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Muh und Mäh

Smergos Filmtagebuch

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Samurai Rebellion (1967)


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Samurai Rebellion
(Japan 1967, Masaki Kobayashi)

Japan, 18. Jahrhundert: Unter dem Tokugawa-Shogunat herrscht eine geradezu diktatorische Ordnung. Die Hierarchie der Ständegesellschaft ist unantastbar und den Worten des lokalen Regenten nicht zu widersprechen, egal wie groß die Willkür.
So wie das strikte Reglement jede Geste, jede kleinste Handbewegung durchdringt, so sind auch die Filmbilder streng durchkomponiert. Die Figuren sind wie eingesperrt in den geometrischen Flächen, Rastern und Linien des Samurai-Anwesens, in dem der Großteil des Films spielt.

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Die Rebellion, die der Titel anspricht, ist keine organisierte Aktion, sondern es sind vereinzelte Verzweiflungstaten ohne Aussicht auf Erfolg, die aber dennoch den gesamten Film zu erschüttern scheinen: Das Aufbegehren einer Frau gegen den Herrscher zeigt Kobayashi in kurzen, unscharfen Standbildern; Am Ende zerlegen der Protagonist Sasahara (Toshiro Mifune) und sein Sohn geradezu ihr Haus (und man könnte sagen, damit auch die Enge, die das Haus repräsentiert) in Vorbereitung auf den Endkampf.

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Magical History Tour Samurai Schwertkampf 18. Jahrhundert Aufstand Rebellion


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Faster, Pussycat! Kill! Kill! (1965)


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Faster, Pussycat! Kill! Kill!
(USA 1965, Russ Meyer)

Die Charaktere hardboiled, jede Dialogzeile ein one-liner.
Nachdem ein Sprecher das Publikum eingeführt hat in diese seltsame Comicwelt von "Faster, Pussycat! Kill! Kill!", diese Welt voller Gewalt, Sex, gnadenloser Frauen und schleimiger Männer, beginnt der Film mit einem Knall: Zur tollen Garagerock-Titeltnummer werden die drei weiblichen Hauptcharaktere eingeführt. Hier zeigt Meyer sein Können: Die tanzenden Frauen, eine Jukebox und Großaufnahmen gröhlender, sleaziger Männer, alles vor schwarzem Hintergrund - minimalistisch und doch einen Ort und eine Stimmung in wenigen Sekunden einfangend.
Über-Pulp.



Magical History Tour


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The H-Man (1958)


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The H-Man
(Japan 1958, Ishiro Honda)

Für diese Runde der Magical History Tour muss ich ein wenig schummeln. Wie mir erst zu spät bewusst wurde, handelt es sich bei THE H-MAN eigentlich um eine '58er-Produktion. Der Film wurde allerdings für den Kinostart in Amerika nicht nur synchronisiert (seltsamerweise fühlten sich die Synchronsprecher bemüßigt, mit einem wenig überzeugenden "asiatischen" Akzent zu sprechen. War das damals Usus?) sondern auch um einige Minuten Laufzeit erleichtert. Diese Fassung startete 1959 in Amerika - und somit habe ich eine Ausrede, warum ich diesen Film gewählt habe: Ich beziehe mich nämlich auf diese Fassung! ;)
Ich habe mir auch brav beide Fassungen angesehen (freundlicherweise auf der US-DVD enthalten) und wenn man sich für eine zu entscheiden hat, würde ich aber die japanische vorziehen.

Nun, zum Film selbst habe ich eigentlich nicht viel zu sagen. Ich verzichte mal auf Gemeinplätze zum japanischen Atom-Trauma und weise lieber auf die wunderbare Farbphotographie und die schönen Effekte (über Wände kriechender radioaktiver Schleim) hin. Besonders in den Szenen, die in einem Nachtclub spielen, zeigt sich die farbenfrohe Lichtgestaltung von ihrer schönsten Seite (letztes Bild).

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Yumi Shirakawa :blush:

Magical History Tour Nachtclub Wasserstoffbombe Atombombe Wissenschaft Melting Man


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Der Banditendoktor (1957)


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Der Banditendoktor
(Deutschland 1957, Peter A. Horn)

Es hat einen eigentümlichen Effekt, wenn die Grenze zwischen den USA und Mexiko - eigentlich Gebiet des amerikanischen Genrefilms - zum Schauplatz eines deutschen Fernsehspiels wird. Es wirkt - mir fällt kein anderer Begriff ein - falsch, wenn bühnenerprobte deutsche Schauspieler in gespreizter Sprache vor kargen Kulissen ihre sehr "literarisch" wirkenden Dialoge sprechen. Dennoch ist dieser Effekt (ob gewollt oder nicht, ich habe keine Ahnung) nicht unspannend, finde ich.

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Magical History Tour Mexiko Fernsehspiel SWR Literaturverfilmung


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Yôkihi (1955)


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Yôkihi
(Japan / Hong Kong 1955, Kenji Mizoguchi)

Im Bonusmaterial der Blu-Ray kritisiert Tony Rayns die schwache Dramaturgie des Films. Ich kenne wenig von Mizoguchi, aber vergleicht man den Film etwa mit dem zwei Jahre zuvor entstandenen A GEISHA, so kann man diese Kritik durchaus nachvollziehen. Ist A GEISHA ein realistisches und humanistisches Portrait von Figuren am Rand der Gesellschaft, so wirkt YÔKIHI dagegen schon überkandidelt, sowohl in der Figurenzeichnung als auch in der ostentativ künstlichen (wunderschönen) Farbphotographie und dem Bühnenbild. (Er sieht wirklich großartig aus!)
Andererseits passen sich hier eben auch die Figuren der Filmästhetik an. Die männliche Hauptfigur, der Kaiser, ist ein asexueller Schöngeist, der sich am liebsten ausschließlich der Kunst widmen würde und der auf die Mahnungen seiner Untergebenen, dass den höfischen Angelegenheiten Vorrang zu geben ist, mit fast kindischem Trotz reagiert. Das Machtgepoker und die politischen Umwälzungen, die der Film auch erzählt, interessieren ihn wenig. Die weibliche Hauptfigur, Kwei-fei, eine einfache Küchenhilfe, die zur einflussreichen Konkubine aufsteigt, ist dagegen viel nüchterner in der realen Welt verankert. Sie findet gerade gefallen am Kaiser, weil er nicht an materiellen Dingen interessiert ist (natürlich weil ihm diese unbegrenzt zur Verfügung stehen), und auch nicht daran, sie als Werkzeug für politische Zwecke einzusetzen, so wie es die anderen Männer im Film skrupellos tun.

Also, auch wenn der Film von Kennern nur als "zweitklassig" eingestuft wird, ich fand den ziemlich toll. Es sollte nochmal erwähnt werden: Der Film ist eine Augenweide. ;)

(Den Screenshot habe ich hier entlehnt)

Magical History Tour Kaiser Historienfilm Drama


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Jail Bait (1954)


Jail Bait
(USA 1954, Edward D. Wood Jr.)

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"That gun is jail bait!"

Don, der eigentlich gute, aber irgendwie auf die schiefe Bahn geratene Sohn eines weltberühmten Schönheitschirurgen (warum der Vater ausgerechnet ein weltberühmter Schönheitschirurg ist hat mich anfangs etwas verwirrt, wird aber für die Geschichte wichtig), ist fasziniert von der Waffe. Gun Crazy!

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Ich liebe wie Tedi Thurman die Knarre hält (die zwei nächsten Bilder). Es ist für mich ein tolles Bild dafür, dass die Figuren (und der Film insgesamt) den harten, zynischen Habitus des Film noir kennen, aber dann doch nicht ganz so tough sind. So wie Don, das verwöhnte Doktorensöhnchen, der gerne Gangster wäre, aber einfach zu soft ist. Sie spielen Film noir. Soft boiled.

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Wood und Kameramann William Thompson zeigen ein gutes Auge und Humor bei der Wahl des Bildausschnitts.
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Eine mysteriöse Tür - wohin führt sie? Vielleicht zu einem anderen Film? Inland Empire?
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Mysteriös ist auch die Musik, die den Film auf fast die gesamte Laufzeit bedrohlich und bizarr begleitet, ganz unabhängig davon, was im Bild geschieht. Aber die muss man hören, um sie zu glauben (siehe bekannte Videoplattform).

Magical History Tour Film Noir Krimi


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Slash 1/2, Tag 1


Kurzer Bericht vom Filmfestival Slash 1/2, dass letztes Wochenende in Wien stattfand.
Tag 1

You and the Night (FR 2013, Yann Gonzalez)

Sehr eigenartiger Film, von dem ich noch nichts gehört hatte. Extrem stilisierte Bilder, dem Kitsch nicht abgeneigter Elektronik-Score (beides super). Ein Film über eine Orgie, aber kein Sexfilm. Ständig wird vom Ficken geredet, aber dennoch bleibt alles seltsam unschuldig und... ja, tief romantisch. Den Namen Yann Gonzalez kann man sich schonmal notieren.


The Strange Colour of Your Body's Tears (BE/FR/LU 2013, Hélène Cattet/Bruno Forzani)

Die beiden Regisseure gehen den Weg von AMER konsequent weiter. Ich habe ein bisschen gebraucht, fand mich aber bald im tobenden Bilderrausch, in den verwinkelten Gängen des seltsamen Hauses und in den Albträumen der Figuren verfangen.


Dann kam Meister Argento und schrieb gut gelaunt tausend Autogramme.

Dracula 3D (IT/FR/ES 2012, Dario Argento)

Ja, der Film... uff... Ich blieb etwas ratlos zurück. Nicht uncharmant, dass sich eine Gruppe alter Filmveteranen zusammenfindet (Claudio Simonetti, Luciano Tovoli, Sergio Stivaletti) um dann so ein Werk abzuliefern. Eine Hommage an Hammer, wirkt aber auch irgenwie völlig naiv, als hätte es noch nie eine Dracula-Verfilmung gegeben. Rätselhaft.

Filmfestival


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Queen of the Amazons (1947)


Queen of the Amazons
(USA 1947, Edward Finney)

Darsteller gucken aus mickrigen Sets, beengt von der Kadrierung, auf Archivaufnahmen - über diese erstaunt oder von ihnen bedroht. Der Film besteht tatsächlich zu geschätzten 70% aus Archivmaterial. Den Rest der Zeit - talk is cheap - unterhalten sich die Figuren über die Dinge, die man da so sieht. Man könnte sagen: Trash. Oder auch: eine Lehrstunde (tatsächlich nur eine Stunde) über Film. Da QUEEN seine Mittel nie versteckt, zeigt er seine Magie umso deutlicher: Schwupps, mit einer Archivaufnahme ist man in Indien. Schwupps, eine Archivaufnahme später ist man im afrikanischen Hinterland. Eine handvoll afroamerikanische Extras hilft mit, zur Not springt noch ein Voice-over ein. Meisterwerklerische Strenge ist Edward Finney fremd. Ohne Scham wird alles aufgefahren, was Film so kann. Archivaufnahmen eines Sturms auf hoher See, überblendet mit der Nahaufnahme eines Erzählers, dazu die passende dramatische Musik (ebenfalls aus dem Archiv): Ein tragisches Erlebnis in der Vergangenheit.

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Film in a nutshell

Magical History Tour Abenteuerfilm Afrika


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Valamit visz a víz (1944)


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Valamit visz a víz
(Ungarn 1944, Gusztáv Oláh & Lajos Zilahy)

Dass Ungarn 1944 noch Filme produzierte - bei der IMDB findet man immerhin 23 Einträge - hat mich ziemlich erstaunt.

Ein Fischer, seine Frau und deren Vater leben einsam und abgelegen an einem See. Eines Tages ziehen sie eine mysteriöse Frau aus dem Wasser. Sie nennt sich Anada, wird von der Familie als Hilfskraft angestellt und beginnt eine starke Faszination auf den Fischer auszustrahlen.

Faszinierend ist, dass Anada eine Vorgeschichte in den Film mitbringt, die nie geklärt wird (wer ist der Mann mit Hut im Biergarten, der sie als Maria kennt und der eine "fremde Sprache" spricht?). Auch der Jugendfreund des Fischers, der bei der Familie auftaucht, hat eine Vergangenheit mit Anada, die im Dunkeln bleibt (er war im Gefängnis - hat er jemanden ermordet?). Anada ist eine Femme fatale, wobei sie eine tatsächlich übersinnliche Figur zu sein scheint, die aber nicht aus Bösartigkeit oder materiellen Interessen handelt, sondern nicht anders kann. Sie ist ein Wesen von bleierner Melancholie, das Liebe sucht.

Magical History Tour Melodram Femme fatale


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Humanity & Paper Balloons (1937)


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Ninjô kami fûsen / Humanity & Paper Balloons
(Japan 1937, Sadao Yamanaka)

Ich habe mich etwas schwer in den Film eingefunden. Es gibt eine Menge Charaktere, deren Beziehungen zueinander einem erstmal klar werden müssen. Man sollte fortgeschrittenes Wissen über die japanische Gesellschaftsordnung der Edo-Periode mitbringen um auf Anhieb durchzusteigen. Darüberhinaus erzählt der Film nicht eine Geschichte, sondern zwei (plus einige kleinere) - vielleicht besser, er Erzählt Lebensausschnitte aus der Unterschicht Tokios. (Bei "Kôchiyama Sôshun" scheint das auch so zu sein, wie Bastro in seinem Eintrag schreibt, dessen Einschätzung man ansonsten auch für diesen Film übernehmen könnte).
Davon ab ist das eigentlich ein Film, den man auf einer großen Leinwand sehen müsste. Die Charaktere werden oft aus der Distanz gefilmt, Halbtotale oder Totale. (An eine wirklich Nahaufnahme kann ich mich jetzt nicht erinnern.) Viele Außenszenen sind sogar so fotografiert, dass nur im unteren Drittel die Person zu sehen ist, der obere Teil machen die Häuser und der Himmel aus. Das ist ziemlich interessant, da man zwar (mit Widescreen) eine solche Inszenierung "in der Breite" gewohnt ist, das "in der Höhe" aber recht ungewöhnlich ist (zumindest für meine Augen). Und auf einem Fernsehgerät verliert man da die Figuren manchmal.

Magical History Tour Tokio Period Piece Samurai Suizid