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Mille Fleurs, Baby!

Filmtagebuch

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Гараж (UdSSR 1979)


Es trifft sich der Garagen-Bauverein eines biologischen Instituts. Der Vorstand informiert: Wie steht es um unser Budget, welche Fortschritte gab es... und, ganz nebenbei, als alle die lange Sitzung für beendet halte, wird ein letzter Tagesordnungspunkt erwähnt: Der Staat plane den Bau einer Schnellstraße, diese werde einen Teil des angedachten zukünftigen Garagengrundstücks benötigen, weswegen dieses verkleinert werden muss, was wiederum heißt: Man muss, leider, leider!, 4 Mitgliedern ihre versprochenen Garagen wegnehmen, wird sie aber, selbstverständlich!, auf die Warteliste setzen. Die Auszuschließenden auszuwählen, hat der Vorstand schon auf sich genommen. Würde jetzt die Mehrheit des Vereins diesem Ausschluss zustimmen, könnten alle endlich nach Hause gehen. Eine Mehrheit findet sich, aber nach Hause kommt so schnell keiner.

Die Diskussionen, die sich im Anschluss egeben, die Protestaktionen, die Versuche der müden, genervten, des Palaverns Überdrüßigen endlich nach Hause zu kommen, das Leiden des frisch gebackenen Bräutigams, der den Fehler beging nach der Trauung und vor der Hochzeitsnacht zur Sitzung zu kommen, das alles ist das Material aus dem dieses Kammerspiel sowohl seinen Humor als auch seine Gesellschaftskritik entwickelt. (Und weil Gesellschaftskritik in der UdSSR ab einer gewissen Intensität von den Zensoren auch als Systemkritik aufgefasst wurde, hatte es Гараж nicht leicht, wurde, wenn meine Informationen stimmen, aber "nur" mit einem Exportverbot belegt.)
Dabei schafft es der Film, in seiner natürlich in der damaligen Zeit verorteten Analyse, Kritik und Veralberung der Zustände, diese Gegebenheiten so anzusprechen, dass sie auch nach dem Ende der Sowjetunion und in anderen Ländern gesehen, dem Zuschauer richtig beobachtet erscheinen. Zwei Beispiele: Einer der Ausgeschlossenen ist sehr erbost über diesen Vorgang und protestiert so laut er kann - was nicht sehr laut ist, weil er momentan seine Stimme verloren hat. Trotzdem wird er in seinem stummen Protest von einem Vorstandsmitglied zurechtgewiesen, er solle sich beruhigen, man könne die anderen ja nicht verstehen. Wie der Kollege nach Wegen sucht, "gehört" zu werden ist in seiner Verzweiflung sehr amüsant und im real existierenden Sozialismus genauso wie auf unsere Gesellschaft übertragen ein schönes Beispiel dafür, wie Übergangene mit ihrer Stimmlosigkeit hadern und wie nervös und gereizt die Übergehenden reagieren, wenn sie sich bewusst sind, dass sie willkürlich handeln.
Ein anderes Mitglied des Vereins, ist, als man ihm seinen drohenden Ausschluss verkündet, baff. Man könne ihm das nicht antun, schließlich habe er für die Garage seine Heimat verkauft. Innerhalb weniger Sekunden leeren sich die Sitzplätze neben ihm. "Das wird ins Protokoll aufgenommen", flüstert die Vorsitzende der Schriftführerin zu. Der vom Ausschluss bedrohte erntet böse Blicke und spitzfinde Nachfragen: ob man ihn denn in Rubel oder ausländischer Währung bezahlt habe? In Rubel natürlich, sagt er, in gar nicht mal so vielen, ergänzt er, denn, so fährt er fort, wer hätte für das schöne, kleine Häuschen, draußen auf dem Land, dort wo schon die Eltern gelebt hätten, sieben Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt, wer hätte für diese Heimat, der er für die Garage verkauft habe, schon viel Geld gezahlt? "Das mit dem Verkauf der Heimat wird aus dem Protokoll gestrichen", flüstert die Vorsitzende der Schriftführerin zu. Natürlich ist das eine "sehr sowjetische" Szene - der eine redet von seinem Elternhaus, die anderen denken (ohne, dass er es auch nur eine Sekunde merken würde) an Vaterlandsverrat -, aber letztlich geht es dabei um eine Atmosphäre von Verdächtigungswillen, Denuntiationsbereitschaft und leicht zu erschütterndem, nur vorgeblichen Zusammenhalt, die in hitzigen Debatten in geschlossenen Gesellschaften zu Tage tritt, aber auch sonst immer vorhanden ist.
Alles in allem: ein kluges, menschliches und amüsantes Kammerspiel.




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