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Jener Sommer, das ruhigste Meer

Noruberutos zusammengewürfelte Bemerkungen zum Film und die damit zusammenhängenden Gegenstände




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Yoidore Tenshi (Drunken Angel) - KUROSAWA Akira, J 1948



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Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lernen einander ein heruntergekommener Arzt und ein kleiner Yakuza kennen: Der Gangster (ein noch junger Mifune Toshiro) lässt sich wegen einer Schusswunde behandeln. Der Doktor (Shimura Takashi) bemerkt aber, dass sein Patient ernsthaft krank ist, er hat Tuberkulose und seine Aussichten stehen schlecht. Das will dieser jedoch nicht wahrhaben und stürzt sich immer weiter in sein Unlgück, welches sich noch verstärkt, als ein berüchtigter Yakuzaboss aus dem Gefängnis entlassen wird und in das heruntergekommene Viertel zurückkehrt. Er sucht eine Frau, die ihn seinerzeit ausgehalten hat und die, als ehemalige Patientin, mittlerweile im Haushalt des Arztes wohnt. Schließlich kommt es zur Konfrontation; der todkranke Yakuza schafft es nicht, sein Leben zu ändern, verfängt sich immer stärker in seinem alten Umfeld und wird letztendlich vom Gangsterboss getötet.

Die Erzählung kehrt immer wieder in die Nachbarschaft der Arztpraxis zurück, welche an einem stinkenden Abwassertümpel gelegen ist und wie eine Art Symbol für die aussichtslose Lage der Tokyoter Unterschicht und ihrer Schicksale kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu sehen ist. Der Yakuza und der Arzt ähneln einander mehr, als beide es zunächst wahrhaben wollen: beide sind arm, krank (der Doktor ist Alkoholiker) und uneinsichtig ihrer eigenen Lage gegenüber. Der Yakuza würde gerne das Viertel beherrschen, wird aber vom skrupellosen Boss abgesägt. Der Arzt würde gerne als Primarius in einem großen Krankenhaus arbeiten, schafft es aber ebenfalls nicht. Neben ihnen gibt es, ungleich wie in späteren Kurosawas, eine Reihe von starken Frauen, welche versuchen, das Leben der männlichen Protagonisten zum Positiven zu wenden. Daneben treten soziale Gegensätze zu tage: Der Yakuza lebt zeitweise mit einer reichen Dame zusammen, in deren Wohnung er schließlich gepflegt wird (allerdings nur solange er im Glückspiel gewinnt). Schließlich gibt es doch noch eine Art happy end: ein Mädchen, das ebenfalls an Tuberkulose erkrankt war, wird geheilt.

Der Film, über weite Strecken ruhig und geradlinig inzeniert (man merkt ihm die erschwerten Produktionsbedingungen so kurz nach Kriegsende auch an), hat jedoch einige ästhetische Besonderheiten: Eine surreale Traumszene, in der der Yakuza (ähnlich wie der Doppelgänger in Kagemusha) seinen eigenen Untergang vorhersieht. Tatsächlich wird er gegen Ende hin schwächer und schwächer. Ein melancholischer Gitarrespieler am Abwasserkanal spielt traurige Melodien, welche auch teilweise das Geschehen untermalen. Die Finale Konfrontation zwischen dem kranken Yakuza und dem Gangsterboss wiederum ist geradezu expressionistisch inszeniert. Insgesamt ein intensives Frühwerk Kurosawas, welches die unmittelbare Nachkriegszeit und das Leben im Wiederaufbau atmosphärisch und glaubhaft einfängt.

Drama Nachkriegsjahre Krankheit soziale Gegensätze Kurosawa A