ihm geht es auch den meisten anderen hier, sie sind Helden im Schatten, die nurmehr unter ihresgleichen geduldet sind und hier auf den unausweichlichen Tag hinarbeiten können. Als sich dann Hickey, der 'Iceman' einfindet, und sie alle zu missionieren versucht (eine Aufgabe, die jedem, der schon einmal mit leibhaftigem Alkoholismus zu tun hatte, auf den ersten Blick bloß sinnentleert erscheinen muss), kommt es lediglich zu einer kurzen Zäsu, die jedoch tragische Spuren hinterlässt. Für die meisten Gäste jedoch ändert sich am Ende nichts, sie bleiben authentische Außenseiter.
9/10
John Frankenheimer based on play Eugene ONeill period piece New York Alkohol Freundschaft