Zwei befreundete Samurai, Washizu und Miki, zurück von der Schlacht passieren auf ihrem Weg zum Fürsten den Spinnwebwald, wo ihnen ein Geist Seltsames prophezeit: beide würden schon bald Herren über wichtige Festungen und Burgen des Fürstentums werden. Weiters werde Washizu daraufhin selbst Fürst werden, und Mikis Sohn zum Nachfolger haben. Die Rede des Geistes erfüllt sich daraufhin auch Stück für Stück genau so, allerdings etwas anders, als es im Plan des machthungringen und im Bann seiner dämonischen Eherfrau gefangenen Washizu liegt...
In Kurosawas nur als genial zu bezeichnender Macbeth-Adaption wird das Shakespeare-Drama in das mittelalterliche Japan transponiert, in eine abstrakte, stilisierte Samuraiwelt hinein, deren filmische Räume - ähnlich und doch vollkommen anders als ein Vierteljahrhundert später in Ran - geprägt sind von vernebelten Mondlandschaften und mächtigen Festungen, in und durch welche sich die Protagonisten, gefangene ihres Schicksals, bewegen. Washizu, von Zweifeln und Gier geplagt, lässt sich von seiner Lady Macbeth angestachelt auf einen monströsen Plan ein, welcher die Prophezeiung des Spinnwebwaldgeistes erfüllen soll. Als er seinen Irrtum erkennt, ist es schon zu spät, um das Schicksal, das der abermals aufgesuchte Geist im Spinnwebwald verkündet, noch abzuwenden.
Die beiden wesentlichen gestalterischen Elemente des Films, die gewissermaßen eine Symbiose aus einem klassischen jidai-geki Historienepost und einer kaidan-eiga Gespenstergeschichte ergeben (in welchem übrigens der adaptierte Stoff so wirkt, als sei er überhaupt keine Shakespeare-Interpretation), sind einmal die Präsentation des Spinnwebwaldes selbst und der Nebellanschaften, welche die Handlung und ihre Orte einmal verhüllen, dann wieder enthüllen. Und dann die Handlungsabläufe in den Festungen und Burgen, die wesentliche Handlungselemente (allen voran die Ermordung des Fürsten) nicht direkt zeigen. Dazu kommt eine elliptische Erzählweise, die bis gegen Ende des Films von Abblenden gekennzeichnet ist, wohingegen am Ende das Tempo erhöht wird und die sich überschlagenden Ereignisse mittels Wischblenden funktionieren.
Drei Sequenzen ragen in der Gestaltung der filmischen Räume besonders hervor: 1. Der minimalistische Ritt durch den Spinnwebwald am Anfang und Gegen Ende des Films, mit Bäumen und Geäst im Vordergrund, in welchem sich die Samurai verirren und schließlich auf den Waldgeist treffen, der jene so verhängnisvolle Prophezeitung gibt. Perfekt ist diese einfache Idee und was sie ausmacht von Tarkowskij beschrieben worden:
Wie löste Kurosawa die Szene, in der sich Macbeth im Walde verirrt? Ein schlechter Regisseur hätte seinen Schauspieler natürlich in wilder Richtungssuche herumlaufen, ihn im Nebel an Bäume und Sträucher stoßen lassen. Doch der geniale Kurosawa? Er findet für die Szene einen charakteristischen, sich dem Gedächtnis einprägenden Baum [...] Die Reiter umkreisen ihn dreimal [...]Wir begreifen, daß sie sich verirrt haben [...] Mit seiner Lösung des Raumproblems demonstriert hier Kurosawa das höchste Niveau poetischen Denkens, das mit äußerster Einfachheit, [...] auskommt. [...] Das Bild ist nicht etwa dieser oder jener vom Regisseur in ihm ausgedrückte Sinn, sondern eine ganze Welt, die sich hier gleichsam wie in einem Wassertropfen spiegelt. (Andreij Tarkowskij, Die versiegelte Zeit, Berlin Alexander Verlag 2009, S.161)
2. Das Festmahl im Thronraum, in welchem der ermordete Miki in der Pose des Waldgeistes erscheint und den frischgebackenen Fürsten Washizu in den Wahnsinn treibt. Hier wird mit einfachsten Mitteln und Kamerabewegungen eine Atmosphäre aufgebaut, die das fatale Schicksal des Protagonisten Washizu, den Toshiru Mifune in einem Wechsel von erstarrenden Mimiken - Masken - verkörpert, unausweichlich werden lässt. Dazu gehört auch das distanziert-dämonische Handeln seiner Gemahlin, ruckartig über den Boden schleifend, bis sie schließlich, ihre Hände vergeblich vom Blut rein zu waschen versuchend, in geistige Umnachtung fällt.
3. Das Heranrücken des Heeres, angeführt vom Sohn des ermordeten Fürsten. Die Prophezeiung ist vollends erfüllt: ehe nicht die Bäume des Spinnwebwaldes, so der Geist, sich zur Festung bewegen, könne er keine Schlacht verlieren. Doch genau das passiert nun. Aber auch in der Festung selbst ist der wahnsinnige Fürst nicht sicher: seine eigenen Leute wenden sich, der Wahrheit über den Tod des alten Fürsten längst gewiss, gegen ihren Herren. In der berühmten "human pincushion" Sequenz wird Washizu endgültig auf sein Schicksal, welches ihm von Anfang an (und hier sind die ersten 25 Minuten des Films interessant) beschieden war, gewissermaßen festgenagelt.
Zusammen mit Ran ist Das Schloss im Spinnwebwald einer der großen Adaptionen mythischer Stoffe, welche die Shakespearschen Dramen sozusagen als urjapanische Angelegenheiten erscheinen lassen. Ein immer wieder als Schlüsselwerk gepriesener Film Kurosawas, der dennoch - immer noch - seltam im Schatten (oder Nebel) seiner anderen Klassiker zu stehen scheint.
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