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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0



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DER KNOCHENMANN (Wolfgang Murnberger/AUT 2009)


"Des is moi Privatsach'. Gehen's jetzt."

Der Knochenmann ~ AUT 2009
Directed By: Wolfgang Murnberger

Brenner (Josef Hader), durch Bertis (Simon Schwarz) Hilfe nunmehr tätig als Inkasso-Beauftragter für eine Auto-Leasing-Firma, soll in der Provinz einen gewissen Alexander Horvath ausfindig machen, der die letzten Raten für seinen Beetle nicht bezahlt hat. Im Wirtshaus "Löschenhof", das von dem freundlichen, aber bärbeißigen Wirt Löschenkohl (Josef Bierbichler) betrieben wird, endet die Spur betreffs Horvath zwar abrupt, dafür ergeben sich jedoch neue Fährten. Löschenkohls Sohn Pauli (Christoph Luser), der seinem Vater eifersüchtig das Gasthaus streitig macht, will unbedingt herausfinden, wohin immer wieder große Beträge vom Hauskonto verschwinden. Brenner verkuckt sich derweil in Paulis Frau Birgit (Birgit Minichmayr) und soll dem alten Löschenkohl urplötzlich helfen, die Zwangsprostituierte Valeria (Dorka Gryllus) über die slowakische Grenze nach Österreich zu schaffen. Den Alten umwittern derweil noch sehr viel dunklere Geheimnisse...

Mit "Der Knochenmann", dem dritten Teil der just zur Tetralogie angewachsenen Kino-Reihe um den Privatschnüffler Brenner, erreicht die Reihe ihren bisherigen Höhepunkt. Wo bereits "Silentium!" einen recht heftigen Kurswechsel aufzeigte, indem er sich in Auslegung und Gestus deutlich derber gestaltete als der Erstling "Komm, süßer Tod", wirkt "Der Knochenmann" nochmal eine Spur bitterböser. Hier nämlich ist es, wie der abermals phantastische Off-Kommentator bereits vorab versichert, die Liebe, in all ihren manchmal unfairen, furchtbaren Ausprägungen, die jener tiefschwarzen Geschichte Zucker gibt. Alle lieben sie oder haben Sehnsucht; der Brenner, der alte Löschenkohl, sein Sohn, dessen Frau, die arme Valeria (bezaubernd tragisch: Dorka Gryllus), der Alexander Horvath und sogar der Berti, der es irgendwie gar nicht fassen kann. Doch es gibt nichts umsonst im verschneiten, österreichischen Grenzgebiet: Um seine Angebete aus dem slowakischen Puff herausholen zu können, wird Löschenkohl Senior (Bierbichler erinnerte mich, wie überhaupt die gesamte Koloratur des Films, ein bisschen an seine Rolle in und gemeinhin an Tykwers eisigen "Winterschläfer") zum unaufhaltsamen, hackebeilschwingenden Serienmörder, den eine Leiche mehr oder weniger kaum schert, nicht allein, weil er die Grenze einmal überschritten hat, sondern fürderhin aufgrund seiner formidablen "Entsorgungsmöglichkeiten" (welche er, mahnt ahnt es, wohl noch weiter perfektionieren würde, käme ihm der Brenner nicht irgendwann drauf).
Bierbichler präsentiert sich hier als entfernter, österreichischer Verwandter der texanischen Sawyers, der nicht nur seine Knochenmühle auf Dauerbetrieb hält, sondern dem Brenner zwischendurch auch mal ein zartes Zuhälter-Gulasch serviert, das dieser genüssich vertilgt. Komm, böser Tod!

10/10

Wolfgang Murnberger Wolf Haas Brenner Wien Hotel Prostitution Slowakei Bratislava Vater & Sohn Österreich


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THE NAKED GUN: FROM THE FILES OF POLICE SQUAD! (David Zucker/USA 1988)


"How about that?"

The Naked Gun: From The Files Of Police Squad! (Die nackte Kanone) ~ USA 1988
Directed By: David Zucker

Nachdem Lt. Frank Drebin (Leslie Nielsen) von der Spezialeinheit bei einem Außeneinsatz in Beirut einer antiimperialistischen Verschwörung sämtlicher bösen Achsenmächte die Luft herausgelassen hat, wartet daheim in Los Angeles bereits der nächste Fall auf ihn: Franks Kollege Nordberg (O.J. Simpson) ist bei einem Undercover-Einsatz schwer verletzt worden. Hinter dem Anschlag steckt der millionenschwere Geschäftsmann Vincent Ludwig (Ricardo Montalban), der ein Gerät entwickelt hat, mit dem jeder harmlose Bürger zum ferngesteuerten Attentäter werden kann. Ausgerechnet die britische Königin (Jeanette Charles), die gerade auf Besuch in L.A. ist, soll während eines Baseball-Spiels ermordet werden.

Sechs Jahre nach einem halben Dutzend halbstündiger Einsätze in der vom ZAZ-Team mitentwickelten Minireihe "Police Squad!" kehrte deren beliebte Hauptfigur Frank Drebin, von Leslie Nielsen bei stets perfekt sitzender Gewandung und - aller Idiotie und Inkompetenz zum Trotze - unschlagbarem Selbstbewusstsein meisterhaft dargeboten via Großleinwand zurück. Wie zuvor bereits bei "Airplane!" und "Top Secret!" basierte das Konzept von "The Naked Gun" primär darauf, durch scheinbar völlig anarchische, chaotische Gags in höchstmöglicher Frequenz insgeheim eine straighte Struktur zu schaffen. Anders als bei herkömmlichen Komödien sind der humoristischen Bandbreite des Scripts dabei keine Grenzen gesetzt - die Witzkavalkade reicht von infantil bis brillant, von zotig bis subtil, von Situations- über Dialoghumor, von laut bis schallend.
Als besonders signifikant empfand ich dabei immer, dass die besonders offensichtlich arrangierten Gags, von denen es Dutzende gibt und viele beim Massenpublikum zu beliebten Klassikern avancierten, dem Test der Zeit tatsächlich gar nicht recht standzuhalten vermochten. Andere indes - und glücklicherweise das Gros der Gesamtheit - entfalten auch nach dutzendfacher Betrachtung noch immer ihre brachiale Komik. Das letzte Viertel, das sich ganz auf das Baseball-Spiel konzentriert, bei dem der Held den unbekannten Meuchelmörder dingfest machen muss, läuft schließlich zur absoluten Hochform auf: zur Untermalung eines Randy-Newman-Songs ("I Love L.A.") tastet der weder im Text der Nationalhymne noch betreffs der Baseball-Regeln versierte Drebin sämtliche Spieler und Schiedsrichter ab, derweil im Publikum eklige Snacks serviert werden. Ricardo Montalbans Ableben mitsamt Dampfwalze und Tambourkorps (der "Louie, Louie" spielt), rundet das Ganze ab. Die Lachquote erhöht sich hier ins Unermessliche und glücklicherweise hatten ZAZ den Mut, bei aller Kürze des Films ihrem Publikum nicht noch mehr Lachkrämpfe zumuten zu wollen. Die Gefahr multipler Zwerchfellentzündungen wäre unabwendbar gewesen.

9/10

David Zucker Jim Abrahams Jerry Zucker ZAZ Parodie Hommage Los Angeles Satire


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LIBERTY HEIGHTS (Barry Levinson/USA 1999)


"You don't walk out on Sinatra, sir."

Liberty Heights ~ USA 1999
Directed By: Barry Levinson

Baltimore, 1954: Während die gesellschaftliche Öffnung in Rassenfragen zwar auf dem Papier präsent ist, vollzieht sie sich in der Realität nur höchst gemächlich. Die beiden Brüder Van (Adrien Brody) und Ben Kurtzman (Ben Foster) leben im jüdischen Viertel Liberty Heights und finden sich von den "Anderen" in ihrem Alter nur schwerlich akzeptiert. Besonders ihre jeweils große Liebe erweist sich als nicht unproblematisch: Während Van sich in die aus schwerreichem Hause stammende, divaeske Dubbie (Carolyn Murphy) verkuckt, bendelt Murphy mit seiner farbigen Klassenkameradin Dylvia (Rebekah Johnson) an. Hinzu kommt die Liebäugelei von Kurtzman Sr. mit mafiösen Aktivitäten, die der Familie einigen Trubel beschert.

Im vierten und (bislang?) letzten Film seiner "Baltimore-Tetralogie" beweist Levinson wie kaum ein anderer gegenwärtig aktiver US-Regisseur vor allem Eines: Dass er stets dann am Besten ist, wenn das Thema seiner Arbeit ein persönliches, ihn selbst involvierendes ist. Familie, Geschwister, Freundschaft, der alltägliche, wechselseitige Rassismus, Generationskonflikt, Coming of Age und ein wenig Halbwelt-Romantik fließen ein in die anekdotenhafte Erzählweise von "Liberty Heights", der als schönes, sehr geschlossenes Stück über das Erwachsenwerden reüssiert. Manchmal urkomisch, dann und wann dramatisch und vor allem nostalgisch verklärt wandelt Levinson geradezu traumwandlerisch sicher durch dieses kleine Stück Fünfziger-Jahre-Romantik, das die uneingelösten Versprechen von Levinsons letzten Filmen, bei denen er sich spürbar unbehaglicher gefühlt haben dürfte, vielfach wieder wettmacht.
Ob es für oder gegen einen Regisseur spricht, dass er seinen Zenit nur dann erreicht, wenn das Sujet ihn wirklich anspornt, mag diskutabel sein. Immerhin stößt man so mehr oder weniger regelmäßig auf kleine Goldadern beim Schürfen.

8/10

Barry Levinson Baltimore period piece Brüder Familie Coming of Age amour fou Rassismus ethnics


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THE STORY OF RUTH (Henry Koster/USA 1960)


"Where are His blessings?" - "You are one of them."

The Story Of Ruth (Das Buch Ruth) ~ USA 1960
Directed By: Henry Koster

Um 1000 v. Chr.: Die moabitische Priesterin Ruth (Elana Eden) ist im strengen Glauben an den Gott Kemosch erzogen worden, dem regelmäßig kleine Mädchen geopfert werden und der den reichen Führungsriege im Lande als Götzenbild dient. Als Ruth den Judäer Mahlon (Tom Tryon) kennenlernt, der ihr von seinem christlichen Gott berichtet, beginnt sie an Kemosch zu zweifeln und stört schließlich die Opferung der von ihr schwesterlich geliebten Tebah (Daphne Einhorn). Daraufhin wird Mahlon zur Arbeit im Steinbruch verdonnert und Ruth zur Besinnung ihrer selbst ins Gefängnis gesteckt. Nach ihrer Entlassung sorgt sie für Mahlons Flucht, doch der Unglückliche wird tödlich verwundet. Zusammen mit Mahlons Mutter Naomi (Peggy Wood) erreicht Ruth schließlich Judäa, wo sie den Grundbesitzer Boaz (Stuart Whitman) kennenlernt, der die Moabiter hasst. Nun ist es an Ruth, einen anderen Menschen zur Besinnung zu bringen und zur Toleranz zu erziehen, über viele Hindernisse hinweg.

Sieben Jahre nach "The Robe" noch ein koster'scher Bibelschinken für die diesbezüglich spezialisierte Fox, diesmal alttestamentarisch gewichtet, jedoch nicht weniger bunt, breit und pathetisch als das Vorbild. Populärere Stars bleiben in "The Story Of Ruth" Mangelware; den bekanntesten Namen stellt bezeichnenderweise Stuart Whitman und die Titelrolle spielt die zuvor gänzlich uneschriebene, israelische Bühnenaktrice Elana Eden, die dem Filmgeschäft danach ganz schnell wieder den Rücken kehrte.
Wie die meisten hollywood'schen Bibel-Adaptionen ist auch "The Story Of Ruth" unglaublich campy und geradezu perfid in seiner vordergründigen Anpreisung des Christentums: Die wesentlich buntere, interessantere weil verruchtere Gottheit wohnt nämlich jenseits des Jordan, in Moab, wo das Gold glänzt, der Prunk prunkt und alte, glatzköpfige Männer junge Mädchen für ihr Vergnügen züchten. Wie langweilig und spießig muten dagegen die Judäaer an, die sich mit kargen, staubigen Ähren begnügen müssen, ihre Nachbarn in Verruf bringen und im Grunde doch kaum minder abergläubisch und blutrünstig sind als ihr Nachbarvolk, nur, dass hier alles unter dem Deckmäntelchen bescheidener Sittsamkeit gärt.
Dabei sind auch die Judäer am Glücklichsten, wenn sie einen Sündenbock steinigen können oder Feste mit Wein, folkloristischem Tanz und willigen Mädchen feiern können. Ob Koster sich jener ambivalenten Dimension seines Films bewusst war, weiß ich nicht. Falls ja, gebührt ihm allerhöchstes Lob. falls nicht, bewies er zumindest unterschwellig ein bravouröses Gespür für die Ausstellung krankhafter Bigotterie.

7/10

Henry Koster Bibel Israel Camp period piece


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DÉSIRÉE (Henry Koster/USA 1954)


"Don't worry, no one's going to pull up my skirts and look!"

Désirée ~ USA 1954
Directed By: Henry Koster

1794 erscheinen der junge Korse Napoleon Bonaparte (Marlon Brando) und sein Bruder Joseph (Cameron Mitchell), wo sie die Schneiderfamilie Clary kennenlernen. Deren jüngste Tochter Désirée (Jean Simmons) verliebt sich heftig in den ebenso exzentrischen wie zielstrebigen Napoleon, der sich anschikt, die Ideale der Revolution in ganz Europa zu verbreiten. Nachdem Napoleon nach Paris abgereist ist und lange nichts von sich hören lässt, reist Désirée im besorgt nach. Zu ihrem Entsetzen muss sie vor Ort feststellen, dass Napoleon mittlerweile seine Hand bereits der gesellschaftlich etablierten Josephine de Beauharnais (Merle Oberon) angetragen hat. Während Napoleons Aufstieg unaufhaltsam voranschreitet, finde Désirée Trost in den Armen des Hofmarschalls Bernadotte (Michael Rennie). Doch Napoleons Liebe zu der einst aus strategischen Gründen Verschmähten versiegt nie ganz. Désirée findet jedoch ihr Glück an der Seite ihres Mannes, der als gewählter König von Schweden schließlich zu einem der Todfeinde und Besieger Napoleons avanciert. Sein endgültiges Exil auf St. Helena tritt Napoleon erst an, nachdem Désirée ein letztes Mal mit ihm zusammentrifft.

Ein edler Schmachtfetzen, der nach "The Robe" neuerlich Henry Kosters Kunst im Umgang mit dem noch jungen CinemaScope-Format demonstriert. Neben den exquisiten Kostümen und Interieurs gestalten sich somit vor allem Bildgestaltung und Kadrage als veritabler Augenschmaus. Im betonten Verzicht darauf, eine Napoleon-Biographie oder gar ein Schlachtengemälde zu präsentieren, weichen sowohl der stets aus verdunkelten Augen linsende Brando als auch jedwede eventuelle Form gewaltigen Aktionismus' aus der Dramaturgie des Films, der seinem Titel gemäß tatsächlich um eine Charakterstudie seiner liebenswerten Titelfigur bemüht bleibt. Wenngleich die rund 21 erzählte Jahre umfassende Geschichte um Désirée Clary eng mit Aufstieg und Fall des sich selbst krönenden Imperators verwoben ist, tritt dieser trotz unentwegter Omnipräsenz ("Désirée" lässt keinen Zweifel daran, dass dieser kleine Mann und sein gigantisches Ego die gesamte Ära in außerodentlichem Maße prägen) gewissermaßen in den personellen Hintergrund. Gerade dieser bewusste Verzicht auf eine Exponierung seiner Person verleihen "Désirée" eine für den hollywoodschen Kostümfilm jener Jahre ungewohnte Zurückhaltung und Intimität. Umso höher ist er, mancher Klischeefalle zum Trotz, als eigenständiges Stück Kino ein- und wertzuschätzen.

8/10

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DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Dominik Graf/D, AU, CH 2014)


"Sie haben die falsche Schöne begrüßt."

Die geliebten Schwestern ~ D/AU/CH 2014
Directed By: Dominik Graf

1788 begegnet der junge Friedrich Schiller (Florian Stetter) in Weimar erstmals seine zukünftige Gattin Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius), die gerade in Erziehungsfragen bei der Familienfreundin Charlotte von Stein (Maja Maranov) weilt. Bei einem späteren Besuch in ihrer Heimat Rudolstadt lernt Schiller dann auch Charlotte ältere, bereits in einer "Vernunftehe" situierte Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) kennen und verliebt sich gleichermaßen in sie. Die Dreiecksbeziehung hält sich zunächst und bleibt selbst über Schillers Eheschließung mit Charlotte hinaus beständig. Als das Paar jedoch das erste Kind zur Welt bringt, kommt es zwischen den Schwestern zum Zerwürfnis, zumal offenbar bald auch Caroline ein Kind von Schiller erwartet. Erst wenige Monate vor dem Tod des großen Dichters findet die Familie wieder zusammen.

Mutter von Lengefeld (Claudia Messner) und ihre beiden Töchter waren, so suggeriert der Film mit der Stimme des Freundes Wilhelm von Wolzogen (Ronald Zehrfeld), ein familiär verwurzeltes Frauen-Triumvirat, das lebte, um seine Männer zu überleben. Am Ende, nach rund sechzehn Jahren erzählter Zeit, ist die Ausgangslage wieder erreicht: Die drei Frauen sind mitsamt ihren mittlerweile geborenen Kindern wieder zurück in die feimistische Dreieinigkeit zurückgekehrt. Ohne sich allzu sklavisch an historische Fakten zu klammern - auktoriale Kommentare zum zeitlich komprimierten Werdegang der Protagonisten streut Graf selbst in regelmäßigen Abständen ein - interessiert sich der Regisseur vor allem für das aufklärerisch gefärbte Leben der beiden Schwestern von Lengefeld: Beide verweigern sich den recht streng gefassten, gesellschaftlichen Konventionen und Normen von Stand und Zeit; besonders Caroline schwelgt in selbstgewählter Promiskuität und persönlichen Lebensentscheidungen. Sie schreibt erfolgreich einen Fortsetzungsroman unter Pseudonym, bringt ihr uneheliches Kind zur Welt und ringt die Scheidung von ihrem ersten, ungeliebten Ehemann von Beulwitz (Andreas Pietschmann), den sie dereinst lediglich heiratete, um den Tod des Vaters wirtschaftlich abzufedern.
Graf gelingt somit ein ansehnliches Zeit- und Sittengemälde mit einigen charmanten Regieeinfällen, das in seiner präferierten Schnittfassung eine stattliche Laufzeit erreicht. Dennoch muss ich den "geliebten Schwestern" bescheinigen, die immanente Spannung vieler in den letzten Jahren vornehmlich fürs Fernsehen und dazumal auch fürs Kino entstandenen Werke nicht zu erreichen. Dafür ist der Film dann hier und da vielleicht doch zu gesetzt, etwas zu zufrieden mit sich selbst.

7/10

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SHORT CUTS (Robert Altman/USA 1993)


"That was a 35 dollar belt!"

Short Cuts ~ USA 1993
Directed By: Robert Altman

L.A. Stories: Fliegengift, Dysfunktionale Beziehungen,Gleichgültigkeit, Spießertum, Lügen, Betrug, Eigennutz, Unfähigkeit zu Empathie und/oder Lebensrevision, Überreaktionen, Liebe, Hass und Tod.

Wie im vorhergehden Eintrag zu "Grand Canyon" erwähnt, nicht nur ein companion piece zu selbigem, sondern zugleich dessen contradiction piece. Wo uns Kasdan noch hoffnungsvolle Wege aus dem allumfassenden, südkalifornischen Existenzelend aufzeigt, bringt Altman alles in einer von mehreren großartigen, von Annie Ross gesungenen Jazzballaden auf den Punkt: "I'm a prisoner of life".
"Short Cuts" ist ein manchmal absurd komisches, manchmal todtrauriges Präludium zum zivilisatorischen Armageddon: Die Geschichten sind nicht meta-existenziell, symbolisch oder gar exemplarisch angelegt wie bei Kasdan, sie sind Momentaufnahmen stinknormaler Alltagsereignisse. Zwar befinden mehrere der auftretenden Protagonisten sich wahlweise an der Schwelle zur Psychose, haben diese bereits überschritten oder können sich gerade noch davor retten, doch auch das kommentiert der bereits reife Altman mit dem ihm eigenen, sarkastischen Achselzucken. Es ist, wie es ist und daran ändert sowieso keiner etwas. Möglicherweise schlägt auch bloß die widerwillig planierte, planquadrierte Natur zurück: Das nächtens über der Stadt verteilte Anti-Fruchtfliegengift scheint wenig förderlich für Kontaktpersonen zu sein; die Sommerhitze tut ihr Übriges, ein Erdbeben kündigt sich durch humane Aggressionsentladungen an. So wirklich identifikationstauglich - der vielleicht größte Kniff des Films auf emotionaler Ebene - ist keiner der sich immer wieder wechselseitig begegnenden Handlungsträger. Alle machen gleich mehrere elementare Fehler, vergessen Moral und Ratio und zerbrechen womöglich daran. Am exemplarischsten für die allseitige, mitunter in pures Grauen umkippende Narretei ist vielleicht Tim Robbins' Figur des Motorradpolizisten Gene Shepard: Der Mann ist ein komplettverschnürtes Ekelpaket, er lügt, betrügt, nutzt seine berufliche Position auf das Unangenehmste aus, ist inkonsequent wie ein Kleinkind und macht alles falsch, was er nur falsch machen kann. "Short Cuts" hat mich bei der gestrigen Betrachtung so sehr mitgerissen, dass ich nach dem Film selbst vorübergehend das schwindlerische Gefühl hatte, nurmehr durch eine schwenkende "Altman-Linse" zu blicken.
Ein irrsinniger, monströser Film von bleibendem Wert, ein großes Meisterwerk seines Regisseurs und überhaupt.

10*/10

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HIGH SPIRITS (Neil Jordan/UK, USA 1988)


"This is not easy, this is very, very difficult!"

High Spirits ~ UK/USA 1988
Directed By: Neil Jordan

Der versoffene Burgerbe Peter Plunkett (Peter O'Toole) hat alle Hände voll damit zu tun, sein modriges, irisches Erbgut vor einem Verkauf nach Malibu zu retten. Um sich neue Touristenschichten zu erschließen, staffiert er mit seinen Angestellten Plunkett Castle zu einem Spukschloss um, wobei jeder einen bestimmten Geisterpart zu erfüllen hat. Was weder Plunkett noch die bereits herannahenden US-Urlauber ahnen: Auf Schloss Plunkett spukt es wirklich und die beiden über 200 Jahre alten Gespenster Mary (Daryl Hannah) und Martin (Liam Neeson) langweilen sich ob ihres sich allnächtlich wiederholenden Beziehungsdramas buchstäblich zu Tode. Trefflich ergo, dass mit Jack (Steve Guttenberg) und Sharon (Beverly D'Angelo) ein lebendes Pärchen anreist, dem es keinen Deut besser geht...

Wie Neil Jordan seine Gespensterkomödie stets lustvoll an der Beinahekatastrophe vorbeiinszeniert und aus einer potenziellen Gurke dann doch noch eine schönes Grusical mit viel Herz fertigt, das schaut man sich gern an. "High Spirits" hätte nämlich, mit einem unambitionierten, sprich: "falschen" Regisseur an der Hand, auch völlig in die Hose gehen können. Das überaus eigenwillige Script steckt nämlich voller entsprechender Stolpersteine, die Jordan jedoch durchweg bravourös umschifft. Dabei bleibt alles recht moderat und unübertrieben: Der Chaoshumor des Stücks, die Phantastik, die Romantik. Peter O'Toole war bei diversen Auftritten wohl wirklich ziemlich blau, schlingert aber ebenso cool wie souverän durch den Film. Die übrigen Darsteller, eine sehr feine Besetzung nebenbei, geben durch die Bank Vollgas und sind gut wie selten. Besonders Liam Neeson als furzender, dauergeiler Geist ist urkomisch.
Ich war ja als Dreizehnjähriger mal schwerstens in Daryl Hannah verliebt und habe mir "High Spirits" (ebenso wie ihre anderen bis dato verfügbaren Sachen) entsprechend häufig angeschaut. Heuer kann ich konstatieren: In diesem Falle war die Zeit nicht verschwendet.

8/10

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FRIDA (Julie Taymor/USA, CA, MEX 2002)


"I just want your serious opinion."

Frida ~ USA/CA/MEX 2002
Directed By: Julie Taymor

Nach einem fast tödlich verlaufenen Busunfall lernt die junge Mexikanerin Frida Kahlo (Salma Hayek) während ihrer langen, qualvollen Genesung, ihre Emotionen in Zeichnungen und Malerei zu kanalisieren. Kurz darauf lernt sie den von ihr insgeheim bereits länger bewunderten Künstler Diego Rivera (Alfred Molina) kennen. Neben ihrer politischen Aktivität als Kommunisten lernt sich das ungleiche Paar bald lieben und übersteht einige schwere Krisen, doch Diegos stete Promiskuität, deren Gipfel sich in einer Liebesnacht mit Fridas Schwester Christina (Mía Maestro) manifestiert, treibt sie wieder fort von ihm. Als Frida und Diego dem flüchtigen Leo Trotzki (Geoffrey Rush) Schutz und Asyl gewähren, finden sie wieder zueinander und heiraten ein zweites Mal. Doch Fridas Gesundheit verschlechtert sich zusehends...

Ich fand Julie Taymors Biopic schon immer ganz wunderbar, besonders, weil es solch ein immenses Savoir-vivre versprüht und mit Salma Hayek und Alfred Molina zwei wahrhaft leidenschaftlich aufspielende Hauptdarsteller vorweist, die es in dieser Kombination scheinbar mühelos vermochten, bereits einen ganzen Film allein zu tragen. Hinzu kommt, qua krönender Höhepunkt, Taymors nicht minder fabelhafte Art (im ursprünglichen Wortsinne) der Inszenierung, die mittels kraftvoller Farbgebung und vor allem etlicher wunderschön arrangierter tableaux vivants Fridas ebenso zärtliche wie niederschmetternde Kunst zu filmischem Leben erweckt. Wenngleich auch hierin Vieles nicht immer streng authentisch wiedergegeben wird, so begreift man doch die Motivation der Titelfigur, zweifelsohne einer der größten Frauen des 20. Jahrhunderts, ihr Leben so zu gestalten und zu pflegen, wie sie es tat. Frida Kahlo musste so viele furchtbare Niederschläge hinnehmen, darunter jenen entsetzlichen Unfall im Alter von nur 18 Jahren, der ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen wird: nahezu omnipräsente Schmerzen, Fehlgeburten, später die Amputation eines Unterschenkels sind die un- und mittelbaren Folgen; dazu Diegos unsteter Lebenswandel, der ihr gleich mehrfach das Herz bricht, dass man nur voller Bewunderung sein kann für die scheinbar unerschöpfliche Stärke, mit der diese Frau ihre gleichfalls viel zu kurze Biographie beschritt.

10/10

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