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Die Tribute von Panem - Zu viel Spiele, etwas zu wenig Brot-Einheiten.
von DescartesDanse ·
28 März 2012
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In Suzanne Collins Romanvorlage sind zwei Bücher enthalten: das eine ist eine -durchaus angenehm ruppig erzählte- Abenteuergeschichte, die sich auf „Medien, Mode, Meuchelmord“ reduzieren lässt und der -vielleicht sogar auf Betreiben des Verlages- ein an Twilight angelehntes Gerüst verpasst wurde, das die Leserschaft über „Team Gale“ und „Team Peeta“ streiten lässt. (So wie in den USA inzwischen alles, vom Handy-Betriebssystem über das Football-Team bis hin zur politischen Einstellung auf die Parteinahme für eines von zwei unversöhnlichen Lagern reduziert zu werden scheint.)
Das andere ist eine -für diese Aussage lege ich meine Hand ins Feuer- ausgesprochen clevere Satire, die dem Leser Stück für Stück eine fein ausgearbeitete Welt inklusive ihrer sozialen Strukturen ausbreitet. Und neben der Sozialsatire ein gar nicht so trivialer Roman, der vielleicht das Zeug dazu hat, an Schulen ähnliche Diskussionen anzustossen wie sie jahrzehntelang beispielsweise mit „Lord of the Flies“ auf Stichwort abgerufen wurden.
In Suzanne Collins Romanvorlage lernt man zwei Protagonistinnen kennen: eine geradlinige Actionheldin ... und eine nachdenkliche, analysierende, von den moralischen Implikationen der Welt und der Arena, in die sie geworfen wurde, heillos überforderte -kurz: existenzialistische Taktikerin.
Verfilmt wurde nur das erste Buch ... gezeigt wurde hauptsächlich die erste Figur.
Mir war von Anfang an klar, dass Katniss' Planen und Abwäagen ...weil primär im inneren Monolog ablaufend... nicht oder nur sehr unfilmisch („Lebensberatung beim Friseur“ : Gespräch mit ihrem Stylisten Cinna) umgesetzt werden kann.
Mir war auch klar, dass einer der Punkte, die mich bei der Lektüre der Romane am tiefsten hinein zogen, das stückweise Offenbaren der Welt von Panem, ihrer Strukturen und ihrer zynischen Ungeheuerlichkeiten, im Film zu kurz kommen würde.
Warum aber so wahnsinnig viel von der begleitenden Welt wegfallen musste, ist mir nicht klar. Natürlich beschreibe ich hier gerade den Film, den ich gerne gesehen hätte, nicht denjenigen, den ich zu sehen bekam. Aber wenn ich mich nicht mehr auf den Film konzentrieren kann, weil ich andauernd in den Ecken und hinter den Scharnieren jenen suche, der hätte sein können, dann ist etwas an einer Verfilmung echt nicht mehr in Ordnung.
Der Film schadet sich selbst auch ganz massiv dabei, denn die Hintergründe und Finessen, die ich vermisste, sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Ein Beispiel: Die Dekadenz und die bis ins Groteske reichende Mode-/ Prunksucht des Capitol-Bezirkes war ja schon im Buch selbst nicht weit von der Karikatur entfernt ... aber ich konnte mir die Mechanismen peu à peu zusammenreimen. Werde ich aber ins kalte Wasser geworfen, ohne zu verstehen, was die Distrikte Eins und Zwölf soziologisch unterscheidet, dann fühle ich mich wahrscheinlich mit Lachnummern konfrontiert. Die Kleider ... die absurden Frisuren und Bärte auf der einen Seite. Die Mischung aus White-Trash-Chic (wenn man es zurückrechnet sind die Zwölfer ja auch die Apalachen --- daher auch Jennifer "Winter's Bone" Lawrence so passend besetzt) und Kittelschürzen plus Zöpfen wie aus dem NS-Jungmädchen-Lehrbuch auf der anderen Seite wirken unkommentiert völlig wirr.
Nicht nur ein zu beherrschendes / zufrieden zu stellendes Volk, sondern auch ein Publikum verlangt nach „Panem Et Circenses“.
Sobald ich aber nicht mehr schätzen kann, dass ich hier durchaus hochklassige SciFi-Action geboten bekomme, weil ich in der Formel viel zu viel Zirkus und etwas zu wenig Brot kriege (im Sinne des „Nährgehaltes“ und der Broteinheiten, aber auch im Sinne der Hintergründe von Panem), dann revoltiere ich vielleicht noch nicht offen im Zuschauerraum ... aber ich werde doch unzufrieden und unruhig.
Hunger Games
Das andere ist eine -für diese Aussage lege ich meine Hand ins Feuer- ausgesprochen clevere Satire, die dem Leser Stück für Stück eine fein ausgearbeitete Welt inklusive ihrer sozialen Strukturen ausbreitet. Und neben der Sozialsatire ein gar nicht so trivialer Roman, der vielleicht das Zeug dazu hat, an Schulen ähnliche Diskussionen anzustossen wie sie jahrzehntelang beispielsweise mit „Lord of the Flies“ auf Stichwort abgerufen wurden.
In Suzanne Collins Romanvorlage lernt man zwei Protagonistinnen kennen: eine geradlinige Actionheldin ... und eine nachdenkliche, analysierende, von den moralischen Implikationen der Welt und der Arena, in die sie geworfen wurde, heillos überforderte -kurz: existenzialistische Taktikerin.
Verfilmt wurde nur das erste Buch ... gezeigt wurde hauptsächlich die erste Figur.
Mir war von Anfang an klar, dass Katniss' Planen und Abwäagen ...weil primär im inneren Monolog ablaufend... nicht oder nur sehr unfilmisch („Lebensberatung beim Friseur“ : Gespräch mit ihrem Stylisten Cinna) umgesetzt werden kann.
Mir war auch klar, dass einer der Punkte, die mich bei der Lektüre der Romane am tiefsten hinein zogen, das stückweise Offenbaren der Welt von Panem, ihrer Strukturen und ihrer zynischen Ungeheuerlichkeiten, im Film zu kurz kommen würde.
Warum aber so wahnsinnig viel von der begleitenden Welt wegfallen musste, ist mir nicht klar. Natürlich beschreibe ich hier gerade den Film, den ich gerne gesehen hätte, nicht denjenigen, den ich zu sehen bekam. Aber wenn ich mich nicht mehr auf den Film konzentrieren kann, weil ich andauernd in den Ecken und hinter den Scharnieren jenen suche, der hätte sein können, dann ist etwas an einer Verfilmung echt nicht mehr in Ordnung.
Der Film schadet sich selbst auch ganz massiv dabei, denn die Hintergründe und Finessen, die ich vermisste, sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Ein Beispiel: Die Dekadenz und die bis ins Groteske reichende Mode-/ Prunksucht des Capitol-Bezirkes war ja schon im Buch selbst nicht weit von der Karikatur entfernt ... aber ich konnte mir die Mechanismen peu à peu zusammenreimen. Werde ich aber ins kalte Wasser geworfen, ohne zu verstehen, was die Distrikte Eins und Zwölf soziologisch unterscheidet, dann fühle ich mich wahrscheinlich mit Lachnummern konfrontiert. Die Kleider ... die absurden Frisuren und Bärte auf der einen Seite. Die Mischung aus White-Trash-Chic (wenn man es zurückrechnet sind die Zwölfer ja auch die Apalachen --- daher auch Jennifer "Winter's Bone" Lawrence so passend besetzt) und Kittelschürzen plus Zöpfen wie aus dem NS-Jungmädchen-Lehrbuch auf der anderen Seite wirken unkommentiert völlig wirr.
Nicht nur ein zu beherrschendes / zufrieden zu stellendes Volk, sondern auch ein Publikum verlangt nach „Panem Et Circenses“.
Sobald ich aber nicht mehr schätzen kann, dass ich hier durchaus hochklassige SciFi-Action geboten bekomme, weil ich in der Formel viel zu viel Zirkus und etwas zu wenig Brot kriege (im Sinne des „Nährgehaltes“ und der Broteinheiten, aber auch im Sinne der Hintergründe von Panem), dann revoltiere ich vielleicht noch nicht offen im Zuschauerraum ... aber ich werde doch unzufrieden und unruhig.
Hunger Games
-> Man wird als Zuschauer in eine fremde Welt gebeamt und man muss sich halt selbst einen Reim drauf machen und Dinge interpretieren. Manches bleibt mir dabei trotzdem unklar. Aber das ist nicht schlimm: Besser ein Film, der Geheimnisse hat als ein Film, der alles mit der Taschenlampe ausleuchtet.
Und obwohl ich das Buch nicht kenne, sehe ich ja dass es um Themen wie Klassengesellschaft, um arm und reich, Unfreiheit, Medien- und Konsum-Kritik, Überleben, ethisches Handeln geht.
Ansonsten: Ich fand den Film ganz nett, wenn auch nicht überragend, das epileptische Kamerageschwenke ging mir auf den Pinsel und Jennifer Lawrence fand ich phantastisch, toll und wunderbar.
Trotz Überlänge empfand ich THE HUNGER GAMES übrigens als ziemlich überladen und gehetzt (was aber den Vorteil hat dass immer was los und es zu keiner Zeit langweilig wird).
Und mal ehrlich: Intelligenter und relevanter - und auch unterhaltsamer - als das TWILIGHT-Franchise ist dieser Teenager-Film doch allemal. Also, ich kann mich jedenfalls nicht beklagen.