This is not an exit
#121
Geschrieben 23. Dezember 2004, 09:09
Cruisin' and playin' the radio
with no particular place to go.
Ridin' along in my automobile
I'm anxious to tell her the way I feel“
(Chuck Berry - No Particular Place To Go)
Dog og nat - Der letzte Tag, die letzte Nacht
(23.11.2004 - Filmfestival)
Der Vorspann beginnt, wie der letzte Film geendet hatte. Die neonfarbenen Lettern, die das Cast benennen und die beswingte Musik von Chuck Berry könnten falsche Assoziationen wecken. Doch bereits bei einem näheren Blick auf den Text des Songs deutet sich eine andere Grundstimmung an. Die ersten Texteinblendungen und die Stimme des Off-Erzählers bringen schließlich Gewissheit: „Für unzählige Menschen war der 9. September 2003 ein Tag wie jeder andere. Doch für eine Person war dies ein ganz besonderer Tag – Thomas Ekman hat sich an diesem Tag umgebracht...“ Von Anfang an steht der Ausgang des Films als unausweichliche Konsequenz fest... – und trotzdem wird die Endsequenz erschüttern.
Genauso wie das Ende ist auch die Handlung vorgezeichnet und begrenzt. Die Kamera ist ausschließlich im Auto des Protagonisten positioniert, bietet dem Zuschauer nur zwei Perspektiven. Einmal den Blick auf den Fahrer, und einmal auf dessen Beifahrer: Diese wechseln im Laufe des Films, einer nach dem anderen nimmt an Thomas Seite Platz. Keiner von ihnen weiß, dass er sich das Leben nehmen will, sie alle wissen nicht, dass er sich von ihnen allen verabschieden will... Trotz der Unterhaltungen findet selten ein wirklicher Dialog statt – die Gesprächspartner flüchten sich in Vergessen in Wut oder Resignation. Erst mit derjenigen, die eigentlich nur stiller Zuhörer sein soll, entsteht ein letztes Zwiegespräch...
Machmal hat mich „Dog og Nat“ an „Mein Leben ohne mich“ erinnert, doch fehlt hier im Gegensatz dazu jeglicher Optimismus und auch eine lebensbejahende Stimmung wird sich hier lange nicht entfalten – düster, alleine, kalt und unausweichlich naht unaufhaltsam das Ende. Simon Staho inszeniert ein Roadmovie und ein Kammerspiel zugleich. Schuss – Gegenschuss, mehr gibt es nicht. Mehr braucht es aber auch gar nicht. Die statische Kamera bleibt unbewegt und fängt unverfälscht die Emotionen und die Angst ein, die sich alleine im Gesicht des „brillanten Schauspielers Mikael Persbrandt“ abzeichnet. „Day and Night“ – Meine persönliche Top 1 des diesjährigen Festivals. Ganz grandioses Kino aus Dänemark. Ich verweise euphorisch auf den Trailer: http://www.dagognat.com/
"Day and Night" is about people that love and want to be loved. It's the story of a father, his young son, his unfaithful wife, her secret lover, his young mistress, his lonely sister, his forgetful mother, a fanatic football coach, a pregnant whore and an angel disguised as an old man. They are all looking for the answer to the same question: "If love is the answer – what is the question?".(1)
(1) http://www.dfi.dk/df...films/15894.htm
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#122
Geschrieben 24. Dezember 2004, 12:48
(26.11.2004 - Filmfestival)
...das war in der Tat sehr bitter.
Fünf Freunde fahren raus aufs Land, um Urlaub zu machen. Jedoch treten dabei allerhand zwischenmenschliche Komplikationen auf. So kommt es, dass sich die Protagonisten in diesem Film entweder anschreien, Sex haben, oder sich gegenseitig Kaffee überschütten. Viel mehr hat der Film dann auch nicht zu bieten. Was hier über die Leinwand flimmert ist weder lustig noch emotional – im besten Fall ist es ab und an einfach nur unrealistisch und naiv. Ich rate ab und greife lieber zu einer Tasse Tee.
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#123
Geschrieben 24. Dezember 2004, 13:06
Nuan
(24.11.2004 und 25.11.2004 - Filmfestival)
Bereits mit dem ersten Kameraschwenk nimmt sich der Regisseur Jianqi Huo sehr viel Zeit. In beinahe quälender Langsamkeit schweift der Blick der Kamera über das chinesische Hochland – lässt den Zuschauer in eine atemberaubende, fremdartige und zugleich wunderschöne Landschaft eintauchen, bis der Bildausschnitt plötzlich auf einem staubigen Feldweg zum endgültigen Stillstand kommt. Und mit gleich bleibender, nahezu stoischer Ruhe radelt dort Protagonist Jinghe durch das Bild. Seine Stimme ist es auch, die wir als erstes vernehmen. Als Off-Erzähler erzählt er, warum er nach langer Zeit in sein Heimatdorf zurück kommt: Vor zehn Jahren verließ Jinghe sein Dorf in der chinesischen Provinz um in Shanghai zu studieren. Seine Jugendliebe Nuan ließ er zurück. Als er nun zu Besuch nach Hause zurückkehrt, trifft er sie wieder.... und muss sich alten Erinnerungen und Gefühlen stellen.
Die Geschichte an sich, die „Nuan“ erzählt ist einfach und klassisch: Die erste Liebe, falsche Entscheidungen, und Erinnerungen - manche würden sagen, das sei schmalzig und klischeebehaftet – ich finde es einfach nur schön. Jianqi Huo untermauert dieses Gefühl durch die Farbtramaturgie der Inszenierung: Wie seine Kollegen Zhang Yimou und Chen Kaige taucht auch er Erinnerungen in gold-gelbes Licht und in warme, pastellfarbene Töne – Kontrastiert das Hier-und-Jetzt mit einem kalten, blau-grauen Spektrum. Ein wesentliches, kontinuierliches, bindendes Element bei diesem Vor- und Zurückspringen in der Zeit, und damit in der wechselnden optischen Umsetzung ist die Musik, die mit leicht variierten Themen immer wieder den Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart spannen kann. „Jianqi Huo gelang mit seinem zweiten langen Spielfilm ein wunderschöner, bittersüß-melancholischer Film über die Kraft der Liebe, das stille Pathos der Dinge und die Poesie der Landschaft als Metapher für innere Welten.“
„Adapted from famed writer Mo Yan's novel "The White Dog and the Swing", Nuan won The Best Film Award at the Tokyo International Film Festival last year. While a critical success, this subtle and insightful film hasn't fared well at the domestic box office – unfortunately the fate of many if not most of China's small-budget art films.“ (http://www.china.org.../film/95789.htm)
Und auch ich bin platt, und kann/will meine Begeisterung kaum in Worte fassen – dazu bedarf es einer dritten Sichtung. Innerhalb von 24 Stunden habe ich diesen Film gleich zweimal gesehen, und das trotz des engen Festival-Kalenders – Das will was heißen. Ich glaube, ich habe mich ein wenig in diesen Film verliebt: Top! Ich begebe mich jetzt ganz schnell auf die Suche nach weiteren Filmen von Jianqi Huo.
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#124
Geschrieben 26. Dezember 2004, 14:02
(26.11.2004 - Filmfestival)
Drogenkonsum und das Leben auf der Straße – Thematiken, die in regelmäßigen Abständen ihren Weg auf die Leinwand finden. Tragisch sind die Umsetzungen immer, erschütternd oft – richtig „fertig“ machen jedoch die wenigsten. Die Filme, die das schaffen, erreichen das auf unterschiedlichste Weise. „Trainspotting“ z.B aufgrund des überzogenen, grotesken Humors, „Requiem for a Dream“ durch die schockierende, stakkatohafte Sogwirkung der Bilder, und eben „On the Corner“ durch die ungeschönte Darstellung der Realität. Nathaniel Geary verzichtet auf optische Raffinessen – stattdessen lässt er das Millieu, die Straße für sich sprechen.
Randy läuft von Zuhause weg – genauso wie es Jahre zuvor bereits seine Schwester getan hatte. Bei dieser sucht er nun Unterschlupf. In einem schäbigen Motel in Vancouver. Doch anstatt davon gelaufen zu sein, gerät er hier nur noch mehr an den Rande des Abgrunds. – Randy droht genauso zu enden wie seine Schwester: Als drogensüchtiger Stricher, der sich selbst für den Kick verkauft, sein Leben wegwirft...
Glücklicherweise erhebt Nathaniel Geary niemals den moralischen Zeigefinger – die, durch die äußerst kurze Exposition erklärte Ausgangslage lässt von Anfang an kaum Hoffnung: die Bilder einer schonungslosen, ausweglosen Realität, eines Lebens am Rande der Gesellschaft lassen wenig Platz für Träumereien oder Hoffnungen auf ein Happy End. Trotzdem erwische ich mich mehrmals dabei, wie ich immer wieder krampfhaft nach eben einem solchen suche. Einen Ausweg suche, stellvertretend für die gescheiterten Existenzen. Trotzdem bin ich um so mehr „erleichtert“, dass sich der Film bis zum Ende treu bleibt und eben nicht solch eine einfache Lösung bietet. „On the corner“ ist ein aufrüttelnder Film – realistisch, schonungslos, „mittendrinn statt nur dabei“ und trotzdem niemals voyeuristisch. Er erzeugt zwar nicht die körperliche Angespanntheit und Ausgelaugtheit wie „Requiem for a Dream“, geht aber dennoch an die Nieren. Hauptsächlich ein „Verdienst“ der realistischen Inszenierung und der grandiosen Darsteller.
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#125
Geschrieben 26. Dezember 2004, 14:06
(26.11.2004 - Filmfestival)
Die heutige Welt geht schnurstracks ihrem Verderben entgegen. Man müsse Auswege und neue Perspektiven zeugen. So ungefähr die Worte des Regisseurs vor dem Film. – Hätte er diese Worte besser nicht vorangestellt. An Banalität und Einfallslosigkeit ist dieses Werk nämlich kaum zu überbieten. Innovativ scheint einzig und alleine die Entstehungsgeschichte. Überall auf der Welt haben – aufgefordert über das Internet – Regisseure Beiträge realisiert. Da gibt es die Episode aus Spanien, in der die Menschen wie Figuren in einem PC-Spiel agieren und ihre Energie und Gefühlszustände über Balkendiagramme visualisiert werden. Oder die Episode aus Indien, in der es um nichts weiter geht als dass eine junge Frau ein Zimmer sucht und bei einem Bollywood-Casting vorspricht. Oder die Folge aus Amerika, bei der eine Business-Woman am Flughafen ihr Handy verliert...
Alle diese Episoden wurden schließlich von Pietro Jona zusammengefügt. Und zwar in unkoordinierter und – so scheint es – zufälliger Reihenfolge, dazu noch in einer rasenden Geschwindigkeit, dass mir der Gedanke kam dieses Stilmittel wurde nur eingesetzt, um die miserable Qualität und Belanglosigkeit der Episoden zu vertuschen...
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#126
Geschrieben 27. Dezember 2004, 13:05
Hitlers Hitparade
(27.11.2004 - Filmfestival)
„Was bewegt dein Herz?“ - Tausende Deutsche lenkten sich während der Zeit des dritten Reichs mit diesen schmalzigen Zeilen, und anderen Schlagern von der grausamen Realität ab.
Dieses Verhalten, dem weniger Schönen, Bedrohlichen oder Gefährlichen keine Beachtung zu schenken ist eine überaus menschliche Reaktion. Sich in unbeschwerte Scheinwelten flüchten ist nun mal angenehmer und leichter, als sich der Realität zu stellen.
Kein Wunder, dass sich Hitler – genauso wie jedes andere diktatorische Regime – gerne den Mitteln der Propaganda bedient: Die Menschen werden mit Schlager-Revuen und dauer-grinsenden Comic-Figuren in eine „Heile Welt“ geholt. Und genau das, und nichts anderes macht der Film „Hitlers Hitparade“ auch. Der Zuschauer muss sich schmalzige, deutsche Schlager anhören, unterlegt mit Wochenschau-Sendungen, die sich um nichts weiter drehen als um Liebe, Sonnenschein und „Blühenden Landschaften“. Dabei verzichten Oliver Axer und Susanne Benze auf Kommentare, meist sogar auf suggestive Montage. Sie vertrauen stattdessen vollends auf das Material, das sich in seiner verblendeten, heuchlerischen Kraft-durch-Freude-Mentalität selbst entlarvt. Auch der Zuschauer wird unweigerlich eingelullt. Und erst am Ende – genauso wie in der Realität, so auch im Film – kommt das böse Erwachen. Als die Deutschen von den Alliierten durch die Konzentrationslager geführt werden und den Blick nicht mehr abwenden können, müssen sie sich erneut die Frage stellen: „Was bewegt dein Herz?“ Dann bekommen die dämlich, einlullenden Schlagertexte eine ganz neue Bedeutung, wenn sie verheißen: „Am Ende dieses Frühlings wird nichts mehr sein wie zuvor....“
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#127
Geschrieben 28. Dezember 2004, 14:42
(27.11.2004 – Filmfestival HD)
..ganz nett – schafft es aber nicht mich wirklich zu begeistern.
Warschau, Warschau
(27.11.2004 – Filmfestival HD)
Erinnert an „Nachtgestalten“, ist auch sonst ziemlich gut. Jedoch stört die teils aufgesetzt wirkende Story, die die Stimmung unnötig unterbricht und ihr ein wenig an Kraft raubt.
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#128
Geschrieben 28. Dezember 2004, 14:52
(27.11.2004 – Filmfestival HD)
Zum Schluss des Filmfestivals wird das Sitzfleisch noch mal mächtig beansprucht: Mit „The Corporation“ gönne ich mir am Ende noch mal eine 2-stunden Doku – und die hat es in sich. Zum ersten ist es sehr, sehr schön mal wieder eine Dokumentation zu sehen, die sich zu recht so nennen darf. Hier werden Fakten präsentiert, und keine Polemik...
„Wie einst die Kirche, die Monarchie und die kommunistische Partei, ist die Rechtsform der „Corporation“ die gesellschaftlich dominante Institution“ heißt es zu Beginn. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gilt eine Corporation als juristische Person. Dieses Faktum bewahrt die in ihrem Namen agierenden Geschäftsleute vor finanziellen Verlusten und persönlicher Haftung für Aktionen, die im Namen der Firma getätigt wurden. Mark Achbar und Jennifer Abbott nehmen in ihrem Dokumentarfilm die Rolle der „Corporation“ im internationalen, globalisierten Wirtschaftsleben kritisch unter die Lupe. Dabei ist ihr Werk von A-Z durchstrukturiert und wissenschaftlich untermauert. In einzelne Kapitel eingeteilt, beginnt der Film mit der Definition einer Firma. Da wird zuerst die Lehrbuch-Definition aus dem Lexikon vorgetragen und mit Beispielmaterial verdeutlicht. Es kommen Wissenschaftler vom MIT oder ein Milton Friedman genauso zu Wort wie ein Michael Moore. Positiv fällt mir auf, dass die Interviewten einfach klassisch vor einer schwarzen Wand sitzen und nicht „vor Ort“ besucht werden, der Interviewer nicht zu sehen ist. Trotz der vielen Fakten und Zahlen und dem Verzicht auf Polemik und Suggestion ist das Werk äußerst fesselnd und die 120 Minuten vergehen wie im Flug. Bleibt als Resümee: Nach langer Zeit endlich mal wieder eine klasse Doku im Kino. Und die Diagnose der Macher ist mehr als erschreckend: Die Geschäftsform der „Corporation“ erfüllt alle Kriterien einer psychopatischen Person... (see also: http://www.thecorporation.tv)
Zum Festival:
Weshalb liebe ich Filmfestivals? Unter anderem aus dem gleichen Grund wie Simon Staho (Regisseur von dog og nat): "The blessed and total absence of popcorn, coca cola and trailers for films with flying superhero mutant aliens"
Abschließende Top 4
4) Charon (Japan, 2004)
3) The Corporation (Kanada, 2003)
2) Nuan (China, 2003)
1) Dog og nat (Dänemark, 2004)
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#129
Geschrieben 29. Dezember 2004, 14:42
(21.12.2004 – Cinemaxx MA)
Skrupellose Schurken stehlen aus einem Tempel eines abgelegenen thailändischen Dorfes den Kopf der Buddha-Statue Ong Bak. Das versetzt die Bewohner in Angst und Schrecken, bedeutet diese Entweihung immerhin nicht weniger als das Ende der glücklichen Tage des gesamten Dorfes. – Also wird kurzerhand der kräftigste, geschickteste Kämpfer des Dorfs losgeschickt den abgeschlagenen Kopf zurückzuholen. Natürlich wird er vorher noch von seinem alten, weisen Meister belehrt: Setze deine Kampfkunst niemals aus Profitsucht oder zum Schaden anderer Menschen ein, sondern nur zur Selbstverteidigung. So schafft es der Film tatsächlich die Hintergrundgeschichte, die Legitimation für hemmungsloses Gekloppe und dazu noch die Generalabsolution (umgekehrter Schluss sei dank) zugleich innerhalb der ersten zehn Minuten abzuhandeln bzw. zu erteilen. Das ist klasse, denn dann müssen diese störenden Elemente wenigstens in den nächsten 100 Minuten nicht mehr auftauchen – tun sie auch nicht. Stattdessen jagt ein Kampf den nächsten, nur stellenweise unterbrochen durch wilde Verfolgungsjagden, die durch die engen Gassen Bangkokgs führen – per pedes natürlich. Wenn Phanom Yeerum dabei über Tonen, spitze Gegenstände und durch Stacheldrahtringe hechtet, einen Salto nach dem anderen schlägt und auch schon mal die senkrechte Wand hochgeht, dann weckt das Erinnerungen an Jacky Chan. Es macht einfach enorm Spaß zuzusehen, und scheinbar wussten das auch die Macher: sie wiederholen die spektakulären Sequenzen mehrmals – entweder aus einer anderen Perspektive oder in Zeitlupe. Das wirkt wie eine trotzige Kampfansage an Matrix und Co. – juche, lang lebe handgemachte Prügelaction und halsbrecherische Real-Life-Stunts, nieder mit CGI und Wire-Action. Ong-bak revolutioniert dabei zwar weder das Genre, noch ist er ein Meilenstein des Handkanten-Kinos, aber er macht Spaß.
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#130
Geschrieben 30. Dezember 2004, 19:36
(25.12.2004 - VHS)
Klassisches Epos und epischer Klassiker – Teil 1.
Ich nutze die Gunst der Stunde, und die Zeit des Urlaubes mir mal einige Klassiker zu Gemüte zu führen, die ich schon lange vor mir her geschoben habe. „Vom Winde verweht“ hat mich primär durch Stimmen, der Film sei die kitschige Liebesgeschichte schlechthin und aufgrund der abartigen Lauflänge von 238 Minuten abgeschreckt. Doch obwohl ich mir anfangs noch den Spruch, der auf der Sonnenuhr in Tara zu lesen ist notierte, mit dem Entschluss ihn ans Ende meines Tagebucheintrags zu setzen, so kann ich das nach Abschluss der Sichtung nicht mehr tun. Denn an den Spruch „Vergeude die Zeit nicht, sie ist der Grundstoff des Lebens“ musste ich nur fortwährend während der ersten 1,5 Stunden () des Mamutwerks denken. – Die fand ich nämlich absolut unerträglich: Eine Inszenierung, die an eine drittklassige Theateraufführung erinnert, eine opulente Ausstattung und dümmliche Dialoge, die den Eindruck einer schmalz-triefenden Schnulze forcieren, geschichtliche Hintergrundinformationen erfährt man nur ganz oberflächlich am Rande. Doch glücklicherweise entfernt sich der Film nach den ersten Stunden von dem selbst auferlegten Paradigma „Es ist eine ganze Welt, die nur schön und anmutig sein will“. Dass dies durchaus der damaligen Realität der wohl situierten Oberschicht des Südens darstellte, bin ich mir sehr wohl bewusst, und es passt von daher auch gut in die Geschichte, ich schau mir aber so was trotzdem nicht gerne stundenlang an. Wie dem auch sei, in der Mitte hatte ich fast vergessen, wie lange der Film schon läuft und konnte eintauchen in das Südstaaten-Drama. Trotzdem sah ich mich immer wieder mit einigen nervenden Elementen konfrontiert: Die nervigen, lustigen Sprüche, die Synchro, die in der pipsigen Stimme der schwarzen Zofe ihren Höhepunkt findet, das permanente Getütel im Hintergrund oder das so gerne genutzte Stilmittel des Gegenlichts – Das alles ging mir enorm auf den Keks, aber ich muss zugeben: So schlecht, wie ich erwartet hatte, war der Film gar nicht. Ach ja und schlauer bin ich jetzt auch: Der Satz „I’ll be back...“ war keine Erfindung von Arnie.
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#131
Geschrieben 01. Januar 2005, 19:58
(26.12.2004 - VHS)
Holla, das wusste ich ja gar nicht, dass Blake Edwards diesen Klassiker erschaffen hat. – Ich kannte ihn bis dato nur durch die grandiose „Pink Panther“-Reihe, den famosen „Der Partyschreck“, den mäßigen „Switch“ und den miserablen „Skin Deep“. (alles natürlich imho)
Bei „Breakfast at Tiffany’s“ will es mir nicht gelingen meine Einstellung gegenüber dem Film in einem Adjektiv zu fassen. Der Film versprüht nämlich zweifelsohne Charme – was nicht zuletzt dem „süßen Fratz“ Audrey Hepburn zu verdanken ist. Wirklich mitreisen und begeistern kann er mich jedoch nicht. Es gibt zwar schöne Szenen, jedoch gefallen mit die alle alleine gesehen besser, als in ihrer Summe. Ich denke da z.B. an den Chinesen im oberen Stockwerk, der nachts den Portier spielen muss, oder an den „Einkaufsbummel“ mit Hundemasken. Das Gespräch im Park oder der Dialog im Taxi. All das ist wirklich ganz nett, aber oben getätigter Ausspruch ist durchaus wörtlich zu verstehen: Als ich etliche Tage zuvor zufällig durch den Film gezappt bin, und einige dieser Szenen erhaschen konnte, haben sie mir tatsächlich ein wohliges, mal belustigtes, mal melancholisches Gefühl beschert (ich denke da vor allem an die „Küchenszene“) – am Stück gesehen, passiert das irgendwie nicht mehr. – Seltsam...
Erdbeben
(28.12.2004 - DVD)
Eigentlich in anbetracht der aktuellen Lage in Südost-Asien ja ein wenig pietätlos, aber ich hatte einfach Lust auf diesen Film. Dabei kannte ich das Werk bis dahin gar nicht...
Wie lässt sich dieser scheinbare Widerspruch auflösen? Ganz einfach: Ich las früher mit Begeisterung die alten MAD-Hefte meines Onkels. Damals wurden in jedem Heft aktuelle Kinofilme durch den Kakao gezogen – und damals war „Erdbeben“ eben aktuell. Ich erinnerte mich noch vage an das halbe Hochhaus, den improvisierten „Fahrstuhl“, den Motorrad-Stuntman oder den Staudamm. Das alles findet sich – wie könnte es anders sein – im Film wieder, und macht richtig viel Spaß.
Airport
(28.12.2004 - VHS)
... und gleich noch einen zweiten 70er Katastrophenfilm hinterher. Hat mich nicht so wirklich begeistert. Zwischenzeitlich keimte sogar die Befürchtung auf, der Film würde die ganze Zeit über nur im eingeschneiten Flughafen spielen – umso überraschter war ich dann, als ich am Ende feststellen musste, dass die stärksten Momente des Films tatsächlich am Boden liegen. Fazit: Rockt weder soundmäßig, noch Spaßfaktor-mäßig so wie Erdbeben.
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#132
Geschrieben 02. Januar 2005, 17:33
(29.12.2004 - DVD)
Ich liebe das Buch von Joe David Brown – und ich liebe diesen Film. Eine wahrlich grandiose Adaption.
Toy Story 2
(30.12.2004 - TV)
Ganz nett, aber haut mich nicht vom Hocker und kann mich nur wenig begeistern. Sogar so wenig, dass ich nach 60 Minuten ausgemacht habe. Nur einer ist wirklich kultig: Der Kartoffel-Mann.
High Fidelity
(30.12.2004 - VHS)
Genauso wie die Musikauswahl: durchwachsen. – Aber ich habe Lust bekommen mir „Tanz der Teufel 2“ anzuschauen.
Leoparden küsst man nicht
(1.1.2005 - TV)
Irgendwie fand ich den Film auch schon mal besser. – Heute war er einfach nur langweilig, da reist auch ein Cary Grant und eine Katharine Hepburn nichts mehr raus.
Ein seltsames Paar
(1.1.2005 - TV)
...sind Walter Matthau und Jack Lemmon. Und obwohl mir letzterer eigentlich wesentlich besser gefällt, reist hier ausnahmsweise mal Herr Matthau die besseren Sprüche.
Der verrückte Professor
(1.1.2005 - TV)
Och jo – ganz nett, und allemal besser als das beknackte Remake. – Die Macho-Sprüche sind ja zu krass, bei mir macht sich trotzdem ein wenig Langeweile breit. In letzter Konsequenz doch nichts weiter als Klamauk.
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#133
Geschrieben 17. Januar 2005, 20:47
Die Filme konnte ich ich letztes und vorletztes Jahr in Mannheim auf dem Filmfestival sehen - jetzt kommen sie im Fernsehen:
- Folge der Feder - HEUTE 17.1. 0:15 Uhr ZDF
- Identity Kills - Di. 25.1. 22:25 Uhr 3Sat
Folge der Feder
"Eine verschleierte Frau sitzt in einem Flugzeug. Das einzige was von ihr zu sehen ist, sind ihre Augen. Diese schweifen abwechselnd über die Wolken in die Ferne und auf eine weiße Feder, sie in ihrer Hand hält - sorgfältig eingewickelt in ein Tuch. Helin aus Anatolien soll
in Deutschland zwangsverheiratet werden, ihren Ehemann hat sie bisher noch nie getroffen. Und lange wird sie sowieso nicht bei ihm bleiben. Die erste Gelegenheit nutzt sie zur Flucht und begibt sich auf die Suche nach ihrer Mutter, die schon Jahre vorher nach Deutschland ausgewandert ist ? Doch auch das Leben dort ist kein Zuckerschlecken. Zerrissen zwischen Heimat und Fremde, Familie und Häschern und im Schatten des Erwachsenwerdens und der Identitätssuche, versucht sie ihr Leben zu meistern...."
FTB-Eintrag
- Ich fand ihn nicht so prickeld, trotzdem sehenswert.
Nächster Film hingegen ist klasse - vor allen Dingen mit ein wenig Abstand:
Identity Kills
"Karen möchte ihrem Leben entfliehen. Möchte raus aus der Tristesse der Berliner Plattenbauten. Graue Betonklötze reihen sich neben graue Betonklötzen. Inmitten dieser Trostlosigkeit wird man selbst grau, schwimmt mit im Strom, lebt eher schlecht als recht, verliert seine Identität. ?Auch die 24 jährige Karen fristet ein Schattendasein. Viel hat das Leben ihr nicht zu bieten: Nach einem Zusammenbruch landet sie in der Psychiatrie. Aber erst mit ihrer Entlassung nimmt der Wahnsinn überhand. - Ihr Freund hat keinerlei Verständnis für ihre Probleme und quartiert überraschend sogar seine Exfreundin in ihr gemeinsames Apartment ein....? FTB-Eintrag
So, und damit der Beitrag noch eine Daseinsberechtigung erhält:
Letztens gesehen:
Nie wieder New York
Lemmon in Bestform - großartig: Da fällt mir auf, dass ich ihn noch nie im Original gehört habe
House of Flying Daggers
Naja, so lala... Yimou soll back to the roots!
Desperate Housewives
was soll ich sagen: ich liebe diese Serie - macht irgendwie süchtig: Aber der oft zitierte Sex and the City-Vergleich ist (zum Glück) voll daneben und entbehrt jeglicher Grundlage.. und ich freue mich schon, wenn sie hier im TV läuft. Auf die Synchro bin ich äußerst gespannt.
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#134
Geschrieben 20. Februar 2005, 14:58
Der Wald vor lauter Bäumen
(8.2.2005 - Atlantis)
„Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.“ – Ein altbekanntes Sprichwort, in dem oftmals mehr Wahrheit steckt, als uns lieb ist, und das noch öfter zu einer hohlen Phrase und banalen Plattitüde verkommt. Genau dies war auch meine Befürchtung beim ersten Blick auf den Trailer zu gleichnamigen Film. Maren Ade erzählt in ihrem Debütfilm „Der Wald vor lauter Bäumen“ von einer jungen Frau, die alleine in der Fremde Anschluss und Anerkennung sucht, und auch diese Thematik hätte leicht zu einer peinlichen Farce geraten können...
Melanie Pröschle strotzt vor Enthusiasmus und Engagement: Als frischgebackene Lehrerin will die Schwäbin an ihrer neuen Schule in Karlsruhe „frischen Wind“ ins Kollegium bringen. Doch das ist darüber eher weniger angetan: „.. aber über den frischen Wind, da müssen wir noch mal drüber reden.“ Und nicht nur die etablierten Lehrer sind von Melanies „Pädagogik“ genervt. Auch die Schüler entdecken schnell ihre Schwächen und nutzen diese schamlos aus. Im Privatleben – ohne Eltern, ohne Ex – will sie beliebt sein und alles richtig machen – und macht dabei doch soviel falsch. „Es ist nicht leicht ein neues Leben anzufangen. Einsamkeit macht sich breit, denn in Karlsruhe hat niemand auf sie gewartet.“ Aber Melanie lässt sich nicht entmutigen und knüpft Kontakt zu ihrer Nachbarin Tina: Sie soll ihre Freundin werden. Doch je mehr sie bei anderen Menschen Anschluss sucht, desto schlimmer entwickelt sich ihre Situation...
Maren Ade zeichnet in ihrem Erstlingswerk das Bild einer schüchternen, schwachen Frau, die nach „rührendem Engagement an den Anforderungen des Berufs und privater Isolation zerbricht: die Geschichte einer tragisch gescheiterten Assimilation. – Traurige Reflektion einer Gegenwart der Ich-AGs, die im Wachkoma die äußere Betriebsamkeit an sich vorbeiziehen lassen, bis ihnen ihre eigene Bedeutungslosigkeit zur Gewissheit wird.“ Der Realismus spiegelt sich im Dogma-Stil, der Sprache, den Dialogen, im Set-Design: Alles wirkt wie das echte Leben – und das schlägt dem Zuschauer hier frontal und schonungslos mitten ins Gesicht. So sagt der epd-Filmdienst: „Die Radikalität mit welcher der Film von Maren Ade die Wirklichkeit ausschließlich aus der Perspektive seiner Protagonistin wiedergibt, gab ihm seine Kraft und ließ den Zuschauer bei ihren verzweifelten Kommunikationsversuchen geradezu körperlich mitleiden.“ In der Tat: Selten bei einem Film lag meine Stirn so lange in Falten, hätte ich am liebsten einfach weggeschaut, oder die Protagonistin wütend angefahren. Und so kann „Der Wald vor lauter Bäumen“ an Filme wie „Stiller Sturm“ oder „Identity Kills“ anknüpfen und gehört für mich damit zu dem „neuen, kraftvollen, aufrüttelnden deutschen Kino“.
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#135
Geschrieben 01. Mai 2005, 11:18
Branded to kill
(15.5.2005 – Nippon-Connection: Frankfurt Filmmuseum)
Im Rahmen der „Nippon Connection“ fand dieses Jahr in Frankfurt eine Retrospektive statt, die dem japanischen „Pop-Art Regisseur“ Suzuki Seijun gewidmet war. Ich selbst kannte diesen Regisseur noch nicht – nur zwei seiner Werke waren mir aufgrund der Tatsache bekannt, dass sie bei Criterion auf DVD erschienen sind: „Branded to kill“ und „Tokyo Drifter“. Ersteren konnte ich nun im Filmmuseum Frankfurt erleben – was dazu geführt hat, dass ich letzteren auch unbedingt sehen will….
Suzuki, der in den 60er Jahren vor allem mit seinen visuell außergewöhnlichen Gangsterfilmen populär wurde, zählt mittlerweile zu den einflussreichsten Altmeistern des japanischen Kinos. Häufiges Thema seiner Filme waren die Yakuza, die wortkargen Gangster und skurrile Gestalten.
In „Branded to kill“ gerät ein ehrgeiziger Profi-Killer der Yakuza selbst auf die Abschussliste der Gangster-Organisation. Der eiskalte „Killer Nr. 3“, mit dem Faible für gekochten Reis, versucht zwanghaft in die Rangliste der Profikiller aufzusteigen. Doch als ihm eines Tages ein folgenschwerer Fehler unterläuft, wird er selbst zum Opfer und Gejagten eines auf ihn angesetzten Killers.
Seijun inszeniert dieses Glanzlicht des Yakuza-Genres in einer seltsamen Mischung aus unterkültem, stilistisch überhöhten Film Noir und überdrehter, absurder Farce, und holt sich dabei Anregungen aus etlichen Kunstströmungen. Die Einsamkeit und Verlorenheit in der urbanen Weite, zwischenmenschliche Isolation – Das alles kommt mir sehr bekannt vor – so als würden Bilder eines bekannten Malers über die Leinwand flimmern. Genauso wie Suzuki sich von überall her Ideen holte, wurde auch er selbst zur Quelle von Inspiration: Fulltime Killer, What time is it there und natürlich Ghost Dog… alle scheinen von Suzukis Stil, von der Thematik, oder einfach nur in einzelnen Szenen beeinflusst. So klar die Rahmenhandlung, und so künstlich steril die Sets wirken, so verworren, undurchsichtig und seltsam ist die Umsetzung und das „Dahinter“: Mysteriöse Frauen, mit einer Neigung zum Tod und der Affinität zu Vögeln und Insekten, verquere Obsessionen und verworrene Beziehungen: Und am Ende – so scheint es – strebt das alles einem einfachen und eindeutigem Ziel entgegen. „Killer Nr. 3“ steht im Boxring, und man fragt sich, wer spricht hier wirklich zu ihm und gegen wen hat er die ganze Zeit wirklich gekämpft. Die so klassische Yakuza-Geschichte könnte sich durchaus als simple Allegorie auf das Leben an sich entpuppen....
„Branded to kill“ aus dem Jahre 1967 war der letzte Film Suzukis, den er im Auftrag von Nikkatsu drehte. „Die von Suzuki zusammen mit seinem Ausstatter Kimura Takeo entwickelten stilisierenden Mittel seiner Filme, die inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden waren, brachten ihn den Vorwurf ein, für das normale Publikum unverständliche Filme zu drehen, was zu seiner Entlassung beim Studio Nikkatsu führte.“ In den folgenden zehn Jahren konnte Suzuki keinen einzigen Film mehr verwirklichen. Erst 1977 drehte er wieder einen Film fürs Kino, dem allerdings ein kommerzieller Erfolg verwehrt blieb. Im Jahre 2001 schließlich kehrt Suzuki nach über 30 Jahren mit „Pisutoru Opera“ (Pistol Opera) noch einmal zum Stoff von „Branded to kill“ zurück und dreht ein Remake seines – inzwischen – anerkannten Erfolgsfilms.
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#136
Geschrieben 07. Mai 2005, 13:57
Turn over
(16.4.2005 – Nippon Connection: Festivalzentrum)
“Ein älteres Ehepaar lebt ein gleichförmiges Leben im traditionellen Teil Kyotos. Der Mann entwirft Kimonos und ist auf der Suche nach dem perfekten Stoff, während die kranke Frau zunehmend pflegebedürftiger wird. Etwas Abwechslung kommt mit einem jungen Student ins Haus, der als Hobbyzauberer der Frau Kartentricks beibringt. Im Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne werden die eigenen Standpunkte auf den Prüfstand gestellt, und am Ende wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Mir ruhigen, kalren Bildern, die in ihrer Intensität an Ozu erinnern, erzählt der Regisseur eine Geschichte über den Alltag, die Liebe und die Dinge, die das Leben zusammenhalten. Die Größe des Films liegt dabei im Kleinen, in der stillen und genauen Betrachtungsweise.” (Quelle: Festivalzeitschrift) - Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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#137
Geschrieben 07. Mai 2005, 15:34
Blood and Bones
(16.4.2005 – Nippon Connection: Festivalzentrum)
Unglaublich welch ein Publikumsmagnet der Name “Takeshi Kitano” doch ist – War der letzte Film „Turn over“ nur spärlich besucht, so drängen sich hier die Menschenmassen schon zig Minuten vor Vorstellungsbeginn im Vorraum. Was mich aber noch mehr erstaunt hat – hier war die Quote der asiatischen Zuschauer im Vergleich zu den übrigen Filmen ebenfalls besonders hoch. Das hatte ich bei einem gerade bei westlichen Zuschauern sehr populären Schauspieler nicht erwartet.
Doch zum Film: Die ersten Szenen, lassen ganz im Stile von „Once upon a time in America“ oder „Gangs of New York“ ein fernes, fremdes Land als Glück bringenden Zufluchtsort, als Land der tausend Möglichkeiten erscheinen. „Der Koeaner Shun-pei Kim (Takshi Kitano) kommt 1923 auf der suche nach Glück und Wohlstand in Osaka an. Aber das Leben in Japan ist hart. Koreaner werden diskriminiert und leben wie in einem Ghetto zusammen. Kim begegnet dem Ganzen mit brutalem Egoismus. Seine Familie schindet er rücksichtslos bis auf die Knochen...“
Yoichi Sai zeichnet in erster Linie das Psychogramm eines Drinkers. Nur angerissen wird dagegen der geschichtliche Hintergrund. Es wird keine epische Tiefe entwickelt, kein generationenübergreifendes Drama erzählt, sondern eine beeindruckende Charakterstudie aufgebreitet. So ist es auch nicht verwunderlich –oder zumindest begrüßenswert – dass der Film relativ „srtaight“ daherkommt. Es gibt keine Wendungen oder gar ein Happy End – Der Ausgang ist mit den ersten Szenen vorgezeichnet – und der Film bleibt, wie er angefangen hatte, eine Skizze einer zerstörten Familie und eines zerstörten Menschen. Über den Szenen des unaufhaltsamen näher rückenden Abgrundes schwebt dabei immer – Kitano-typisch – das Damokles-Schwert von plötzlich ausbrechender Gewalt. Wenn man an die, häufig auftretenden, Vergewaltigungsszenen denkt, sind die in ihrer Explizität und Schockwirkung ebenbürtig mit der aus „Itchi the Killer“ – einer Szene bei der ich kurz davor war, den Fernseher auszuschalten. Bei „Blood and Bones“ lohnt sich das dranbleiben, wenngleich auch hier nicht viel „passiert“. Sowohl bei der Inszenierung, als auch im Leben des Protagonisten. Letzterer stirbt alleine als verbitterter, alter Mann.
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#138
Geschrieben 07. Mai 2005, 15:54
(16.4.2005 – Nippon Connection: Festivalzentrum)
Shoichi betreibt einen kleinen Supermarkt inmitten einer kargen Einöde. Er kümmert sich um den Einkauf und das Organisatorische. Im Laden selbst steht er nur selten – Das übernimmt die Teilzeitkraft oder seine Frau. Doch schlagartig ändert sich dies, als seine Frau plötzlich einen schweren Verkehrsunfall hat und für etliche Wochen ins Krankenhaus muss. – Shoichi muss öfter im Laden stehen und auch die unliebsame Nachtschicht übernehmen. Doch dadurch laufen ihm nicht nur etliche obskure Gestalten über den Weg, er kommt auch sich selbst und seiner Tochter wieder näher. „Der schräge Lieferjunge Rocky hält ihn auf Trab, die hübsche Akemi gibt ihm Rätsel auf und die Breakdancer vor dem Laden sind ihm auch nicht geheuer. Allein der Verkäufer Sato steht ihm zur Seite, doch auch mit diesem stimmt etwas nicht...“
Sie alle sind auf der Suche nach dem persönlichen Glück – und einer entpuppt sich als glücksbringender „Angel in the box.“ Suzui portraitiert das nächtliche Treiben im Laden als skurille Parallelwelt mit viel Witz und Herz für seine „Nachtgetalten“. Sowohl die Location, als auch die Grundidee erinnern dabei an Kevin Smiths Clerks. Jedoch bleibt hier alles ein wenig „normaler“ und weniger abgefahren. Außerdem macht leider die Holzhammermethode, mit der die Botschaft immer und immer wieder verkündet wird, die schönen Momente kaputt und mindert so den sonst positiven Gesamteindruck.
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#139
Geschrieben 07. Mai 2005, 20:54
Tony Takitani
(16.4.2005 – Nippon Connection: Festivalzentrum)
<div align=justify><img src=http://www.daniel-purucker.de/sonstiges/Bilder/tonytakitani.jpg align=right vspace=10 hspace=10>Haruki Murakami - Mein absoluter Lieblingsautor. Warum? – Vielleicht, weil ich in seinen Büchern versinken kann, vielleicht weil ich den Protagonisten so ähnlich bin. Vielleicht wegen seiner einzigartigen Erzählweise. All dieses, was Murakami ausmacht, hat nun den Weg auf die Leinwand gefunden. Wie habe ich mich darauf gefreut, und wie hatte ich doch zugleich Angst davor. Denn dieser Stil, die Essenz dessen, was Murakami ausmacht, auf die Leinwand zu adaptieren schien mir unmöglich. Wie soll man diese ruhige, langsame – fast „leise“ Stimmung seiner Bücher auf Celluloid bannen? Doch Jun Ichikawa hat dies mit „Tony Takitani“ geschafft. Basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Haruki Murakami schafft es der Film die Gefühle, das „Feeling“ der Geschichte auf einen Film zu übertragen. Vielleicht gelingt dies deshalb so gut, weil die „bewegten Bilder“ recht statisch bleiben. Die Kamera bewegt sich fast ausschließlich in einer Fahrt von links nach rechts, endet immer an einem extrem herangezoomten Objekt. Das wirkt wie das Umblättern von Seiten. Der Off-Erzähler, dessen Sätze der Protagonist mit wörtlicher Rede ergänzt, verstärkt zusätzlich den Eindruck ein Buch zu lesen. Das Leben, die Geschichte dieser Hauptperson zieht am Zuschauer vorüber, er bleibt explizit Betrachter.
Es geht um Tony Takitani – und ja, so versichert uns der Erzähler, Tony heißt wirklich so: Tony Takitani. Tonys Leben scheint nach langer Einsamkeit endlich perfekt: Er hat einen Job, ist gesund und hat eine tolle Frau. Doch Tony ist von Angst geplagt. Er hat Angst seine Frau Eiko wieder zu verlieren. Wie würde sein Leben dann aussehen? Nicht nur wieder einsam und alleine, sondern noch viel, viel einsamer als zuvor. Eines Tages bestätigen sich Tonys Ängste: Eiko verunglückt tödlich und hinterlässt nichts als Erinnerungen – und einen Haufen Designer-Kleider...
Wahnsinn – ich kann es nicht anders sagen. Der Film hat das geschafft, was ich für unmöglich hielt. – Eine Geschichte Murakamis für die Leinwand zu adaptieren: Ich fühlte mich im Kinosessel tatsächlich, wie beim Lesen des Buches. Murakamis melancholischer, jazz-geschwängerter Stil findet sich tatsächlich wieder – die Stimmung scheint sich auch hier direkt auf den Rezipienten zu übertragen. Die typischen Murakami-Thematiken des Verlusts, der ewigen Liebe, Einsamkeit oder Entfremdung finden sich hier wieder. Ich ziehe meinen Hut in tiefer Bewunderung für Jun Ichikawa, der es geschafft hat diesen, meinen Lieblingsautor auf die Leinwand zu bringen.
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#140
Geschrieben 08. Mai 2005, 12:54
Mister Aufziehvogel
(Haruki Murakami, gelesen im März 2005)
"Naokos Lächeln", "Gefährliche Geliebte" oder "Wie ich eines Tages...": Auf alle diese bisherigen Werke trifft eine Aussage hundertprozentig zu: "In Murakamis Büchern kann man sich wie in wunderbaren Träumen verlieren." Doch erst mit "Mister Aufziehvogel" erschließt sich mir die ganze Bedeutung dieses Ausspruches. Denn was "Japans ranghöchster Romancier" hier auf Papier bringt, lässt sich kaum in Worte fassen...
Und selbst mit dem Umblättern der letzten Seite, kann ich nicht genau sagen um was es in diesem Werk eigentlich geht. Das mag damit zusammenhängen, dass der "rote Faden" nur schwer zu erkennen ist, bzw sich erst im Verlauf des Buches langsam, sehr langsam erschließt. Zum anderen damit, dass unzählige Nebenhandlungen und Erzählungen den Blick vom Wesentlichen ablenken - zugleich jedoch auch immer selbst das Wesentliche darstellen. So bleibt - trotz vieler Unklarheiten, surrealen Geschehnissen und skurriler Charaktere das unbestimmte Gefühl zurück, ein ganz ganz elementares Buch gelesen zu haben.
Ein Werk, das in seinem Aufbau und der Aussage an den Film "Magnolia" erinnert,
das selbst Kafka in Sachen "surreale Geschehnisse" in den Schatten stellt und das stellenweise Erinnerungen an Sabus "Mondy" weckt. Realität und Fiktion vermischen sich schon auf den ersten Seiten - Ich habe als Leser oft selbst nicht mehr gewusst: Lese ich noch oder träume ich schon. Man wird zusammen mit dem "Mister Aufziehvogel" hineingerissen in eine wattierte, nebulöse Lethargie - Das war zumindest das bei mir vorherrschende Gefühl: Ich konnte mich zu kaum etwas anderem aufraffen, als zusammen mit Herrn Okada weiter durch die Schatten, durch die einsamen Tage und Nächte zu wandeln. Mein restliches Leben schien zum Erliegen zu kommen, so als säße ich tief unten auf dem Grund eines dunklen, ausgetrockneten Brunnens.
Wenn Murakami über den Fluss der Zeit, über Beziehungen, Realitäten, Veränderungen oder einfach nur über blaues Klopapier und grüne Paprika sinniert, dann verliert man sich selbst in diesen Überlegungen. - In seinen anderen Büchern konnte ich mich zwar öfter und genauer "wieder finden" und mich eher mit den Protagonisten identifizieren, Parallelen zu meinem eigenen Leben herstellen. Bei diesem Werk jedoch scheinen mir die die impliziten Aussagen weitaus gewichtiger. Murakami ist hier nicht nur bloßer Seelenverwandter, als vielmehr ein Faust des 20. Jahrhunderts, der erfahren will, was die Welt im innersten zusammenhält. In diesem Sinne ist "Mister Aufziehvogel" Belletristik, die über sich hinauswächst, und zählt für mich zu den wichtigsten Büchern, die ich bisher gelesen habe...
</div>
"Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?
Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.
Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
Und manche liebe Schatten steigen auf;
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage
Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf;
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden
Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.
Sie hören nicht die folgenden Gesänge,
Die Seelen, denen ich die ersten sang;
Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Verklungen, ach! der erste Widerklang.
Mein Lied ertönt der unbekannten Menge,
Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,
Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.
Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen
Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich,
Es schwebet nun in unbestimmten Tönen
Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich,
Ein Schauer faßt mich, Träne folgt den Tränen,
Das strenge Herz, es fühlt sich mild und weich;
Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten."
(Goethes Faust)
Btw: Ich sollte ja gar nicht darüber nachdenken, aber irgendwie gibt es Parallelen – und vielleicht verraten sie mir mehr über mich, als mir lieb ist:
"Lieblings"regisseur: Wong Kar-Wai
"Lieblings"autor(en): Haruki Murakami, Franz Kafka, Bret Easton Ellis
"Lieblings"maler: Edward Hopper, Edvard Munch
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#141
Geschrieben 08. Mai 2005, 12:57
Top 5
1 Tony Takitani
1 Branded to kill
2 Angel in a Box
3 Blood and Bones
4 Turn over
War die Stimmung am ersten Tag im Filmmuseum noch recht “kühl”, so kam der Festival-Charme am zweiten Tag umso mehr zum tragen. Im Gegensatz zu Mannheim-Heidelberg hat die „Nippon Connection“ einen fast familiären Charakter: Man chillt in ultra-gemütlichen Sitzkissen, trinkt Sake und japanische Blubber-Brause. Es gibt Karaoke und Videogames. Ständig laufen einem hübsche Asiatinnen über den Weg – wenn man Glück hat sogar im Kimono. Dazu Sushi und J-Pop… Das ist schon verdammt genial. Außerdem ist das Publikum wesentlich jünger und die Chance größer, dass man einige Leute des Öfteren trifft.
Ziemlich cool gemacht sind auch die Festival-Teaser und die „Belehrungen“ vor jedem Film: Ein japanisches Mädel (auf Band) weist darauf hin, dass man doch bitte nicht rauchen soll, sich noch einen Moment bis zum Beginn des Films gedulden möge, usw. und so fort: Einmal auf japanisch und einmal auf charmantem „gebrochenem“ deutsch… Sweet – Das würde ich mir sogar in einer Endlosschleife anhören. Mein Resümee: Hat verdammt viel Spaß gemacht. Ein weiteres Filmfestival, das auf meine jährliche „Must-Go-There“-Liste wandert.
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#142
Geschrieben 16. Mai 2005, 11:33
Beeindruckend nah an der Realität (soweit ich das beurteilen kann) und geschichtlich genau rekonstruiert. – Sehenswert.
Kung Fu Hustle
Ganz nett – ist mir aber zu cg-ig… An Shaolin Soccer kommt er imho nicht ran.
About a boy
Nachdem ich High Fidelity schon nicht so prickelnd fand, kann About a boy bei mir auch nicht landen... Irgendwie zweifle ich langsam, ob ich die Bücher von Nick Hornby überhaupt jemals lesen sollte.
Kingdom of Heaven
Völlig indifferent...
Infernal Affairs
Solide und spannend – gut.
Speer und Er
Leider oftmals recht langweilig und wenig interessant.
Ghost World
Toll... Independant Kino aus Amerika
Was Einstein noch nicht wusste
Interessant
Literaturverfilmungen
Folgendes habe ich lange vor mir her geschoben. Bei dem allgemeinen Aufwasch will ich jetzt trotzdem mal kurz drauf eingehen:
Mari Akasaka – Vibration
Ist die literarische Vorlage zu Vibrator - Fängt stark an, wird dann aber irgendwie doch zu belanglos und öde... Erreicht bei weitem nicht die Qualitäten der filmischen Umsetzung. Und so was gibt’s ja auch selten.
Lost in Translation
... basiert meiner Ansicht nach definitiv auf Jean-Philippe Tousaint’s „Sich lieben“. Hat sich Frau Copolla mal dazu geäußert, woher die Inspiration zu LiT kam, vielleicht auf der DVD? – Ich stelle die Frage mal so in den Raum...
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#143
Geschrieben 21. Oktober 2005, 22:54
Citizen Dog – Mah nakorn
(20.10.2005 – Asia Filmfest München)
Ein rauchender Teddybär, ein abgehackter Finger, ein Berg aus Plastikflaschen und regnende Motorradhelme... das ist die fabelhafte Welt des Pod.
Zumindest ist das die Welt, die sich ihm eröffnet, als er sich von Zuhause aufmacht in den Moloch Bangkok. Die warnenden Worte der Großmutter hallen noch nach, als er seinem beschaulichen Heim auf dem Lande den Rücken kehrt. In der Großstadt will er sein Glück suchen und die Liebe finden. Doch schon die ersten Schritte in der neuen Umgebung gestalten sich schwieriger als gedacht: Pod arbeitet als Sardinen-Eindoser am Fließband. Mit den immer gleichen Abläufen hackt er den Fischen den Kopf ab und packt sie in Dosen. Als dort eines Tages der Vorarbeiter – eine Mischung aus kafkaesk angehauchtem Oberboss und Asterix-inspiriertem Galeeren-Trommler – das Fließband auf höchster Stufe laufen lässt, kommt es, wie es kommen muss. Pod hackt sich den Finger ab und dost selbigen ein. Von nun an klappert er jeden Tag nach Feierabend die Supermärkte ab – auf der Suche nach seinem Finger... Im weiteren Verlauf lernt er unter anderem einen passionierten „Busfahrer“, einen Zombie-Motorradfahrer und eine ordnungsfanate Putzfrau kennen, die unbedingt die verborgenen Botschaften eines rätselhaften weißen Büchleins aufdecken will.
„Alice im Wunderland“ meets „Fear and Loathing in Las Vegas“ meets „Amelie“. Bereits die ersten, grellen Bilder versprühen einen poppigen Charme und zeugen nicht nur davon, dass vielleicht die Postproduction ein wenig zu stark an den Farbreglern gespielt hat, sondern auch davon, dass hier viel Liebe für den Film – und vielleicht ein paar Joints und LSD – mit im Spiel war. Die herrlich skurrilen Charaktere in ihrer neonfarbenen und zugleich sterilen, stilistisch artifiziell überhöhten Kitsch-Welt wirken wie lebendig gewordene Pop-Art.
Das konsequente Set-Design, die „abartige“ Farbpalette und die Ohrwurm-Musik tun ihr übriges. Bei dieser kunterbunten Wundertüte voller verrückter Ideen kann es leicht vorkommen, dass man vergisst worum es eigentlich geht... dabei geht es genau um das: Nicht alles so ernst nehmen, die Welt auch mal mit anderen Augen sehen und natürlich die Liebe finden... Und wenn man im richtigen Moment den Blick gen Himmel wendet, dann kann es durchaus sein, dass der Horizont und die gesamte Welt dahinter genauso bunt und fröhlich scheint, wie in diesem Film.
Für nähere Impressionen verweise ich auf outnow.ch:
http://outnow.ch/Med...2004/MahNakorn/
Zum Festival:
Ich schreibe hier über den zweiten Film, den ich gesehen habe – und damit auch über den zweiten Tag des Filmfestivals. Dieses Aufbrechen der Chronologie hat einen Grund: Der erste Tag war absolut furchtbar, sowohl der Film, als auch das Drumrum. Und ich wollte meinen ersten FTB-Eintrag nach einem knappen halben Jahr nicht mit einer „Gurke“ beginnen. Doch dazu vielleicht morgen mehr... Heute wurde ich ein wenig besänftigt und der anfängliche Groll gegen die Organisatoren schlug um in Mitleid. Wenn selbst ein so grandioser Film wie „Citizen Dog“ in der Prime Time um 20:00 Uhr nur knapp vierzig Zuschauer hat, die ein Cineplex-Kino mit 1000 Sitzplätzen ausfüllen sollen, dann legt sich meine Stirn in Falten und ich bange um die finanzielle Zukunft der Veranstalter...
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#144
Geschrieben 06. November 2005, 17:15
Azumi 2 - Death or Love
(19.10.2005 – Asia Filmfest München)
Die feministische Kampfamazone Azumi, die sich in gleichnamigem ersten Teil noch im Trainingslager für angehende Killer durchbeißen musste und genötigt wurde, Freund und Feind zu zerschnetzeln, ist zurück... leider.
Der zweite Teil beginnt dort, wo der Vorgänger aufgehört hatte. Azumi streift mit ihrem Kollegen Nagara durch die Wälder und die Steppe Japans und mordet – natürlich nur in Notwehr und auch nur die Bösen. Mal ehrlich: Um was es wirklich ging weiß ich schon gar nicht mehr, es scheint auch nicht so wichtig gewesen zu sein.
Für die erste Umsetzung des berühmten Mangas über ein „Teenage-Samurai“ zeichnete sich Ryuhei Kitamura verantwortlich – der Mann der mit „Versus“ für Furore sorgte, den schwächeren Teil des „Duel Projects“ ablieferte, und sich aktuell an der Jubiläumsversion von Godzilla versuchen durfte. Für Teil zwei wurde Shusuke Kaneko hinter die Kamera geholt, der mit Gamera und anderen Monstern schon Erfahrungen sammeln konnte – mit dem Genre des Chambara bisher aber noch nicht in Berührung kam. Das ist verwunderlich, denn als routiniert und eindeutig diesem Genre zuordenbar kann man „Azumi 2“ durchaus bezeichnen. Darüber hinaus gibt es natürlich Helden, Bösewichte, viele Kämpfe und reichlich CGI-Blut. Kaneko erschuf so eine krude Mischung aus „House of the Flying Daggers“ und „Versus“ – hat aber weder die optische Brillanz des einen, noch die hemmungslose Action des anderen in sein eigenes Werk herüber retten können. „Why the hell is it always like this?“
Zum Festival:
Das war also ein Eröffnungsfilm des Festivals: Der andere wäre „Silverhawk“ gewesen.
Positiv:
- Angeles Woo – Tochter von John Woo war anwesend, und ihr erster Kurzfilm, der als Opener gezeigt wurde – ganz der Papa – stylisch und hübsch anzusehen - inhaltlich leider ähnlich nichtssagend wie Azumi 2.
Negativ:
- Angeles Woo...
- Absolut dillethantische Anmoderation und Interview der Organisatoren
- Wenn während des Films in den Rängen warme Mahlzeiten verzehrt werden, dann könnte ich Amok laufen.
- Ziemlich spärlich besucht das Ganze
- Der nächste Kritikpunkt geht an mich: Obwohl ich mir die Kinokarte nur gekauft habe, um a) einen Eröffnungsfilm zu sehen und freien Eintritt zur Eröffnungsfeier zu bekommen, bin ich auf diese dann nicht mehr hin *grummel*
Kurze Anmerkung: Der Film Der Wald vor lauter Bäumen kommt am Mittwoch, den 9.11. um 22:30 Uhr auf SWR im Fernsehen - unbedingte Empfehlung.
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#145
Geschrieben 21. November 2005, 22:50
(22.10.2005 - Asia Filmfest)
"The Killer" gilt als das Meisterwerk von John Woo schlechthin - als Essenz seines Schaffens. Ich persönlich finde es gibt besseres von ihm. Zum ersten Mal sind mir die Parallelen zu Michael Mann im Allgemeinen und zu Heat im Speziellen aufgefallen...
Hard Boiled
(23.10.2005 - Asia Filmfest)
Für mich immer noch die Mutter aller Action-Filme. Bis heute in seiner Kompromisslosigkeit und durchgestylten Action-Coreographie einmalig. Das war übrigens auch der Abschluss des Asia Filmfestivals. Resümee: Naja, teils gute Filme, teils weniger gute. Mal Altbewährtes, mal Neues - aber ganz und gar keine Festival-Atmosphäre... schade.
Kiss Kiss Bang bang
(2.11.2005 - Matthäser München)
Ich hatte Hollywood-Einheits-Müll erwartet, wurde aber positiv überrascht. Eigentlich bin ich auch kein Komödien-Fan, aber musste sogar ich das ein oder andere Mal lachen. Toll.
Saving Face
(9.11.2005 - Verzaubert Filmfestival)
Schon lange wollte ich die DVD kaufen, hat mich doch das Cover immer schon begeistert - schade das ich den Film nicht wirklich einfach mal gekauft habe. Aber ein Gutes hat es doch - jetzt habe den Film gleich beim ersten Mal auf großer Leinwand gesehen. Ich wusste nicht, was da auf mich zu kommt, wusste nichts über den Inhalt, die Story. Der Film lief als Eröffnungsfilm des "Verzaubert" Filmfestivals (Schwul-Lesbisches Filmfestival )in München - und das spiegelt sich auch in der Geschichte wider: "Es ist Independent-Drama über eine chinesisch-amerikanische Familie, die mit ihren Eigenheiten zu kämpfen hat: die Tochter ist lesbisch, die Mutter wird noch einmal schwanger." (http://www.filmspiegel.de) - Leicht schlucken musste ich doch, als der Festivaldirektor bei seiner "Eröffnungsrede" erwähnte, dass er überrascht sei, doch zwei männliche Zuschauer im Publikum erspäht zu haben - Ein Blick links von mir, ein Blick nach rechts: Tatsächlich nur Frauen im Publikum. Schade eigentlich, denn ich muss zugeben: Ein absolut toller Film. "SAVING FACE is a romantic comedy about a daughter struggling to understand her mother's heart, which ultimately allows her to understand her own." Trailer dazu gibt's hier: http://www.apple.com...aving_face.html
Allemagne 90 neuf zéro
(10.11.2005 - Filmmuseum München)
Jean-Luc Godard streift durch Deuschland und begegnet Don Quichotte, Kafka und Co. Viel beeindruckender war allerdings der Film, der davor lief: "Puissance de la Parole", ein Werbefilm, den Jean-Luc Godard 1988 für France Télécom gedreht hat. - Er lief nur einmal im Fernsehen und verschwand dann in den Tiefen der französischen Telekom-Bunker - und nur alle Schaltjahre taucht er mal wieder auf. Raymond Bellour sprach im Anschluss über die Selbstreflexion des Mediums Film und veranschaulichte seinen Vortrag mit Filmbeispielen aus Griffiths LONEDALE OPERATOR, Fritz Langs SPIONE und Grary Hills HAPPENSTANCE. - auf französisch. Hanns Zischler, der als Schauspieler in Godards Film "ALLEMAGNE NEUF ZERO" mitwirkt, hat aber zum Glück übersetzt, sonst hätte ich wohl nicht allzuviel mitbekommen. Schöne Veranstaltung des Filmmuseums München.
Kurzfilme
(19.11.2005 - Filmfestival Mannheim - Heidelberg)
Mein Haus-und-Hof Filmfestival in Mannheim... und dieses Mal findet es (fast) ohne mich statt. Das tut wirklich weh - aber am Samstag bin dann doch mal eben von München nach Mannheim gefahren ;-), um mir wenigstens zwei Filme anzuschauen. Bei der Auswahl der Filme konnte ich da natürlich nicht wählerisch sein, und so standen als erstes Kurzfilme auf dem Programm. Und naja, wie Kurzfilme nun mal so sind. Einige ganz nett, andere super, bei einigen bin ich eingeschlafen ;-) Ziemlich gut war dieser:
Hopp/ Leap (10 Min., von Magne Pettersen, Norwegen)
Torbjørn lebt in einem Haus nahe einer Brücke, die sich größter Beliebtheit bei Selbstmördern erfreut. Er fühlt sich in seiner Nachtruhe gestört. Da hat er eine Idee...
Nuit Noire / Die schwarze Nacht
(19.11.2005 - Filmfestival Mannheim - Heidelberg)
"Kunst als Kino" - unter diesem Motto lief der Film "Nuit Noire" des Belgiers Olivier Smolders. Optisch brillant und beeindruckend. Inhaltlich abstrus. Ein wenig Kafka, ein wenig Bunuel - dazu eine Brise Cronenberg. Surreal, fragmentarische Aneinanderreihung von Szenen und Sequenzen - Ein andalusischer Hund lässt grüßen: Würde ich mir bei Gelegenheit gerne nochmal anschauen.
Zum Festival: Auf einem Festival auf dem ich sonst über 20 Filme schaue nur 2 sehen zu können ärgert mich ungemein - obwohl mich das Programm nicht so sonderlich umgehauen hat. "Man Push Cart" hätte ich trotzdem gerne gesehen. Naja, wandert er halt auf meine Watch-List.
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#146
Geschrieben 22. November 2005, 22:54
La Haine - Hass
(15.11.2005 - VHS)
Paris brennt. Über 15 Jahre nach den Pariser Mai-Unruhen von 1968 wird das Land wieder von Unruhen erschüttert, brennen Nacht für Nacht Autos und stehen ganze Straßenzüge in Flammen. Politiker und Presse stellen sich in einmütiger Zweisamkeit die Frage wie so etwas passieren konnte. Oftmals vernimmt man auch den Ausspruch, dass die Frage eher lauten sollte warum sich die Aggressionen erst jetzt entladen. Dabei gehen beide Fragen an der Realität vorbei. Denn das Problem ist keineswegs ein neues und war auch nach den 60er-Krawallen nicht verschwunden – es trat sogar in regelmäßigen Abständen an die Oberfläche. Bereits zehn Jahre nach den ersten großen Ausschreitungen rückte das Problem wieder in das öffentliche Blickfeld der politischen Debatten. Auch einen Namen hatte man für das „neuartige“ Problem – Das Problem der „Banlieues“. Zu Deutsch „Das Problem der Vororte“. Und auch im englischen gibt es einen entsprechenden Begriff: „suburbs“. Diese spiegeln jedoch nicht annährend das wider, was die französische Begrifflichkeit impliziert. Während dem deutschen, oder englischen Begriff immer das etwas biedere, langweilige, angestaubte anhaftet, steht der französische Terminus für die genaue Antithese. Banlieue, das kann man als Synonym verstehen. Für trostlose Plattenbauten, für Rassenkonflikte, Drogen, Gewalt und Perspektivlosigkeit. In diesen Vororten leben die Ärmsten der Armen, die, die neben der Gesellschaft stehen. Diejenigen, die durch das soziale Netz gefallen sind. Und genau von diesen Menschen erzählt auch der 1995 erschienen Film von Mathieu Kassovitz „La Haine“.
„Bisher hierher lief es noch ganz gut. Bis hierher lief es noch ganz gut. Bis hierher....“ Die Worte eines Mannes, der sich aus der fünfzigsten Etage eines der Häuserblocks in die Tiefe stürzte, und die er Etage für Etage wiederholte. Sie stehen als Worte des Off-Erzählers am Anfang von Kassovitzs Film. Doch bereits die Bilder der „Exposition“ nehmen die Konsequenz vorweg: In einer Pfütze spiegelt sich der Mond, in Zeitlupe fliegt ein Molotow-Cocktail auf dieses Spiegelbild zu, und das Bersten der Flasche, das Explodieren des brennbaren Gemischs manifestiert sich von Sekunde zu Sekunde als unausweichliche Konsequenz. Was im eigentlichen Vorspann folgt sind Medienbilder – untermalt mit dem Soundtrack des Aufruhrs: Bob Marleys "Burning and Looting". Videoaufnahmen, die auch heute wieder über den Bildschirm flackern. – „Schwarz-weiß Ästhetik der Realität“: Demonstranten schmeißen Brandbomben und Steine, plündern Geschäfte, stecken Autos in Brand. „Jugendliche und Polizei stehen sich in Straßenschlachten gegenüber - staatliche Macht und die Macht der Aufständischen im ungleichen Kampf. Der französische Staat schickt seine Sondereinheiten, um die Ausgeschlossenen an dem für sie bestimmten Ort wieder einzuschließen, draußen in den Banlieues, den Vorstädten der Großstadt Paris.“ (1) Umsetzungen Sarkozys Worte, der „das Gesinde wegkärchen“ und mit einem „Hochdruckreiniger wegspritzen“ will. Und auch die Ausgangssituation, die Kassovitz entwirft, findet in der aktuellen Situation eine Entsprechung. 2005 waren Gerüchte um den Tod zweier ausländischer Jugendlicher Auslöser der Gewalt. Sie waren bei einer Polizeikontrolle geflohen und waren – nachdem sie sich in einem Transformatorenhäuschen versteckt hatten – von Stromschlägen lebensgefährlich bzw. tödlich verletzt worden. Im Film ist es ebenfalls ein Jugendlicher, der nach der Konfrontation mit der Polizei im Sterben liegt, und der so zu einer Art Märtyrer für Seinsgleichen wird – zur brennenden Lunte am Pulverfass. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die verlorene oder geklaute Dienstwaffe eines Polizisten. Kassovitz baut so als Ausgangsbasis eine drohende Katastrophe auf und setzt eine tickende Zeitbombe an den Anfang, deren Explosion unvermeidbar scheint. Dabei ist auffällig, dass auf die explizite Darstellung von tief gehenden Emotionen eher verzichtet wird, obwohl der Filmtitel anderes erwarten lässt. Man bekommt weder extreme Hass-Tiraden der einen oder der anderen Seite zu hören, noch gibt es gewalttätige Konfrontationen der „verfeindeten Parteien“ zu sehen. Stattdessen zeichnet Kassovitz das Bild einer perspektivenlosen Jugend, benennt so auch ganz vordergründig eher die Ursachen, als die Wirkung – identifiziert die „multikulturell instabilen Banlieus als Räume der Frustrationen und der brachialen Animositäten.“ (2) Er zeigt das wahre Leben in den Vororten, das bereits per se dazu führt, was McNeill "Stigmatisierung" ihrer Bewohner nennt (3): Wer aus einem der Banlieus stammt, hat von vornherein keine Chance, wird als Asozialer, Gewalttätiger oder Drogensüchtiger abgestempelt, ohne Möglichkeit aus seinem vorgezeichneten Leben auszubrechen. Und so hängen die Jungendlichen ohne Ziel und ohne Vision Tag für Tag auf der Straße herum, vertreiben sich die Zeit mit Hip-Hop, Parties und Drogen. „La Haine“ wirkt mit der Beschreibung dieses Alltags dann auch eher als Milieustudie oder als Semi/Pseudo-Dokumentation. „La Haine“ zeigt das, wovor Politiker und Gesellschaft so gerne die Augen verschließen. „Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt. Während sie fällt sagt sie, um sich zu beruhigen, immer wieder „Bisher hierher lief es noch ganz gut.“ – Doch das Wichtige ist nicht der Fall, sondern die Landung."
1) http://www.filminiti...e/cd/haupt4.htm
2) http://www.nzz.ch/dossiers/randale-frankre...ticleDAUWX.html
3) vgl. Tony McNeill / Bachmann & Basier (http://www.sunderlan...p1/banlieue.htm)
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#147
Geschrieben 19. März 2006, 14:34
The Pink Panther (Remake 2006)
(14.3.2006 – Matthäser München, OV)
Inspektor Jacques Clouseau – alleine der Name beschwört bereits Bilder eines schusseligen, völlig chaotischen Polizeibeamten herauf. Wo Clouseau wütet, da bleibt kein Stein auf dem anderen. Und auch im Jahre 2006 treibt der Inspektor seinen Vorgesetzten Dreyfus in den Wahnsinn.
Wie in Blake Edwards Original von 1963 bildet der Diebstahl des Juwelen „Pink Panther“ den Ausgangspunkt der Handlung. Das Innenleben dieses Handlungsrahmens wird aus Versatzstücken der ersten Pink-Panther-Teile konstruiert. Und so stolpert Clouseau alias Steve Martin von einem Missgeschick ins nächste, wenn er versucht den Mord an einem berühmten Fußballtrainer aufzuklären und den wertvollen Edelstein wieder zu finden. Dabei ist der Film anfangs rasanter als das Original. Wo die „Vorlage“ jedoch im weiteren Verlauf an Fahrt gewinnt und mit einer grandiosen Szene nach der anderen aufwartet, geht die Spritzigkeit beim Remake nach und nach verloren. Wo sich bei Edwards der Humor langsam entfaltet und subtiler aufbaut – wird er bei Levy mit der klassischen Holzhammermethode präsentiert. Das nutzt sich schnell ab und wird zur Routine: Aus Gags werden Zoten.
Auch sonst bleibt vom Original nicht viel übrig. Der Charme der Ur-Filme konnte in keiner Weise ins 21. Jahrhundert herübergerettet werden. Die Hauptdarsteller schaffen es nicht ihre Charaktere mit Leben zu füllen und ihnen ein Gesicht zu geben. Gerade beim Protagonisten – Clouseau – fällt diese fehlende Tiefe des Charakters ins Gewicht. Der Inspector ist nicht mehr der naive, kopflose und zugleich ein wenig überhebliche, ignorante Mensch, den Peter Sellers verkörperte. Er wird stattdessen reduziert auf bloße Oberflächlichkeit, die als endloser Running Gang den Film vorantreibt: „He's very easy to spot. He's got white hair, a thin mustache... Brimming with confidence, and *completely* lost.“ Auch die grandiose Intonation des französischen Akzents Steve Martins bleibt hier nur anfangs famose Fortführung des Originals. Sie wird zu sehr überstrapaziert und schnell zum bloßen Klamauk degradiert.
Das gesamte Ensemble aus Darstellern, aus Kulisse und Story wirkt auf mich wie ein Themen-Park in Disney-World. Glatt gebügelt, bunt und poppig – ohne Charakter und Eleganz, dafür aber mit Feel-Good-Garantie. So kann „Pink Panther“ also als Remake nicht überzeugen. Es mangelt an Charme, an Charakter und an Originalität.
„The Pink Panther“ – Dieser Begriff ist und bleibt für mich auch weiterhin untrennbar mit den Namen Peter Sellers und Blake Edwards verbunden. Beide haben sich mit diesem Werk – und den darauf folgenden Sequels – ein Denkmal gesetzt. Ein Denkmal, an dem auch Shawn Levy und Steve Martin mit ihrem gleichnamigen Remake aus dem Jahre 2006 nicht rütteln können.
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#148
Geschrieben 16. April 2006, 17:50
(Luc de Vauvenargues, Unterdrückte Maximen)
Alle Kinder dieser Welt - All the invisible children
(14.4.2006 – Atelier München)
„Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind.
Zwei Millionen Kinder sind HIV-infiziert.
Hundert Millionen leben auf der Straße.
Eine Viertelmillion steht unter Waffen.“
Nur in unserer „westlichen Welt“ scheint der Begriff „Kindheit“ noch die Idee eines unbeschwerten Lebens zu vermitteln. „Sorglos sein“ - Allzu oft verblasst diese Vorstellung zur bloßen Utopie. „Alle Kinder dieser Welt“, die in diesem gleichnamigen Film die Protagonisten sind, wurden ihrer Kindheit beraubt, mussten viel zu früh „erwachsen“ werden. Sie gibt es überall und doch treten sie selten in das öffentliche Bewusstsein – bleiben unsichtbar. Und so ist auch der Original-Titel dieses Gemeinschafts-Werkes passender: „All the invisble children“. Gleichzeitig verweist er auf den ähnlich lautenden Film „Invisible Children“ aus dem Jahre 2003. Für diese Dokumentation stellten sich drei junge Amerikaner die Frage "Kann eine Story die Welt verändern?" Eine solche Story fanden sie in Uganda. Hier trafen sie auf tausende von Menschen, die von den Aufständen der "Lord's Resistance Army" betroffen sind, sich als Kindersoldaten verdingen müssen... (1)
Für das Projekt „All the invisible children“ hat die italienische Produzentin Chiara Tilesi acht namenhafte Regisseure um sich versammeln können: Mehdi Charef, Emir Kusturica, Spike Lee, Kátia Lund, Jordan und Ridley Scott, Stefano Veneruso und John Woo – alle hatten die Aufgabe einen Kurzfilm über die Notlage von Kindern ihres Heimatlandes zu drehen. Ein überaus nobles Ansinnen – erst recht wenn man bedenkt, dass mit jeder Kinokarte das World Food Programme und UNICEF unterstützt werden. Die erste Episode in „All the invisble Children“ greift die Thematik von „Invisible Children“ direkt wieder auf. In „Tanza“ von Mehdi Charef begleiten wir junge Kindersoldaten in Rwanda. Der Anführer, der Älteste unter ihnen, ist zwanzig, der titelgebende Tanza erst zwölf. Er soll eine Bombe in einem Dorf platzieren...
In „Blue Gypsy“ erzählt Emir Kusturica von Uros, einem Zigeunerjungen, der kurz vor der Entlassung aus dem Jugendgefängnis steht – doch draußen wartet nur die kalte Realität auf ihn – und sein Vater, der ihn prügelt und zum Stehlen zwingt. Emir Kusturica’s Epsiode trägt unmissverständlich dessen Handschrift: Die groteske Art, der (sinnlose) „Folklore-Slapstick, der braune – fast sepia-angehauchte - Farbfilter und die permanent spielenden und durchs Bild wandernden Musiker. Der Soundtrack hierfür liefert passenderweise gleich Kusturicas eigene Band, das „Emir Kusturica and the No Smoking Orchestra“. Man merkt auch hier, dass neben dem Filmemachen die Musik die große Leidenschaft von Kusturica ist: „Sollte es mal ein Szene in einem Film von ihm geben, in der keine Blaskapelle zu sehen ist, kann man sicher sein, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis eine auftaucht“, so der offizielle Pressetext. Das trägt dazu bei, dass seine Filme laut und schräg wirken. In diesem Fall wird daraus viel Lärm... viel Lärm in dem alles andere untergeht.
„Jesus Child of America“, benannt nach einem Stevie Wonder Song, von Spike Lee stellte die stärkste und eindringlichste Episode der kleinen Filmchen dar. Angesiedelt in Brooklyn erzählt diese die Geschichte von „Blanca, einer hübschen, intelligenten 12-Jährigen von auffallender Fragilität. Behutsam, als hätte er 90 statt nur zehn Minuten Zeit, zeigt Lee Blanca beim Zickenkampf in der Schule und dann zu Hause bei den Eltern. Beide sind Junkies, trotzdem versuchen sie einen prekären Alltag des Behütetseins für ihre Tochter aufrechtzuerhalten. Bevor Blanca es erfährt, hat der Zuschauer längst begriffen: Alle drei sind HIV-positiv. Wie das Mädchen dieser Tatsache schließlich ins Auge blickt, das gehört zu den nicht so leicht zu vergessenden Momenten des Films.“ (2)
Katia Lund, Co-Regisseurin von „City of God“, bringt dessen Stil und „entfesselte Kamera“ in der anfänglichen Parallelmontage in ihre Epsiode mit ein. In „Bilu E João“ zeigt sie den Überlebenskampf zweier Kinder in den Favelas Sao Paulos. Die beiden Geschwister schlagen sich als Kleinstunternehmer durch. Ihre wertvollen Güter sind Müll – Pappe und Dosen. Von anderen Menschen achtlos weggeworfen, sichern sie den beiden den Lebensunterhalt. Vielleicht - trotz der Umstände – die fröhlichste Episode des Tableaus. Katia Lund zeigt den Überlebenskampf der Kinder als „daily business“, und gesteht ihren Protagonisten Lachen, Spaß und Erholung zu – soweit, dass ab und an so etwas wie Glück und Romantik aufzukeimen scheint.
Die von Ridley Scott inszenierte Episode ist von daher interessant, dass er sie erstens zusammen mit seiner Tochter Jordan gedreht hat, und zum zweiten weil hier zum einzigen Mal ein Erwachsener im Mittelpunkt des Geschehens steht. Der Kriegsfotograf Jonathan steckt in einer Krise: Er empfindet seinen Beruf als sinnlos. Als bloßer Beobachter zur Tatenlosigkeit verdammt und desillusioniert träumt er sich in seine wohlbehütete Kindheit zurück. Erforscht, wie im Spiel, ein unwirkliches Szenario von Kriegsschauplätzen, die wie ein surrealer Spielplatz wirken. Die ansonsten artifiziell und abstrakt bleibende Episode, wird nur in einem Moment greifbar. Und zwar in dem Moment, als der Fotograf die zusammen gezimmerte Behausung der Kinder betritt und das Zusammenleben der Kinder als „Ersatzfamilie“ wahrnimmt...
John Woo verknüpft in „Song Song & Little Cat“ das Leben des armen Weisenkindes Little Cat und das der wohlhabenden und doch unglücklichen Song Song. Er wählte als „Bühne“ für die Schilderung dieses Kontrastes Beijing – die chinesische Stadt, die nach Shanghai am schnellsten wächst. „Dort wird das Grundproblem deutlich: Viele Menschen verdienen immense Summen an Geld, aber noch mehr bleiben arm. Doch die Kinder haben meistens dieselben Probleme: etwa zuwenig Liebe und Zuwendung.“ (3).
Interessante Episoden bietet dieses Gesamtwerk allemal: Die einen gelungen und länger nachhallend, andere, die sich schnell verflüchtigen. Das Spektrum reicht von bunt und poppig bis hin zu ernstem „Downer“, oder frontalem Tränendrüsen-Angriff - Die Handschrift der Regisseure ist meist deutlich zu erkennen. Eines wird jedoch bei allen Episoden deutlich: "Die Idee der Kindheit ist eine der großen Erfindungen der Renaissance, vielleicht ihre menschlichste. ... Aber wie bei allen gesellschaftlichen Institutionen ist ihr Fortbestand durchaus nichts Selbstverständliches." (4)
(1) http://www.invisible...n.com/theMovie/
(2) http://www.taz.de/pt...13/a0229.1/text
(3) Interview mit Woo im Hamburger Abendblatt
(4) Neil Postman, Das Verschwinden der Kindheit, S.Fischer Verlag
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#149
Geschrieben 28. Mai 2006, 12:59
Hostel
(Mathäser München – 25.5.2006)
Zwei jugendliche Amerikaner und ein Isländer begeben sich back-packend auf Entdeckungsreise quer durch Europa. Auf dem Programm steht Kultur – oder zumindest das, was sie dafür halten. Also in erster Linie Sex and Drugs... zum Rock’n’Roll wird es später kommen. So saufen, kiffen und vögeln sich die drei Schwerenöter quer über die Landkarte: Von Nord nach Süd, von West nach Ost. Geradewegs aus der Zivilisation heraus und hinein in den „Wild East“. Das unbekannte Territorium, in dem nach Jahren des Sozialismus Anarchie als Abart des extremsten Kapitalismus herrscht. Solvente Geschäftsmänner und vom Leben gelangweilte Hobby-Sadisten können hier ihre quälerischen Fantasien als Folterknechte ausleben. Bekleidet mit Mundschutz und langem Kittel sehen sie dabei aus wie eine abstruse Mischung aus Zahnarzt und Metzger – und können auch einer ähnlichen Profession nachgehen. Ausgestattet mit Elektrobohrer und Rohrzange, und allem anderen was der Baumarkt so hergibt – dürfen sie ihre Opfer malträtieren. Cinematographisch greift Roth dabei auf Bilder zurück, die wir aus den Nachrichten kennen und spannt somit den Bogen zu Guantanamo und Abu Ghraib.
Die Handlungselemente selbst waren schon lange vor Filmstart bekannt: Torture sells.... und Roth fügt ihnen wenig Neues hinzu. Trotzdem weiß „Hostel“ im Kino erst einmal zu überraschen. Roth nimmt sich lange Zeit für seine Exposition. Die Protagonisten dürfen sich so richtig austoben: Gut zwei drittel des Films grölen und pöbeln sie als hedonistischen Touristen durch das Rotlichtviertel Amsterdams, bis sie in einem Kaff kurz vor dem gelobten Bratislava ankommen. Doch dort ist neben Sex noch viel mehr käuflich – und so kommt es, dass sie bald selbst als Ware gehandelt werden und in der Fremde um ihr Leben bangen müssen. Eli Roth lässt seine ewig lange Einleitung bis dahin ungenutzt verstreichen. Die Protagonisten werden nur oberflächlich charakterisiert und keine Atmosphäre aufgebaut. Das ist nicht weiters schlimm, hat der Film eventuell gar nicht einen solchen Anspruch. Wenn sich der Film dann aber auf die Fahnen schreibt kräftig auf die Kacke zu hauen, dann sollte der das aber gefälligst auch tun. Doch weit gefehlt: Genauso gähnend langsam, wie der Prolog, kriecht der gesamte Film dem Ende entgegen. Ein dreißig Jahre alter „Marathon Mann“ oder ein jüngerer koreanischer Vertreter des „Body Kinos“ sind da bei weitem angsteinflössender, expliziter und „körperlicher“. So besitzt der Film also weder – wie erwartet – eine ausgefeilte Story und Charaktere, noch – und das überrascht – besonders krasse inhaltliche Grenzüberschreitungen oder gar wirklich hintergründige Subversivitäten. Interessant ist „Hostel“ nur aufgrund einer Tatsache: Es ist ein Film der in allen Belangen und auf ganzer Linie komplett scheitert.
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#150
Geschrieben 30. Mai 2006, 23:46
Kein Science Fiction
(24.5.2006 - Monopol München)
Franz Müller hat mit seinem Abschlussfilm der Kunsthochschule für Medien in Köln eine intelligente und witzige Variation von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ geschaffen. Zwei grund-gegensätzliche Protagonisten, die durch einen seltsamen Zufall aneinander gebunden sind und versuchen mit der Situation klar zu kommen. Das Gedankenspiel um das Leben ohne Konsequenzen und die ewige zweite Chance kommt dabei zwar weniger „berechnend“ daher als das Hollywood-Pendant, dafür aber wesentlich frischer, subtiler und „realer“. – Neben den Schauspielern – grandios auch hier Jan Henrik Stahlberg, der sich bereits einen Namen gemacht hat: Als Schauspieler mit der Hauptrolle in „Muxmäuschenstill“ und als Regisseur mit dem kürzlich erschienenen „Bye Bye Berlusconi!“ - wohl ein Verdienst des zugrunde liegenden Konzepts: Die Geschichte des Films wurde gemeinsam mit den Schauspielern entwickelt, sämtliche Dialoge wurden improvisiert und alle Szenen in chronologischer Reihenfolge gedreht.
Bereits 2003 hatte „Kein Science Fiction“ seine Uraufführung auf der Berlinale in der Reihe Perspektive Deustches Kino. Im Anschluss daran lief er auf zig Filmfestivals. 2004 lief er dann unter dem Titel „Science Fiction“ in deutschen Kinos. Eine „Titelschutzklage“ verhinderte jedoch, dass dies für längere Zeit der Fall war – so kommt er erst jetzt mit Verspätung wieder ins Kino, unter neuem Namen: „Kein Science Fiction.“ Bleibt zu hoffen, dass er diese mal länger läuft - und dass er viele Zuschauer findet.
Notiz an mich: „Westend“ kaufen und schauen – da spielen nämlich auch die beiden Hauptdarsteller mit.
(1) http://www.khm.de/ne...003/science.htm
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